Ostpreußenblatt, Folge 03 vom 21.01.1956

Ostpreußenblatt

Folge 03 vom 21.01.1956

 

Seite 1  Foto: In diesen Tagen in Allenstein.

Das Bild, das wir hier zeigen, die Alle-Brücke an der Schlossfreiheit in Allenstein, ist in diesem Winter dort aufgenommen worden, kurz vor Weihnachten. Ein Landsmann hat eine Besuchsreise nach Allenstein durchführen können, und er schickt uns fünf Fotos, die er bei seinem Aufenthalt in Allenstein hat machen können; vier von ihnen bringen wir auf Seite 3 dieser Folge.

 

An der Alle-Brücke, die wir hier sehen, steht noch der alte Fachwerkbau der Pindei-Mühle, in der in alter Weise mit Steinen das Getreide gemahlen wurde, das die Kundschaft für den eigenen Bedarf zur Mühle brachte. Die massiven Gebäude der modernen leistungsfähigen Sperlschen Mühle sind zerstört. Die hohen Bäume auf dem rechten Ufer stehen zu Füßen der Schlossmauer.

 

Seite 1   Des Volkes Wille

Die nun schon seit vielen Monaten geführte und in der letzten Zeit erheblich verschärfte Debatte der Parteien um ein neues Bundeswahlgesetz erscheint manchem schlichten Staatsbürger und Wähler ziemlich merkwürdig. Er erinnert sich daran, dass der Streit darüber, welches Wahlsystem für die junge Bundesrepublik das beste und zuträglichste sei, im Grunde seit 1949 niemals ganz verstummte, dass der Öffentlichkeit eine ganze Reihe von Vorschlägen vorgelegt wurden, von denen ihre jeweiligen Verfechter fast stets versicherten, nur dieser Plan sei im besten Sinne demokratisch und berücksichtige den Volkswillen wirklich. Da nun aber einmal die allermeisten von uns weder berufsmäßige „Wahlberechner" noch Wahlrechtsspezialisten sind, so hat die Allgemeinheit zumeist alle diese Entwürfe lediglich zur Kenntnis nehmen können, ohne in der Lage zu sein, im einzelnen ihre Vorzüge und Nachteile voll beurteilen zu können. Noch verwirrter wurde so mancher dadurch, dass sich auch innerhalb bestimmter Parteien die Ansichten auf diesem Gebiet im Laufe der Jahre geändert haben, dass einige Politiker etwa zunächst das sogenannte Mehrheitswahlrecht in Wahlkreisen und dann stärker die „Verhältniswahl" und die Landeslisten berücksichtigt wissen wollten. Einige Pläne stellen sogar noch Mischungen verschiedener Möglichkeiten dar. Ist dann womöglich noch von „Proporz" und „Majorz" die Rede und werden weitere Fremdwort-Fachausdrücke ins Gespräch geworfen, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo der Normalbürger ohne großen politischen Ehrgeiz entweder im Lexikon nach Klarheit sucht oder die Debatte „denen da oben" überlässt.

 

Worum es geht

Da es sich hier nun aber keineswegs um nebensächliche bürokratische Maßnahmen handelt, die höchstens ein paar Wahlvorstände und Aufsichtsbehörden interessieren, möchte man allen Politikern dringend nahelegen, ein so wichtiges Anliegen endlich auch so zu diskutieren, dass auch das Volk selbst den Auseinandersetzungen aufmerksam folgen kann. Machen wir alle uns doch einmal folgendes klar: der Souverän der deutschen Bundesrepublik ist das ganze deutsche Volk, sind wir alle. Da wir in einer Demokratie leben, kommt alles entscheidend darauf an, dass der ausgesprochene Wille und Auftrag dieses souveränen Volkes auch im Wahlergebnis so klar und eindeutig wie möglich zum Ausdruck kommt. Ein Wahlgesetz, das diesem obersten Erfordernis Rechnung trägt, ist gut, eines, das diesen wirklichen Volkswillen verfälscht und verfärbt, ist ebenso gewiss vom Übel. Das Wahlgesetz, das wir in jedem Fall brauchen, soll verhüten, dass abermals — wie vor 1933 — jede noch so alberne und oft auch gefährliche Splittergruppe eine verhängnisvolle Rolle in unseren Parlamenten spielt, es soll aber ebenso verhüten, dass irgendeine Partei, die jemals die führende Rolle übernahm, nun mit Hilfe von Wahlparagraphen ihre Position für alle Zeiten sichert, ohne vielleicht wirklich noch die Mehrheit des Volkes hinter sich zu wissen. Man hat gelegentlich gesagt, auch in Deutschland wäre es — ebenso wie etwa in England und USA — eine Ideallösung, wenn es stets nur zwei Parteien gäbe, von denen eine dann durch das Wahlgesetz so stark mit Mandaten ausgestattet werde, dass sie mit großer Mehrheit vier Jahre lang regieren kann. Wir wünschen uns wohl alle nicht eine Wiederkehr jener Zeiten, wo auf einem Wahlzettel bis zu dreißig oder vierzig Kandidatenlisten standen und eine tragfähige Regierung überhaupt nicht mehr gebildet werden konnte. Auf der anderen Seite sollen und müssen wir uns davor hüten, ausländische Beispiele unbesehen für uns zu übernehmen. Auch die kleineren, lebensfähigen Fraktionen und Parteien können bei uns in der Politik und in der parlamentarischen Arbeit eine sehr wichtige Aufgabe erfüllen, und die Fälle werden nicht selten sein, wo gerade aus ihnen höchst wichtige Anregungen und Anstöße kommen. Selbst wenn sie einmal nicht in einer Koalition vertreten sind, können gerade sie die Mahner sein, auf die keine echte Demokratie verzichten kann, wenn sie nicht versteinern will.

 

Das Bestmögliche

In der Zeit vor 1914 wurden nicht wenige Abgeordnete in kleinen Wahlkreisen nicht ausschließlich als Vertreter einer bestimmten Partei, sondern als Persönlichkeit gewählt. Es waren gewiss nicht die schlechtesten Deutschen, die in den letzten Jahren wiederholt betonten, es werde uns gar nichts schaden, wenn auch in Zukunft die Persönlichkeit bei einer Wahl wieder stärker beachtet werde. Man kann sich vorstellen, dass eine solche Persönlichkeit vielleicht nicht immer der gewiegteste Parteimann, der bequemste Fraktionskollege ist. Und doch kann gerade seine Wahl einen großen Gewinn für das Volk darstellen.

 

Das ideale Wahlgesetz, das allen Wünschen Rechnung trägt und niemanden verstimmt, ist in der Geschichte noch nicht gefunden worden und wird wohl auch nie gefunden werden. Was uns aufgetragen ist, das ist die Schaffung der bestmöglichen Wahlordnung, die die bestehenden Provisorien von 1949 und 1953 nicht nur ablöst, sondern auch da verbessert, wo das im Interesse des ganzen Volkes notwendig ist. Dieses Volk muss fühlen und wissen, dass alles geschah, seinem Willen Rechnung zu tragen. Man hat gesagt, das Wahlgesetz der Weimarer Republik habe es schließlich ermöglicht, dass Hitler doch zur Macht kam und die bestehende Ordnung stürzte. Wer die Dinge gewissenhaft prüft, wird dem nur teilweise zustimmen können. Der letzte Grund für den Sprung in eine Katastrophe lag doch wohl nicht bei einer Wahlordnung allein.

 

Das rechte Spiegelbild

Auch die Bundesrepublik ruht allein auf dem Vertrauen des Volkes und der Tüchtigkeit der Männer, die in seinem Auftrage jetzt und in Zukunft zu handeln haben. Sie soll auch für ihr Wahlgesetz alle jene Erfahrungen nutzen, die das deutsche Volk in der Vergangenheit machte, sie soll bessern, was zu bessern ist. Keine Partei hat allein das Privileg der Ideen und schöpferischen Gedanken. Wer wirklich etwas leistet, der braucht sich vor Wahlen nicht zu schützen oder durch Paragraphen zu „sichern". Wann immer die Deutschen nach 1945 an die Urne gingen, haben sie durchaus bewiesen, dass sie echte Leistung sehr wohl zu schätzen wissen. In England ist es oft vorgekommen, dass eine Partei sogar bei einem Minus an Wählerstimmen gegenüber einer anderen sehr wohl eine gewaltige Mehrheit der Mandate erhielt. Der Deutsche braucht sicher mehr politische Gruppen, um seiner Meinung im Parlament Ausdruck zu verschaffen. Ihm liegt das angelsächsische System nicht, das drüben unter ganz anderen Verhältnissen entstanden ist. Wenn bei uns das Parlament in einer Reihe aktiver politischer Gruppierungen das rechte Spiegelbild der Volksmeinung ist, dann haben wir das richtige Wahlgesetz.

 

Seite 1   Es geht auch um Preußen! Ostdeutschland und die Neugliederung des Bundesgebietes. Von unserem Bonner O. B. – Mitarbeiter.

Am 28. Dezember wurde das „Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes" verkündet.

 

Als Vertriebener wird man geneigt sein, dieses Gesetz als uninteressant beiseite zu legen, weil es einem Vertriebenen, der sich in Westdeutschland nur als Gast fühlt oder wenigstens fühlen sollte, gleichgültig sein kann, wie die westdeutschen Volksstämme ihren Siedlungsraum in Länder aufgliedern. Wer so denkt, ist sich über die Tragweite dieses Gesetzes vom 28. Dezember jedoch nicht voll im Klaren. Es geht in diesem Gesetz nicht nur darum, ob im Wege des Volksbegehrens und der nachfolgenden Volksabstimmung die Oldenburger sich wieder als selbständiges Land aus Niedersachsen ausgliedern, ob die Pfälzer das von den Franzosen gebildete Land Rheinland-Pfalz sprengen und sich Bayern oder Baden-Württemberg anschließen, wodurch dann zwangsläufig die Regierungsbezirke Koblenz und Trier wieder zu Nordrhein-Westfalen und die Regierungsbezirke Rheinhessen und Montabaur zu Hessen zurückkehren würden, und ob die Badener einen neuen Versuch unternehmen, ihre Ehe mit den Württembergern zu lösen. Es geht bei diesem Volksbegehrensgesetz auch um die — bisher kaum erkannte — Frage, ob das Land Preußen wiederhergestellt werden soll. An dieser Frage sind jedoch die Ostpreußen und die anderen altreichsdeutschen Vertriebenen sehr stark interessiert. Schließlich war Ostpreußen die Keimzelle des preußischen Staates.

 

Das Land Preußen wurde am 25. Februar 1947 durch Kontrollratsgesetz für aufgelöst erklärt. Abgesehen davon, dass dieses Kontrollratsgesetz gegen die Haager Landkriegsordnung und damit gegen das Völkerrecht verstieß, wonach die Besatzungsmacht keine Staatsgrenzen zu ändern berechtigt ist, hat das Auflösungsdekret ohnehin nur (wenn auch wegen der Völkerrechtswidrigkeit eine zweifelhafte) für das preußische Gebiet westlich der Oder-Neiße-Linie Rechtswirksamkeit, denn für die Gebiete ostwärts von Oder und Neiße besitzt der Kontrollrat keine Rechtssetzungsbefugnis. Im Zusammenhang mit dem Volksbegehrensgesetz geht es jedoch nur um das Preußen westlich der Oder-Neiße-Linie. Der Wortlaut des Gesetzes lässt es zu, dass von den ehemals preußischen Gebieten der Bundesrepublik ein Antrag auf Wiederherstellung des Landes Preußen gestellt wird (ob den Schöpfern dieses Gesetzes klar war, dass das Gesetz eine solche Möglichkeit schafft, sei dahingestellt). Von den Gebieten im Westen waren 1944 preußisch das ganze Land Schleswig-Holstein, vom Land Niedersachsen sämtliche Gebiete mit Ausnahme der Bezirke Oldenburg und Braunschweig und des Kreises Schaumburg-Lippe, vom Lande Nordrhein-Westfalen das gesamte Gebiet mit Ausnahme der beiden ehemals lippischen Kreise, vom Lande Hessen die Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden, vom Lande Rheinland-Pfalz die Regierungsbezirke Trier, Koblenz und Montabaur, vom Lande Bremen der Gebietsteil Wesermünde und vom Lande Baden-Württemberg das Gebiet Hohenzollern. Der gesamte nördliche Teil der Bundesrepublik könnte sich, also wieder zu einem Lande Preußen zusammenschließen. Es kann heute nicht beurteilt werden, ob die ehemaligen preußischen Staatsbürger Westdeutschland nach den Schmähungen Preußens während der letzten zehn Jahre noch so viel preußische Staatsgesinnung besitzen, dass sie die Wiederherstellung des Landes ihrer Väter begehren. Soweit es an den Vertriebenen und an den Ostpreußen im Besonderen liegt, wird es an ihrem Bekenntnis zu Preußen nicht fehlen. Es ist noch nicht zu übersehen, ob von irgendeiner Seite her der Aufruf zu einem Volksbegehren auf Wiederherstellung des preußischen Staates kommen wird. Die Frist zur Beantragung eines Volksbegehrens läuft am 5. Februar dieses Jahres ab.

 

Preußischer Kunstbesitz für Berlin gesichert

Wie der Berliner Kunstsenator Tiburtius mitteilte, hat der Verwaltungsausschuss für den Kulturbesitz des ehemaligen Landes Preußen in Düsseldorf beschlossen, die dem Land Berlin bisher leihweise überlassenen Kunstwerke aus preußischem Besitz Berlin endgültig treuhänderisch zu übertragen.

 

Außerdem sollen 160 italienische sowie vierzig niederländische und deutsche Gemälde neben einer Reihe von Skulpturen aus preußischem Vermögen umgehend nach West-Berlin gebracht werden. Es ist vorgesehen, auch den übrigen, noch verlagerten Kunstbesitz Preußens nach Berlin zu schaffen, sobald durch den voranschreitenden Ausbau des Dahlemer Museums geeignete Ausstellungsräumlichkeiten vorhanden sind.

 

Seite 1   Moskaus Hunger nach baltischem Gold.Die Engländer stellen eine beachtliche Gegenrechnung auf.

Das britische Außenministerium hat einen sehr bezeichnenden sowjetischen Vorschlag für die angebliche „Rückgabe" des baltischen Goldes abgelehnt. Es handelt sich hierbei um Goldbarren, die seinerzeit von den freien Republiken Lettland, Litauen und Estland nach England gesandt wurden, bevor Russland die baltischen Länder 1940 besetzte. Moskau versuchte, nun doch noch in den Besitz des baltischen Goldes zu kommen. Die amtliche Agentur des Kreml erklärte nämlich, die Sowjetunion sei bereit, die Geldforderungen zweier britischer Grubengesellschaften, die früher in der Sowjetunion Interessen hatten, zu ordnen, wenn die Engländer dafür das baltische Gold der Sowjetunion überließen.

 

Die Briten haben einen so üblen Kuhhandel energisch abgelehnt und darauf hingewiesen, dass zwischen den Ansprüchen der beiden englischen Gesellschaften und dem baltischen Gold keinerlei direkte Beziehung bestehe. Bereits im Juli 1950 habe der britische Botschafter Molotow aufgesucht und ihm Verhandlungen über eine Regelung der russischen Vorkriegsschulden an England vorgeschlagen. Moskau hat nämlich den Engländern aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als Rechtsnachfolger des zaristischen Russland noch rund 1,1 Milliarde Pfund Sterling zu bezahlen; das entspricht beinahe dreizehn Milliarden DM. Es ist bezeichnend, dass Moskau auf diesen Vorschlag bis heute nicht geantwortet hat, aber den Versuch unternimmt, sich in den Besitz des baltischen Goldes zu setzen.

 

Seite 1   Geschäftiger Ostblock. Rotpolen bauen arabische Bahn? — Moskau wirbt in Westafrika.

Die außerordentliche Aktivität der Sowjets und ihrer Satellitenstaaten im Orient und in Afrika wird durch neue Tatsachen bewiesen. Aus Damaskus kommt die erstaunliche Meldung, dass die einst von deutschen Firmen erbaute sogenannte Hedschasbahn von Syrien nach den heiligen Stätten Mekka und Medina wahrscheinlich von einer rotpolnischen Firma wieder aufgebaut werden soll. Mit dem Bau dieser Bahn wurde noch in den Tagen des türkischen Kaiserreiches um 1900 begonnen. Deutsche Banken gaben damals die finanziellen Mittel dazu, und die technische Bauleitung wurde auch einem deutschen Ingenieur übertragen. Die Hedschasbahn wurde nach dem arabischen Aufstand 1917 gesprengt. Von der über 800 Kilometer langen Strecke konnten später stets nur Teile wieder gebraucht werden.

 

Die Bahn hat wirtschaftlich und strategisch große Bedeutung. Sie verbindet das Königreich Arabien mit Syrien und Jordanien und kann vor allem auch dem wichtigen Pilgerverkehr der Mohammedaner nach Mekka und Medina dienen. Acht ausländische Gesellschaften hatten sich um den Bau beworben; das finanziell günstigste Angebot soll eine rotpolnische Firma abgegeben haben, hinter der zweifellos die Sowjets stehen.

 

Fast zur gleichen Zeit bereiste bekanntlich eine sowjetische Delegation die westafrikanische Negerrepublik Liberia. Wie stark sich Moskau hier um neuen Einfluss bemüht, das geht daraus hervor, dass die Sowjetdelegation vom Vorsitzenden des Moskauer Nationalitätenrates des Obersten Sowjets, Alexander Wolkow, geleitet wurde. Die Russen haben denn auch sofort Liberia finanzielle und wirtschaftliche Hilfe angeboten. Es sei daran erinnert, dass die erste selbständige Negerrepublik einst von den Amerikanern gegründet und finanziert wurde. Die Amerikaner schickten nach 1822 viele ehemalige Negersklaven nach Liberia, die dort die Freiheit erhielten und einen eigenen Staat gründen durften. Die Finanzverwaltung in Liberia lag bis vor etwa einem Jahrzehnt noch in den Händen der Amerikaner. Die Nachricht von dem Besuch hoher Sowjetpolitiker in dieser schwarzen Republik hat in Washington geradezu sensationell gewirkt.

 

Seite 2   Hat Deutschland keine Geschichte? Eine eigenartige Buchliste.

Vor uns liegt eine Buchliste, die von den „Vereinigten Jugendschriften - Ausschüssen" zum letzten Weihnachtsfest herausgebracht worden ist. Wie notwendig und verdienstvoll eine solche Liste bei der Hilflosigkeit vieler Eltern gegenüber dem Lesebedürfnis ihrer Kinder ist, wissen alle Jugenderzieher: Man braucht darüber nicht viele Worte zu verlieren, so wenig wie über die Tatsache, dass unter sechshundert Buchtiteln sich natürlich einige befinden, die man selber nicht gewählt hätte, während man einige andere vermisst. Nun, das wird immer so sein. Worüber man aber reden muss, ja sogar sehr laut und deutlich reden muss, das ist jener Abschnitt in der Liste, der die Überschrift trägt: „Aus der Geschichte“.

 

Genau fünfzehn — noch einmal in Worten: fünfzehn — Titel sind unter dieser Überschrift aufgeführt. Das sind wenig genug; dies Wenige schmilzt aber noch weiter zusammen, wenn wir uns den Inhalt der Bücher näher ansehen.

 

Drei Bücher erzählen von Feuerjägern, Erzhauern und Wildpferden in fernen vorgeschichtlichen Zeiten. In sechs Büchern wird von der Entdeckung und Besiedlung Amerikas berichtet. Ein Buch führt ins alte Rom zur Zeit der Grachen, ein zweites ins Heilige Land während der Kreuzzüge, ein drittes auf die Burg Dürenstein, wo Richard Löwenherz gefangen gehalten wird. Deutsche Geschichte wird nur in den drei restlichen Büchern behandelt.

 

Von fünfzehn Büchern — drei Bücher! Tausend Jahre Größe und Tragik, wie wenige Völker sie erlebt haben — unsere Jungen und Mädchen hören und lesen nichts davon, es sei denn in einigen Unterrichtsstunden, die nur selten Phantasie und Miterleben zu wecken vermögen. Das ist, wir sprechen es unumwunden aus, eine Schande!

 

Vielleicht wendet man ein, dass es nicht genug gute und den geänderten Verhältnissen und Anschauungen angepasste Bücher gebe. Nun, es zeugt von keinem sehr gefestigten Geschichtsbewusstsein, wenn dessen Zeugnisse alle paar Jahre umgeschrieben werden müssen. Im Übrigen machen wir uns anheischig, in kürzester Zeit eine ansehnliche Liste geschichtlicher Erzählungen zusammenzustellen, die vor jedem Tribunal bestehen könnte. Oder sind Grimmelshausen, Wilhelm Raabe, Gustav Freytag, Willibald Alexis, Achim von Arnim, Felix Dahn, Conrad Ferdinand Meyer, Agnes Miegel, Paul Ernst und Wilhelm Schäfer — um nur einige zu nennen — verdächtig?

 

Freilich zu den Neusten gehören die meisten der genannten Autoren nicht. Wo es aber daran fehlt, sollte man getrost nach bewährten älteren Werken greifen. Auch sind wir überzeugt, dass ein Aufruf der „Vereinigten Jugendschriften-Ausschüsse" an Verleger und Schriftsteller: „Gebt uns für unsere Jugend gute geschichtliche Erzählungen!“ nicht ohne Erfolg bleiben würde.

 

Die Angelegenheit ist wichtig genug. Eine Jugend, die im geschichtslosen Raume heranwächst, wird sich, zum politischen Handeln berufen, unfähig erweisen, diesen Raum auszufüllen. Wer heute aus vertrackten parteipolitischen Komplexen und Verkrampfungen von Otto dem Großen — vom deutschen Osten, von der Hanse und der preußischen Leistung, von tapferen Soldaten und fleißigen Bürgern nicht reden will, wird morgen gezwungen werden, den Ruhm Peters des Großen, Alexander Newskis oder der russischen Sibirieneroberer auf offenem Markt zu verkünden. Auch werden junge Menschen, die man in einem von Bildern und Vorbildern leeren Raum geistig verkümmern lässt oder vor deren Augen man gar die Bilder und Vorbilder zertrümmert, sich niemals wieder für eine Sache begeistern können. Ein Volk ohne Geschichtsbewusstsein versinkt im Fellachentum, das von stärkeren, geschichtsträchtigen Völkern als Reservoir für Spezialisten und Hofnarren gebraucht wird, Dr. A. K.

 

Seite 2   Deutsche Flotte in Ost- und Nordsee. Zerstörer sollen das Rückgrat sein — Erste Flottille im April

Das Rückgrat der neuen deutschen Marine wird eine kleine aber schlagkräftige Flotte von Zerstörern und U-Booten bilden. Insgesamt sollen 21 deutsche Flottengeschwader innerhalb der nächsten vier Jahre mit 170 schwimmenden Einheiten aufgestellt werden. Über 20 000 Mann sollen in der Marine dienen.

 

Nach Angaben aus dem Bundesverteidigungsministerium wird die neue deutsche Marine über folgende Schiffstypen verfügen:

 

Schnelle Minenleger (2500 t), sogenannte Ostseezerstörer (2200 t). Geleitboote für Fliegerabwehr und U-Boot-Bekämpfung (zwischen 1200 und 1400 t), Motor-Torpedoboote (früher Schnellboote), Klein-U-Boote (bis 300 t), Küstenminensucher, Hochseeminensucher, Schulschiffe sowie Versorgungsschiffe und eine Anzahl von Spezialfahrzeugen. Dazu kommen noch Landungsboote.

 

Die deutschen Seestreitkräfte werden etwa je zur Hälfte in der Nordsee und in der Ostsee stationiert.

 

An Marinestützpunkten sind für die Nordsee Wilhelmshaven, Cuxhaven, Bremerhaven und Borkum vorgesehen. In der Ostsee sollen Kappeln, Kiel, Eckernförde und Flensburg wieder Marinehäfen werden. Die Inseln Helgoland und der frühere Kriegsmarinehafen Emden werden nicht mehr als Marinestützpunkte benutzt.

 

Die ersten deutschen Kriegsschiffe werden im April unter deutscher Flagge fahren. Es handelt sich um sechs Minensuchboote und zwölf Räumboote der amerikanischen Marine, die in Bremerhaven stationiert sind. Ungefähr um die gleiche Zeit soll der Seegrenzschutz von der Marine übernommen werden. Der Seegrenzschutz verfügt zurzeit über eine beschränkte Anzahl von Küstenschutz- und Patrouillenbooten.

 

Seite 2   Bundesnachrichtendienst mit Gehlen

Die Organisation Gehlen soll nach den Plänen der Bundesregierung als Bundesnachrichtendienst Bundeskanzler Dr. Adenauer und Staatssekretär Globke direkt unterstellt werden. Gehlen soll den Rang eines Ministerialdirektors erhalten. Ein Termin für die Errichtung des Nachrichtendienstes liegt nach Äußerungen von Bonner Regierungssprechern noch nicht fest.

 

Seite 2   Von Woche zu Woche

Bundeskanzler Adenauer wird seinen mehrwöchigen Urlaub auf Teneriffa, der größten der Kanarischen Inseln, verbringen.

 

Zu einem dreitägigen Staatsbesuch werden am 6. Februar in Bonn der italienischer Ministerpräsident Segni und Außenminister Martino eintreffen. Sie wollen mit der Bundesregierung vor allem auch die Frage der europäischen Zusammenarbeit beraten.

 

Indiens Ministerpräsident Nehru hat die Einladung zu einem Besuch der Bundesrepublik angenommen, die ihm durch Vizekanzler Blücher überbracht wurde.

 

Ein Ausleihen amerikanischer Zerstörer an die neue deutsche Marine bis zum Bau eigener Schiffe soll nach amerikanischen Meldungen Bonn in Washington erbeten haben.

 

Zu Brigadegenerälen wurden mit Zustimmung des Bonner Personalausschusses der frühere Oberst von Zawadsky von der Abteilung Streitkräfte und der frühere Oberst Heuser aus dem Pariser NATO-Hauptquartier ernannt.

 

Gegen eine allgemeine Wehrpflicht in der Bundesrepublik will sich die Bayernpartei aussprechen. Damit könnten sich auch bayrische Vertreter im Bundesrat gegen die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes wenden.

 

Die Einrichtung betont konfessioneller Soldatenheime wird vom Bundesverteidigungsministerium nicht befürwortet. Ein in Andernach von katholischen Organisationen geschaffenes Soldatenheim soll grundsätzlich Soldaten aller Konfessionen und auch der Zivilbevölkerung zugänglich sein.

 

Ein „kleiner Parteitag" der SPD fand dieser Tage in Köln statt. Er befasste sich mit Problemen der Sozialreform, der Wirtschaftspolitik und der geistigen Freiheit.

 

Ein Nachfolger für den verstorbenen Bundesminister Dr. Tillmanns im Bonner Kabinett soll nicht ernannt werden. Tillmanns war Minister für Sonderaufgaben.

 

Jüngster evangelischer Bischof in Deutschland wurde Professor Dr. Hentrich, der als Nachfolger von Dr. Knolle zum neuen Hamburgischen Landesbischof gewählt wurde. Hentrich ist 47 Jahre alt und kommt aus der christlichen Jugendbewegung.

 

Bundeskanzler Dr. Adenauer erklärte bei einem Gespräch mit dem Präsidium des Deutschen Bauernverbandes, wirksame Maßnahmen zur Gesundung der Landwirtschaft dürften nicht zu einer Preiserhöhung für die Verbraucher führen.

 

Für Preissenkungen auf verschiedenen Gebieten sprach sich in der letzten Woche das Plenum des Bundestages aus. Anträge der Parteien fordern von der Bundesregierung Maßnahmen zur Verhinderung von Kartellbildungen mit Preisabsprachen. Auch die Energiepreise sollen überprüft werden.

 

Die Streichhölzer werden billiger. Am 1. April soll eine Schachtel statt bisher zehn nur noch fünf Pfennige kosten. Eine Änderung des Zündwarengesetzes hat der Bundestag einstimmig in dritter Lesung beschlossen.

 

Die Entlassung zweier kommunistischer Betriebsräte bei der Westfalenhütte wegen bolschewistischer Agitation wurde von der Belegschaft des Werkes mit großer Mehrheit gebilligt.

