Die Justiz-Kreise von 1785
Auszug aus dem Dritten Hauptstück der Vollständigen Topographie des Königreichs Preußen von Johann Friedrich Goldbeck, 1785
von der 1785 geltenden Verfassung des Justitz-Wesens in Preussen
Preussen hat in Ansehung des Justitz-Wesens im Jahre 1782 eine neue Einrichtung erhalten, die in einem besonders gedruckten Reglement d.d. Berlin den 3. December 1781 bekannt gemacht worden ist. Nach demselben sind sowohl alle bisherige Provinzial- oder Aemter-Justitz-Collegia in Ost-Preussen, als auch alle Landvogtey-Gerichte in West-Preussen (das Bischöflich Ermländische Landvogtey-Gericht zu Heilsberg ausgenommen) durch welche ein Theil der dem Könige über den Adel und die eximirte Personen zustehenden unmittelbaren Gerichtsbarkeit größtentheils ausgeübt wurde, gänzlich aufgehoben und alle von ihnen besorgte Geschäfte den Ober-Landes-Justitz-Collegiis übertragen worden. Eben so sind auch die in Königsberg unter dem Namen des Tribunals, des Hofgerichts, des Pupillen-Collegii, des Oberburggräflichen Amtes ... bisher bestandene separate Collegia eingegangen.
Stat aller dieser aufgehobenen Collegien sind in jeder Provinz des Königreichs Preussen zwey Ober-Landes-Justitz-Collegia errichtet worden; nehmlich:
In Ost-Preussen.
- Die Ost-Preußische Regierung zu Königsberg.
- Das Ost-Preußische Hofgericht zu Insterburg.
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Jedes dieser Ober-Gerichte hat seinen besonderen ihm angewiesenen Jurisdictions-Bezirk, der mit jedem Cammer-Departement fast von gleichem Umfang ist. Zu Besorgung der Aufträge dieser Ober-Collegiorum und zur Aufsicht über die Untergerichte ist jedes Ober-Gerichts-Departement in gewisse Kreise eingetheilt (die größtentheils mit den eingegangenen Justitz-Collegien gleichen Umfang behalten haben) und jedem derselben ein Justitz-Rath vorgesetzt worden, dem ein Aktuarius zur Aßistenz zugegeben ist. Diese Kreis-Justitz-Kommißionen sind indessen nicht als Untergerichte anzusehen, indem von den Kreis-Justitz-Räthen keine Urtheile gefällt werden; sondern sie sind Commissarii der Ober-Gerichte und besorgen als solche gewisse zum unmittelbaren Ressort der Landes-Justitz-Collegien an und für sich gehörige Geschäfte, vollziehen die von den Obergerichten ihnen in speciellen Sachen gemachte Aufträge und führen die Criminal-Untersuchungen in der Qualität von Inquisitoribus publicis. Auch haben sie über alle in ihrem Kreis befindlichen Untergerichte, sie seyen Städtische- oder Domaine-Justitz-Aemter oder adel. Patrimonial-Gerichte, und über alle Gerichtsverwalter Aufsicht. In welche Kreise das Departement eine jeden Ober-Gerichts eingetheilt worden, wird bey einem jeden Landes-Justitz-Collegio weiter unten angezeigt werden. Welche Städte, Aemter, Güter, etc. aber in jedem dieser Justitz-Commißions-Kreise belegen sind, findet man in der fünften Rubrik der tabellarischen Topographie angemerkt.
Alle Obergerichte in Preussen sind von einander unabhängig, stehen unmittelbar und lediglich unter dem Justitz-Departement des Etats-Ministerii zu Berlin und haben in ihren Jurisdictions-Bezirken alle Civil-Criminal-Justitz-Hypotheken-Pupillen- und Depositen-Sachen zu respiciren, imgleichen über sämmtliche in ihren Departements befindliche Untergerichte Aufsicht zu führen, wie denn auch alle Appellationen von den Untergerichten ihres Departements an sie gehen. Unmittelbar stehen unter den Obergerichten der gesammte in ihren Departements befindliche Adel, imgleichen die bürgerlichen Besitzer adelicher Güter, mit Ausnahme der in den adel. Erbämtern angesessene Gutsbesitzer, wie auch alle Königliche Bediente vom Civil- und geistlichen Stande und alle übrige Eximirte.