 

Fast 43 000 ländliche Arbeitskräfte in Niedersachsen sind n den letzten fünf Jahren zur Industrie abgewandert. Der Anteil der Landarbeiterschaft an der Gesamtbevölkerung Niedersachsens sank in diesen fünf Jahren von 15,3 auf 10,9 Prozent.

 

Für den Bau eines Nord-Süd-Kanals zwischen Elbe und Mittellandkanal haben sich Sachverständige erneut ausgesprochen. Ein solcher Kanal würde heute eine bessere Verbindung der Seehäfen Hamburg und Lübeck mit dem Industriegebiet schaffen.

 

6154 Sowjetzonenflüchtlinge trafen in der Woche vom 7. bis 13. Januar im Bundesgebiet und in Westberlin ein.

 

Mitteldeutsche Arbeiter fordern immer stärker freie Wahlen. Selbst das offizielle Blatt der Pankower Kommunisten erklärte, auch die Arbeiter des Thalmannwerks und Liebknechtwerks im Bezirk Magdeburg treten „leider noch" für freie gesamtdeutsche Wahlen ein.

 

Eine verstärkte Gottlosenbewegung in der Sowjetzone wird angekündigt. Die kirchenfeindliche Agitation Pankows soll wahrscheinlich der frühere Pankower „Bildungsminister" Wandel leiten. Verhaftungen von Mitgliedern der evangelischen Bahnhofsmission in der Sowjetzone werden gemeldet.

 

Nach Ostberlin eingeladen wurde von Grotewohl und Ulbricht der stellvertretende ägyptische Ministerpräsident Gamal Salem.

 

Einen starken Ausbau des Hafens Stettin kündigt die rote Warschauer Regierung an. Es sollen hierfür in fünf Jahren rund 60 Millionen DM bereitgestellt werden.

 

Zur Frage der baltischen Staaten erklärten Vertreter des britischen Außenministeriums, England werde die Besetzung der baltischen Republiken durch die Sowjetunion rechtlich niemals anerkennen.

 

 Die Fraktion der Poujadisten wird nicht – wie ursprünglich gemeldet – mit 51, sondern mit 53 Abgeordneten im neuen französischen Parlament vertreten sein. Zwei umstrittene Mandate sind ihr nachträglich zugesprochen worden.

 

Über 150 führende Anhänger Perons sind inzwischen nach einem neugeschaffenen Konzentrationslager im Feuerland abtransportiert worden.

 

Eine erhebliche Verstärkung der Sowjet-Fernostflotte meldet die japanische Presse. Mehrere schwere Kreuzer und angeblich auch ein Flugzeugträger sollen inzwischen in Wladiwostok eingegangen sein. Mit den Rotchinesen wurden gemeinsame Manöver durchgeführt.

 

Seite 2   Deutschland hat Freunde. Weltpolitisches Geschehen — kurz beleuchtet.

„Deutschland kann in Indien ebenso wie in ganz Asien und in Afrika keine politischen Ziele verfolgen — und freut sich dessen“. Diese Worte des Vizekanzlers Blücher nach seiner Ankunft im freien Indien beleuchten eine Situation, die nach 1945 vielen bei uns noch nicht recht klargeworden ist. Seit 1919 besitzt Deutschland keine Kolonien in Übersee mehr. Dass die Begründung, mit der man damals den Deutschen ihre rechtens erworbenen Schutzgebiete in Afrika, in Asien und in der Südsee fortnahm, falsch war, dass von einem Versagen der deutschen Kolonialverwaltung bei der Entwicklung jener überseeischen Besitzungen nicht gesprochen werden konnte, ist heute unumstritten. Das kaiserliche Deutschland hatte in Afrika und in anderen Erdteilen jene Gebiete, die es kolonisatorisch verwaltete, mustergültig weiter entwickelt. Der beste Beweis dafür ist die Tatsache, dass die Eingeborenen zum Beispiel in Ostafrika, in Südwestafrika, Kamerun und Togo Jahrzehnte hindurch sich dankbar der Förderung durch die Deutschen erinnerten und gelegentlich sogar mit Stolz die alten Uniformen der deutschen Schutztruppe trugen. In der Folgezeit ist immer wieder betont worden, dass unser Volk dennoch eine Wiederaufnahme der kolonialen Tradition nicht wünscht, und das ist denn auch bei allen Völkern des dunklen Erdteils wie auch Asiens recht bald verstanden worden. Gerade weil jedermann da draußen weiß, dass die Deutschen stets als gute Freunde und Helfer kommen und keinerlei kolonialen und politischen Ehrgeiz in anderen Erdteilen hegen, hat die Zahl unserer Freunde im Orient, aber auch in den Ländern des Fernen Ostens und in Afrika ständig zugenommen. Auch dort, wo man heute noch etwa den Briten, Franzosen, aber auch den Amerikanern und Holländern ziemlich misstrauisch, wenn nicht gar ablehnend gegenübersteht, hat Deutschland einen guten Namen. Sowohl die Araber als auch die Asiaten wünschen einen fruchtbaren Güter- und Gedankenaustausch mit uns. Viele von ihnen schicken sogar ihre Söhne auf unsere Universitäten. Was das für uns bedeutet, kann man sich vorstellen. Wir werden auch in jenen fernen Ländern keinen Zweifel darüber lassen, dass wir getreue Verbündete westlicher Mächte sind, aber wir sollten doch auch alles tun, um auch nach dorthin die alten und neuen Freundschaften zu pflegen.

 

Die eine oder andere deutsche Zeitung hat im Zusammenhang mit der Blücher-Reise nach Indien gemeint, sie könne vielleicht auch dazu führen, dass etwa der zwischen beiden Machtblöcken stehende indische Ministerpräsident Nehru uns bei der Verwirklichung unserer großen Anliegen, vor allem der Wiedervereinigung, irgendwie helfen werde. Andere haben erklärt, vielleicht könne gerade Deutschland in Streitfällen zwischen dem Westen und Asien, zum Beispiel auch bei dem Konflikt der arabischen Staaten mit Israel als Vermittler dienen. Man sollte sich aber bei solchen Gedanken auch daran erinnern, dass sogar ein solcher Meister der Politik und Diplomatie wie Bismarck sich niemals zur Rolle eines Mittlers und Maklers gedrängt hat. Der Altreichskanzler hat vielmehr betont, solche Aufgaben seien fast immer sehr undankbar und brächten einem leicht neue Feindschaften. Eine ersprießliche wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit Indien und den arabischen Staaten hat nichts damit zu tun, ob wir dieselben politischen Wege gehen wie jene, oder ob wir uns nicht vielmehr jeder nach seiner Art der Erhaltung und Sicherung des Weltfriedens widmen. Wir haben — das sei noch einmal nachdrücklich festgestellt — im Vorderen Orient, im Fernen Osten und in Afrika keine politischen Ziele. Wir haben dort Ansehen und gewiss auch manche Freunde. Wir haben unsere eigenen Sorgen und Anliegen, und wir dürfen uns nirgendwo einmischen.

 

Pariser Kostprobe

Sogleich nach dem Bekanntwerden des für die demokratischen Parteien ja nun keineswegs erfreulichen Wahlergebnisse in Frankreich bewiesen der ehrgeizige frühere Ministerpräsident Mendès-France wie auch der mit ihm eng verbündete sozialistische Parteivorsitzende Mollet, dass es ihnen auch heute an Selbstbewusstsein nicht fehlt. Sowohl Mendès wie auch Mollet forderten sofort, dass sie mit der Bildung der Regierung betraut werden, obwohl sie mit rund 150 Abgeordneten nur knapp ein Viertel des Parlaments hinter sich wissen. Inzwischen haben Mollet und Mendès-France abermals erklärt, sie lehnten jede Verhandlung mit der bisherigen Regierungsfront ab und würden die anderen Parteien nur vor die Wahl stellen, ihnen bedingungslos zu folgen oder sie abzulehnen. Aus den Kreisen der Katholischen Partei, zu der unter anderem Männer wie Bidault und Robert Schuman gehören, hat man daraufhin erklärt, die Front des Herrn Mendès-France möge zur Kenntnis nehmen, dass sie nur einen bescheidenen Bruchteil der Volksvertretung hinter sich habe. In allen Pariser politischen Kreisen ist man inzwischen davon überzeugt, dass die Bildung jeder echten Mehrheitsregierung außerordentlich schwer sein wird und dass es unter Umständen im neuen Parlament noch mehr Kabinettsstürze geben kann, als bereits in der letzten Kammer, die auf diesem Gebiet auch schon einiges leistete. In den Kreisen der Mittelparteien fragt man sich, wie weit sich ein Mann wie Mendès-France auf die Unterstützung bzw. stillschweigende Duldung durch die Kommunisten verlassen will. Die Linksradikalen haben inzwischen erklärt, dass sie unbedingt eine sogenannte Volksfrontregierung wünschen, in der dann natürlich auch Kommunisten vertreten sein würden. Was eine solche Aussicht aber für Frankreichs Zukunft bedeuten kann, wird sich jeder selbst ausmalen. Auch der raffinierte politische Taktiker Mendès-France wird einen kommunistischen Beistand nicht umsonst bekommen. Starke Goldkäufe und schwarzer Devisenhandel zeigen deutlich, wie skeptisch das französische Volk die Zukunft ansieht.

 

Mangel und Überfluss

Erntevorräte im gigantischen Werte von über 33 Milliarden DM bergen heute die amerikanischen Regierungsspeicher und die zur Einlagerung der unverkäuflichen Nahrungsmittel und Landwirtschaftsprodukte herangezogenen Flotten stillgelegter Frachtdampfer. In den Regierungslagern ruht allein Baumwolle, die einen Wert von über sieben Milliarden DM repräsentiert, ohne dass im Augenblick eine Aussicht besteht, sie irgendwie, absetzen zu können. Da die amerikanische Regierung gesetzlich zur Übernahme unverkäuflicher Vorräte verpflichtet ist und andererseits in diesem Jahr ein weiteres Anwachsen der gigantischen Vorräte fürchtet, hat Washington vorgeschlagen, man solle den amerikanischen Farmern hohe Prämien (jährlich bis zu 5000 Dollar je Kleinbetrieb! zahlen, wenn diese bereit sind, große Anbauflächen brachzulegen und sie in Weiden oder in Wälder zu verwandeln. Ein amerikanischer Senator hat daraufhin bemerkt, es sei geradezu grotesk, dass man hier die Landwirtschaft einschränken wolle, während doch in vielen Ländern Asiens und Afrikas die Völker bittersten Mangel an Nahrungsgütern litten. Die Fläche, die Washington in den nächsten Jahren brachlegen möchte, um nicht einfach an dem Überfluss zu ersticken, entspricht etwa der Hälfte des gesamten Gebietes der Bundesrepublik Deutschland. Einige Politiker haben auch vorgeschlagen, jenen Züchtern Prämien zu zahlen, die sich bereitfinden, weniger Schweine und sonstiges Schlachtvieh aufzuziehen und die Bestände radikal zu verkürzen. Präsident Eisenhower hat davor gewarnt, die in den unzähligen Regierungsspeichern ruhenden Vorräte zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt zu werfen. Man würde dadurch der Landwirtschaft befreundeter Staaten einen katastrophalen Schlag zufügen. Eine Vernichtung von Lebensmitteln hat die amerikanische Regierung abgelehnt. Auch bei den kommenden Wahlen wird die Frage, wie die Überflusskrise in Amerikas Landwirtschaft wirkungsvoll überwunden werden kann, eine höchst bedeutsame Rolle spielen. Im Landwirtschaftsstaat Jowa hat man bereits erklärt: „Die Schweine haben keine Wahlstimmen, aber ihr Schicksal kann die Wahlen entscheiden“. Chronist

 

Seite 3   Ostpreußische Heimkehrer.

Im Folgenden veröffentlichen wir eine Liste der Landsleute, die in der Zeit vom 1. bis 12. Januar 1956 im Grenzdurchgangslager Friedland eingetroffen sind. Bei den angegebenen Wohnorten handelt es sich um die Orte, in denen die Betreffenden 1939 in Ostpreußen lebten. Es ist schwierig, die Namen und die Daten genau festzustellen, deshalb kann keine Gewähr für die Richtigkeit im Einzelnen nicht übernommen werden.

Es trafen im Lager Friedland ein:

 

1. Martha Besmann, geb. 22.04.1904 aus Inse, Elchniederung;

2. Rudolf Bierwirth, geb. 04.12.1912, aus Skittlauken (?), Mohrungen;

3. Siegfried Buchholz, geb. 08.10.1927, aus Tilsit;

4. Kurt Eichwald, geb. 25.01.1906, aus Blankenau, Pr.-Eylau;

5. Erich-Paul Erzberg, geb. 26.04.1922, aus Heiligenbeil;

6. Paul Golombiewski, geb. 18.05.1915, aus Tilsit;

7. Michel Gunga, geb. 07.05.1886, aus Matzkieken (?), Memel;

8. Klaus Grundtner, geb. 20.10.1912, aus Gumbinnen;

9. Willi Heruth, geb. 13.01.1925, aus Allenstein;

10. Martin Hoffmann, geb. 02.08.1914, aus Königsberg;

11. Fritz Kannocher, geb. 19.04.1899, aus Insterburg;

12. Olga Link, geb. 28.12.1899, aus Inse, Kreis Elchniederung;

13. Klaus Loewe, geb. 17.10.1919, aus Königsberg;

14. Gustav Lorenz, geb. 28.02.1897, aus Königsberg;

15. Max Magath, geb. 28.02.1929, aus Palmnicken, Samland;

16. Kurt Mantau, geb. 08.06.1923, aus Mühlen, Osterode;

17. Otto Mehl, geb. 25.02.1929, aus Blinkersee, Angerapp;

18. Franz Melzner, geb. 20.10.1888, aus Allenstein;

19. Reinhard Nietzke, geb. 01.02.1904, aus Königsberg;

20. Karl Preuss, geb. 08.09.1908, aus Fürstenfelde, Königsberg;

21. Leopold Reith, geb. 06.11.1920, aus Montwitz, Ortelsburg;

22. Helmut Ringler, geb. 04.10.1915, aus Königsberg;

23. Otto Scharnowski, geb. 06.07.1899, aus Adlersdorf, Lötzen;

24. Helmut Siegloff, geb. 10.04.1924, aus Weischkillen (?);

25. August Weiss, geb. 14.10.1896, aus Seubersdorf, Mohrungen;

26. Erwin Trinowski, geb. 25.09.1912, aus Königsberg;

27. Ulrich Werdermann, geb. 29.09.1921, aus Osterode;

28. Josef Wichmann, geb. 21.03.1925, aus Pompiken;

29. Erich Zielinski, geb. 31.03.1900, aus Kreusofen, Johannisburg.

 

Weiter trafen im Lager Friedland aus der sowjetisch besetzten Zone die folgenden Landsleute ein, die jetzt amnestiert worden sind:

 

1. Otto Bade, geb. 23.05.1896, aus Deutsch-Eylau;

2. Rudi Blümke, geb. 24.11.1907, aus Königsberg;

3. Rudolf Kuhn, geb. 10.06.1908, aus Allenstein;

4. Eberhard Niemann, geb. 24.03.1907, aus Goldap.

 

Seite 3   Alle nicht Amnestierten heimgekehrt? Ein „Gespensterzug“ und andere Transporte.

Der Rücktransport deutscher Kriegsgefangener, Kriegsverurteilter und Zwangsangesiedelter aus der Sowjetunion läuft weiter. In der vorigen Woche trafen auch wieder Umsiedler aus den deutschen Ostprovinzen, Männer, Frauen und Kinder, in Herleshausen und Friedland ein. Am Dienstag waren es 78 ehemalige Kriegsgefangene aus dem Lazarett Stalingrad. Dem Transport, der von russischem Sanitätspersonal begleitet wurde, gehörte auch das deutsche Pflegepersonal des aufgelösten Stalingrader Kriegslazarettes an. Auch die beiden deutschen Lagerärzte Dr. Müller und Dr. Ziethen kamen wieder nach Deutschland. Zehn Schwerkranke mussten gleich in bereitstehende Sanitätsfahrzeuge getragen werden, eine Reihe dieser Heimkehrer braucht noch Krankenhausbehandlung.

 

Am Mittwoch brachte ein aus Stettin kommender polnischer Transport 217 Männer, Frauen und Kinder, von denen die meisten aus Niederschlesien kamen. Hierbei befand sich auch eine Frau aus Allenstein. Diese Ostdeutschen brachten ihren gesamten Hausrat sowie Möbelstücke mit. Ein Vertreter des Polnischen Roten Kreuzes kündigte dabei den nächsten großen Transport aus Ostdeutschland für den 20. Januar an.

 

Mit einem fahrplanmäßigen Interzonenzug trafen aus der Sowjetunion am Donnerstag in Helmstedt 23 Frauen und Männer mit 15 Kindern ein, die zu den sogenannten Zwangsansiedlern gehört hatten. Sie waren seit dem 30. November unterwegs gewesen und gehörten zu einem aus etwa 1100 Menschen bestehenden Transport, der nur bis Fürstenwalde geleitet worden war. Auch hierbei befanden sich einige Personen, die aus Königsberg und dem Posener Gebiet in die Sowjetunion verschleppt worden waren. Ebenfalls am Donnerstag trafen in Buchen 105 Umsiedler aus den deutschen Ostgebieten ein. Sie waren in modernen D-Zug-Wagen mit Schlafabteilen gereist.

 

Ein am Donnerstag im Lager Friedland eingetroffener größerer Heimkehrertransport aus der Sowjetunion brachte 285 Männer, bei denen es sich meist um Zivilinternierte aus der Zone und aus Ostberlin und nur um etwa dreißig ehemalige deutsche Soldaten handelte. Vierzehn dieser Heimkehrer trafen schwerkrank ein. Auch mehrere Beinamputierte befanden sich unter ihnen. Viele von ihnen hatten in der Gegend von Workuta arbeiten müssen und waren dann später nach dem Lager Suchobeswodnoje bei Gorki gebracht worden. Bei diesem Transport befanden sich u. a. auch der frühere deutsche Gesandte in Arabien Dr. Grobba und mehrere Berliner Journalisten, von denen einer sogar mit dem von den Sowjets entführten Dr. Linse in Karlshorst Verbindung von einer Zelle zur anderen aufgenommen hatte. Sie berichteten, dass aus dem Gebiet von Swerdlowsk noch ungefähr zweitausend Gefangene kommen müssten.

 

Zur gleichen Zeit mit diesem Transport waren 193 Heimkehrer im sowjetzonalen Durchgangslager Fürstenwalde eingetroffen. Man rechnet damit, dass in diesen Tagen eine Reihe von ihnen noch nach Westdeutschland weiterreisen wird.

 

Völlig überraschend traf dann am Sonnabend in plombierten und schärfstens bewachten Wagen ein Transport mit 450 ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen ein, die die Sowjets als „Schwerkriegsverbrecher'' bezeichnen und die sie nur den deutschen Justizbehörden übergeben wollten. Eine offizielle Begrüßungsfeier fand hier nicht statt. Ein Vertreter des Auswärtigen Amtes verlas vor den 450 Heimkehrern, die zunächst nach der Bundesgrenzschutzkaserne nach Hann.-Münden geleitet wurden, eine Erklärung, in der es hieß, die Taten, welche den jetzt Entlassenen von den Sowjetbehörden vorgeworfen würden, sollten nach dem Vorliegen des sowjetischen Aktenmaterials von deutschen Justizbehörden nach deutschem Recht überprüft werden. Alle diese Heimkehrer wurden von Hann.-Münden zu ihren Familien entlassen und nur verpflichtet, sich für eine etwaige Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Sie haben einstweilen die gleichen Ansprüche wie alle anderen Heimkehrer und empfingen auch sofort das Entlassungsgeld und die Begrüßungsgabe, ferner Bekleidung und Unterwäsche. Es wurde betont, dass auch in den Fällen, wo nach deutschem Recht eine Bestrafung notwendig sei, die bereits in der Sowjetunion verbüßte Strafe in jedem Fall angerechnet werden soll. Außer den 450 Transportteilnehmern kamen mit dem gleichen Zug eine Frau aus Neidenburg in Ostpreußen und ein Mann aus Westdeutschland in die Bundesrepublik. Unter diesen Heimkehrern befand sich auch der 41-jährige Sohn des in Nürnberg hingerichteten Feldmarschalls Keitel, der beinamputierte frühere Major Ernst-Wilhelm Keitel. Er erklärte, er sei offenbar nur als Sohn seines Vaters so scharf bestraft worden. Auch der letzte Kommandeur des Infanterie-Regiments Hoch- und Deutschmeister, Oberst Boje, befand sich in diesem Transport. Einer der von den Sowjets als Kriegsverbrecher übergebenen Gefangenen ist übrigens in den Jahren von 1933 bis 1945 von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager gesperrt worden. 1946 wurde dieser Mann unter völlig unerfindlichen Gründen von den Sowjets verhaftet und von Jena nach Sibirien gebracht. Er hat damit eine fast 23-jährige Internierungszeit hinter sich.

 

Deutsche Pressevertreter, die mit einzelnen dieser Heimkehrer sprachen, stellten bald fest, dass es sich in der Mehrzahl um ehemalige Soldaten regulärer Verbände handelt, die bis heute nicht wissen, warum sie eigentlich schematisch zu 25 Jahren Zwangslager verurteilt worden sind. Für einen am Montag dieser Woche eingetroffenen neuen Transport von 474 Heimkehrern musste das Deutsche Rote Kreuz rechtzeitig einen Lazarettzug bereitstellen, und 150 Sanitätswagen aus der weiteren Umgebung abrufen. 250 dieser Heimkehrer waren krank und sechzig konnten nur liegend in D-Zug-Wagen 2. Klasse befördert werden. Das Rote Kreuz vermutet, dass dies der letzte Großtransport war, auch die Heimkehrer selbst äußerten diese Ansicht. Die Kranken kamen aus dem Lagerhospital in Swerdlowsk, wo noch etwa sechzig Deutsche aus den Ostprovinzen und Volksdeutsche zurückgehalten werden sollen. Fünfzig weitere Insassen dieses Heimkehrertransports sollen in Fürstenwalde geblieben sein.

 

Zu dem am Montag in Friedland eingetroffenen Transport der Heimkehrer gehören auch der Domvikar Wilhelm Parschau aus Frauenburg im Ermland, der seinen letzten Gottesdienst in Perwo-Uralsk aus Anlass des russischen Weihnachtsfestes im Januar mit den katholischen deutschen Gefangenen abgehalten hat, sowie ein Sohn des früheren Feldmarschalls v. Kleist und der Erbprinz Christian zu Stolberg. Der gleichfalls in Friedland eingetroffene evangelische Lagerpfarrer Holzapfel, ein Württemberger, berichtete, bei der Abreise seien etwa zwanzig bis dreißig Deutsche zurückgehalten worden, deren Fälle in Potma noch einmal überprüft werden sollten.

 

In der Nacht zum letzten Sonntag waren übrigens wieder mit dem Interzonenzug drei Kriegsgefangene und sechs deutsche Frauen eingetroffen, die nach dem Kriege nach Sibirien verschleppt worden waren. Ihre ersparten Rubel reichten gerade aus, um die Fahrtkosten bis Friedland und die Gepäckgebühren zu bezahlen.

 

Seite 3   Fotos: Vier Aufnahmen aus Allenstein von heute.

Diese Aufnahmen wurden, wie wir auch in der Unterschrift zu dem Titelbild sagten, in der Woche vor dem letzten Weihnachtsfest von einem Landsmann während einer Besuchsreise in Allenstein gemacht. Allen, denen Allenstein Heimat ist und die diese Stadt kennen und lieben, werden seltsam berührt sein von dem Bild, das sie jetzt bietet.

 

Das Bild links oben zeigt das Hohe Tor, von der Oberstraße her gesehen; über das Tor erhebt sich ganz rechts der Turm des Neuen Rathauses. Die Gebäude in der Oberstraße sind niedergebrannt; die Ruinen sind fortgeräumt. Rechts stand das bekannte Kaufhaus Dohse; links schließt sich der Fischmarkt an. Hinter dem Kopf der Frau mit dem Kopftuch (vorne in der Mitte des Bildes) ist eine Lautsprechersäule erkennbar.

 

Die Aufnahme rechts oben gibt einen Blick etwa von der Zeppelinstraße auf das Neue Rathaus; rechts zweigt die Kaiserstraße ab. Das Gebäude ganz rechts am Bildrand ist das ehemalige Reisebüro. Das Hotel Deutsches Haus, das vor dem Rathaus stand, ist verschwunden.

 

Das Bild links unten zeigt das Alte Rathaus mit dem ursprünglichen Eingangsportal und der Sonnenuhr an der Fassadenkante. Im Hintergrund rechts steigt das Dach der Jakobikirche auf.

 

Das Bild rechts unten bringt den Turm der Jakobikirche, der über den Neubau links emporragt. Die Laubengänge auf der Südseite des Marktes sind neu; früher gab es sie dort nicht. Der Bauzaun ist der gleiche wie auf dem Bild links mit dem Alten Rathaus, wie überhaupt diese Aufnahme eine „Fortsetzung“ der links stehenden ist.

 

Seite 4   Friedenskämpfer mit MP.

Am 37. Todestag der Kommunistenführer Karl Liebknecht und Rosa Luxenburg befahlen die Pankower Machthaber zwölftausend bewaffnete Arbeiter aus den Ostberliner Staatsbetrieben sowie mehrere tausend ebenfalls bewaffnete Jungen und Mädchen zu einem Demonstrationszug gegen das freie Berlin. Es mussten die üblichen kommunistischen Spruchbänder und Plakate mitgeschleppt werden, auf denen diese bewaffneten „Friedenskämpfer" auf Wunsch ihres Regimes den Schluss der „NATO-Brückenkopfpolitik in Westberlin" zu fordern hatten. Die Pankower Größen wie Ulbricht, Grotewohl, Wandel und Hilde Benjamin nahmen den Vorbeimarsch der Bürgerkriegsmiliz ab. Man hatte die Marschierer einheitlich in blaue Overalls gekleidet. Die erste Reihe dieses Marschblocks musste Maschinenpistolen tragen, alle übrigen waren mit Karabinern bewaffnet, und die Jugendlichen trugen Kleinkalibergewehre. Geführt wurden sie von Offizieren oder Wachtmeistern der Kasernierten Vopo.

 

Seite 4   „Russland — mächtigster Industriestaat der Welt"

Die Sowjetregierung gab dieser Tage die Parolen für den neuen Moskauer Fünfjahresplan bekannt, der sich über die Zeit von 1956 bis 1960 erstrecken soll. Man fordert von der Arbeiterschaft, sie müsse vor allem die Produktion in der Schwer- und Waffenindustrie so steigern, dass die Sowjetunion in dieser Zeit auch die am meisten entwickelten kapitalistischen Länder in der Produktion einhole und überrunde. Der Entwicklung der Atomforschung, der Errichtung größter Atomkraftwerke und einer verstärkten Elektrizitätsversorgung des Riesenlandes sei größte Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Man wolle auch den Atomantrieb zum Beispiel für Eisbrecher und für andere Transportfahrzeuge verwirklichen. 1960 müsse die Sowjetunion fast 600 Millionen Tonnen Kohle, über 68 Millionen Tonnen Stahl, 53 Millionen Tonnen Roheisen und 135 Millionen Tonnen Rohöl (heute etwa 70 Millionen) jährlich produzieren. Die hier geforderten Zahlen des Planes liegen weit über jenen, die Stalin der Sowjetwirtschaft als Fernziel nannte. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Kreml auch eine Verlängerung der bisher siebenjährigen auf eine zehnjährige Schulpflicht fordert. Die Aufnahmefähigkeit der Krankenhäuser soll nach diesem Plan um 280 Prozent erhöht werden. Auch in der Leichtindustrie und in der Landwirtschaft müsse die Leistung der Arbeiterschaft rücksichtslos gesteigert werden.   

 

Seite 4   Gleiches Recht auf Alterssicherung. Die beiden großen Parteien zur Sozialreform.

Sowohl auf dem sogenannten kleinen Parteitag der SPD in Köln wie auch auf einer Tagung des CDU-Parteivorstandes standen die Probleme der Sozialreform und der Alterssicherung im Mittelpunkt. Der CDU-Vorstand sprach sich dabei für die Erreichung der sogenannten „dynamischen Sozialrente" aus. Hierbei soll es sich um eine Rente handeln, die nicht, wie bisher, hinter dem Volksvermögen und der Lohnerhöhung im weiten Abstand hinterherhinkt, sondern den alten Leuten einen erheblich höheren Prozentsatz ihres früheren Lohnes als Altersversorgung sichert. Die CDU wies darauf hin, dass zurzeit die Altersrenten nur etwa 30 bis 40 Prozent des vergleichbaren Bruttolohnes betragen. Man strebt an, die Rente auf mindestens 50 Prozent des Bruttolohnes zu erhöhen, was etwa zwei Drittel des Nettolohnes entspräche. Von der Union wurde erklärt, die von der Opposition geforderten Renten in Höhe von 75 Prozent eines Bruttolohnes müsse man als utopisch bezeichnen, weil sie praktisch nicht aufgebracht werden könnten.

 

Nachdem auf dem SPD-Kongress der Parteivorsitzende Ollenhauer für die Neuordnung Deutschlands die Freiheit von Not und die Freiheit des Geistes gefordert hatte, betonte der Sozialexperte der Partei, Professor Schellenberg, dass man auch in der Legislaturperiode dieses Bundestages wohl nicht mehr zu einer umfassenden Sozialreform kommen werde. Als wichtigster Notstand müsse jedoch die Reform der Altersversicherung sofort angepackt und gelöst werden. Die Altersrente solle in einem angemessenen Verhältnis zum Verdienst stehen. Es gebe keinen Grund dafür, den Beamten unbedingte Sicherheit für die Zukunft zu gewähren, sie den Arbeitern und Angestellten aber nicht zuzubilligen. Renten müssten automatisch an die Löhne und Gehälter angeglichen werden. Für Arbeiter und Angestellte müsse das Recht der Alterssicherung gleich sein. Schellenberg meinte, 60 Prozent der zukünftigen Rentenmittel sollten aus Versicherungsleistungen, 40 Prozent aus Staatsmitteln gedeckt werden. Der Gesamtaufwand werde dabei von jährlich sieben Milliarden auf elf Milliarden steigen.

 

Seite 4   Verkannte Möglichkeiten. Ein Bonner Gespräch um unsere Briefmarken.

Es ist sicher nur zu begrüßen, wenn kürzlich Bundespostminister Dr. Balke in Bon eine Konferenz zum Anlass nahm, um die Frage der Gestaltung unserer Briefmarken einmal vor einem größeren Kreis zur Debatte zu stellen. Dabei waren nicht nur die zuständigen Referenten des Ministeriums und Presseleute, sondern auch Briefmarkensammler und vor allem auch die Mitglieder des aus Graphikern, Kunstkennern und Vertretern des öffentlichen Lebens gebildeten „Beirats für die künstlerische Gestaltung der Graphik der Bundespost“ zugegen. Professor Preetorius erklärte im Namen der gestaltenden Künstler, man bemühe sich um die Hebung des Geschmacksniveaus, ohne deswegen gleich die Briefmarke zu einem Kunstwerk zu erheben. Die Sammler übten Kritik an Markenausgaben, die – wie etwa die auch bei uns schon kritisierte Vertriebenenmarke, die Oskar-von-Miller-Marke, die Schillermarke – beim Publikum durchaus nicht Anklang gefunden haben. Andere Sprecher befassten sich mit der Frage, ob die Briefmarke als Symbol oder als „Bildchen“ verstanden werden solle. Der Minister selbst deutete an, man werde vielleicht doch einmal zur nackten Zahlenangabe auf der Marke ohne Bild oder andere Symbole zurückkehren, was nun wieder die Sammler keineswegs entzückte.

 

Sicher ergab sich bei dem ganzen Gespräch eine Fülle von Gedanken, und doch kann man von dieser Debatte nicht voll befriedigt sein. Wer da weiß, was unzählige unserer Nachbarländer im Laufe der letzten Jahre an wirklich interessanten, schönen und auch im Rahmen nationaler Werbung wichtigen Marken ausgegeben haben, der kann mit der bisherigen künstlerischen Gestaltung unserer Postwertzeichen nicht zufrieden sein. Gerade die Heimatvertriebenen möchten Minister Balke immer von neuem daran erinnern, dass schließlich deutsche Briefe Tag für Tag nach allen Erdteilen gehen. Das Wort „Propaganda" hat bei uns seit 1933 keinen guten Klang und doch sollte man nicht darauf verzichten, unsere großen Anliegen in jeder wirkungsvollen Weise da draußen bei den anderen und auch unter uns zu vertreten. Auch Bonn wird nicht bestreiten können, dass es sehr nützlich werden kann, wenn etwa auf Auslandsbriefmarken nach der freien Welt ein markantes und schönes Bauwerk gerade aus dem deutschen Osten — das Königsberger Schloss, der Breslauer Dom, die Marienburg u. a. — abgebildet ist und auch die anderen unablässig daran mahnt, dass hier bitteres Unrecht wiedergutzumachen ist.

 

Die überwältigende Mehrheit der Deutschen wird mit uns darüber einig sein, dass die reine Wertmarke mit der Zahl — wie sie leider in den Nachkriegsjahren allein ausgegeben wurde   auch bei einwandfreier künstlerischer Gestaltung recht geistesarm wirkt. Wieviel mehr hat eine Marke jedem Deutschen — auch dem angeblich nicht „künstlerisch Geschmacksgeläuterten" — zu sagen, auf denen wir dann auch unseren großen Geistern des Ostens — einem Kant, Herder, Hamann, Kopernikus, Jakob Böhme, Robert Koch und anderen — und Westens begegnen. Briefmarken, die nicht nur für eine kleine Schar von Freunden bestimmter Künste und Kunstrichtungen, sondern eben für alle bestimmt sind, sind schlechte „Exerzierplätze" für modernste Kunst. Da mag man in Sammlungen und Ausstellungen bewundern oder auch kritisieren, hier wird — um es ganz deutlich zu sagen — Brot und nicht Torte verlangt. Und dagegen, dass endlich wirklich Marken mit ostdeutschen Motiven und mit den Wiedergaben schöner westdeutscher Kunstdenkmäler und Landschaften erscheinen, sollte auch ein gestrenger Kunstbeirat eigentlich wenig einzuwenden haben.

 

Seite 4   Kraft und Oberländer bleiben

Bundeskanzler Adenauer hat die Rücktrittsangebote der Minister Kraft und Oberländer abgelehnt. Er teilte den beiden Ministern brieflich mit, dass sie im Bundeskabinett bleiben. Kraft und Oberländer hatten ihre Rücktrittsgesuche am 11. Juli vergangenen Jahres eingereicht, nachdem sie aus dem BHE ausgeschieden waren. Der BHE forderte seitdem mehrfach das Ausscheiden der Minister aus der Bundesregierung.

 

Der Bundeskanzler hob in seinem Schreiben an Kraft und Oberländer hervor, dass die Mitglieder der Bundesregierung unabhängig vom Vertrauen der Fraktionen sind, die sie für die Regierung nominiert haben. Nach dem Grundgesetz, so heißt es in dem Brief, ist der Bundeskanzler allein für Abberufung eines Ministers zuständig. Adenauer dankte Kraft und Oberländer für ihre bisher geleistete Arbeit und für ihre Bereitschaft, die Konsequenzen aus dem koalitionspolitischen Änderungen zu ziehen.

 

Seite 4   „Erfolgreiche Jagden" auf Wölfe. Polnische und sowjetische Grenztruppen zur Bekämpfung der Plage in der Rominter Heide eingesetzt.

Nach einem Bericht der in Allenstein erscheinenden volkspolnischen Zeitung „Glos Olsztynski" haben in den vergangenen Wochen in Ostpreußen mehrere gemeinsame polnisch-sowjetische Aktionen gegen die Wolfsplage stattgefunden. Im Gebiet von Goldap, das zur „Woiwodschaft Bialystok" zählt, und in der Rominter Heide, sowie in der Gegend südlich Nordenburg haben Einheiten der polnischen und sowjetischen Grenztruppen „erfolgreiche Jagden" auf Wölfe veranstaltet. Man sei übereingekommen, so heißt es in dem polnischen Bericht weiterhin, dass die sowjetischen Grenztruppen künftig die polnischen Militäreinheiten an der Demarkationslinie benachrichtigen würden, falls Wölfe über die „Grenze" wechseln. „Glos Olsztynski" berichtet hierzu, „dass in den nördlich (also im sowjetischen Verwaltungsteil Ostpreußens) gelegenen Bezirken in letzter Zeit große Erfolge bei der Bekämpfung der Wölfe erzielt wurden". Hieraus kann gefolgert werden, dass sich die Wolfsplage besonders im sowjetischen Verwaltungsgebiet Ostpreußens in diesem Winter erneut verstärkt hat.

 

Seite 4   Ein Viertel sind Heimatvertriebene. Die Flüchtlinge aus der Sowjetzone.

Die Zahl der Sowjetzonenflüchtlinge hat sich von 184 198 im Jahre 1954 auf 252 870 im Jahre 1955 erhöht. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass der Anteil der alleinstehenden Personen bis zum 24. Lebensjahr von 20,6 Prozent auf 24,7 Prozent angewachsen ist, während er im Jahre 1953 17,8 Prozent betrug. Der Anteil der Heimatvertriebenen an der Gesamtzahl der Sowjetzonenflüchtlinge belief sich auf 23,6 Prozent gegenüber 28,4 Prozent im Jahre 1954, 17,1 Prozent im Jahre 1953 und 17,4 Prozent im Jahre 1952.

 

Seite 4   Papiermengen untauglich. Die Sowjetindustrien in Königsberg.

Einem Bericht des in Königsberg stationierten Sowjetsenders zufolge, bestehen gegenwärtig in Königsberg folgende Industrien: Fischverarbeitende Werke, Zellstoff- und Papierindustrie, metallverarbeitende Industrie und Werkstätten zur Verarbeitung von Lebensmitteln, dazu „gemischte" Industriewerkstätten. Radio Kaliningrad zitierte kürzlich das sowjetische Zentralorgan für das Verwaltungsgebiet Nord-Ostpreußen, „Kalininggradskaja Prawada", welche die Direktionen aller dieser Werke beschuldigte, „ihre Pflicht gegenüber dem Staat nicht erfüllt" zu haben. Insbesondere bei der Papier- und Zellstoffindustrie sei ein „schändlicher Rückstand bei der Erfüllung des Staatsplans" zu verzeichnen, was darauf zurückzuführen sei, „dass die Verwirklichung der organisatorisch-technischen Maßnahmen nicht die Hauptsorge der Verwaltung war", außerdem seien die Werke „der Kontrolle der Partei- und Gewerkschaftsorganisationen entglitten". Dies gelte nicht nur für die Königsberger Papierfabriken, sondern auch für das Papiererzeugungs-Kombinat Ragnit. Die Königsberger Papierfabrik Nr. 2 habe „in riesigem Umfange Papiermengen erzeugt, die sich untauglich erwiesen". Der Betrieb habe „die wichtigsten technischen Maßnahmen unterlassen".

 

Seite 4   Zweierlei Maß. Sind die Vertriebenen Menschen minderen Rechts? Von unserem Bonner O. B.-Mitarbeiter.

Die Bundesregierung hört nicht auf, mit zweierlei Maß zu messen. Noch im vergangenen Jahre legte die Bundesregierung den Entwurf eines „Bundesgesetzes zur Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung" vor. Musste schon das Gesetz über die Entschädigung der Besatzungsgeschädigten, das im Dezember in Kraft trat, unter den Vertriebenen Empörung hervorrufen, weil die Entschädigungen unvergleichlich höher waren als diejenigen der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten, so zeigt auch das neue Gesetz über die vom Dritten Reich Verfolgten wie mit zweierlei Maß gemessen wird.

 

Während man der Witwe eines von den Russen zu Tode gequälten Ostpreußen, der beispielsweise als kaufmännischer Angestellter 800 RM im Monat verdiente, heute als Kriegsschadenrente (Unterhaltshilfe und Entschädigungsrente wegen Existenzverlusts zusammen) 120 DM gibt, erhält die entsprechende Witwe eines von den Nationalsozialisten Erschossenen auf Grund der neuen Regierungsvorlage etwa monatlich 550 DM. Es soll keineswegs das Unrecht beschönigt oder verkannt werden, das dem Opfer des vor 1945 herrschenden Regimes angetan wurde. Die vertriebene Witwe ist aber ebenso durch Umstände, die die Reichsregierung zu verantworten hat, in ihre Not geraten wie die Witwe des Verfolgten. Die Vertriebenen wären interessiert zu erfahren, was nach Meinung der Bundesregierung eine solch unterschiedliche Behandlung westdeutscher Staatsbürger rechtfertigt.

 

Einem Vertriebenen, der infolge der Vertreibung voll erwerbsunfähig geworden ist, bewilligt das Lastenausgleichsgesetz, sofern er eine Existenz mit 800 DM Monatseinkommen verloren hat, eine Kriegsschadenrente von 120 DM. Eine Person, die infolge nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen dauernd erwerbsunfähig geworden ist, erhält nach der neuen Regierungsvorlage, sofern gleiche Einkommensverhältnisse vorlagen, rund 700 DM Rente. Das Missverhältnis zwischen den Leistungen an die Vertriebenen und an die Verfolgten ist in diesem Beispiel noch viel größer.

 

Ein in einem Konzentrationslager Inhaftierter erhält für jeden Monat KZ-Haft 150 DM Haftentschädigung. Im Gegensatz zum Entwurf des Bundesentschädigungsgesetzes wird den Vertriebenen, die erst einige Jahre nach der Einnahme der Heimatgebiete durch die Russen aus der Heimat nach Restdeutschland herüberkommen konnten, für die Jahre der Drangsal durch Polen, Russen oder Tschechen keinerlei Entschädigung gezahlt, weder durch das LAG noch durch ein anderes Gesetz.

 

Bei Verlust des Hausrats durch Verfolgung steht dem Geschädigten nach dem Regierungsentwurf, sofern er z. B. ein Jahreseinkommen von 3000 RM gehabt hat, eine Entschädigung von 4500 DM zu. Ein entsprechender Vertriebener erhält nach dem Lastenausgleichsgesetz 800 DM, also nur etwa den sechsten Teil.

 

Ein Verfolgter, der ein Haus mit einem Einheitswert von (1935) 20 000 RM verlor, erhält etwa 70 000 DM an Entschädigung. Einem entsprechenden Vertriebenen, der seine Entschädigung aus dem Lastenausgleich empfangen muss, stehen nur 5830 DM als Hauptentschädigung zu.

 

Für solch unterschiedliche Behandlung können die Vertriebenen kein Verständnis aufbringen, über die sachlichen Einzelheiten des neuen Bundesentschädigungsgesetzes wird erst berichtet werden, sobald das Gesetz vom Bundestag seine endgültige Fassung erhalten hat. Im Augenblick kam es nur darauf an, darzutun, wie weit die augenblickliche Regelung des Lastenausgleichs noch entfernt ist von dem, was die Bundesregierung offensichtlich bei anderen Personengruppen als den Vertriebenen als gerecht ansieht. Auch für die Vertriebenen Gerechtigkeit zu erlangen, muss Aufgabe des Lastenausgleichsschlussgesetzes, das für den 31. März 1957 vorgesehen ist, sein.

 

Seite 5   Heute in Memel. Das Zauberwort Mais – Misswirtschaft auf den Kolchosen.

In zwei Beiträgen — wir brachten sie in den Folgen 48 vom 26. November 1955 und 50 vom 10. Dezember 1955 — berichteten wir, wie es jetzt in Memel aussieht. Wir erzählten von den wenigen Deutschen, die noch in Memel leben, von den Zuständen im Hafen, von der Industrie, von den schweren Lebensbedingungen. Es ist noch von manchen Einzelheiten zu berichten, und das soll später in kurzen Beiträgen und in zwingloser Folge geschehen. Jetzt soll von einem Experiment berichtet werden, das im letzten Jahr auf dem Lande auch bei Memel durchgeführt wurde.

 

Es war an einem Tag im August des vorigen Jahres, da gab es auf dem Lande, wenige Kilometer südlich von Memel, einige Aufregung. Man hatte dort einen Hügel entdeckt, der ganz und gar das Aussehen eines frischen Grabes hatte, und man vermutete ein Verbrechen. Die Polizei trat in Tätigkeit und grub nach. Was man fand, war aber nicht eine Leiche, sondern ein Bündel von kümmerlichem grünem Mais, und auf einem Zettel war höhnisch vermerkt worden, der Mais sei gestorben und nun hier beigesetzt worden.

 

Ja, so war es tatsächlich, auch im Memelgebiet konnte sich jeder überzeugen, dass der große Mais-Plan gescheitert war. Fleisch und Milch sind sehr knapp in der Sowjetunion; der Viehbestand hat bei einer gewaltig angewachsenen Bevölkerung noch immer nicht den Stand der Zeit vor der Kollektivierung erreicht. Futtermittel sind sehr knapp. Im Winter von 1954 auf 1955 verhungerte auch im Memelgebiet viel Vieh, weil kein Futter da war. Schon im März wurde das abgemagerte Vieh herausgelassen, es sah erbarmungswürdig aus, und viele Stücke mussten geschlachtet werden. Das Fleisch dieser Tiere war verhältnismäßig sehr billig, man zahlte drei Rubel für ein Pfund. Auch zahlreiche Pferde wurden aus Futtermangel notgeschlachtet; im ganzen Frühjahr bis in den Sommer hinein gab es nur Pferdewurst, aber selbst nach dieser musste man anstehen. Ähnlich war es in der ganzen Sowjetunion.

 

Mais als Silofutter hieß nun die neue Parole, mit der man den Futtermangel beheben und so endlich die Milch- und Fleischerzeugung steigern wollte. Das Zentralkomitee in Moskau beschloss im Januar 1955, die Anbaufläche von Mais — natürlich auf Kosten anderer wichtiger Bodenerzeugnisse — von 3,5 Millionen auf 15 Millionen Hektar zu erweitern.

 

Mais! Das wurde wie ein Zauberwort verkündet. Mais-Aufklärungsbroschüren wurden in jede Kolchose und in jede Traktorenstation geschickt. Maisplakate und Maislosungen wurden an jeden Stall und an jeden Schuppen geklebt. „Mobilisiert die Massen zum Kampf um eine hohe Maisernte!" „Der Mais erfordert die vordringliche Aufmerksamkeit der Parteiorganisationen!" Mais in Schlagzeilen, Leitartikeln, Rundfunksendungen, Maispropaganda im Pionierklub und im Kindergarten.

 

Mais statt Winterroggen.

Natürlich wurde auch die Sowjetrepublik Litauen in diese Aktion einbezogen, und in Wilna, der Hauptstadt, gab man den Plan im Einzelnen wieder weiter an die Bezirke. Jede Kolchose erhielt ihr Maisanbau-Soll, eine jede musste eine bestimmte Fläche mit Mais bestellen. So wurden auch im ganzen Memelgebiet große Flächen mit Mais bebaut.

 

Als man anfing, diesen Plan durchzuführen, da war die Jahreszeit schon recht weit vorgeschritten; es war Mai geworden, ja, an einzelnen Stellen begann man erst im Juni mit der Aktion. Anbaufähiges Land war nicht mehr da — dass etwa die Hälfte des guten Landes brach liegt, ist eine Sache für sich —, und so wurde an vielen Stellen kurzerhand der Winterroggen mit den Maschinen abgeschnitten, die Fläche, die mit Mais bebaut werden sollte, war so geschaffen worden. Der Roggen stand übrigens sehr gut, und es braucht kaum gesagt zu werden, dass die Menschen, die dies alles durchführen mussten, nicht begeistert und nicht glücklich waren.

 

Da die Arbeitskräfte auf dem Lande nicht ausreichten, wurden auch Schulkinder eingesetzt. Man holte auch Leute aus der Stadt mit Autos heraus, und auch Arbeiter aus den Fabriken mussten nach Feierabend helfen. Kein Wunder, dass viele von ihnen, müde und unwillig, die Arbeit nur markierten. Nach der späten Saat wurden auch die notwendigen Arbeiten nicht verrichtet, und so wurde das Unkraut höher als der Mais, der gar nicht hochkommen wollte. Bald konnte jeder sehen, dass die ganze Maisaktion ein großes Fiasko geworden war. Die Silos, die zum Einsäuern von Mais gebaut werden sollten, sah man nur als Abbildungen in den Zeitungen, aber kaum auf dem Lande.

 

Die Schuldigen

In dem Parteiblatt, der „Sowjetskaja Litwa" („Sowjetisches Litauen") waren nun Artikel zu lesen, in denen die Schuldigen gesucht wurden. In vielen Kolchosen, so hieß es, würden die Zwischenfurchen überhaupt nicht bearbeitet. In der Kolchose Iskra seien von dreißig Hektar Mais nur einmal achtzehn Hektar bearbeitet worden, die restliche Fläche sei von Unkraut überwuchert, und auch an die Bearbeitung der Kartoffeln und der Wurzelfrüchte gehe man nicht heran. Der Vorsitzende dieser Kolchose und die Agronome hätten erklärt, wichtig sei die Heuernte, der Mais sei ja für den Silo bestimmt. Charakteristisch sei, dass sie nicht einmal sagen könnten, wieviel Mais die einzelnen Brigaden angebaut hätten und wie die Pflege der Kulturen organisiert worden sei. In der Kolchose Malenkow seien von den geplanten hundert Hektar nur vierundsiebzig Hektar mit Mais bestellt worden, aber auch auf dieser Fläche sorge niemand für die Saat, und sie werde nicht von Unkraut gesäubert. Noch weitere Kolchosen werden aufgezählt, wo Mais, Kartoffeln und andere Früchte schlecht gewartet würden. Es ist von Faulenzern die Rede und von Leuten, die die Arbeit schwänzen, und von einer Brigade, die nicht einmal die erste Bearbeitung der Maissaat beendet habe. „Die Verantwortlichen der Maschinentraktorstation Schwenzeln (Kreis Memel) weilen sehr selten auf den Kolchosen und sind über die Lage an Ort und Stelle nicht unterrichtet“, so heißt es in der Zeitung weiter. „Die Vorsitzenden zahlreicher Kolchosen erklären, dass sie den Hauptagronomen der MTS bisher noch nicht auf dem Felde gesehen haben. Tatsächlich weiß er nicht, wie auf der einen oder anderen Kolchose die Wartung der Maissaat organisiert ist und wie die Spezialisten der Landwirtschaft arbeiten“.

 

In einer — wohl bestellten — Zuschrift zweier Kolchosbauern der Kolchose Jonischken heißt es, dass nicht alle auf ihrer Kolchose mit Verantwortung arbeiten. Auch in der Erntezeit beginne die Arbeit auf dem Felde nicht eher als um neun Uhr früh, und sie dauere nach einer großen Mittagspause dann bis sechs oder sieben Uhr abends. Es gibt, so wird weiter gesagt, sogar Leute, die während der heißen Erntetage auf den Markt fahren. Die Verwaltung verhalte sich solchen Leuten gegenüber sehr liberal; sie müsste scharfe Maßnahmen ergreifen, um die Arbeitsdisziplin zu heben.

 

Musterkolchose Lankuppen

Im ganzen Memelgebiet ist die Landwirtschaft in Kolchosen zusammengefasst oder es sind Sowchosen errichtet worden, also landwirtschaftliche Betriebe, die bestimmten Behörden oder Einrichtungen gehören, etwa einer Regierungs- oder Parteistelle oder einer Stadt. Bis 1948 und 1949, als die Bauern frei waren, gab es auf dem Markt in Memel alles in Hülle und Fülle und zu erträglichen Preisen, als aber die Kolchosenwirtschaft eingeführt wurde, als die Bauern in die Kolchosen gezwungen wurden — freie Bauern gibt es heute im Memelgebiet überhaupt nicht mehr —, wurde die Zufuhr immer geringer; die Preise auf dem freien Markt sind für die breite Masse sehr hoch und in vielen Fällen unerschwinglich. In den staatlichen Geschäften gibt es aber deshalb nicht etwa mehr zu kaufen; auch Brot ist nicht immer und nur nach langem Anstehen zu haben.

 

Heute ist im Memelgebiet keineswegs die gesamte landwirtschaftlich nutzbare Bodenfläche nun auch bearbeitet. Man kann sagen, dass nur etwa die Hälfte benutzt wird, der Rest liegt brach und verwildert da und ist mit Unkraut, Sträuchern und Bäumen bestanden. Auch das bebaute Land bietet ein unterschiedliches Bild; es hängt zum größten Teil von den Kolchosen ab, in welchem. Zustand es sich befindet. Es gibt solche, die verhältnismäßig gut arbeiten und andere, auf denen eine Misswirtschaft herrscht.

 

Es heißt, dass als beste Kolchose in Litauen die Stalin-Kolchose in Lankuppen im Kreise Heydekrug gilt; dort arbeiten die einheimischen Deutschen, die früher dort lebten. Gerade in jener Gegend ist der größte Teil der alten Einwohner geblieben, und ihr Fleiß und ihre Tüchtigkeit machen sich auch in der Wirtschaft der Kolchose bemerkbar. Auf dieser Kolchose — zu Lankuppen gehören gute Weiden und Wiesen — wird viel Butter erzeugt, wie überhaupt aus dem Memelgebiet erhebliche Mengen Butter nach dem Innern Russlands verfrachtet werden.

 

Auf vielen Kolchosen gibt es bei jeder Ernte immer wieder große Flächen, die nicht abgeerntet werden, ob es sich nun um Kartoffeln, um Roggen oder um eine andere Frucht handelt. Wenn nun Leute aus der Stadt versuchen, etwa stehengebliebene Kartoffeln für sich zu buddeln — ein Zentner Kartoffeln kostet nach der Ernte, also der billigsten Zeit, fünfzig bis achtzig Rubel je Zentner, ein durchschnittlicher Arbeiter verdient etwa vierhundert Rubel im Monat! —, dann werden sie verjagt, und es kommt auch vor, dass der Natschalnik sie mit Hunden einkreist und festnimmt. Ist die Lage auf den Kolchosen ganz schlimm, dann werden Arbeiter aus den Fabriken aufs Land zur Hilfeleistung gebracht.

 

Brot aus Memel

Dass die Arbeitslust auf den Kolchosen nicht groß ist, ist weiter kein Wunder, denn der Lohn, den die Arbeiter bekommen, ist sehr gering. Für seine eigene Wirtschaft erhält der Arbeiter ein kleines Stück Land, er kann eine Kuh, zwei Schweine und auch Hühner halten. Aber er muss von der Kuh Milch oder Butter abliefern, von den Schweinen Fleisch und von den Hühnern Eier. Die Norm ist so hoch, dass viele die Kuh abgeschafft haben und sich eine Ziege halten, da sie dann nichts abzuliefern brauchen. Was sie aus der kleinen Eigenwirtschaft herauswirtschaften können, ist gering, und das verkaufen sie, wenn sie es nur irgend ermöglichen können, auf dem freien Markt, um sich mit dem Erlös irgendwelche anderen lebensnotwendigen Dingen einzuhandeln, — Brot etwa, Heringe, Salz. Brot ist immer knapp auf dem Lande, eine Menge Getreide wird zu Schnaps verarbeitet; zwanzig Rubel und mehr kostet ein Liter dieses schwarz gebrannten Schnapses. Und so fahren, so unglaublich es auch klingt, große Teile der Landbevölkerung nach Memel, um dort Brot zu kaufen, und Schwarzhändler hamstern es dort und verkaufen es zu höheren Preisen in Heydekrug und auf dem Lande.

 

Seite 5   Raubbau in Ostpreußens Forste.