Was dies Landes-Hoheits- und geistliche Sachen betrift: so sind selbige in ganz Ost-Preussen mit Einschluß des Ermlandes und der sonst zu West-Preussen geschlagenen adelichen Erbämter Schönberg und Deutsch Eylau, so wie bisher der Ost-Preußishen Landes-Regierung, die jetzt die Benennung des Ost-Preußischen Etats-Ministerii erhalten hat, zur ferneren Besorgung übertragen worden; welches Etats-Ministerium auch in Sachen seines Reßorts das Nöthige sowohl an die Ost-Preußische Regierung, als an das Ost-Preußische Hofgericht, wie nicht minder an sämmtliche Kreis-Justitz-Räthe und Untergerichte per modum Rescripii verfügen kann. In Ansehung der evangelischen Consistorial-Sachen in Ost-Preussen ist es gleichfals bey der bisherigen Einrichtung geblieben, nach welcher die innere und eigentlich kirchliche Angelegenheiten von dem, dem Ost-Preußischen Etats-Ministerio subordinirten Ost-Preußischen Consistorio, die übrige geistliche Sachen aber, besonders was die ökonomische Angelegenheiten betrift, von dem Ost-Preußischen Etats-Ministerio betrieben worden sind, welches sich auch in de ökonomischen Angelegenheiten und Rechnungen der Kirchen und anderer Piorum Corporum der Kreis-Justiz-Räthe so bedienen kann, als es sich ehedem der aufgehobenen Justitz-Collegien bediente. Eben dieses gilt in Ansehung des Bischöflich Ermländischen Römisch Katholischen Consistorii zu Heilsberg. Die Ost-Preußischen Ober-Gerichte haben also mit Consistorial-Sachen, so lange selbige nicht zur Constellation und ad viam juris ordinariam gediehen sind, nichts zu thun.
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Jede Regierung besteht aus 2 Senaten; jedes Hofgericht aber nur aus einem Senate. Bey den Regierungen gehen die Appellationen von den Untergerichten in Sachen von 200 Reichsthaler und drüber an den zweyten oder obern Senat und das Repistorium gehet alsdenn an das Ober-Tribunal in Berlin. Beträgt aber die Sache unter 200 Reichsthaler so geht die Appellation von dem Untergerichte an den ersten, und die Revision an den zweyten Senat; es wäre denn, daß der Revident ausdrücklich bey dem Ober-Tribunal in Berlin erkannt haben wollte. Ist aber in erster Instanz bey dem ersten Senat der Regierung erkannt worden: so geht die Appellation an den zweyten Senat und die Revision wird in Sachen von und über 200 Reichsthaler an das Ober-Tribunal in Berlin dirigirt; in geringern Sachen aber wird das Erkenntniß in Revisorio per modum perpetuae delegationis der Ost- und West-Preußischen Regierung wechselseitig übertragen; jedoch bleibt auch hier dem Revidenten erlaubt, auf die Verschickung der Akten an das Ober-Tribunal in Berlin anzutragen.