Aus Berichten der polnischen Presse geht hervor, dass wegen der schlechten Versorgung mit Hausbrand in diesem Winter nicht nur die in den deutschen Ostgebieten neu angesiedelte Bevölkerung Genehmigung zum Einschlag großer Mengen Brennholz erhält, sondern dass nunmehr auch aus Zentralpolen bzw. Westpolen Arbeiterkolonnen in die deutschen Ostgebiete gebracht werden, um dort Brennholz einzuschlagen. So stellten die Staatsgüter der Woiwodschaft Lodz eine Arbeitsbrigade zusammen, die nach dem südlichen Ostpreußen entsandt wurde und dort für diese Staatsgüter über 2000 Festmeter Brennholz einschlug.

 

Rest der Seite: Bekanntschaften, Stellengesuche, Reklame (von ehemaligen Ostpreußen)

 

Seite 6   Wir melden uns.

Wir grüßen Verwandte und Bekannte aus der Heimat. Frau Martha Kopp, geborene Jendreyko und Söhne. Weischnuren bei Rastenburg. Jetzt Velbert, Rhld., Talstraße 49

 

Seite 6   Amtliche Bekanntmachungen

4 II 35/55   Aufgebot

Fräulein Irma Klewitz, Hamburg-Billwerder, Alter Landweg 50, hat beantragt, ihren Vater, den Mühlenbesitzer Hermann Klewitz, geboren 16.12.1890 in Grünwalde, zuletzt wohnhaft gewesen in Imten, Kreis Wehlau, für tot zu erklären. Der Bezeichnete wird aufgefordert, sich bis spätestens 31. März 1956 vor dem unterzeichneten Gericht zu melden, widrigenfalls er für tot erklärt werden kann. Alle Personen, die Auskunft über Tod und Leben de Verschollenen geben können, werden aufgefordert, spätestens bis zum 31.03.1956 dem Gericht Mitteilung zu machen. 14. Dezember 1955. Amtsgericht Hamburg-Bergedorf, Abteilung 4

 

Durch Gerichtsbeschluss ist der Tod und der Zeitpunkt des Todes der nachstehend bezeichneten Person festgestellt worden: Die mit Buchstaben bezeichneten Angaben bedeuten a) Anschrift am letzten bekannten Wohnsitz, b) letzte bekannte Truppenanschrift, c) zuständiges Amtsgericht und dessen Aktenzeichen, d) Tag des Beschlusses, e) Zeitpunkt des Todes. Margarete Kossin, geboren 10.07.1909 in Nemmersdorf, Kreis Gumbinnen, Ostpreußen, Ehefrau, a) Kaimelskrug, Kreis Gumbinnen, Ostpreußen, c) Walsrode, 1 II 98/55, d) 22.12.1955, e) 15.03.1945. Amtsgericht Walsrode, 14.01.1956

 

Seite 6   Suchanzeigen

Für amerikanischen Nachlass suchen wir die Tochter von Ceclie Jankow, geschiedene Wagner, geborene Erlmann nämlich Eulalia Cecilie, genannt Elli …, geborene Wagner. Angeblich bei Kriegsende von Allenstein nach Bielefeld evakuiert. Zweckdienliche Mitteilungen per Eilboten an: Eugen Hoerner GmbH., Spezial-Bankgeschäft zur Erhebung von Erbschaften in Amerika, Heilbronn am Neckar, Lohtorstraße 26.

 

Gesucht wird das Beerdigungskommando d. Organisation Todt, das am 5. April 1945 den Oberleutnant Paul Kurt Dillner, Flughafen Werneucken, Obb., Wegedorf, als Leiche gesehen und beerdigt hat. Nachricht erb. Frau Ella Elisabeth Lützner, Krefeld, Philadelphiastraße 131.

 

Achtung, Schillfelder! Wer kann mir eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass ich von 1929 - 1939 als Straßenwart tätig war u. die Prüfung abgelegt habe? Gustav Kaspereit, Obersäckingen, Kreis Säckingen, Bächleweg 1, früher Schillfelde, Kreis Schloßberg, Ostpreußen

 

Achtung, Königsberg - Ponarther! Auskunft wird erb. über das Schicksal meiner Eltern, Otto Arndt, und Amalie Arndt, geb. Sult, aus Ponarth, Barbarastraße 54 A. Beide waren 4 Jahre in USA, fuhren dann aber wieder im Jahre 1932 in die alte Heimat zurück. Auf uns. Deutschlandreise im Sommer 1955 war ich persönlich vorstellig im Flüchtlingslager Friedland, um etwaige Auskunft zu erhalten, aber ohne Erfolg. Sind infolgedessen niemals in die West-Zone gekommen. Würde sehr dankbar sein, wenn mir jemand Auskunft geben könnte über das Schicksal meiner Eltern. Beide waren Mitglieder der Baptisten-Gemeinde Ponarth, Brandenburger Straße 22. Vater war vor seiner Pensionierung im Ausbesserungswerk Ponarth (Wagenwerkstatt) beschäftigt. Bitte irgendwelche Ausk. zu erteilen an Otto K. Arndt, 6494 South Canterbury Rd., Cleveland, O., Parma 29, USA.

 

Verwandte und Bekannte sucht Frau Elise Dilbat, geb. Ipach, aus Narwikau, bei Eydtkau, jetzt b. Martha Bublies, geborene Ipach. Wiesbaden-Sonnenberg, Gartenstraße 5.

 

Gerhard Burbulla,  geboren  09.09.1921, Obgefr., FP-Nr. 02 442 E, 3. Batterie, Artl.-Regt. 97, vermisst seit 23.08.1944 bei Leowa (Pruth), Rumänien; Heinz Burbulla, geb. 04.05.1924, Gefr., FP-Nr. 22 316 E, Einheit 4. Kp., Füsilier-Regt. Feldherrnhalle, vermisst seit 28.06.1944 bei Belynischi, Rollbahn Mogilew —Minsk, beide zul. wohnh. Königsdammerau, Kreis Graudenz. Fritz Schliewe,  geb. 17.11.1915, Obergefreiter, FPNr. 58 493, letzte Nachr. Januar 1945, vermisst bei Pr.-Eylau, zul. wohnh. Peitschendorf, Kr. Sensburg, Ostpr. Nachr. erb. Gustav Burbulla, Hörsten über Damme, Oldenburg-Land.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib der Familie Dank? Albert Dank, war an der Ostfront; Frau Minna Dank, geborene Wargenau, Kinder: Christel Dank, Armin Dank und Harald Dank waren evakuiert nach Pommern, früher Königsberg Pr., Oberhaberberg. 36. Nachricht, erb. Otto Dank, Gut Burghasungen, Kassel-Land 7.

 

Achtung, Heimkehrer! Kameraden des ehem. Volkssturmbat. Pr.Holland, Kampfraum Angerapp! Wer kann mir Auskunft geben über den Verbleib meines Mannes Gottfried Eisner, geb. 20.08.1898, Marienfelde, Kreis Pr.-Holland, Ostpr.? Nachr. erb. Frau Elisabeth Eisner, Werdohl-Husberg 3, Kr. Altena, Westf., früher Bordehnen über Mühlhausen-Land.

 

Gesucht werden Frau Agnes Fabian, geb. Bankmann, geb. 22.10.1915 zu Stobingen. Heimatanschr. Hirschflur, Kreis Tilsit-Ragnit, Fräulein Eva Stark, geb. 1928, aus Rastenburg (Grafschaft), Kr. Elchniederung, Ostpr.. Herr Albert Mickoleit, aus Hirschtlur, Kreis Tilsit-Ragnit. Nachr. erb. Ewald Herm. Bankmann, Wuppertal-Beyenburg, Herbringhausen 17.

 

Achtung, Heimkehrer! Wer war in einem Gefangenenlager mit Karl Feyerabend, geb. 12.12.1890, Waltraut Feyerabend, geb. 04.03.1925, zusammen? Zuletzt wohnh. in Pr.-Eylau, von dort von den Russen am 10.02.1945 bzw. 13.02.1945 verschleppt. Karl Feyerabend soll im Januar 1946 im Gerichtsgefängnis Königsberg gesehen worden sein. Nachr. erb. Berta Feyerabend, Hohenlimburg, Mühlenbergstraße 8.

 

Wer kann mir etwas üb. den Verbleib unserer geliebten Eltern und Großeltern, Franz Karl Grohnwald, geb. 01.02.1880, Frau Elise Berta Grohnwald, geb. Kleefeld, geb. 21.12.1884, beide zuletzt wohnhaft in Königsberg Pr., General-Litzmann-Str. 98a, mitteilen? Letzte Nachr. vom 26.02.1945. Außerdem soll mein Vater 1947 in der Nähe d. Königsberger Walzmühle (wo er seit 30 Jahren tätig war), gesehen worden sein. Wer unsere Eltern nach dem 26.02.1945 gesehen oder gesprochen hat oder irgendetwas über den Verbleib melden kann, bitte ich um genaueste Mitteilung. Für jeden Hinweis wären wir sehr dankbar. Frau Lotti Grosse, verw. Klein, geb. Grohnwald, Herr Herbert Grosse, Inhaber der Likörfabrik Samariter, Berlin N 65, Brunnenstraße 102, sowie Enkelkinder Hannelore, Gabriele und Lutz.

 

Achtung Heimkehrer! Wer kann Auskunft geben über meine Söhne, Wachtmeister Erich Hartwig, geb. 14.08.1917, Wohnort Scharnau, Kreis Neidenburg, Ostpr., FP-Nr. 10 238 D, letzte Nachricht R.-Lazarett Gronau i. Westf., Februar 1945: Feldw. Fritz Hartwig, geb. 03.07.1906, Wohnort (Lubeinen) Osterode, Ostpr., bis Okt. 1944 Standort J.-Fr.-Schule, Berlin-Döberitz, letzte Nachr. November 1944 aus Zichenau (Polen)? Unkosten werden erstattet. Nachr. erb. Fr. Henriette Hartwig, Bohmte, Kr. Wittlage, Bez. Osnabrück, bei ihrem Sohn E. Hartwig, früher Kleinkosel, Kreis Neidenburg.

 

Wer kann Ausk. geben üb. Familie Gregor Hinzmann, ,Königsberg, Juditter Allee 40? Gesucht von Friseurmeister Willy Schukies, Düren, Rhld., Düppelstraße 11. Unkosten werden erstattet.

 

Ernst Janz, geb. 08.07.1916 in Tilsit, zul. wohnh. in Braunsberg, Auestraße 20, Zivilist, zul. Gesehen am 20.01.1945, seitdem vermisst. Nachr. erb. u. Nr. 56 025 Das Ostpreußenblatt, Anz.-Abt., Hamburg 24.

 

Wer kann Ausk. geben über IdaPfillipeit, Branden, Kr. Insterburg, Ostpr. Nachr. erb. für Fritz Hellwig, Edith Heinrich, (17b) Laufenburg, Halde 9.

 

Achtung Russlandheimkehrer! Wer weiß etwas über den Verbleib meines einzigen Bruders, Uffz. Roland Krause, geb. 10.06.1919, aus Hohenstein, Ostpr.? Letzte' Nachr. aus Oberschlesien Ende März 1945, FP-Nr. 11 629 D oder 04 292 B. Nachr. erb. Frau Lieselotte Drossert, geb. Krause, Rio Bamba 93, Beccar (San Lsidro), Buenos Aires, Rep. Argentina, oder Frau Emilie Pfeiffer, Letmathe, Kampstraße 3, Sauerland, Westf.

 

Eilt! Achtung, Kriegsmarine! Wer  war mit den Brüdern Ewald Lachmann und Heinz Lachmann, auf dem Torpedoboot 28 oder 32 zusammen und kann den Tod von Ewald Lachmann, geb. 20.05.1923 in GamstigaII-Samland. gest. 25.03.1945 im Einsatz auf der Ostsee bestätigen?! Bitte melden! Unkosten werden erstattet. Maria Dank, geb. Lachmann, früh. Pokirben, Kr. Samland, jetzt Gut Burghasungen, Kassel-Land 7.

 

Für meine Versorgungsansprüche suche ich dringend Zeugen, die bestätigen können, dass mein Mann, Landessekretär Otto Sommer, in Königsberg Pr., Revier 5 Haberberg, einen zwölfjährigen Polizeidienst hinter sich hatte, ferner Kollegen vom Provinzial-Landeshaus, die die Jahre und auch die Besoldungsgruppe meines Mannes bezeugen können. Außerdem suche ich Zeugen, die meinen Mann vor seiner Polizeidienstzeit als Bäckergesellen gekannt haben. Er wohnte damals Königsberg Pr., Viehmarkt 4, später Scheffnerstr. 12/13. Elise Sommer, Loxten 243, Post Stockheim üb. Halle, Westf., früh. Königsberg, Scheffnerstraße 12/13. Unkosten werden erstattet.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Mann Franz Störmer, geb. 01.12.1878 in Bieberswalde, Kr. Wehlau, wohnh. Königsberg Pr., Löbauer Str. 11? Wurde Ende April 1945 von der russischen Wehrmacht mitgenommen. Ferner über Familie Otto Brunk u. Auguste Brunk, Königsberg Pr., Oberrollberg 19. Nachr. erb. Fr. Charlotte Störmer, Schneverdingen, Kr. Soltau (Hann.), Rotenburger Str. 29.

 

Suche die Eltern von Frau Herta Sawatzki, Familie Grigat, aus Stellwagen, Ostpr., Elchniederung. Nachr. erb. Anni Demmel, geb. Trunschel aus Karkeln, Mittenwald, Obb., Café Hochland.

 

Seite 6   Tote unserer Heimat

Professor D. Alfred Uckeley gestorben.

Am vorletzten Tag des vergangenen Jahres verstarb in Marburg der ehemalige Professor für Praktische Theologie an der Königsberger Universität D. Alfred Uckeley. Eine lange Reihe von Jahren hat er an der Albertina gelehrt, sich in die kirchliche Eigenart Ostpreußens eingelebt und in seinem Fach in bedeutsamer Weise zu der Heranbildung der jungen Theologen für den Dienst des Pfarramts beigetragen.

 

In Pommern war er geboren — am 25.08.1874 in Kolberg —; er war Pfarrer in Wildungen (1900). dann (1905) Dozent in Greifswald. 1910 wurde er als Ordentlicher Professor für Praktische Theologie nach Königsberg berufen. Diese Professur stellt hohe Anforderungen, soll doch der Inhaber dieses Lehrstuhls auf allen Gebieten der Theologie gut gegründet sein und dazu die Fähigkeit haben, für die Praxis des kirchlichen Dienstes vorzubereiten, insbesondere für die Aufgaben der Predigt, des Unterrichts, der Seelsorge. Wer damals an der Albertina Theologie studierte, empfand dankbar die von ihm ausgehenden Anregungen. Das im guten Sinne „Moderne" seiner Tätigkeit war, das er über das Herkömmliche hinaus Wege eröffnete und Arbeitsgebiete in Angriff nahm, die sich als fruchtbar erwiesen. Er stellte Verbindungen zu anderen Wissenschaftszweigen und Bereichen des öffentlichen Lebens her, insbesondere zu den sozialen Forschungen und Bestrebungen, wie auch zur Jugendpflege und Heimatkunde. Der „Praktische* Theologe hat natürlich auch der im Amt stehenden Pfarrerschaft mit einer Fülle von Referaten und Anregungen gedient, auch den kirchlichen Kreisen und den Gebildeten. Das geschah für fast ein Jahrzehnt in Zusammenarbeit mit dem damaligen Pfarrer am Löbenicht, Konsistorialrat D. Wilhelm Richter, der von 1915 bis 1925 in höchst anregender Weise in Stadt und Provinz tätig war und dann als Oberdomprediger nach Berlin berufen wurde.

 

Zu Uckelevs Zeiten erlebte die Theologische Fakultät in Königsberg ihre höchste Bluüte, gleichzeitig wirkten dort Schniewind, Noth. Iwand, Rust, Zscharnack und G. Bornkam. Davon kann nicht an dieser Stelle ausführlicher berichtet werden, nur einer soll in Kürze aber mit großem Dank genannt werden, der Professor für Kirchengeschichte, D. Leopold Zscharnack, da er wenige Monate zuvor — am 19. August 1955 — in Kassel verstarb. Ihm, der seit 1925 in Königsberg lehrte, verdanken viele eine gediegene Zurüstung auf dem Gebiet, und sein Name ist durch das von ihm herausgegebene Lexikon „Die Religion in Geschichte und Gegenwart" rühmlich bekannt. Auch war er — wie Uckeley — Konsistorialrat und hat mit großer Treue bis zuletzt die Aufgaben der Kirchenbehörde wahrgenommen, wobei sein großes Verständnis für Ziel und Weg der „Bekennenden Kirche" ihm hohe Achtung eintrug. Uckeley wurde schon in den ersten Zeiten des Kirchenkampfes — im Jahr 1933 — durch die Machthaber des Dritten Reiches aus Königsberg entfernt; er war noch an der Universität in Marburg tätig und lebte dann in Wildungen, wo er die große Freude hatte, dass dort sein Sohn im Pfarramt stand, wo er selber einst seinen kirchlichen Dienst begann. Im Alter hat es nicht an Leiden gefehlt, und nun ist er im 82. Lebensjahr von Gott abberufen. Seine bekanntesten Arbeiten sind: „Moderne Predigtideale", „Borowckis Patriotischen Predigten", vor allem die mit Richter zusammen gehaltenen Vorträge, die unter dem Titel „Die Bibel und der moderne Mensch“ erschienen sind und vielen eine wertvolle Hilfe im Glaubensleben waren. H. Linck

 

Seite 6   Forstmeister a. D. Reinhard Ziesmer gestorben.

Am 29. Dezember 1955 starb Forstmeister a. D. Reinhard Ziesmer. Über zwanzig Jahre wirkte er im Kranichbruch; er leitete das gleichnamige Forstamt und förderte die Hege des Wildes auch als Kreisjägermeister des Kreises Insterburg. Als Forstmeister Ziesmer sein Amt übernahm, waren Gabler und Sechser Platzhirsche. Im Zeitpunkt der Vertreibung standen ein Achtzehnender auf dem Stayutscher Moor und ein Zwanzigender auf dem Skungirrer Moor — ein Beweis für den Erfolg seiner planmäßigen Hege.

 

Hermann Sich, letzter Revierförster im Forstamt Kranichbruch, widmet ihm den folgenden Nachruf: „Wir, die mit ihm jagen durften, sehen ihn vor der Eschenwalder Jagdhütte beim Strecke legen bei Hörnerklang und Fackelschein vor seiner Jägerei stehen. Hier, wo er auf den Mooren den balzenden Birkhahn – meist für Jagdfreunde – bestätigte, wo er der Fährte des Stangenelchs folgte oder den schreienden Rothirsch anging, wo er am E-Gestell bei funkelndem Abendstern auf die Schnepfe passte, hier war Forstmeister Ziesmer daheim. Wir legen im Geiste einen ostpreußischen Eichenbruch auf sein Grab.

 

Seite 6   Aus den Ostpreußischen Heimatkreisen …

Memelkreise

Aus der alten Heimat werden gesucht:

Heinrich Bumbullis, früher Metterqueten, soll sich 1947 in oder bei Lübeck aufgehalten haben.

 

Michel Dugnat, geb. 03.04.1895 in Cullmen-Kulken, früher Neppertlauken wohnhaft gewesen. Wurde 1944 zum Volkssturm eingezogen.

 

Johann Kawohl, geb. 10.04.1907 in Baiten. Kawohl soll 1945 in Düsseldorf gewohnt, und bei einer Bahngesellschaft beschäftigt gewesen sein.

 

Erich Killat, geb. 02.10.1898 in Rubeln, letzter Wohnort?, war März 1945 in Gotenhafen.

 

Heinz Killat, geb. 06.09.1929 in?, ist 1949 nach Australien, Quorn, ausgewandert, nicht zu ermitteln.

 

Johann Klimkeit und Ehefrau Anni Klimkeit, letzter Wohnort? sollen in Westfalen wohnen. K. soll Lehrer sein.

 

Erich Baum und Erna Baum, geborene Klimkeit, sollen 1947 in Hamburg-Altona gewesen sein.

 

Willi Gahmann und Grete Gahmann, geb. Klimkeit, sollen 1950 in Westfalen gewohnt haben.

 

Martin Lilischkies, geb. 01.10.1890 in Petersakuten, und die Söhne Michel Max Lilischkies, geb. am 19.01.1921 in Laugallen und Johann Walter Lilischkies, geb. 22.11.1922 in Lausallen.

 

Anastasia, Pauliks, geb 1929, früher Ulgschen, war 1945 in Pillau.

 

Johann Peldschus, geb. 20.11.1912, früher Schlaunen. Peldszus, Johann, (Ehefrau Betty Peldschus) ohne nähere Personalangaben. 1945 in Bartenstein verhaftet, soll als Zivilgefangener im Lager 28 612 gesehen worden sein. (Lager ist unbekannt.) Nachrichten oder Hinweise erbittet der Suchdienst der Memelkreise, (23) Oldenburg/O., Cloppenburger Straße 302 b.

 

Angerburg

Gesucht werden:

Charlotte Graf, geb. Kreutschmann, und Tochter Christel Kreutschmann aus Angerburg (Kaserne). Sie war s. Z. bei der Reichsbahn beschäftigt:

Frau Kreutschmann, Mutter von Charlotte Graf;

Christel Schulze, geb. Schilawa. Angerburg, Lötziener Straße 14;

Frl. Erika Dietrich, Raudensee;

Max Alsdorf, Kanitz;

Burkhardt Czygan, Gembalken;

Ilse Freundt, Angerburg;

Fritz Jelinski, Wiesental;

Karl Korth, Lokführer, Angerburg;

Karl Lichte, Masehnen;

Adolf Strenger, Gembalken;

Frl. Marta Willun, Andreastal;

Heinz Wischnat, Angerburg;

Charlotte Schäfer, Benkheim, geb. 14.04.1914;

Ludwig Pyko, Benkheim, geb. 30.03.1885;

Erna Tunnat, Paulswalde:

Ida Hundsdörfer, Angerburg, Strengelerstraße 9;

Fritz Mollenhauer, Angerburg, Erich-Koch-Straße 1;

Gotthard Spickermann, Großgarten;

Auguste Guß, Rosengarten;

Frl. Edith Koehn, Paulswalde;

Karl Brix, Kutten;

Marta Großmann, Steinort;

Hertha Gromzick, Angerburg, Bismarckstraße 17.

 

Jede Nachricht über die Gesuchten erbittet sofort die Geschäftsstelle. Hans Priddat, Kreisvertreter, (16) Bad Homburg v. d. Höhe, Seifgrundstr. 15

 

Lötzen

Der Geschäftsstelle wurden die Namen von folgenden Heimkehrern mitgeteilt:

aus Lötzen:

Anneliese Gliese,

Paul Luxa.

Karl Pienak,

Siegfried Thomaschki;

 

aus Rhein:

Gerda Engelbrecht,

Gustav Plischewski;

 

aus Truchsen, Gemeinde Martinshagen:

Franz Barzick.

 

Soweit uns die neuen Anschriften bekanntgegeben wurden, haben wir diesen, schwergeprüften Landsleuten Begrüßungsschreiben gesandt. Für die Mitteilung der neuen Anschriften wären wir dankbar

 

Seite 7   Stellengesuche, Stellenangebote, Aus der landsmannschaftlich Arbeit in … und Werbung.

 

Seite 8   Oberrealschule Treuburg.

Abitur Jahrgang 1931 (Dr. Boy). Treffen? Anschriften an Dr. Seesko (24b) Bad Schilksee über Kiel.

 

Königsberger treffen sich jeden Donnerstag nach dem 1. Altonaer Fischmarkt 31, Ruf 31 24 12

 

Dringend, zwecks Rente! Wer kann die Anschrift des Eisenbahners Kurt Heyer, früher Königsberg Pr., Siedlung Liep, angeben? Emil Hinz, Schönau bei Heidelberg, Rathausstr. 18

 

Seite 8   Familienanzeigen

Klaus Schröder, geboren 23.12.1955. Marianne hat ein Brüderchen bekommen. Dies zeigen hocherfreut an Christa Schröder, geborene Schön, Laptau. Alfred Schröder, Pobethen. Beide, Kreis Samland. Jetzt Hamburg 26, Stoeckhardtstraße 17

 

Frank Schaefer, geb. 28.12.1955. Wir geben die Geburt unseres zweiten Jungen bekannt. Else Schaefer, geborene Wegner. Bruno Schaefer. Nienburg, Weser, Humboldtstraße 9. Früher Königsberg Pr., Heilsberger Straße 36/38, Vorderlomse 1a

 

Als Verlobte grüßen Erika Hepper, Breslau, Kletschkaustraße 50. Paul Boss, Lesgewangen, Kreis Tilsit-Ragnit. 1. Weihnachtstag 1955. Jetzt Bad Pyrmont, Bismarckstraße 3

 

Ihre Vermählung geben bekannt. Kurt Wirbals. Christel Wirbals, geborene Lantow. Klingsporn, Ostpreußen. Jetzt Una, Westf., Bahnhofstraße 36

 

Ihre Verlobung geben bekannt. Elfriede Lotte Koszyk, Sieden, Kreis Lyck, Ostpreußen. Jetzt Düsseldorf, Rhld. Willy Szesny, Kielen, Kreis Lyck, Ostpreußen. Jetzt Barienrode bei Hildesheim.

 

Ihre Vermählung geben bekannt. Edwin D. Davison, Civil Ingenieur. Marianne Davison, geborene Edle v. Graeve. 777 N.E. 85 th. Street. Miami/Fla U.S.A. Im November 1955

 

Ihre am 28. August 1955 vollzogene Trauung geben bekannt, Ernst Wagenführ. Christa Wagenführ, geborene Roseneit. Winden bei Düren. Früher Memel, Feldstraße 20

 

Als Vermählte grüßen: Paul Sayk, Aweyden, Kreis Sensburg. Erna Sayk, geborene Lemke, Arnswalde Pommern. Jetzt Gettorf, Kreis Eckernförde. 21. Januar 1956

 

Unsere vollzogene Vermählung geben wir bekannt. Konrad Rudorf, Grünbaum, Kreis Pr.-Eylau. Gerda Rudorf, geborene Bohl, Hoppendorf, Kreis Pr.-Eylau. Jetzt Bergdorf Nr. 3 bei Bückeburg, Kreis Schaumburg/Lippe. Silvester 1955

 

Hermann Kiworra, früher Rastenburg, jetzt Oberhode. Zum 65. Geburtstag gratulieren seine Kinder. Lieselotte. Willi und Enkelkinder

 

Am 22. Januar 1956 feiern unsere lieben Eltern, Tischlermeister und Werkstättenvorsteher a. D. Ernst Schenkewitz und seine Ehefrau Marie Schenkewitz, geborene Neumann, ihre Goldene Hochzeit. Es gratulieren, die Kinder und alle Enkel. Tapiau, Kreis Wehlau. Jetzt Braunschweig, Karlsbrunnerstraße 3

 

Am 22. Januar 1956 feiert unsere liebe Mutter, Elisabeth Nitsch, früher Gerdauen, Ostpreußen, Johanniterstraße 14, ihren 70. Geburtstag. Es gratulieren, herzlichst und wünschen weiterhin gute Gesundheit. Die Kinder und Großkind.

 

Liebe Lötzener. Am 27. Januar 1956 begehe ich meinen 80. Geburtstag. An diesem Tage denke ich besonders an meine lieben Bekannten in Lötzen. Darum die herzlichsten Heimatgrüße Max Schlinsog, Darmstadt, Riedeselstraße 43 b

 

Für die uns zu unserer Goldenen Hochzeit so zahlreich übersandten Glück- und Segenswünsche sagen wir allen Verwandten, Freunden und Bekannten herzlichsten Dank! Karl Jeckstadt und Frau, Waldhufen, Kr. Pillkallen, jetzt Wetten Post Kapellen, Geldern

 

Allen Verwandten und Bekannten ein gesegnetes neues Jahr und mit ihnen ein baldiges Wiedersehen in der Heimat wünschen Familie Seddig, Saugehnen, Kr. Insterburg. Elise Seddig, Königsberg Pr., Beeckstr. 5. Emma Wendt, geb. Seddig, Kaukern, Kr. Insterburg, jetzt Triberg, Schwarzwald Rigiweg 11

 

Meinen lieben Kollegen, Freunden und Bekannten sage ich herzlichen Dank für die zahlreich übersandten Glück- und Segenswünsche zu meinem 75. Geburtstag. Paul Popall, Hamburg 1, Repsoldstr. 52 IV.

 

Unsere liebe herzensgute Mutter, Schwieger-, Groß- und Urgroßmutter, die Lehrerwitwe Emma Dehring wohnhaft Holzminden, Weser Wallstraße 20, feierte am 10. Dezember 1955 in geistiger Frische ihren 80. Geburtstag. Es danken Gott für diesen Gnadentag ihre Kinder: Else Dehring, Holzminden, Wallstr. 20. Anni Braun, Liebenburg, Harz. Hildegard Grondowski, Lingen, Ems, Kaninchenberg 20. Gleichzeitig gedenken wir in Treue unseres geliebten Vaters Adolf Dehring bis 1935 Lehrer in Gr.-Astrawischken, Kreis Gerdauen, Ostpr., später wohnhaft in Königsberg, Augustastraße 17, der am 6. Juli 1947 nach schwerem Leiden heimging ins himmlische Reich.

 

Plötzlich und unerwartet verschied nach kurzer schwerer Krankheit am 22. Dezember 1955 unser lieber Sohn, mein treuer Bruder und Bräutigam, unser Vetter, Herbert Mattekat im Alter von 33 Jahren. Nachdem er erst vor zwei Jahren aus russischer Gefangenschaft heimkehrte, musste er nun plötzlich von uns gehen. Wir werden ihn nie vergessen. In tiefer Trauer: Johann Mattekat.  Klara Mattekat, geb. Petschewitz. Walter Mattekat- Edeltraut Jurgeit. Welper, Ruhr, Hattinger Str. 17, früher Waldau, Kr. Tilsit-Ragnit

 

Fern seiner geliebten Heimat entschlief am 26. Dezember 1955 im 77. Lebensjahre nach kurzer schwerer Krankheit mein lieber Mann, unser treusorgender Vater und Bruder, der Bauer Franz Tiedemann, aus Siegfriedswalde, Kreis Heilsberg, Ostpr. In stiller Trauer: Klara Tiedemann, geb. Fuhge. Paula Behlau, geb. Tiedemann, Münster. Gertrud Koop, geb. Tiedemann, Seedorf. Rosa Tiedemann, Münster. Walter Tiedemann, München. Ratzeburg i. Lbg., Feldstr. 13. Die Beerdigung fand am 29. Dezember 1955 in Ratzeburg statt.

 

Fern seiner geliebten Heimat verstarb am 5. Dezember 1955 mein lieber Mann, Bruder, Schwiegersohn, Schwager und Onkel, Hans Lengwenus, im Alter von 58 Jahren. In stiller Trauer Gerda Lengwenus, geb. Schulz sowie alle Angehörigen, Cranz, Samland und Königsberg Pr. Nachtigallensteig 8. Jetzt Nürnberg Mommsenstraße 13

 

Plötzlich und unerwartet entriss uns der Tod am 11. Januar 1956 unsere über alles geliebte Mutti, Edith Zelinsky, geb. Alter, geboren 11.02.1908. Und die Liebe höret nimmer auf. Im Namen der Hinterbliebenen: Dipl.-Ing. Peter Zelinsky und Söhne Hans-Henning, Friedel und Ulrich. Königsberg Pr., Flottwellstr. 22, jetzt Deggendorf-Deggenau 5 1/3

 

Nach langem schwerem, mit großer Geduld getragenem Leiden nahm Gott am 26. November 1955 meine liebe Frau, unsere herzensgute Mutter, Schwiegermutter und Oma, Marie Michalzik, geb. Gayko im 76. Lebensjahre zu sich in die Ewigkeit. In stiller Trauer im Namen aller Angehörigen: Gustav Michalzik und Kinder. Kronfelde, Kr. Johannisburg Ostpreußen. Jetzt Nordkampen üb. Walsrode (Hannover)

 

Am 2. Januar 1956 entschlief fern ihrer geliebten Heimat unsere Großmutter, Urgroßmutter, Schwester, Schwägerin, Tante und Großtante, Maria Pallasch geb. Daniel, im 83. Lebensjahre.

Waltraut Tornack, geb. Pallasch, in der sowj. bes. Zone, und alle Anverwandten. Zu erreichen durch Daniel, Oberhaus, Post Honrath über Siegburg.

 

Heute Morgen entschlief nach kurzem Krankenlager im 82. Lebensjahre meine Kusine Anna Johst. In 24 Jahren hat sie mir in aufopferungsvoller, rastloser Tätigkeit und treuer Fürsorge in Leid und Freud zur Seite gestanden. In tiefer Trauer: Ernst Weise. Richard Johst, als Bruder. Hannah Wehowsky, geb. Weise, als Kusine. Erna Matthes, als Kusine. Kupfermühle-Tremsbüttel Holstein .Vorm. Ebenau-Pr.-Mark, Kr. Mohrungen 14. Januar 1956

 

Plötzlich und unerwartet entschlief nach kurzer schwerer Krankheit meine geliebte treusorgende Mutter Auguste Panzenhagen. geb. Wegner, im 85. Lebensjahre. In tiefem Schmerz: Else Börnickel, geb. Panzenhagen, Seestadt Pillau, Ostpr., jetzt Bad Harzburg, Herzog-Julius-Straße 4, den 3. Januar 1956. Die Beerdigung fand am Freitag, dem 6. Januar 1956, statt.

 

Am 10. Januar 1956 entschlief unsere liebe Mutter, Schwiegermutter und Großmutter, Elisabeth Ramminger, geb. Nikiaus im Alter von 55 Jahren. Der Tod brachte ihr die Befreiung nach schwerem Kampf. Hans Gerhard Ramminger und Frau Ria Ramminger, geb. Grüner. Ilse Ramminger. Gerd Ramminger. Göttingen, den 12. Januar 1956, Geismarlandstr. 36

 

Fern ihrer unvergeßlichen geliebten ostpreußischen Heimat entschlief sanft am 25. Dezember 1955 unsere liebe herzens* gute treusorgende Mutter. Schwiegermutter, Großmutter,1 Schwester, Schwägerin und Tante, Frau Johanna Pukowski geb. Poppke im 80. Lebensjahre. In tiefer Trauer Geschwister Pukowski und Angehörige Mortung, Kreis Mohrungen jetzt Bonn, Nordstraße 55

Am 4. Januar 1956 verstarb nach kurzem Leiden unsere liebe Mutter, Schwiegermutter und Großmutter, Frau Gertrud Seroka geb. Andreae im Alter von 82 Jahren. Die Hinterbliebenen Klaus Seroka Hildegard Seroka geb. Zillmann Susanne Seroka Regine Seroka Heide Seroka Lörrach, Baden Neumattweg 10 früher Allenstein, Roonstr. 62 Osterode, Ostpr. Bismarckstr. 21

 

Fern der geliebten Heimat Ostpreußen entschlief sanft am 30. September 1954 nach langem schwerem, mit Geduld ertragenem Leiden meine liehe Schwester, Schwägerin und Tante Anna Bialluch im Alter von 76 Jahren. Im Namen aller Angehörigen Frieda Groeger geb. Kraffzick Arys, Kreis Johannisburg jetzt Rüdesheim am Rhein Eibingen, Kieseler Weg

 

Danksagung.

Statt Karten Für die herzliche Anteilnahme zum Ableben meiner lieben Frau, guten Mutter und treusorgenden Oma Anna Koßin spreche ich im Namen aller Angehörigen unseren herzlichsten Dank aus. Franz Koßin Köln Neue Mastrichter Straße 13

 

Seite 9   Foto: Zeichnung: Erich Behrendt , Donna Anna, ganz in dem Kostüm, wie ich sie eben auf dem Theater gesehen, stand hinter mir . . ."

 

Seite 9   E. Th. A. Hoffmann: Don Juan. Zum zweihundertsten Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart.

Am 27. Januar 1956 wird die Kulturwelt die zweihundertste Wiederkehr des Geburtstages von Wolfgang Amadeus Mozart begehen. Aus diesem Anlass bringen wir in dieser Folge einen Beitrag des Königsberger Musikschriftstellers Dr. Erwin Kroll und den ersten Teil der Novelle „Don Juan" von E. Th. A. Hollmann.

 

1787 fand die Uraufführung der Oper „Don Juan" („Don Giovanni") von Wolfgang Amadeus Mozart statt. Sechs Jahre darauf wurde sie in dem ersten Theatergebäude Königsbergs auf dem Kreytzenplatz gespielt, dem Platz, auf dem später die Altstädtische Kirche erbaut wurde. Unter den Zuhörern befand sich der siebzehnjährige Student der Rechte Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann (aus Verehrung für Mozart legte er später den dritten Vornamen Wilhelm ab und ersetzte ihn durch Amadeus). Wie stark Mozarts in die übersinnliche Welt ragendes Werk E. Th. A. Hoffmann bewegte und seine romantische Phantasie beflügelte, wird in seiner Novelle „Don Juan" spürbar; er hat ihr den Untertitel „Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen" gegeben. Wir bringen hier den ersten Teil der Novelle; der zweite enthält eine Würdigung und Deutung dieser großen Oper, die seit mehr als hundert und fünfzig Jahren zum festen Bestand der Spielpläne aller Opernhäuser der Welt gehört.

 

Ein durchdringendes Läuten, der gellende Ruf: „Das Theater fängt an!" weckte mich aus dem sanften Schlaf, in den ich versunken war: Bässe brummen durcheinander — ein Paukenschlag — Trompetenstöße — ein klares A, von der Hoboe ausgehalten — Violinen stimmen ein: ich reibe mir die Augen. Sollte der allezeit geschäftige Satan mich im Rausche —? Nein! Ich befinde mich in dem Zimmer des Hotels, wo ich gestern Abend halb gerädert abgestiegen. Gerade über meiner Nase hängt die stattliche Troddel der Klingelschnur; ich ziehe sie heftig an, der Kellner erscheint.

 

„Aber was um Himmelswillen soll die konfuse Musik da neben mir bedeuten? gibt es denn ein Konzert hier im Hause?"

 

„Ew. Exzellenz" — (ich hatte mittags an der Wirtstafel Champagner getrunken) „Ew. Exzellenz wissen vielleicht noch nicht, dass dieses Hotel mit dem Theater verbunden ist. Diese Tapetentür führt auf einen kleinen Korridor, von dem Sie unmittelbar in Nr. 23 treten: das ist die Fremdenloge“.

 

„Was? – Theater? – Fremdenloge?“

 

„Ja, die kleine Fremdenloge zu zwei, höchstens drei Personen — nur so für vornehme Herren, ganz grün tapeziert, mit Gitterfenstern, dicht beim Theater! Wenn‘s Ew. Exzellenz gefällig ist — wir führen heute den „Don Juan" von dem berühmten Herrn Mozart aus Wien auf. Das Legegeld, einen Taler acht Groschen, stellen wir in Rechnung“.

 

Das Letzte sagte er, schon die Logentür aufdrückend, so rasch war ich bei dem Worte Don Juan durch die Tapetentür in den Korridor geschritten. Das Haus war für den mittelmäßigen Ort geräumig, geschmackvoll verziert und glänzend erleuchtet. Logen und Parterre waren gedrängt voll. Die ersten Akkorde der Ouvertüre überzeugten mich, dass ein ganz vortreffliches Orchester, sollten die Sänger auch nur im mindesten etwas leisten, mir den herrlichsten Genuss des Meisterwerks verschaffen würde. — In dem Andante ergriffen mich die Schauer des furchtbaren, unterirdischen regno all pianto; grausen-erregende Ahnungen des Entsetzlichen erfüllten mein Gemüt. Wie ein jauchzender Frevel klang mir die jubelnde Fanfare im siebenten Takte des Allegro; ich sah aus tiefer Nacht feurige Dämonen ihre glühenden Krallen ausstrecken — nach dem Leben froher Menschen die auf des bodenlosen Abgrunds dünner Decke lustig tanzten. Der Konflikt der menschlichen Natur mit den unbekannten, grässlichen Mächten, die ihn, sein Verderben erlauernd, umfangen, trat klar vor meines Geistes Augen. Endlich beruhigt sich der Sturm; der Vorhang fliegt auf. Frostig und unmutvoll in seinen Mantel gehüllt, schreitet Leporello in finstrer Nacht vor dem Pavillon einher „Notte e giorno faticar". — Also italienisch? Hier am deutschen Orte italienisch? Ah che piacere! ich werde alle Rezitative, alles so hören, wie es der große Meister in seinem Gemüt empfing und dachte! Da stürzt Don Juan heraus; hinter ihm Donna Anna, bei dem Mantel den Frevler festhaltend. Welches Ansehn! Sie könnte höher, schlanker gewachsen, majestätischer im Gange sein: aber welch ein Kopf! — Augen, aus denen Liebe, Zorn, Hass, Verzweiflung, wie aus einem Brennpunkt eine Strahlenpyramide blitzender Funken werfen, die wie griechische Feuer unauslöschlich das Innerste durchbrennen! Des dunklen Haares aufgelöste Flechten wallen in Wellenringeln den Nacken hinab. Das weiße Nachtkleid enthüllt verräterisch nie gefahrlos belauschte Reize. Von der entsetzlichen Tat umkrallt, zuckt das Herz in gewaltsamen Schlägen. – Und nun – welche Stimme! „Non sperar se non m uccidi“. – Durch den Sturm der Instrumente leuchten wie glühende Blitze die aus ätherischem Metall gegossenen Töne! — Vergebens sucht sich Don Juan loszureißen. — Will er es denn? Warum stößt er nicht mit kräftiger Faust das Weib zurück und entflieht? Macht ihn die böse Tat kraftlos, oder ist es der Kampf von Hass und Liebe im Innern, der ihm Mut und Stärke raubt? — Der alte Papa hat seine Torheit, im Finstern den kräftigen Gegner anzufallen, mit dem Leben gebüßt; Don Juan und Leporello treten im rezitierenden Gespräch weiter vor ins Proszenium. Don Juan wickelt sich aus dem Mantel und steht da in rotem, gerissenen Sammet mit silberner Stickerei, prächtig gekleidet. Eine kräftige, herrliche Gestalt: das Gesicht ist männlich schön; eine erhabene Nase, durchbohrende Augen, weich geformte Lippen; das sonderbare Spiel eines Stirnmuskels über den Augenbrauen bringt sekundenlang etwas vom Mephistopheles in die Physiognomie, das, ohne dem Gesicht die Schönheit zu rauben, einen unwillkürlichen Schauer erregt. Es ist, als könne er die magische Kunst der Klapperschlange üben; es ist, als könnten die Weiber, von ihm angeblickt, nicht mehr von ihm lassen und müssten, von der unheimlichen Gewalt gepackt, selbst ihr Verderben vollenden. — Lang und dürr, in rot- und weißgestreifter Weste, kleinem roten Mantel, weißem Hut mit roter Feder, trippelt Leporello um ihn her. Die Züge seines Gesichts mischen sich seltsam zu dem Ausdruck von Gutherzigkeit, Schelmerei, Lüsternheit und ironisierender Frechheit; gegen das grauliche Kopf- und Barthaar stechen seltsam die schwarzen Augenbrauen ab. Man merkt es, der alte Bursche verdient, Don Juans helfender Diener zu sein. — Glücklich sind sie über die Mauer geflüchtet. — Fackeln — Donna Anna und Don Ottavio erscheinen: ein zierliches, geputztes, gelecktes Männlein von einundzwanzig Jahren höchstens. Als Annas Bräutigam wohnte er, da man ihn so schnell herbeirufen konnte, wahrscheinlich im Hause; auf den ersten Lärm, den er gewiss hörte, hätte er herbeieilen und den Vater retten können: er musste sich aber erst putzen und mochte überhaupt nachts nicht gern sich herauswagen. — — „Ma qual mai s'offre, o dei, spettacolo funesto agli occhi miei!" Mehr als Verzweiflung über den grausamsten Frevel liegt in den entsetzlichen, herzzerschneidenden Tönen des Rezitativs und Duetts. Don Juans gewaltsames Attentat, das ihm Verderben nur drohte, dem Vater aber den Tod gab, ist es nicht allein, was diese Töne der beängsteten Brust entreißt; nur ein verderblicher, tötender Kampf im Innern kann sie hervorbringen. —

 

Eben schalt die lange, hagere Donna Elvira, mit sichtlichen Spuren großer, aber verblühter Schönheit, den Verräter, Don Juan: „Tu nido d'inganni", und der mitleidige Leporello bemerkte ganz klug: „Paria come un libro stampato", als ich jemand neben oder hinter mir zu bemerken glaubte. Leicht konnte man die Logentür hinter mir geöffnet haben und hineingeschlüpft sein — das fuhr mir wie ein Stich

durchs Herz. Ich war so glücklich, mich allein in der Loge zu befinden, um ganz ungestört das so vollkommen dargestellte Meisterwerk mit allen Empfindungsfasern, wie mit Polypenarmen, zu umklammern und in mein Selbst hineinzuziehn! Ein einziges Wort, das obendrein albern sein konnte, hätte mich auf eine schmerzhafte Weise herausgerissen aus dem herrlichen Moment der poetisch-musikalischen Begeisterung! Ich beschloss, von meinem Nachbar gar keine Notiz zu nehmen, sondern, ganz in die Darstellung vertieft, jedes Wort, jeden Blick zu vermeiden. Den Kopf in die Hand gestützt, dem Nachbar den Rücken wendend, schaute ich hinaus. — Der Gang der Darstellung entsprach dem vortrefflichen Anfange. Die kleine, lüsterne, verliebte Zerlina tröstete mit gar lieblichen Tönen und Weisen den gutmütigen Tölpel Masetto. Don Juan sprach sein inneres, zerrissenes Wesen, den Hohn über die Menschlein um ihn her, nur aufgestellt zu seiner Lust, in ihr mattliches Tun und Treiben verderbend einzugreifen, in der wilden Arie: „Fin ch'han dal vino" — ganz unverhohlen aus. Gewaltiger als bisher zuckte hier der Stirnmuskel. — Die Masken erscheinen. Ihr Terzett ist ein Gebet, das in rein glänzenden Strahlen zum Himmel steigt. — Nun fliegt der Mittelvorhang auf. Da geht es lustig her; Becher erklingen, in fröhlichem Gewühl wälzen sich die Bauern und allerlei Masken umher, die Don Juans Fest herbeigelockt hat. — Jetzt kommen die drei zur Rache Verschworenen. Alles wird feierlicher, bis der Tanz angeht. Zerlina wird gerettet, und in dem gewaltig donnernden Finale tritt mutig Don Juan mit gezogenem Schwert seinen Feinden entgegen. Er schlägt dem Bräutigam den stählernen Galanteriedegen aus der Hand und bahnt sich durch das gemeine Gesindel, das er, wie der tapfere Roland die Armee des Tyrannen Cymork, durcheinander wirft, dass alles gar possierlich übereinander purzelt, den Weg ins Freie —

 

Schon oft glaubte ich dicht hinter mir einen zarten, warmen Hauch gefühlt, das Knistern eines seidenen Gewandes gehört zu haben: das ließ mich wohl die Gegenwart eines Frauenzimmers ahnen, aber ganz versunken in die poetische Welt, die mir die Oper aufschloss, achtete ich nicht darauf. Jetzt, da der Vorhang gefallen war, schaute ich nach meiner Nachbarin. — Nein — keine Worte drücken mein Erstaunen aus: Donna Anna, ganz in dem Kostüme, wie ich sie eben auf dem Theater gesehen, stand hinter mir und richtete auf mich den durchdringenden Blick ihres seelenvollen Auges. — Ganz sprachlos starrte ich sie an; ihr Mund (so schien es mir) verzog sich zu einem leisen, ironischen Lächeln, in dem ich mich spiegelte und meine alberne Figur erblickte. Ich fühlte die Notwendigkeit, sie anzureden und konnte doch die durch das Erstaunen, ja ich möchte sagen, wie durch den Schreck gelähmte Zunge nicht bewegen. Endlich, endlich fuhren mir beinahe unwillkürlich die Worte heraus: „Wie ist es möglich, Sie hier zu sehen?" worauf sie sogleich in dem reinsten Toskanisch erwiderte, dass, verstände und spräche ich nicht Italienisch, sie das Vergnügen meiner Unterhaltung entbehren müsse, indem sie keine andere als nur diese Sprache rede. — Wie Gesang lauteten die süßen Worte. Im Sprechen erhöhte sich der Ausdruck des dunkelblauen Auges, und jeder daraus leuchtende Blitz goss einen Glutstrom in mein Inneres, von dem alle Pulse stärker schlugen und alle Fibern erzuckten. — Es war Donna Anna unbezweifelt. Die Möglichkeit abzuwägen, wie sie auf dem Theater und in meiner Loge habe zugleich sein können, fiel mir nicht ein. So wie der glückliche Traum das Seltsamste verbindet und dann ein frommer Glaube das übersinnliche versteht und es den sogenannten natürlichen Erscheinungen des Lebens zwanglos anreiht, so geriet ich auch in der Nähe des wunderbaren Weibes in eine Art Somnambulims, in dem ich die geheimen Beziehungen erkannte, die mich so innig mit ihr verbanden, dass sie selbst bei ihrer Erscheinung auf dem Theater nicht hatte von mir weichen können. — Wie gern setzte ich dir, mein Theodor, jedes Wort des merkwürdigen Gesprächs her, das nun zwischen der Signora und mir begann; allein, indem ich das, was sie sagte, deutsch hinschreiben will, finde ich jedes Wort steif und matt, jede Phrase ungelenk, das auszudrücken, was sie leicht und mit Anmut Toskanisch sagte.

 

Indem sie über den Don Juan, über ihre Rolle sprach, war es, als öffneten sich mir nun erst die Tiefen des Meisterwerks, und ich konnte hell hineinblicken und einer fremden Welt phantastische Erscheinungen deutlich erkennen. Sie sagte, ihr ganzes Leben sei Musik, und oft glaube sie manches im Innern geheimnisvoll Verschlossene, was keine Worte aussprächen, singend zu begreifen. „Ja, ich begreife es dann wohl", fuhr sie mit brennendem Auge und erhöheter Stimme fort, „aber es bleibt tot und kalt um mich, und indem man eine schwierige Roulade, eine gelungene Manier beklatscht, greifen eisige Hände in mein glühendes Herz! — Aber du — du verstehst mich, denn ich weiß, dass auch dir das wunderbare, romantische Reich aufgegangen, wo die himmlischen Zauber der Töne wohnen!" —

 

„Wie, du herrliche, wundervolle Frau du — du solltest mich kennen?" —

 

„Ging nicht der zauberische Wahnsinn ewig sehnender Liebe in der Rolle der ... in deiner neuesten Oper aus deinem Innern hervor? — Ich habe dich verstanden: dein Gemüt hat sich im Gesänge mir aufgeschlossen! — Ja" (hier nannte sie meinen Vornamen), „ich habe dich gesungen, sowie deine Melodien ich sind“.

 

Die Theaterglocke läutete: eine schnelle Blässe entfärbte Donna Annas ungeschminktes Gesicht; sie fuhr mit der Hand nach dem Herzen, als empfände sie einen plötzlichen Schmerz, und indem sie leise sagte: „Unglückliche Anna, jetzt kommen deine fürchterlichsten Momente" — war sie aus der Loge verschwunden. —

 

Der erste Akt hatte mich entzückt, aber nach dem wunderbaren Ereignis wirkte jetzt die Musik auf eine ganz andere, seltsame Weise. Es war, als ginge eine lang verheißene Erfüllung der schönsten Träume aus einer andern Welt wirklich in das Leben ein; als würden die geheimsten Ahnungen der entzückten Seele in Tönen festgebannt und müssten sich zur wunderbarsten Erkenntnis seltsamlich gestalten. — In Donna Annas Szene fühlte ich mich von einem sanften, warmen Hauch, der über mich hinwegglitt, in trunkene Wollust erbeben, unwillkürlich schlossen sich meine Augen, und ein glühender Kuss schien auf meinen Lippen zu brennen; aber der Kuss war ein wie von ewig dürstender Sehnsucht lang ausgehaltener Ton.

 

Das Finale war in frevelnder Lustigkeit angegangen: „Gia la mensa e preparata!" — Don Juan saß kosend zwischen zwei Mädchen und lüftete einen Kork nach dem andern, um den brausenden Geistern, die hermetisch verschlossen, freie Herrschaft über sich zu verstatten. Es war ein kurzes Zimmer mit einem großen gotischen Fenster im Hintergrunde, durch das man in die Nacht hinaussah. Schon während Elvira den Ungetreuen an alle Schwüre erinnert, sah man es oft durch das Fenster blitzen und hörte das dumpfe Murmeln des herannahenden Gewitters. Endlich das gewaltige Pochen. Elvira, die Mädchen entfliehen, und unter den entsetzlichen Akkorden der unterirdischen Geisterwelt tritt der gewaltige Marmorkoloss, gegen den Don Juan pygmäisch dasteht, ein. Der Boden erbebt unter des Riesen donnerndem Fußtritt. — Don Juan ruft durch den Sturm, durch den Donner, durch das Geheul der Dämonen sein fürchterliches: „No!" die Stunde des Untergangs ist da. Die Statue verschwindet, dicker Qualm erfüllt das Zimmer, aus ihm entwickeln sich fürchterliche Larven. In Qualen der Hölle windet sich Don Juan, den man dann und wann unter den Dämonen erblickt. Eine Explosion, wie wenn tausend Blitze einschlügen — Don Juan, die Dämonen, sind verschwunden, man weiß nicht" wie! Leporello liegt ohnmächtig in der Ecke des Zimmers. — Wie wohltätig wirkt nun die Erscheinung der übrigen Personen, die den Juan, der von unterirdischen Mächten irdischer Rache entzogen, vergebens suchen. Es ist, als wäre man nun erst dem furchtbaren Kreise der höllischen Geister entronnen. — Donna Anna erschien ganz verändert: eine Totenblässe überzog ihr Gesicht, das Auge war erloschen, die Stimme zitternd und ungleich, aber eben dadurch in dem kleinen Duett mit dem süßen Bräutigam, der nun, nachdem ihn der Himmel des gefährlichen Rächeramts glücklich überhoben hat, gleich Hochzeit machen will, von herzzerreißender Wirkung.

 

Der fugierte Chor hatte das Werk herrlich zu einem Ganzen gerundet, und ich eilte in der exaltiertesten Stimmung, in der ich mich je befunden, in mein Zimmer. Der Kellner rief mich zur Wirtstafel, und ich folgte ihm mechanisch. — Die Gesellschaft war der Messe wegen glänzend und die heutige Darstellung des Don Juan der Gegenstand des Gesprächs. Man pries im Allgemeinen die Italiener und das Eingreifende ihres Spiels; doch zeigten kleine Bemerkungen, die hier und da ganz schalkhaft hingeworfen wurden, dass wohl keiner die tiefere Bedeutung der Oper aller Opern auch nur ahnte. — Don Ottavia hatte sehr gefallen. Donna Anna war einem zu leidenschaftlich gewesen. Man müsse, meinte er, auf dem Theater sich hübsch mäßigen und das zu sehr Angreifende vermeiden. Die Erzählung des Überfalls habe ihn ordentlich konsterniert. Hier nahm er eine Prise Tabak und schaute ganz unbeschreiblich dummklug seinen Nachbar an, welcher behauptete, die Italienerin sei aber übrigens eine recht schöne Frau, nur zu wenig besorgt um Kleidung und Putz; eben in jeder Szene sei ihr eine Haarlocke aufgegangen und habe das Demiprofil des Gesichts beschattet! Jetzt fing ein anderer ganz leise zu intonieren an: „Fin ch'han dal vino" — worauf eine Dame bemerkte, am wenigsten sei sie mit dem Don Juan zufrieden: der Italiener sei viel zu finster, viel zu ernst gewesen und habe überhaupt den frivolen, lustigen Charakter nicht leicht genug genommen. — Die letzte Explosion wurde sehr gerühmt. — Des Gewäsches satt, eilte ich in mein Zimmer.