Bey den beyden Hofgerichten gehen die Appellationen von denen zu ihrem Departement gehörigen Unter-Gerichten an das Hofgericht und die Revision in Sachen von 200 Reichsthaler und drüber, an das Ober-Tribunal in Berlin; bey geringern Sacher aber per modum delegationis perpetuae an den zweyten Senat der Regierungen, und zwar vom Ost-Preußischen Hofgericht an die Ost-Preußische Regierung, und vom West-Preußischen Hofgericht an die West-Preußische Regierung. Wird aber in erster Instanz bey den Hofgerichten gesprochen: so wird bey Sachen von 200 Reichsthaler und drüber in Appellatorio, per modum perpetuae delegationis bey dem zweyten Senat der Regierungen gesprochen, und die Revision geht alsdenn an das Ober-Tribunal zu Berlin. In Sachen unter 200 Reichsthaler wird das Erkenntniß in Appellatorio dem ersten Senat, so wie in Revisorio dem zweyten Senat übertragen, doch kann auch hier der Revident das dritte Erkenntniß von dem Ober-Tribunal in Berlin verlangen.
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Was die adelichen Patrimonial-Gerichte betrift: so ist zu bemerken, daß die Besitzer aller adelichen Güter in Preussen ihre eigene Gerichtsbarkeit, und viele derselben auch die hohe und Criminal, ja einige sogar die sonst nur dem Landesherrn zustehende Straßen- und Wege-Jurisdiktion haben; auch bisher größtentheils, einige kleine adeliche Güter ausgenommen, durch besondere Justitiarios oder durch einen Justitz-Bürgermeister, Richter oder einen andern rechtsverständigen Mann, den sie dazu requirirten, haben verwalten lassen. Nach dem zuerst erwehnten neuen Justitz-Reglement ist auch dem Adel die eigene Gerichtsbarkeit und das Recht, ihre Justitiarios selbst zu wählen und zu präsentiren gelassen worden. Diese Justitiarii aber müssen vorher von den Landes-Justitz-Collegiis geprüft und bestätigt seyn, eine ordentliche Bestallung und ein fixirte Besoldung von den Gerichtsherrn erhalten und können von letztern nicht eingenmächtig wieder abgeschaft werden; dagegen die Gerichts-Sporkeln nach der verordneten Taxe dem Justidictionario verbleiben. Den Gerichtsherrn einzelner Güter, denen es zu schwer fallen würde, dergleichen fixirten Gehalt für einen eigenen Justitiarium aufzubringen, ist verstattet worden, daß mehrere zusammen unter der Direktion und Vermittelung der Landes-Justitz-Collegien, einen gemeinschaftlichen Justitiarium, dem ein Aktuarius zugegeben werden muß, nach Mehrheit der Stimmen wählen und annehmen können. Beyde erhalten von den Gerichtsherrn gemeinschaftlich und verhältnißmäßig einen fixierten Unterhalt an Geld und Naturalien; dagegen die Gerichts-Sporkeln jedem Gerichtsherrn verbleiben. Die solchergestalt von einzelnen oder von mehrern zusammen verbundene Jurisdiktions-Berechtigte exerciren die Gerichtsbarkeit ihrer Constituenten nach deren ganzem Umfange mit Inbegrif aller dazu gehörigen Actuum contentiofae & voluntariae jurisdictionis, des Hypotheken- Vormundschafts- und Depositen-Wesens, imgleichen Criminalium, sofern als die Gerichtsherrn selbst nach der Landesverfassung und ihren Privilegien mit den Obergerichten versehen sind. Uebrigens sind alle in einem Distrikt befindliche Justitiarii dem diesem Distrikte vorgesetzten Kreis-Justitz-Rathe in so fern subordinirt, daß sie demselben auf die eingegangene Beschwerden, oder auf sein sonstiges Erfordern Bericht abstatten und Acta einsenden, auch sich denen von ihm vorzunehmenden Visitationen unterwerfen müssen.
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Die Justiz-Kommissions-Kreise von Ostpreußen sind nachfolgend aufgeführt:
Angerburg |
Brandenburg |
Fischhausen |
Gerdauen |
Gilgenburg |
Insterburg |
Bischöfliches Landvogteygericht Heilsberg |
Lyck |
Memel |
Neidenburg |
Preussisch-Eylau |
Salfeld |
Tapiau |
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