 

Seite 10   Professor Wilhelm Worringer, Professor Wilhelm Worringer, der frühere Ordinarius für Kunstgeschichte an der Albertus-Universität, feierte am 13. Januar 1956 seinen 75. Geburtstag. In den zwanziger Jahren kam er nach Königsberg, wo er bis zum Zusammenbruch lehrte. Seine rethorisch hervorragenden, anregenden Vorlesungen wurden auch von vielen Hörern und Hörerinnen besucht, die nicht dem Kreis der Universität angehörten. Der gebürtige Kölner und seine Gattin, die eine begabte Malerin ist, fühlen sich eng mit Ostpreußen verbunden. Professor Worringer las noch einige Jahre nach der Vertreibung an der Universität Halle und siedelte dann nach München über, wo er heute im Ruhestand lebt. — Das Weiterleben hellenischen Kunstbegriffs in europäischen Kunstepochen und Deutungen expressionistischer Kunst sind der Inhalt seiner Hauptwerke („Formprobleme der Gotik", 1911 und „Griechentum und Gotik", 1928). Unter seinen Schriften sind noch besonders hervorzuheben „Altdeutsche Buchillustrationen" und „Frühdeutsche Tafelmalerei". Demnächst werden im Piper-Verlag unter dem Titel „Fragen und Gegenfragen" Stellungnahmen zu Problemen der Kunst erscheinen.

 

Der Maler Rolf Cavael wurde eingeladen, Werke für Ausstellungen nach Paris, Mailand, Florenz und New York einzusenden. Auf der gegenwärtigen Internationalen Ausstellung in Pittsburg (Carnegie Institute) errangen seine Bilder große Beachtung. — Der heute in München lebende Künstler wurde 1898 in Königsberg geboren. Er gehört zu den bekanntesten Vertretern der abstrakten Richtung. Auf der Ausstellung ostpreußischer Künstler in Duisburg aus Anlass der 700-Jahr-Feier von Königsberg war er mit mehreren Werken vertreten.

 

„Kirchliche Kunst der Ostdeutschen“ wurde in München gezeigt. Das Bundesministerium für Vertriebene erwarb aus dieser Ausstellung Wandbehänge, die der Benediktiner-Abtei Rohr und einer kirchlichen Stelle in Königstein/Taunus, — beide sind Mittelpunkte der katholischen Heimatvertriebenen — sowie dem Ostkirchenausschuss der Evangelischen Kirche Deutschlands zur Verfügung gestellt wurden. Unter den am Verkauf beteiligten Künstlern befindet sich der in Korntal bei Stuttgart lebende, 1928 als Sohn ostpreußischer Eltern in Düsseldorf geborene Winfried Gaul.

 

Seite 10   Mozarts Vermächtnis. Von Dr. Erwin Kroll

Mozart, der menschlichste aller Komponisten, ist von dem menschlichsten aller Dichter voll verstanden worden: Goethe spricht von ihm als einem „musikalischen Wunder", das sich jeder Erklärung entziehe. Nicht, dass dieser Wunderkünstler, dessen Vollkommenheit — ein seltener Fall in der Musikgeschichte — sich in der Instrumentalmusik ebenso herrlich offenbart wie in der Oper, nun auch ein vollkommener Mensch gewesen wäre. Man hat es beklagt, dass das größte musikalische Genie, das je gelebt, so schmählich enden musste. Aber der Mensch Mozart hatte, wie sein Vater einmal zornig sagte, „zu viel oder zu wenig und keine Mittelstraße", und seine Schwester meinte, dass er „außer seiner Kunst zeitlebens ein Kind" geblieben wäre. Ein weltfremdes Kind und alles andere als ein Musterknabe, aber — ein Meister mit Ewigkeitszügen! Weit über ein halbes hundert Werke aller Gattungen hat er, dem nur fünfunddreißig Lebensjahre vergönnt waren, uns hinterlassen, ein Vermächtnis ewiger Jugend. Andere Meister, wie etwa Bach, vergaß die Nachwelt zeitweise, Mozart nie. Denn nach der anspruchsvollen Abgeschlossenheit der Barockmusik sprach seine Kunst mit ihrer stets sangbaren Melodik, ihrer Verklärung und Anmut, ihrer alles umschließenden Menschlichkeit zu hoch und niedrig. Und wenn es neben dem heiteren Mozart auch einen ernsten, dämonisch bewegten gibt, so ist doch die Tatsache unbestreitbar, dass er die Tongattung Moll nicht eben bevorzugt hat. Er führt uns in das goldene Zeitalter der Musik.

 

Die Romantik, voran ihr Herold, unser E. T. A. Hoffmann, bewahrte noch etwas von der Erinnerung an den „Revolutionär" Mozart, der in allen Stilen zu Hause war und sich alles dienstbar machte, was die Musik seinerzeit an Empfindsamem, Gelehrtem, Galantem, Historischem, Idyllischem und Erhabenem zu bieten hatte. Das Biedermeier pries die olympische Heiterkeit, das klassische Ebenmaß Mozartscher Musik, und es vergingen Jahrzehnte, bis das Bild des „Götterlieblings", des ewig heiteren Rokokomusikers verbannt wurde zugunsten eines Künstlers, der in genial gerundeten Formen nicht nur Apollinisches, sondern auch Dionysisches offenbarte. Das deutsche Volk hat eine furchtbare „Wasser- und Feuerprobe" hinter sich. Geblieben ist ihm die Zauberflöte seines größten Musikers. Und wenn es gewillt ist, sie richtig zu spielen, wird es gegen alle Bedrohung seiner Kunst gefeit sein. Denn Mozarts Musik ist und bleibt das gute Gewissen jedes Konzertsaales, jeder Opernbühne.

 

Bei einer Kunst, die über nationale Begrenztheit so weit hinausreicht wie diese, ist die Frage nach ihren Beziehungen zum deutschen Osten nicht wesentlich. Immerhin hat aber das, was in der warmen Luft Salzburgs und Wiens reifte und Klang wurde, sofort die dem Ostpreußen von jeher, inne wohnende Sehnsucht nach dem Süden geweckt, und so ist Mozarts Musik in Ostdeutschland begeistert aufgenommen worden. Die Geschichte der ostpreußischen Mozartverehrung reicht von der Königsberger Premiere der „Entführung" (1778) über jene denkwürdige, von Max von Schenkendorf angeregte Trauerfeier für die Königin Luise, bei der am 18. September 1810 Mozarts Requiem in Königsberg in der katholischen Probsteikirche auf dem Sackheim vor zweitausend Zuhörern aufgeführt wurde, bis zu den großen ostpreußischen Musikfesten von 1903, 1910 und 1913 und darüber hinaus zu den Kunststätten des Opernintendanten Schüler in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts.

 

E. T. A. Hoffmann aber, der seinen dritten Vornamen Wilhelm durch Amadeus ersetzte, nannte Mozart den „Shakespeare der Musik", und wie er als Dichter Mozarts Schaffen romantisch ausdeutete, so kommt er auch in seinen eigenen Kompositionen von seinem Idol nicht los. Seine Sinfonien, seine Opern und seine Kirchenmusik beweisen das deutlich, wenn sich hier auch gelegentlich schon ein romantisches Frührot zeigt. Auch sein Landsmann Otto Nicolai darf als Jünger Mozarts angesprochen werden. Das lehrt nicht nur die Formenklarheit und Sanglichkeit seiner „Lustigen Weiber", sondern auch das Bekenntnis des zeitweiligen Wiener Kapellmeisters, der 1847 einen klugen Aufsatz „über die Instrumentierung der Rezitative in den Mozartschen Opern" veröffentlichte. Hier mag auch des dichtenden Denkers Alexander Jung (geboren 1799 in Rastenburg) „Geheimnis der" Lebenskunst" von 1858 erwähnt werden, — ein Buch, das einen Hymnus auf Mozart enthält und seinen Schöpfer als einen würdigen Schüler des Danziger Schopenhauer erweist. An Mozartenthusiasten war in Königsberg bis zuletzt nie Mangel. Diese von altersher so musikfreudige Stadt hat sich des Meisters stets würdig erwiesen.

 

Seite 10   Blätter ostpreußischer Geschichte. Die große Gründung.

Es war in den ersten Januartagen des Jahres 1255, dass von der Burg Balga ein langer Zug gewappneter Ritter und Knechte zur Eroberung des Prussengaus Samland aufbrach. Ein Kreuzzug war es, aber anders als im Morgenlande. Nicht Hitze und Durst plagten die Kreuzfahrer. Man trabte einige klare Wintertage hindurch über das Eis des Frischen Haffes und durch verschneite Wälder und Felder. Die Kreuzfahrer waren nicht Franzosen und Normannen oder Lothringer und Schwaben wie im Orient, sondern Menschen des Ostens. Der Hochmeister Poppa von Osterna, der Organisator des Unternehmens, war zwar ein Franke, aber er wusste, dass die Zukunft seines Ordens in Preußen lag und nicht in Palästina. Führer des Zuges war mit einem stattlichen Heer der Böhmenkönig Ottokar, der mächtigste Fürst des Reiches in dieser kaiserlosen Zeit. Er und sein Schwager Markgraf Otto von Brandenburg hatten sich in ihrer Heimat schon als Kolonisatoren bewährt, und auch die Ritter aus Thüringen, Sachsen und Meißen, die ihnen folgten, dachten wohl nicht nur an ihr Seelenheil und an den Kampf gegen die Heiden, als sie durch die fremde, ihnen aber im Grunde heimatlich vertraute Landschaft zogen, sondern auch daran, wie man dieses Land verbessern, wie man es mit Burgen, Städten und Dörfern, Häfen und Brücken, Dämmen und Mühlen füllen, mit Kaufleuten, Handwerkern und Bauern besetzen könnte.

 

Die Eroberung des Samlandes geschah im Geiste einer Zeit, der die Gewalt ein erlaubtes Mittel im Kampf für die Kirche Christi war. Am Ende des Unternehmens stand eine in die Zukunft weisende Tat. Schon die weitschauenden lübischen Kaufherren hatten an der Pregelmündung eine Handelsstadt gründen wollen. Es war nicht dazu gekommen. Als der Hochmeister jetzt mit seinen Kampfgenossen von der steilen Uferhöhe auf das Pregeltal hinabblickte, beschloss man dort, wo eine prussische Fliehburg Tuwangste schon bestanden hatte, eine Burg zu gründen, von der aus man sowohl die von Elbing am Haff entlang über die Kneiphofinsel zu Bernsteinstrand führende wie die nach Kurland über die Nehrung und die flussaufwärts nach Litauen führenden Handelsstraßen beherrschen und auch den Hafen, der entstehen sollte, sichern konnte. Zu Ehren des königlichen Helfers nannte der Hochmeister die Burg Königsberg.

 

Die Königsberger haben das Andenken ihres Namenspatrons stets in Ehren gehalten. Die Ottokarstraße und die Ottokarkirche in Maraunenhof erinnerten an ihn. Sein Standbild an der Innenseite des Königstores war wohl das einzige Denkmahl, das diesem Fürsten gesetzt worden ist. Dr. Fritz Gause.

 

Seite 10   Bücherschau

Theodor Fontane: Werke in zwei Bänden. Carl Hanser Verlag, München. 2336 Seiten. DM 29,80. — Ludwig Reiners: Fontane oder Die Kunst zu leben. Sammlung Dieterich im Schünemann-Verlag, Bremen. 256 Seiten. DM 7,80.

„Leicht zu leben ohne Leichtsinn, heiter zu sein ohne Ausgelassenheit, Mut zu haben ohne Übermut, Vertrauen und freudige Ergebung zu zeigen ohne türkischen Fatalismus - das ist die Kunst des Lebens. In vielen Stücken ordne ich mich unter aber in diesem Punkt bin ich Autorität", so schreibt Fontane an seine Frau. Ludwig Reiners hat in dem dünnen Bändchen eine Auswahl aus Fontanes Schriften zusammengestellt, die die Lebensbahn des Dichters widerspiegeln, der trotz aller Misserfolge und Demütigungen ein heiterer Lebenskünstler war. Das Beispielhafte und Große dieser Lebensführung wird in dem Bändchen sehr schön veranschaulicht. — Eine umfassende Dünndruck-Ausgabe der Werke Fontanes liegt jetzt in zuverlässiger und guter Ausstattung in der bekannten Reihe der Klassikerbände des Hanser-Verlages vor. Die von Walter Keitel liebevoll betreute Ausgabe bringt eine Sammlung der schönsten Gedichte, neun Romane, darunter natürlich die vor kurzem wiederum verfilmte „Effi Briest", daneben die besten Stücke aus den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg", eine Fülle der berühmten Theaterkritiken und vor allem eine reiche Auswahl der großartigen Briefe. Ein geistvolles Nachwort des Herausgebers sowie Register und Zeittafeln runden das Bild des großen, in seiner heiteren Menschlichkeit so liebenswerten Dichters.

 

Friedrich Sieburg: Nur für Leser. Jahre und Bücher. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1955. 421 Seiten, 14,80 DM.

Der bekannte Publizist Friedrich Sieburg, der lange Jahre als Korrespondent der „Frankfurter Zeitung" vor allem in Paris wirkte, gibt in diesem Buch einen einzigartigen Überblick über die literarische Entwicklung der letzten Jahre. An Hand der in dem Band gesammelten Rezensionen, die zum großen Teil in der „Gegenwart" veröffentlicht worden sind, wirft jeder Bücherfreund — und für ihn eigentlich wurden diese Beiträge geschrieben — auf kluge Weise durch den Bücherdschungel der Nachkriegszeit geführt. Sieburgs Urteile legen ein beredtes Zeugnis davon ab, wie echte Kritik auszusehen hat, welche Sachkenntnis und umfassende Bildung und nicht zuletzt welches schriftstellerische Können einem verantwortungsvollen Kritiker zur Verfügung stehen müssen. Dass dieses Werk nicht nur belehrt, sondern auch unterhaltend und mit großem Vergnügen zu lesen ist, braucht für jeden Leser der Bücher und Artikel von Sieburg nicht erst ausdrücklich hervorgehoben zu werden.

 

Der Volks-Brockhaus. F. A. Brockhaus Verlag, Wiesbaden. 896 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Farbtafeln und Karten, DM 18,--.

Als kleinster Bruder der berühmten großen Brockhaus-Lexika erschien gelegentlich des 150-jährigen Verlags-Jubiläums wieder der altbekannte, völlig neubearbeitete Volks-Brockhaus, bei etwa 40 000 Stichwörtern mit einer ersten, knappen Antwort schnell zur Hand. Mehr als 3500 Bilder im Text und auf Tafeln, darunter 28 vierfarbige, eine Fülle von Übersichten, Statistiken, Zeittafeln und Landkarten geben über die mannigfaltigsten Gebiete Auskunft. Auch diese neue 12. Auflage des einbändigen Nachschlagewerkes aus dem Hause Brockhaus wird sicher schnell ihren Weg machen.

 

Seite 10   Herder entdeckte Indiens Geistesschätze. Die großen Preußen schlugen Brücken zum Gangesland / Von Dr. K. R. Dhawan.

Zum Besuch des Vizekanzlers in Indien stellte uns ein in Deutschland lebender Inder einen Aufsatz zur Verfügung, der die Bedeutung unseres großen Landsmannes Herder sowie Goethes, Schillers, Schopenhauers und Humboldts für die Entdeckung indischen Geistesgutes im Westen eindrucksvoll beleuchtet.

 

Beziehungen zwischen zwei Ländern werden gewöhnlich aus politischen Rücksichten oder aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten gepflegt. Ihnen folgt der kulturelle Austausch. Indisch-deutsche Beziehungen erwuchsen umgekehrt. Sie nahmen ihren Anfang durch das Interesse, das führende deutsche des geistigen Lebens im 18. und 19. Jahrhundert für indische Literatur und indisches Gedankengut zeigten. Als die Übersetzungen der Upanishaden und anderer literarischer Werke Indiens durch Sir William Jones und Codebrooke in Deutschland bekanntwurden, wurden sie von Herder, Goethe, Schiller und anderen begeistert aufgenommen. Herder schrieb, die Werke von Kalidasa, den man als Shakespeare Indiens bezeichnet, zerstörten die Legende, dass das Drama von den Griechen erfunden worden sei. Goethe zollte den Werken Kalidasas hohe Anerkennung, und Schiller sagte über „Sakuntala", die die weibliche Rolle in dem gleichnamigen Drama von Kalidasa spielt: „Nirgendwo treffen wir in der griechischen und römischen Literatur eine weibliche Würde und Zärtlichkeit wie bei Sakuntala“ Friedrich v. Schlegel war von dem indischen Gedankengut dermaßen beeindruckt, dass er trotz vorgerückten Alters sich dem Studium der Sanskritsprache widmete. Er gilt als der Begründer der Indologie in Deutschland.

 

Sein Bruder, August v. Schlegel, wurde der erste Professor der Sanskritsprache in Bonn. Friedrich Rückert übersetzte u. a. die Savitri-Legende. Weiter ist Paul Deußen durch seine Upanishaden-Übersetzungen berühmt geworden, auch der große, noch lebende Indologe, Professor Dr. J. W. Hauer, darf nicht unerwähnt bleiben. Er hat die Aufmerksamkeit der Psychologen auf die Yogalehre gelenkt, die sich mit dem Menschen in seiner Ganzheit beschäftigt.

 

Unter den führenden deutschen Philosophen, die den hohen Wert der indischen Literatur und Philosophie priesen, stehen zwei Namen an der Spitze: Wilhelm v. Humboldt und Arthur Schopenhauer. Wilhelm v. Humboldt, preußischer Erziehungsminister und Begründer der Berliner Universität, schrieb über Bhagwadgita, den erhabenen Gesang: „Ich danke Gott, dass er mich so lange hat leben lassen, um dieses Gedicht noch zu lesen“. Arthur Schopenhauer, der die Upnishaden in lateinischer Übersetzung aus der persischen gelesen hatte, war sehr ergriffen und schrieb „Die Upanishaden waren der Trost meines Lebens, und sie werden der Trost meines Todes sein. Upanishaden, so meint er, sind die erhabenste Lektüre, die je in dieser Welt möglich wäre. Seine

Philosophie gilt als die europäische Version des indischen Gedankengutes. Es wird mit Recht als Merkmal des indischen Geistes die organische Einheit von Philosophie und Religion hervorgehoben. Es ist nicht ohne gewisse Berechtigung, wenn man Deutschland als Indien Europas bezeichnet. Wie in Asien der Einfluss Indiens überall sichtbar ist, so hat Deutschland zu der europäischen Kultur- und Religionsauffassung unendlich viel beigetragen.

 

Die Entdeckung seiner großen Vergangenheit durch diese Deutschen erhöhte Indiens Ansehen in der Welt. Deutschland wurde in Indien beliebt. Die Inder fingen an, die deutschen Gelehrten zu verehren und ihre wissenschaftlichen Errungenschaften, insbesondere in den Naturwissenschaften, zu würdigen. Es zogen indische Studenten nach Deutschland. Dieser persönliche Kontakt führte dann zur Anknüpfung der wirtschaftlichen Beziehungen. Viele führende deutsche industrielle Konzerne eröffneten mit Hilfe dieser Inder ihre Zweigstellen in Indien. Obwohl Inder in diesen Zweigstellen führende Stellungen innehatten, blieb ihr Verhältnis jedoch das von Angestellten.

 

Nach der Unabhängigkeitserklärung wurde diese Zusammenarbeit einen Schritt vorwärts getrieben. Es war den Indern bewusst, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, die für die Industrialisierung Indiens von Bedeutung sein können. Es wäre ein Unglück für Indien wie für Deutschland, wenn der deutsche Unternehmungsgeist, das technische Wissen, insbesondere der eiserne Wille, den die Deutschen bei dem Wiederaufbau ihres Landes bewiesen haben, nicht nutzbar gemacht würde. Auch die Deutschen selbst wünschten eine Zusammenarbeit. Es wurden zum Vorteile beider Länder indisch-deutsche Unternehmungen in Indien gegründet. Diese Beziehungen wachsen weiter und, wie verlautet, besteht die Hoffnung, dass es bald auch zu einer direkten Zusammenarbeit der Banken beider Länder kommen wird.

 

Während so die wirtschaftlichen Beziehungen sich erfreulicherweise vertiefen, ist dagegen die geistige Forschung zu einem gewissen Stillstand gekommen. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass sich die deutsche Indologie vielleicht zu viel mit der Vergangenheit Indiens abgibt So lehrreich dies sein mag, das heutige Indien würde es begrüßen, wenn diese Forschung auf ein Nebengleis umgeleitet und die Hauptstrecke von nun an mit der Untersuchung der modernen geistigen Strömungen Indiens befahren würde.

 

Es herrscht in Deutschland noch große Unkenntnis über Indien, woraus häufig Anlässe zu Missverständnissen entstehen. Es wäre angebracht, wenn die Universitäten beider Länder von sich aus die Aufgabe übernehmen würden, die Vertreter der Intelligenz durch Gastvorlesungen noch mehr, als geschehen, aufzuklären. Durch solchen Gedankenaustausch ist es möglich, neue Wege der Erkenntnis zu finden. Als im vorigen Jahrhundert der indische Geist für die deutschen Gelehrten den Anstoß gab, waren wir Inder passive Zuschauer. Mit unserer aktiven Mitwirkung lässt sich hoffen, dass dadurch noch mehr fruchtbringende Ergebnisse zustande kommen.

 

Seite 11   Gabriele und Bello. Die wunder bare Rettung eines kleinen ostpreußischen Mädchens, das sich in einem großen Wald verirrt hatte.

 

Foto: Glücklich zieht die Mutter das Kind an sich und drückt ihre warmen Lippen auf den von der Kälte schon starren Mund des wiedergefundenen Mädchens, um dessen Leben so viele Stunden gebangt wurde.

 

Foto: Die Heizsonne muss mithelfen, die Glieder wieder warm und geschmeidig zu machen. Dem wärmenden Leib des treuen Bello ist es zu verdanken, dass die Frostnacht im Walde dem kleinen Mädchen keinen gesundheitlichen Schaden gebracht hat, wie der herbeigerufene Arzt feststellen konnte.

 

Foto: Am Montag, dem 9. Januar 1956, gegen zwölf Uhr mittags, wurde die sechsjährige Gabriele Klein aus Ahrensch bei Cuxhaven, nachdem sie seit Sonntagnachmittag vom elterlichen Hof mit ihrem Hund Bello verschwunden war, im Wernerwald, etwa zwei Kilometer vom Hof entfernt, aufgefunden. Eng an den Hund geschmiegt, war das kleine Mädchen vor Müdigkeit, Hunger und Kälte eingeschlafen und hatte so die Nacht im Wald verbracht. Die Eltern Gabrieles sind Ostpreußen; sie hatten einen Hof in der Nähe von Königsberg.

 

Zu der Zeit, da wir alle noch eine Heimat hatten und glaubten, dass es niemals anders sein würde, lebten in Seerappen bei Königsberg ein Mann und eine Frau. Sie hatten sich lieb und besaßen alles, was sie sich zu ihrem Glück wünschen konnten: einen großen Hof mit einem schönen Haus, Vieh und alles, was dazugehörte. Nur eines hatten sie nicht, und darüber waren sie sehr traurig: sie bekamen kein Kind, obwohl sie es sich von Herzen wünschten.

 

Da geschah es, das der große Krieg ausbrach, und der Mann musste bald darauf ins Feld ziehen. Die Frau blieb allein zurück und war nun noch viel trauriger. Die Jahre vergingen mit viel Arbeit. Der Mann geriet in Gefangenschaft. Und eines Nachts musste auch die Frau das schöne Haus und den großen Hof verlassen und ins Unbekannte hinausziehen.

 

Während sie nun allein in der Millionenstadt an der Elbe lebte, kehrte eines Tages ihr Mann aus der Gefangenschaft zurück. Und weil sie gesund waren und einen starken Willen besaßen und die Hoffnung niemals aufgaben, sich auch redlich bemühten, wieder zu einem Besitz zu kommen, erhielten sie wieder einen Hof. Dort, wo der Elbstrom in die Nordsee fließt, wo sie an stürmischen Tagen das Meer brausen hörten, hinter einem großen Wald, der sie vor den kalten Nordwinden schützte, durften sie ein großes Stück Ödland fruchtbar machen; sie bauten sich eine Hütte und einen großen Stall für das Vieh, hielten auch Schweine und besaßen ein zahlreiches Hühnervolk.

 

In dieser Zeit war es, dass Gott das Gebet der Frau erhörte, sie würde ein Kind bekommen. Der Arzt aber, den die Eltern zu Rate zogen, meinte, sie würde das Kind nur unter sehr großer Gefahr für ihr Leben zur Welt bringen können. Aber die Frau verschloss alle Furcht in ihrem Herzen und bat, dass man es, gegen den Rat des Arztes, dennoch versuchen sollte. Und ihr Mut wurde belohnt. Das Kind kam sehr schwach, aber lebend zur Welt, und auch die Mutter geriet bald aus aller Gefahr.

 

Es war ein kleines Mädchen mit großen, dunklen Augen und schwarzem Haar, das sie, weil sie an den Engel Gabriel dachten, Gabriele nannten. Vater und Mutter hingen nun ihre ganze Liebe an das kleine Mädchen, das unter ihren sorgenden Händen aufwuchs, und sie gaben ihm alles, was sie vermochten.

 

Weil aber die Eltern für ihre viele Arbeit keine Hilfe besaßen, vom frühen Morgen bis in die Nacht zu tun hatten und sich sorgen mussten, konnten sie sich nicht viel um ihr Kind kümmern; Gabriele war ihren Spielen und Einfällen überlassen, oder sie hing der Mutter an den Röcken und war ihr im Wege, oder sie saß traurig und einsam im Winkel. Kinder, mit denen das kleine Mädchen spielen konnte, waren auch nicht vorhanden, denn die Siedlerhöfe liegen sehr weit entfernt voneinander, und nicht alle Siedler haben kleine Kinder, mit denen Gabriele hätte Kurzweil treiben können.

 

Da brachte der Vater im letzten Sommer — Gabriele war nun schon fast sechs Jahre alt geworden — einen kleinen Schäferhund mit, als er von einem Weg in die naheliegende Ortschaft nach Hause zurückkehrte. „Der gehört dir", sagte er zu dem Kind, und jauchzend nahm das Mädchen das lebendige Geschenk in Empfang. Und gleich bekam der Hund seinen Namen: Bello sollte er heißen.

 

Wenn nun das Mädchen am Morgen aufstand, galt sein erster Gedanke dem Hund. „Bello!" tönte das helle Stimmchen zur Küchentür hinaus. Und mit ebenso hellem Laut antwortete das Tier: „Wau!" Dann war er da, und die zwei füllten miteinander den Tag in bunter Fröhlichkeit. Wenn Gabriele frühstückte, teilte sie mit Bello ihr Brot. Dann eilten sie in den hellen Morgen hinaus. Der Hund sprang tapsig an dem Mädchen hoch, und das Kind kollerte lachend in den Sand. Spielerisch zog das Tier mit den Zähnen an Gabrieles Kleidchen oder zupfte sie am Haar, dafür griffen die Händchen des Mädchens in das samtweiche Fell. Das Lachen und das lustige Bellen der Spielenden scholl bis in den Stall, bis in den äußersten Winkel des weiten Hofes, und die Eltern, die es hörten, lächelten dabei, liefen in die Felder hinein, kehrten zurück, tauchten bald hier und bald da auf. Wo Gabriele war, war auch Bello, und wo der Hund auftauchte, war auch das Kind, nicht weit. So verging die Zeit. Der Sommer enteilte, und der Winter kam. Bello war prächtig herangewachsen. Er zeigte sich wachsam und treu und war mehr denn je zu allen lustigen Streichen aufgelegt.

 

Nun geschah es eines Tages — es war der zweite Sonntag in diesem Monat —, dass die Eltern in später Nachmittagsstunde Besuch bekamen. Ein Mann kam zu ihnen, der etwas verkaufen wollte, eine Sache, die man auf dem Hof wohl brauchen konnte; aber der Überlegungen waren viele, und das Gespräch zog sich lange hin. Der Vater ging schon hinaus in den Stall, um nach den Kühen zu sehn, die nach Futter riefen. Und weil das Spiel des Kindes mit dem Tier in der Stube, zu Füßen des Gastes, die Worte der Mutter fast übertönte, schickte sie die beiden hinaus.

 

„Geh' auf den Hof", sagte sie zu dem Kind, „nimm Bello mit und seht zu, was der Vater macht!"

 

Mit lautem Spektakel waren die beiden zur Tür hinaus. „Nicht so wild!" schalt die Mutter hinter ihnen her, doch sie hörten es nicht mehr. Laut bellend umsprang das Tier die kleine Gestalt des Mädchens, das fröhlich in die Hände klatschte und sich wie zum Tanz im Kreise drehte. Dann eilte Bello in großen Sätzen davon, kam wieder zurück, bellte und sprang wieder fort. Gabriele lief hinterher, fiel hin; der Hund sprang über sie hinweg, sie balgten sich ein wenig am Erdboden, sprangen wieder auf und liefen weiter, liefen zum Tor hinaus. Da dehnten sich in herrlicher Weite die Felder. Der Hund sprang über einen Graben.

 

„Bello!" rief das Mädchen.

 

„Wau!" machte der Hund, kam angesprungen, machte wieder kehrt und sprang weiter ins Feld hinein.

 

Das Mädchen lief ihm nach, aber wenn Bello nahe zum Greifen war, machte er ein paar lustige Sätze, sah sich um mit Augen, die zu lachen schienen, und wenn Gabriele bei ihm war, sprang er wieder fort.

 

Schließlich waren sie am Waldesrand angelangt, ein gutes Stück vom Hof entfernt, kaum dass man noch das Dach des Stallgebäudes im Licht der Dämmerung schimmern sah. Es roch schön nach Tannen, und auch der Erdboden unter den Bäumen strömte einen starken Duft aus. Bello hatte sein Spiel vergessen. Erinnerungen aus einem dunklen Urdasein schienen ihn ergriffen zu haben. Die lange Hundeschnauze tief am Boden haltend, lief er hin und her, lief nach links, lief nach rechts, zwischen den Fichtenstämmen und durch Tannendickicht hindurch, immer weiter, immer weiter.

 

Da sandte die Sonne gerade ihr Licht, ehe sie unterging, durch einen Wolkenspalt hindurch, dass es purpurn glühte. Die Zacken der Wolken röteten sich, und es sah aus, als stände dort, mitten im Wald ein herrliches Schloss aus purem Gold. Die Augen des Mädchens tauchten hinein in das Gold hinter dem tiefen Grün.

 

„La, la, la . . .", sang es, „la, la, la", und die kleinen Beinchen stapften munter weiter über den moosigen Grund, dem goldenen Gebilde zu und Bello nach, der immer noch schnüffelnd am Boden suchte, nach links und nach rechts lief, einen Berg hinauf und wieder hinunter eilte.

 

Da war plötzlich die Sonne fort, und die Welt war mit einem Schlage dunkel; nur ein ganz geringer Schimmer bläulichen Lichtes hing noch zwischen den Fichtenkronen, die sich immer enger zusammenzuschließen schienen.

 

Inzwischen hatten die Eltern zu Hause längst bemerkt, dass Gabriele und Bello verschwunden waren. Eine Viertelstunde mochte vergangen sein, nachdem die Mutter das Kind hinausgeschickt hatte, als der Vater von draußen ans Fenster klopfte und fragte, ob die zwei wohl drin in der Stube wären.

 

„Aber nein“, sagte die Mutter, „ich meinte, sie wären bei dir!“

 

Und nun begannen sie zu suchen, zuerst auf dem Hof und im Stall und im Schuppen. Doch als aller Eifer nichts nützte und auch auf ihr Rufen von nirgends eine Antwort kam, gingen sie weiter fort, und ihr Rufen wurde lauter und lauter; sie liefen auch zu den Nachbarn, die weitab wohnten, verstreut in der weiten Landschaft, ein Hof hier und ein Hof dort, doch überall fragten sie vergeblich nach. Und als gar die Sonne untergegangen war und bald darauf tiefe Dunkelheit, von Nebeln verdichtet, die Welt enthüllte, da griff die Angst mächtig nach ihrem Herzen.

 

Zwischen der vierten und fünften Nachmittagsstunde waren sie fortgelaufen, — das Kind, das sechs Jahre alt ist und der Hund, erst etwa sieben Monate alt. Und jetzt war die Uhr acht ...

 

Die Kunde von dem Verschwinden des Kindes hatte sich bald herumgesprochen, so weitläufig die Menschen auch wohnten. Die Männer von der Feuerwehr eilten herbei, und auch die Polizeibeamten kamen.

 

Sie können nur im Wald sein, sagte man sich, und man ordnete sich in Reihen und Gruppen und durchstreifte den Wernerwald. Doch der ist sehr groß, und am Ende sagten die Leute sich, dass sie wahrscheinlich in einer ganz verkehrten Richtung zu suchen begonnen hatten, und in der Finsternis wussten sie kaum, ob sie nach rechts gingen oder nach links oder sich gar im Kreise drehten.

 

Da war dem Vater inzwischen ein ganz besonderer Einfall gekommen. Er holte den Trecker aus dem Schuppen und fuhr damit in den Wald, fuhr die Wege und Schneisen hinauf und hinab und ließ den Motor brausen und knallen, hielt eine Weile an, lauschte und fuhr weiter mit lautem Geräusch, denn er dachte, das Kind müsste es hören und rufend herbeigeeilt kommen.

 

Um Mitternacht endlich kehrten alle nach Hause zurück, und sie verabredeten sich, am nächsten Morgen die Suche von neuem zu beginnen.

 

Eine Weile standen die Eltern verzweifelt noch vor der Tür ihres Hauses.

 

„Wie es friert!" sagte die Mutter.

„Ja, es sind mindestens ein paar Grad Frost", erwiderte der Mann.

„Und sie hat nicht einmal ihr Mäntelchen an, und kein Mützchen auf!" klagte die Frau und weinte.

 

Zwar gingen die Eltern zu Bett, aber keiner konnte schlafen, und wenn draußen ein Hund bellte, eilte der Mann schnell hinaus, weil er meinte, dass es Bello sein könnte, um enttäuscht wieder zurückzukehren.

 

„Mein Gott, mein Gott", klagte die Mutter, „sie wird erfrieren!" Und in ihren lebhaften Vorstellungen sah sie bereits ihr Töchterchen, um dessen Leben sie so viel Schmerzen gelitten hatte, am Boden liegen, leblos und steif und mit erstarrten Gliedern. Und am liebsten wäre sie aufgestanden und in den Wald hinausgelaufen, wenn der Mann sie nicht mit zuredenden Worten zurückgehalten hätte.

 

Bello hatte es längst aufgegeben, nach geheimnisvollen Spuren zu suchen.

 

„Komm Bello", sagte Gabriele, „wir müssen nach Hause gehn!" Sie drehte auf dem Fuße um und ging immer geradeaus, meinend, dass sie dann wieder zum Waldrand zurückkommen müsste, und Bello ging brav neben der Kleinen her. Aber so weit sie auch liefen, der Wald wollte nicht wieder aufhören; nirgends und an keiner Stelle zeigte sich auch nur die geringste Lichtung.

 

Wäre Bello nur seinen eigenen Spuren gefolgt, so hätte er den Weg wohl gefunden, aber das treue Tier meinte, es müsse gehorsam folgen, wohin das Mädchen ging. Es hatte ja doch gesagt: „Komm Bello!" Was sollte der Hund anders tun als dem Ruf folgen? Aber nach Hause kamen sie dabei nicht. Sie kamen an einen Berg, und das Kind meinte, nun sei dahinter sicherlich das Feld. Aber es folgte nur ein anderer Berg.

 

Und während die Finsternis immer tiefer wurde, drängte der Hund immer näher an den Leib des Kindes heran. Und wenn es irgendwo geheimnisvoll knisterte, sträubte sich sein Nackenhaar wie zu einem Kamm, und er knurrte bedrohlich das Ungetüm an, das da aus Nebelgebilden auf sie zukam. Und wenn auch Gabriele die merkwürdigen Gestalten sah, die ihnen gespenstisch huschend in den Weg zu treten schienen, von hier her kamen und von dort, hatte sie doch keine Angst, so lange sie Bello neben sich fühlte.

 

 „Komm!", sagte sie wieder, und sie setzten ihren Weg in einer anderen Richtung fort. Es war so totenstill ringsum, dass sie nur ihre eigenen Schritte hörten, das Stampfen der Mädchenfüße und das Trappeln des Hundes — und das Knistern der Tannen im Frost. Gabrieles Händchen wurden halt, und das Näschen war schon sehr gerötet, nur sah es niemand, wie rot es war.

 

Schließlich fing das Kind an zu laufen, denn es dachte daran, was die Eltern wohl sagen würden, weil es so lange ausblieb. Dann aber konnte es plötzlich nicht mehr. Wahrscheinlich war es schon eine Weile nach Mitternacht. Unversehens war auch der Hunger da, und die große Müdigkeit ließ das Kind endlich zu Boden sinken, gerade da, wo es stand, unter den Zweigen einer Tanne. Und Bello — was durfte er anders tun? —, treu und gehorsam und wachsam die Ohren spitzend, legte sich daneben. Erschauernd fühlte Gabriele, wie sich der Frost um die kleinen Glieder legte, und sie drängle sich ganz nahe an den Leib des Tieres heran und drückte das Gesicht ganz fest an das weiche, warme Fell.

Und dann schlief sie ein.

 

Spät zog ein blasser Morgen herauf; ein kalter Himmel wölbte sich über eine weißbereifte Landschaft. Weiß hob sich auch der Wald in das allmählich einsickernde Licht. Es war Montag geworden.

 

Vater und Mutter waren längst aufgestanden, doch kaum wagten sie miteinander zu sprechen. Der Vater besorgte das Vieh und die Mutter die Küche.

 

Als es endlich ganz hell geworden war, kamen die Leute auch wieder herbei, wie es verabredet war. Noch mehr geschah: Ein zahlreiches Aufgebot vom Marine-Grenzschutz erschien aus Cuxhaven, um sich an der Suche nach den Verlorenen zu beteiligen. Weit mehr als hundert Männer waren schließlich beisammen. Manch mitleidsvoller Blick traf die verzweifelten Eltern, und heimlich murmelte man untereinander, dass bei der Härte des Frostes kaum Hoffnung sei, das Kind lebend zu finden. Wie lange war es schon fort? Fast zwanzig Stunden? Mein Gott!

 

Die Augen schweiften zu der weitgestreckten Front des Waldes hinüber.

 

Als auch der letzte Hilfstrupp gekommen war, machten sie sich alle zusammen auf den Weg; sie bildeten eine lange, dünne Kette und drangen so in den Wald ein, jeden Fleck auf dem Erdboden betrachtend, jedes Gebüsch durchsuchend, in jeden Winkel spähend, den Namen des Kindes und den des Hundes rufend.

 

Da stieg plötzlich der helle Ruf eines Mannes steil zum Himmel, und alle, die es hörten, wussten sogleich, dass sie sich jetzt dorthin wenden durften, woher der Ruf kam.

Das Kind war gefunden, beinahe genau um die Mittagszeit.

 

Kaum wagten die vielen Männer zu atmen, als sie das Bild sahen dort unter den dichten Zweigen der Tanne: Da lag Bello weit ausgestreckt und wagte sich nicht zu rühren, nur die Rute spielte und die Ohren wurden spitz und steif, und die Augen suchten unruhig zu erforschen, was das bedeuten sollte.

 

Und eng an den Hund angeschmiegt, halb über ihn hingestreckt, das Gesicht an den Nacken gedrückt, dass nur der dunkle Mädchenschopf zu sehen war, lag Gabriele und schlief und schlief immer noch und wollte nicht aufwachen.

 

Erst als starke Männerarme — nach beruhigenden Worten zu Bello hin — die kleine Gestalt aufhoben, regte sich das Leben darin zu allmählichem Erwachen. Doch der kleine Mund öffnete sich immer noch nicht, und auf alle Fragen kam keine Antwort. Das geschah erst zu Hause. Unter dem Kuss der Mutter löste sich die Zunge; da wichen auch die tiefe Müdigkeit und der Kälteschlaf aus den Gliedern, dieser gefährliche Schlaf, der leicht zur Erstarrung hinüberführt und es vielleicht auch getan haben würde, wenn Bello nicht so viel Wärme ausgeströmt hätte und wenn er nicht mit so viel Geduld und Treue liegen geblieben wäre.

 

Als die Männer auch vor den Ohren der Mutter solche Gedanken äußerten, neigte sie sich zu dem Hund nieder und streichelte ihm lächelnd den Kopf. „Bist ein gutes Tier!" sagte sie. Bei sich selbst jedoch dachte die Frau: „Nun hat Gott mir heute mein Kind zum zweiten Male geschenkt!" Paul Brock

 

Seite 12   Wir gratulieren!

Zum 93. Geburtstag

Am 25. Januar 1956, Landsmann August Niedzkowski, aus Gr.-Schmieden, jetzt bei seinem Sohn in Hoteln, Kreis Hildesheim. Der Jubilar unterzog sich noch im 90. Lebensjahr einer erfolgreichen Augenoperation. Durch die Flucht war er erblindet.

 

zum 92. Geburtstag

am 18. Januar 1956 der Witwe Amalie Störmer, aus Groß-Kärthen, Kreis Bartenstein, jetzt bei ihrem Schwiegersohn Max Kimritz in Bremerhaven-Langen, Alter Postweg 1.

 

zum 90. Geburtstag

am 21. Januar 1956, Lehrer i. R. Friedrich Melzer, zuletzt in Königsberg-Tannenwalde, Eigenheim Karl-Peters-Straße 13. Er wirkte in Kiehlen, Kreis Lyck, Gollubien, Kreis Treuburg, und Remoschkehmen, Kreis Darkehmen. Heute lebt er mit seinen Töchtern in Dortmund, Feuerbachweg 3, I.

 

am 20. Januar 1956, Frau Elisabeth Hagen, aus Insterburg, jetzt in Berlin-Nikolassee, Kirchweg 33, Altersheim Mittelhof.

 

am 23. Januar 1956, Frau Emma Piehl, geb. Heinrich, aus Rausensee, Kreis Angerburg. Sie lebt bei ihrem unverheirateten Sohn Herbert Piehl, dem sie den Haushalt führt, in (16) Wilhelmshof, Kr. Hersfeld/Hessen.

 

am 26. Januar 1956, Landsmann Hermann Dauter, aus Wormditt, Mauerstraße, jetzt im Altersheim in Kochel/Obb. in der Nähe seiner ältesten Tochter. Seine Lebensgefährtin verstarb am 4. Juli 1955, ein Jahr vor der Eisernen Hochzeit.

 

am 28. Januar 1956, der Klavierlehrerin Toni Seidel, aus Königsberg, jetzt in der sowjetisch besetzten Zone. Sie ist durch Siegfried Heinrich, Berlin-Zehlendorf, Loebellstraße 8, zu erreichen.

 

zum 89. Geburtstag

am 19. Januar 1956, dem Lehrer i. R. Albert Eckert, aus Tilsit, Lindenstraße 22, jetzt in Zwiesel, Niederbayern, Langdorfer Straße 255.

 

zum 88. Geburtstag

am 22. Januar 1956, Frau Karoline Neiß, verw. Bundt, aus Insterburg, jetzt mit ihren Kindern Walter und Margarete Bundt in Aurich/Ostfriesland, Königsberger Straße 363.

 

zum 87. Geburtstag

am 10. Januar 1956, Frau Emilie Klein, aus Marusen, zuletzt in Königsberg, Krausallee 80. Sie wohnt jetzt in Wedel/Elbe, Holmerstraße 73.

 

am 17. Januar 1956, der Witwe Anna Okat, geb. Sernus, aus Haselberg, Kreis Schloßberg, jetzt bei ihrer Tochter Anna Engelhard in Witten/Ruhr, Galenstraße 44.

 

am 23. Januar 1956, Landsmann Christian Tomescheit, aus Nauseden, Kreis Stallupönen, jetzt bei seinem jüngsten Sohn Emil Tomescheit in Ingelheim-Mitte/ Rhein.

 

am 24. Januar 1956, Frau Emma Schiwinski, aus Röschken, Kreis Osterode, jetzt in der sowjetisch besetzten Zone. Sie ist durch Landsmann Emil Schulz, Berlin-Heiligensee, Hennigsdorfer Straße 132, zu erreichen.

 

am 25. Januar 1956, Landsmann Anton Schulz, aus Albrechtsdorf bei Wormditt, jetzt in Trollkjer, Kreis Flensburg.

 

zum 86. Geburtstag

am 22. Januar 1956, Lehrer i. R. Hermann Depkat, aus Kuckerneese (Dünen), Kreis Elchniederung. Er war hier 24 Jahre hindurch erster Lehrer; vorher wirkte er sieben und neun Jahre in Pokraken und Kallwehlen. Während des Krieges nahm er mit 69 Jahren den Schuldienst an seiner letzten Wirkungsstätte, wo auch sein Schwiegervater Greitschus und sein Schwiegersohn Denkmann tätig waren, wieder auf. Anschrift: (13b) Krugzell bei Kempten/Allgäu.

 

am 23. Januar 1956, Frau Mathilde Urban, aus Königsberg, Am Fließ 34, jetzt bei ihrer Tochter Hedwig Lekschas in Ahrensburg bei Hamburg, Gerhart-Hauptmann-Straße 2.

 

am 24. Januar 1956, Frau Karoline Waschk, geborene Kukelka, aus Nickelsberg über Arys, jetzt in Berlin-Britz, Dörchläuchtingstraße 9.

 

am 25. Januar 1956, Frau Karoline Kanakowski, aus Königsberg-Lauth, jetzt mit ihrem Ehemann, der am 10. Februar 1956, 84 Jahre alt wird, bei ihrer Tochter, Frau Marie Strötzel, in Bad Hersfeld, Wilhelmshof.

 

zum 85. Geburtstag

am 24. Januar 1956, der Bäuerin Amalie Graetsch, aus Plein, Kreis Elchniederung, jetzt bei ihrer Tochter Tilly in Verl Nr. 416 bei Gütersloh/Westf.

 

am 25. Januar 1956, Frau Johanna Budnick, aus Lissen, Kreis Angerburg, jetzt in Verden/Aller, Altersheim.

 

zum 84. Geburtstag

am 24. Januar 1956, Landsmann Wilhelm Duscha, aus Jägersdorf, Kreis Neidenburg, jetzt bei seiner Tochter Henriette in Königstein/Ts., Damschkestr. 6.

 

zum 83. Geburtstag

am 1. Januar 1956, Landsmann Gustav Petrusch, aus Neuhausen-Tiergarten, jetzt in Itzehoe, Wilhelmstraße 8.

 

am 18. Januar 1956, dem Bauern Anus Kakschies, aus Lompönen, Kreis Tilsit, jetzt mit seiner Ehefrau in Rössing über Elze/Hannover.

 

am 24. Januar 1956, der Eisenbahnerwitwe Elisabeth Rettkowitz, geb. Paprotka, aus Allenstein. Sie lebt noch in der Heimat und ist durch ihren Sohn Anton Rettkowitz, Herdecke/Ruhr, Marktgasse 2, zu erreichen.

 

zum 82. Geburtstag

am 4. Januar 1956, der Schlossermeisterswitwe Emilie Wölky, geb. Vehner, aus Königsberg, Kuplitzerstraße 3 a. Sie ist durch Herbert Wölky, Sindelfingen/Württ., Böblinger Gasse 10, zu erreichen.

 

am 19. Januar 1956, dem Bäckermeister Friedrich Brandstädter, aus Lötzen, Lycker Straße 7, jetzt bei seiner Tochter Erika Mey in Neuß am Rhein, Bergheimer Straße 441, I.

 

am 19. Januar 1956, Frau Wilhelmine Radies, geborene Lattko, aus Groß-Guja, Kreis Angerburg, jetzt in Hannover-Limmer, Schleusenweg 6, gegenüber dem Sportplatz. Ihr Ehemann kann am 21. Januar 1956 seinen 79. Geburtstag feiern.

 

am 25. Januar 1956, der Witwe Wilhelmine Siegmund, geb. Dombrowski, aus Königsberg, jetzt in Seefeld, Kreis Rendsburg.

 

zum 81. Geburtstag

am 16. Januar 1956, Landsmann Hermann Klein, aus Königsberg, jetzt in Haltern/Westf. Er ist durch Helmuth Buch, Oderstraße 6, zu erreichen.

 

am 19. Januar 1956, Landsmann Wilhelm Kipar, aus Warchallen, Kreis Neidenburg, jetzt mit seiner Ehefrau Katharina Kipar, die am 13. Februar 1956, ihren 78. Geburtstag feiert, in Oberholthausen 99 a, Post Buchholz, bei Hattingen/Ruhr. Das Ehepaar konnte erst 1954 Ostpreußen verlassen.

 

am 26. Januar 1956, Kaufmann Ferdinand Warlies, aus Drigelsdorf, Kr. Johannisburg, jetzt in (23) Wohnste über Scheeßel, Bezirk Bremen.

 

 

am 29. Januar 1956, dem Altbauern Gustav Puzich, aus Gr.-Borken, Kreis Ortelsburg, jetzt bei seiner Tochter in Stadtlohn-Wessendorf/Westf., Bockwinkel 8.

 

zum 80. Geburtstag

Landsmann Rudolf Schirrmacher, aus Königsberg, Gebauhrstraße 13 a, (Schlosser im Flughafen Devau). Er ist durch seine Tochter Gertrud Grohnert in Höslwang bei Endorf/Obb., Kreis Rosenheim, zu erreichen.

 

am 4. Januar 1956, Landsmann Martin Heinrich, aus Lakendorf, Kreis Elbing, jetzt in Itzehoe, Liethberg 3.

 

am 17. Januar 1956, dem Bäckermeister i. R. Gustav Naujokat, aus Tilsit, Gartenstraße 20, jetzt in der sowjetisch besetzten Zone. Er ist durch Paul Naujokat, (20b) Northeim, Göttinger Straße 25 H, zu erreichen.

 

am 18. Januar 1956, Lehrer i. R. Emil Laabs, aus Althof bei Pr.-Eylau, wo er über dreißig Jahre tätig war, jetzt in (20b) Baddeckenstedt/Harz.

 

am 20. Januar 1956, Landsmann Albert Schmidt, aus Eydtkuhnen, Friedrich-Wilhelm-Straße 18, jetzt in Russee bei Kiel, Am Blöcken 49.

 

am 22. Januar 1956, dem Friseurmeister Paul Hinz, aus Tilsit, Wasserstraße 24, jetzt in (13b) Buchenberg, Kempten/Allgäu.

 

am 23. Januar 1956, Frau Margarete Preuß, geb. Dongorski, aus Eydtkuhnen, wo sie bis 1935 als Lehrerin tätig war, dann Königsberg, Hammerweg 12. Nach vier Jahren Internierung und fünfjährigem Aufenthalt in Südbaden lebt sie nun bei ihrer Tochter, Gewerbeoberlehrerin Lotte Preuß, in Wilhelmshaven, Mozartstraße 41.

 

am 27. Januar 1956, Landsmann Max Schlinsog, aus Lötzen, jetzt in Darmstadt, Riedeselstraße 43 b.

 

zum 75. Geburtstag

am 13. Januar 1956, Landsmann Artur Noetzel, aus Tilsit, Deutsche Straße 42, jetzt mit seiner Ehefrau bei seinem Sohn Oskar Noetzel in Annaberg-Buchholz I, Pestalozzistraße 11.

 

am 14. Januar 1956, Landwirt Ferdinand Springer, aus Lank, Kreis Heiligenbeil, jetzt in Isselhorst bei Bielefeld/Westf. Am 23. September 1956, konnte er mit seiner Ehefrau Auguste Springer, geb. Hasenpusch, das Fest der Goldenen Hochzeit begehen.

 

am 17. Januar 1956, dem Bauern Willy Stoepke, aus Lobitten, Kreis Samland, jetzt in (16) Offenthal über Offenbach/Main, Dietzenbacher Straße 1.

 

am 18. Januar 1956, Frau Julie Grabnitzki, aus Reichenwalde, Kreis Lyck, jetzt in der sowjetisch besetzten Zone. Sie ist durch Arthur Bluhm, Hamburg 6, Margarethenstraße 31, zu erreichen.

 

am 19. Januar 1956, Frau Klara Heppner, aus Wusen, Kreis Braunsberg. Sie wohnte hier bei ihrem auf der Flucht verstorbenen Bruder, Pfarrer Josef Heppner. Anschrift: Elmshorn, Düwelsknick 5.

 

am 21. Januar 1956, Frau Minna Mertins, aus Ehrenfeld, Kreis Tilsit, jetzt in Caßdorf, Kreis Fritzlar-Homberg, Bezirk Kassel.

 

am 21. Januar 1956, dem Landwirt Paul Reuß, aus Taulen bei Grünhagen, Kreis Pr.-Holland, jetzt mit seiner Ehefrau bei seinen Kindern in (20b) Neu-Erkerode über Braunschweig.

 

am 22. Januar 1956, dem Tischlermeister Franz Morgenroth, aus Allenburg, Kreis Wehlau, jetzt in Harsewinkel, Kreis, Warendorf, Venneweg 4. Vier Tage später, am 26. Januar 1956, feiert Landsmann Morgenroth sein fünfzigstes Meisterjubiläum. Der beliebte und geachtete Jubilar war Vertreter des Kreises, der Kirche und der Stadt, außerdem Vorstand des Waisenhauses und verschiedener Vereine und viele Jahre hindurch Obermeister der Allenburger Tischlerinnung.

 

am 24. Januar 1956, Frau Hermine Metzler, geb. Schecht, aus Branden, Kreis Gumbinnen, jetzt in Ballenhausen bei Göttingen, bei ihrem Sohn Franz Metzler.

 

am 25. Januar 1956, Frau Elise Joppien, geb. Schulz, aus Königsberg, Steindammer Wall 10, zuletzt Appelbaumstraße 33. Sie wohnt in Wedel/Holstein, Rudolf-Breitscheid-Straße 5 a.

 

am 25. Januar 1956, Lehrer i. R. Paul Rose, aus Königsberg-Tannenwalde, jetzt mit seiner Ehefrau in Flensburg, Harrisleerstraße 35.

 

am 25. Januar1956, der Witwe Auguste Lukrafka, geborene Tomaskowitz, aus Muschaken, Kreis Neidenburg, jetzt bei ihrer Tochter Lydia Dowe, geb. Lukrafka in Herne/ Westf., Hermann-Löns-Straße 52.

 

Seite 12   Gesandter a. D. Dr. Denk zurückgekehrt. Er wird siebzig Jahre.

Am 28. Januar 1956, wird der kürzlich aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrte Gesandte a. D. Dr. Johannes Denk, siebzig Jahre alt. Er wurde am 28. Januar 1886 in Königsberg geboren und besuchte dort bis 1905 die Oberrealschule auf der Burg. (Ein Foto des Abiturientenjahrgangs 1905 der Oberrealschule auf der Burg, dem auch der Dichter Ernst Wiechert angehörte, veröffentlichten wir in Folge 9 des vorigen Jahrgangs, Ausgabe vom 26. Februar). Dr. Denk studierte an der Albertus-Universität Jura. Von 1915 bis 1921 war er als Landesrat der Provinzialverwaltung Ostpreußen Leiter der Kriegsbeschädigten-Fürsorge. Von 1922 bis 1931 wirkte er als Preußischer Gesandter bei der Bayerischen Staatsregierung in München. Durch das nationalsozialistische Regime wurde er zwangspensioniert. Im Kriege betätigte er sich als Mitarbeiter beim Präsidium des Deutschen Caritas-Verbandes in Freiburg/Breisgau. Aus seiner Berliner Ausweichwohnung wurde er im April 1945 von den Russen verschleppt und später zu zehn Jahren Arbeitslager „verurteilt“. Neun Jahre musste er unter harten Bedingungen, ohne jegliche Verbindung mit seiner Familie und seiner Heimat, in Workuta verbringen; insgesamt war er zehn Jahre und drei Wochen „unterwegs“. Er hat sich auch in der Fremde stets als Sohn seiner angestammten Heimat gefühlt; er grüßt alle seine ostpreußischen Landsleute, und er würde sich sehr über ein Lebenszeichen aller deren freuen, die sich seiner noch erinnern. Dr. Denk wohnt jetzt in Berlin-Charlottenburg 9, Bayernallee 47, II, Fernruf 94 40 93.

 

Seite 12   Oberfinanzpräsident a. D. Rauschning 80 Jahre

Am 14. Januar 1956 beging der einstige Oberfinanzpräsident der Hansestadt Hamburg, Georg Rauschning, seinen achtzigsten Geburtstag. Der gebürtige Ostpreuße war bis zur Abtrennung der Provinz Posen als Landrat in Czarnikau tätig. Nach kurzer Tätigkeit beim Polizeipräsidium Königsberg wechselte er 1919 zum Landesfinanzamt Königsberg über. 1923 wurde er an das damalige Landesfinanzamt Unterelbe versetzt, und zwei Jahre später übernahm er die Leitung des späteren Oberfinanzpräsidiums Hamburg und der jetzt noch bestehenden Oberfinanzdirektion. 1943 trat er in den Ruhestand.

 

Seite 12   Goldene Hochzeiten

Das Ehepaar Gustav Retzko und Luise Retzko, geborene Kosuch, aus Widminnen, Kreis Lötzen, jetzt in der sowjetisch besetzten Zone, begeht das Fest der Goldenen Hochzeit. Die Eheleute sind durch Curt Diesing, (24b) Neumünster, Königsberger Straße 72, zu erreichen.

 

Am 26. Januar 1956, feiern der Postbetriebsassistent i. R. Karl Naujoks und seine Ehefrau Marta Naujoks, geb. Schibilla, aus Buddern, Kreis Angerburg, jetzt in Itzehoe/Holstein, Langer Peter 68, das Fest der Goldenen Hochzeit. Acht Kinder, achtzehn Enkel und ein Urenkel werden diesen Ehrentag festlich gestalten.

 

Am 26. Januar 1956, begehen der Rentner Franz Nickel und seine Ehefrau Amalie Nickel, geb. Schmitke, aus Hafferda (Agilla), Kreis Labiau, das Fest der Goldenen Hochzeit. Das Ehepaar lebt bei seiner Tochter in Hude III (Oldenburg), Am Klüterort 9.

 

Seite 12   Auszeichnungen

Dem Oberschulrat i. R. Dr. Schmiedeberg, ehemals Direktor des Realgymnasiums und der Oberrealschule (Oberschule für Jungen) zu Tilsit, wurde an seinem 75. Geburtstage wegen seiner Verdienste auf schulischem und kommunalpolitischem Gebiet das Bundesverdienstkreuz als Ansteckkreuz verliehen. Dr. Schmiedeberg wohnt in Clausthal-Zellerfeld. Nach seiner Versetzung in den Ruhestand war er mehrere Jahre als Bürgermeister dieser Stadt tätig. Die ehemaligen Lehrer und Schüler des Tilsiter Realgymnasiums gratulieren ihrem früheren Schulleiter herzlich zu dieser verdienten Auszeichnung.

 

Seite 12   Prüfungen

Anneliese Schwarz, Tochter des Steinmetzmeisters Werner Schwarz, aus Königsberg, Cranzer Allee 161/163, jetzt in Stuttgart-Weilimdorf, Fehrbelliner Straße 1, hat die Prüfung als Apothekenhelferin bestanden.

 

Seite 12   Bestätigungen

Wer kann bestätigen, dass Gustav Lindt, geb. am 04.12.1894, wohnhaft gewesen in Königsberg, Ostendorffstraße 5, von 1925 bis 1933 in der Schneiderei bei Perleberg, Gruschkus, Jablonsky in Königsberg, Steindamm, tätig gewesen ist und von 1933 bis 1945 beim Heeresbekleidungsamt in Königsberg war?

 

Wer kann bestätigen, dass Otto Bansemir von 1909 bis 1911 als Arbeiter auf dem Gut Aweiden bei Königsberg tätig gewesen ist?

 

Zuschriften erbittet die Geschäftsführung der Landsmannschaft Ostpreußen in Hamburg 24, Wallstraße 29

 

Seite 13   Foto: Mühle Warten (Samland) im Winterkleid. Aufnahme: Verfasser

 

Seite 13   Mien leve Mehl. Ostpreußens Mühlenwirtschaft zwischen den beiden Weltkriegen.

Im Samland war mein Heimatort,

da stund mien leve Mehl,

de klappert da so munter fort,

vertellt mie ouk so veel ---

 

Wind und Wasser standen Ausgang des Ersten Weltkrieges als Antriebskraft in der ostpreußischen Müllerei an erster Stelle. Es gab wohl schon Großmühlen, die durch Dampf, Explosionsmotoren bzw. Elektrizität angetrieben wurden, aber draußen auf dem Lande bestimmten Fuß- oder Gallerieholländer-Windmühlen das Bild. Hier gab es kaum moderne Müllereimaschinen. Das Getreide wurde wie seit alters her mit Hilfe von Aufzügen sackweise auf die Sackböden der Mühlen gezogen und von hier in die sackartigen Schläuche geschüttet, die in den Trichtern der Rüttelstock-Mahlgänge endeten. Das Korn lief über die Steine und wurde unten in der Mühle als Vorschrot abgefangen. Sackweise zog man es wieder nach oben und wiederholte den Mahlvorgang solange, bis das Mahlgut fein genug zerrieben war.

 

Es handelte sich bei dieser Herstellung um das sogenannte grobe Brotmehl (growet Mehl), das zu damaliger Zeit vorwiegend mit Sauerteig verbacken und gegessen wurde. Feinbrot war zu jener Zeit, jedenfalls auf dem Lande, ein seltener Genuss. Dieses Mehl wurde mit Hilfe sogenannter Zylinder hergestellt, weshalb es auch allgemein Zylinder- oder Sichtmehl genannt wurde.

 

Die Bauern hatten oft weite Wege bis zur Mühle zurückzulegen, die besonders im Herbst und Frühjahr nicht immer die besten waren. Dennoch musste oftmals zwei- auch dreimal gefahren werden, denn jeder wollte sein eignes, vermahlenes Getreide zurückhaben. Wenn der Wind günstig war, wartete man an Ort und Stelle solange, bis das Mehl fertig war.

 

Zu damaliger Zeit stand die Schroterei in hoher Blüte. Es wurden insbesondere Hafer, Gerste, Erbsen, Peluschken und hierzu ganz besonders harte Mahlsteine benutzt, sogenannte „Franzosen", während für die Feinmehlherstellung weichere Sandsteine Verwendung fanden. Ein Vorsichten des Getreides kannte man kaum.

 

Dort, wo der Betrieb auf Wasserkraft angewiesen war, gab es im Winter immer einige Schwierigkeiten. Bei strengem Frost befroren die Wasserräder vom Sickerwasser derart stark, dass dem Eise erst mit Axt oder Strohbunden zu Leibe gerückt werden musste. Das war meist am frühen Morgen der Fall, wenn die Wasserräder über Nacht stillgestanden hatten. Das Stroh wurde in die Räder gestopft und einfach angesteckt. Dann wurde sofort die Schütze gezogen und das Rad setzte sich schwer rumpelnd in Bewegung. Wie oft habe ich als Junge diesen Bemühungen beigewohnt und an den hellen Flammen meine Freude gehabt, besaß meine Familie daheim doch neben einer Wind- auch eine Wassermühle (Fußholländer).

 

Fast 35 Jahre sind inzwischen darüber ins Land gegangen. Aus der heutigen Ferne glaube ich deutlich genug Zeitpunkt und Ursache zu erkennen, die der damaligen Mühlenromantik in Ostpreußen ein Ende bereiteten. Da war einmal die Geldentwertung, dann die Schaffung der Ostmesse in Königsberg (Pr.), der Ausbau des Überlandwerkes in Friedland und nicht zuletzt die wirtschaftspolitische Stärkung der durch die Abschnürung vom übrigen Reich geschaffenen Zwangslage. Man kann getrost von einem sogenannten Amerikanismus sprechen, denn fast über Nacht trat auf allen Gebieten eine Wandlung ein. Das war verständlich. Deutschland hatte zwar den Krieg verloren, aber kaum ein Industriewerk wurde abgebaut, das bis dahin Kriegsmaterial erzeugt hatte. Jetzt wurden Friedensgüter produziert, in einer Masse, die unbedingt abgesetzt werden musste. So kam es, dass auch Ostpreußen von der Maschine erobert wurde. Wer diese Tatsache nicht rechtzeitig erkannte und weiter mit gerefften Segeln mahlte, wurde bald brotlos. Die Zeit der Pungelmüllerei war einfach zu Ende.

 

Ich habe jene Zeit noch sehr deutlich vor Augen. Als bei uns an Stelle der alten Wasserräder Turbinen eingebaut wurden, Spitz- und Schälmaschinen, Trieure, Walzenstühle, Plansichter, Elevatoren, Schnecken, Filter mit Luftkühlung, automatische Wagschalen, ja, sogar eine eigene elektrische Lichtanlage mit Dynamo und Akkumolatoren, da konnte sich bei uns keiner der Tatsache verschließen, dass trotz des verlorenen Krieges eine gänzlich neue Zeit auf diesem Gebiet angebrochen war. Das Getreide wurde jetzt fortan vor der Vermahlung über den Trieur gereinigt, gespitzt und geschält und über dem Blaumehlzylinder für die Vermahlung entsprechend vorbereitet. Dann ging es über die Quetsche, zum ersten, zweiten, dritten und vierten Walzenstuhl. Elevatoren und Schnecken schafften das Mahlgut in einem Arbeitsgang über die Plansichter zum fertigen Mehl. Mischmaschinen sorgten für die richtige Mischung der einzelnen Ausmahlungssorten. Die Bauern brauchten nun nicht mehr auf ihr Mahlgut zu warten, die modernisierten Mühlen tauschten das Getreide einfach gegen das gewünschte Mahlprodukt um. Großmühlen schafften sich an geeigneten Verkehrsknotenpunkten Umtauschstellen. Dort wurde zwar auch noch mit eingebauten Gängen geschrotet, aber das fertige Mehl lieferten die Mühlen. Mit der fortschreitenden Elektrisierung und Motorisierung wurde man von Wind und Wasser unabhängig. Aber die Entwicklung blieb nicht stehen. Mit jeder neuen Ostmesse in Königsberg trafen neue Maschinen ein, Maschinen, die dem Bauer schließlich die eigene Schroterei im Hause ermöglichten. Das gab den wenigen noch vorhandenen alten Mühlen den Todesstoß. Selbst die in den ersten 20-er Jahren umgebauten Kleinmühlen bekamen diese Tatsache bitter zu spüren. Wer konnte auch gegen die industrialisierten Großmühlen, wie zum Beispiel die Walzmühle in Königsberg oder Prang-Mühlen GmbH, Gumbinnen, Allensteiner Mühlenwerke AG, und wie sie alle hießen, erfolgreich konkurieren?! Hier begann man bereits mit einer gewissen Netzung des Getreides vor der Vermahlung, desgleichen gewann die künstliche Bleichung des Mehles an Bedeutung.

 

Nicht minder wichtig gestaltete sich die Einlagerung des Getreides. In Königsberg wurde der größte Silo Europas gebaut. Andere Städte folgten. Das Gebläseverfahren bei der Umlagerung des Getreides kam auf, das heute schon wieder die Elevatoren überholt hat. Die lästigen Speicherarbeiten auf den Gütern und Bauerhöfen, wo bis dahin das Getreide mühselig über Band umgeschaufelt werden musste, entfiel, ganz besonders aber dort, wo das Getreide nach dem Drusch sofort an die Großmühlen geliefert wurde und nach und nach auf Abruf, in Mühlenfabrikate umgewandelt, zur Verfügung stand.

 

Es ist einleuchtend, dass diese ungeheuerliche Umstellung sich irgendwie auf die Ernährungsweise auch der ländlichen Bevölkerung in Ostpreußen auswirken musste. Soweit ich bis zum Kriegsbeginn (1939) die Entwicklung aus nächster Nähe verfolgen konnte, hatte das grobe Brot der 20-er Jahre so ziemlich ausgespielt. Es wurden allgemein höhere Ansprüche gestellt. In manchen Gegenden war man teilweise von der eigenen Bäckerei abgekommen. Man tauschte beim Bäcker sein Mehl gegen entsprechendes Brot um. Das Hefebrot eroberte sich immer mehr Anhänger.

 

Im 2. Weltkrieg waren überhaupt nur solche Mühlen zugelassen, die über ein bestimmtes Vermahlungskontingent verfügten und entsprechende Getreidezuteilungen erhielten. Die Mehltypen wurden vorgeschrieben, d. h. die Ausmahlungsquoten näherten sich wieder den ursprünglichen dunklen Mehlsorten, nur in verfeinerter Form. Diese marktwirtschaftlich gelenkte Zeit kann allerdings für die mühlengeschichtliche Betrachtung Ostpreußens nicht herangezogen werden, obwohl der Anbau und Ertrag je Hektar höchste Spitzenleistung aufwies.

 

Über ein Jahrzehnt ist inzwischen vergangen, seitdem wir unsere geliebte Heimat verlassen mussten. Unter den derzeitigen Wirtschaftsmethoden wird dieses fruchtbare Land niemals wieder zur Kornkammer Mitteleuropas werden. Hohe und höchste Erträge werden nur dort erzielt, wo der freie Bauer auf eigner Scholle säen und ernten kann, wo das Erntegut Lohn seiner Hände Arbeit bleibt. Franz Buchholz, Lübeck

 

Seite 13   Wehrmacht und Landwirtschaft. Vom Lande stammende Berufssoldaten müssen dem Lande erhalten bleiben.

Der Deutsche Bauernverband, dem der Bauernverband der Vertriebenen korporativ angeschlossen ist, wird ein Sonderreferat einrichten, das sich mit den Fragen befassen soll, die aus der Aufstellung der deutschen Verteidigungskräfte sich für die deutsche Landwirtschaft ergeben. Die Belange der ostvertriebenen Bauern sollen besondere Berücksichtigung finden. Einige wichtige Probleme, die sich dabei abzeichnen, schildert der nachstehende Aufsatz:

 

Die bäuerliche Einstellung zu den Problemen der Wiederbewaffnung wird von der Lage der Landwirtschaft diktiert. Ihre große Sorge ist ihre Knappheit an Arbeitskräften. Die sog. Landflucht ist ja keine junge Erscheinung. Weil über sie seit Jahrzehnten geschrieben wird, wird sie häufig nicht mehr ernst genug genommen. Sie ist aber nie so bedrohlich gewesen wie jetzt und wird zu einer Existenzfrage werden. Durch die unbefriedigenden Siedlungsergebnisse sind bei den ostvertriebenen Bauern die Gefahren der Abwanderung besonders groß. Es sind vornehmlich die jungen Jahrgänge, die der Landarbeit den Rücken kehren. Dabei werden verstärkt auch die familieneigenen Arbeitskräfte von der Bewegung erfasst. Zu dem Sog, den das städtische Leben und die Vollbeschäftigung der gewerblichen Wirtschaft ausüben, wird der Sog hinzukommen, der durch den Aufbau deutscher Verteidigungskräfte entsteht.

 

Diese Streitkräfte sollen etwa 500 000 Mann umfassen, darunter 160 000 Berufssoldaten. Die Tauglichkeitsquote eines jungen Jahrgangs wird auf 60 Prozent geschätzt. Von alters her gelten Bauernsöhne als gute und willige Soldaten. Es ist daher vorauszusehen, dass die Landwirtschaft bei den 60 Prozent Tauglichen prozentual besonders stark vertreten sein wird. Bei der Rekrutierung müsste jetzt aber beachtet werden, dass die Landwirtschaft ein ausgesprochener Mangelberuf geworden ist und es notwendig wird, die Sorgen der Landwirtschaft um ihre Kräfte zu berücksichtigen.

 

In England wird erörtert, ob es nicht zweckmäßig sei, die Landwirtschaft von der Wehrpflicht überhaupt auszunehmen. Soweit wird man bei uns nicht gehen können und wollen; es wäre auch ein nur schwer eingängiger Gedanke, dass diejenigen, die im engeren Sinne das Land besitzen, an der Verteidigung des Landes keinen Teil haben sollen.

 

Unter den Freiwilligen, die sich zur neuen Wehrmacht gemeldet haben, beträgt die Zahl derjenigen, die aus der Landwirtschaft stammen, 75 Prozent. Aus welchen Gründen der einzelne Berufssoldat werden möchte, sei es wegen der besseren Bezahlung, sei es wegen der Möglichkeit, auf dem Wege über den Wehrdienst wie früher die Kapitulanten in andere Berufe aufzusteigen, ist hier nicht zu untersuchen. Wohl aber sollte man rechtzeitig prüfen, was geschehen kann, um Bauern und Landarbeiter nach Beendigung ihrer Dienstverpflichtung wieder auf das Land zurückzuführen. Hier müsste die Wehrmacht dem Lande einen Gegendienst erweisen. Im Hunderttausendmann-Heer gab es die landwirtschaftlichen Heeresfachschulen; sie waren eine gute und beliebte Einrichtung. In der Blankschen Schrift: „Vom künftigen deutschen Soldaten", wurde sie nicht erwähnt. Es verlautet nichts darüber, dass sie wieder aufgegriffen werden soll. Man könnte daran denken, den Berufssoldaten durch billige Kredite die Möglichkeit zu bieten, nach ihrem Ausscheiden aus dem Wehrdienst entweder durch Siedeln oder durch Übernahme von Höfen selbständige Bauern zu werden. Auf der anderen Seite müsste von der Landwirtschaft her dafür gesorgt werden, dass langgediente Soldaten, soweit sie die entsprechende Schulung besitzen, an geeigneten Plätzen in der Landwirtschaft unterkommen, sei es in der landwirtschaftlichen Verwaltung oder im Genossenschaftswesen.

 

Das Gros der Soldaten werden diejenigen bilden, die zum Wehrdienst eingezogen werden. Das Wehrpflichtgesetz sieht zeitliche Zurückstellungen vor, wenn sie wirtschaftlich oder beruflich begründet sind. In der Regel sollen die Einberufungen in dem Kalenderjahr erfolgen, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Es ist zu erwägen, ob dieser Termin nicht für die Landwirtschaft zu früh liegt. Der landwirtschaftliche Nachwuchs ist, nachdem er acht oder neun Volksschuljahre hinter sich hat, drei Jahre lang berufsschulpflichtig. Infolge der hohen Anforderungen, die die moderne Landwirtschaft an ihre Fachkräfte stellen muss, kommen ein bis zwei Jahre der Arbeit in einem fremden Betrieb und der Besuch der Fachschule hinzu. Die Direktoren der Landwirtschaftsschulen befürchten mit Recht, dass die entlassenen Soldaten keine Neigung mehr zeigen werden, noch einmal auf die Schule zu gehen. Die berufliche Ausbildung müsste daher vor dem Militärdienst abgeschlossen sein.

 

Ferner ist ein wichtiges psychologisches Moment zu beachten. In städtischen Kreisen wird die Landwirtschaft häufig unterbewertet. In den Kasernen sollten von Offizieren und Unteroffizieren nicht nur abfällige Bemerkungen unterbleiben, um die landvertreibenden Einflüsse nicht zu verstärken, sondern die Bedeutung der Landwirtschaft betont herausgestellt werden.

 

Als Standorte für die Garnisonen sollten weitgehend die kleineren Landstädte ausgewählt, werden. Hier besteht weniger die Gefahr, dass die vom Lande stammenden Soldaten landfremd werden. Außerdem würde das Leben dieser Städte reicher und mannigfaltiger werden. Damit sind einige Probleme angedeutet, die zwischen Wehrmacht und Landwirtschaft zu regeln sind. Andere treten hinzu. Sie alle können nicht im gegeneinander, sondern nur miteinander gelöst werden.

 

Seite 13   Die Zehnjahresbilanz.

Zu der großen Zahl der Kritiken an den unbefriedigenden Ergebnissen der Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern nimmt der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte mit Rundschreiben vom 21. Dezember 1955 wie folgt Stellung:

 

In einem sozialen Rechtsstaat, zu dem wir uns bekennen, liegt der politischen Tat primär stets ein soziales Motiv zu Grunde. Dies wird besonders im Siedlungsgeschehen deutlich, das seinem Wesen nach seit jeher mit einer Vielzahl von agrar- und bevölkerungspolitischen Fragen verquickt ist, zu denen seit 1945 aber in zwingender Form das soziale Element hinzukommt. Die innere Dynamik der Siedlung ist dadurch gegenüber der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen um vieles vermehrt worden, woraus sich aber wieder eine oft unvermeidbare Komplizierung der Einzelfragen ergab. Wenn der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den obersten Siedlungsbehörden der Länder die Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Landbevölkerung als siedlungspolitische Aufgabe betrachtet, hat der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte aus der politischen Gesamtverantwortung für die Vertriebenen und Flüchtlinge heraus mit den Landesflüchtlingsverwaltungen vor allem die sozialpolitische Seite des Problems zu sehen, die — nicht zuletzt auch im Hinblick auf den ununterbrochenen Zustrom von Sowjetzonenflüchtlingen — in ihrer Dringlichkeit nicht nachdrücklich genug herausgestellt werden kann. Ohne die Zuständigkeiten der den Titel Landwirtschaft des Bundesvertriebenengesetzes durchführenden Behörden zu haben, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesernährungsminister die Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Landbevölkerung in einem Maß zu intensivieren, das der gestellten Aufgabe auch aus der Sicht des betroffenen Personenkreises gerecht wird. Es ist zu hoffen, dass die Aufwärtsentwicklung der letzten beiden Jahre ihre Fortsetzung findet.

 

Der Umfang der noch Siedlungswilligen.

Trotz Steigerung des Siedlungserfolges ist keine Minderung der Zahl der Siedleranwärter eingetreten. Die Angaben des Statistischen Bundesamtes von 1949, nach denen sich unter den Vertriebenen 294 000 mithelfende Familienangehörige in der Bundesrepublik befanden, fußten auf der Berufszählung von 1939. Sie können nach 16 Jahren nicht mehr als Unterlage für weitere Planungen verwendet werden. Alle Angaben über den Umfang der heimatvertriebenen Landbevölkerung sind auch heute lediglich Schätzungen. Erst die Auswertung der zugleich mit der Ausgabe der neuen Flüchtlingsausweise angestellten Erhebungen wird — vermutlich nicht vor 1957 — genauere Angaben über den „aus der Landwirtschaft stammenden" Personenkreis der Vertriebenen bringen. Immerhin gibt aber die Zahl der beantragten Siedlerscheine einen gewissen Anhaltspunkt zumindest für den Umfang der noch Siedlungswilligen, obwohl die Bewilligung eines Siedlungskredites zum Erwerb oder zur Pacht eines landwirtschaftlichen Betriebes in einigen Ländern nicht an die Vorlage des Siedlerscheines gebunden ist. Eine Erhebung des Bauerverbandes der Vertriebenen ergab im Jahre 1953 rund 162 000 siedlungswillige Vertriebene und Flüchtlinge in der Bundesrepublik. Im August 1955 wurde die Umfrage auf Ersuchen des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte wiederholt, wobei 152 000 Siedlungsbewerber gemeldet wurden.

 

Der Zustrom aus der Sowjetzone

Zuverlässige Unterlagen liegen über die aus der Sowjetzone geflüchtete Landbevölkerung vor. Allein im Zeitraum vom März 1953 bis einschließlich Oktober 1955 haben insgesamt 64 611 Angehörige bäuerlicher Berufe aus der sowjetischen Besatzungszone im Zuge des Neuaufnahmeverfahrens Antrag auf Aufnahme in der Bundesrepublik gestellt. Eine Untergliederung dieses Personenkreises in Betriebsinhaber, mithelfende Familienangehörige, landwirtschaftliche Beamte und Landarbeiter steht nicht zur Verfügung. Für die letzten beiden Jahre ergibt sich jedoch eine Zuwanderung von rund 18 000 ehemals selbständigen Landwirten aus der sowjetischen Besatzungszone in die Bundesrepublik. Diesem Zuwachs von Siedlungsanwärtern steht unter Einrechnung aller Nebenerwerbsstellen im selben Zeitraum die Ansetzung von rund 23 000 Vertriebenen und Flüchtlingen gegenüber.

 

Allein durch die Zuwanderung aus der Sowjetzone wird ein Großteil des Siedlungserfolges kompensiert. Dazu kommt, dass in vielen Fällen auch die Abwanderung eines vertriebenen Landwirtes in einen anderen Beruf von diesem nur als Zwischenlösung betrachtet wird und er auch weiterhin Siedleranwärter bleibt. Schließlich tritt der Nachwuchs der sich schon seit den ersten Nachkriegsjahren um eine Siedlung bemühenden heimatvertriebenen Bauern in steigendem Maße als Siedlungsanwärter auf. Zu den rund 162 100 Siedlungswilligen des Jahres 1953 kamen also etwa 18 000 ehemals selbständige Landwirte aus der sowjetischen Besatzungszone hinzu, die zum Großteil als Siedlungsbewerber anzusehen sind, wodurch die Zahl der Siedlungswilligen auf rund 180 000 gestiegen ist. Von diesen sind im selben Zeitraum etwa 23 000 angesiedelt worden. Es blieben demnach heute noch rund 157 000 Siedlungsbewerber. Von der letzten Schätzung von 152 000 Bewerbern ausgehend könnte gefolgert werden, dass rund 5000 Vertriebene und Flüchtlinge durch Tod, Alter, Abwanderung und ähnliches in der Zwischenzeit als ernstliche Siedleranwärter ausgefallen sind. Mit Sicherheit ist dieser Anteil der geflüchteten und vertriebenen Landbevölkerung aber viel größer, zum Großteil wird er jedoch, wie bereits erwähnt, durch Nachwuchs ersetzt.

 

Bei Berücksichtigung dieser Umstände ist anzunehmen, dass die heutige Zahl der Siedlungsbewerber trotz intensiver Siedlungstätigkeit in den beiden letzten Jahren im Wesentlichen derjenigen des Jahres 1953 entspricht.

 

Seite 14   Die Schulung der Bauerntöchter. Der Lehrplan der Mädchenklasse einer Landwirtschaftsschule.

„Mütter, seid einsichtsvoller", war der Artikel überschrieben, der kürzlich hier zu lesen war und der die Mütter aufforderte, ihren Töchtern Gelegenheit zu geben, das in der hauswirtschaftlichen Abteilung einer Landwirtschaftsschule Gelernte auch anwenden zu können.

 

Lasst uns heute nun gemeinsam einen Schultag der Mädel miterleben, die rundherum um die Kreisstadt wohnend mit dem Zug, Omnibus, Fahrrad oder Moped herbeikommen, um ihr Wissen zu bereichern.

 

Hört, da läutet es schon — 8.15 Uhr —, schnell noch die weiße Schürze zugebunden, denn so sehen alle Mädel adrett und ordentlich auf ihren Plätzen aus. Mit einem Gruß betritt die Lehrerin das Klassenzimmer.

 

Erste Stunde: „Ernährungslehre". Da werden die Nahrungsmittel untersucht, stofflich analysiert und chemische Experimente vorgeführt. Man stellt staunend fest, dass der menschliche Körper aus den gleichen Stoffen besteht, wie die Nahrungsmittel, und dass wir der Natur nicht genug danken können, die all das, was unser Körper braucht, in ihrer Wunderküche herstellt. Weiß man, woraus die Lebensmittel bestehen, kann man Schlüsse auf die Anwendung und Verwendung in der Küche ziehen. Es ist dann ganz einfach, zu sagen, warum kein geschnittenes Gemüse im Wasser liegen darf, warum man, um eine gute Suppe zu haben, Fleisch kalt ansetzt, und vieles andere mehr.

 

In der zweiten Stunde ist Unterricht in „Haushaltsführung". Hier werden an Hand von Hoflageplänen die Arbeitsplätze und Wege der Bäuerin untersucht. Wenn man im Geiste den eigenen Hof so vor sich liegen sieht, kommen lauter gute Gedanken, wie man ganz ohne Geld und Anstrengung den einen oder anderen Weg wesentlich kürzen und die Arbeit erleichtern könnte. Man muss nur richtig darüber nachdenken. Nicht nur die neuen technischen Errungenschaften, deren Anwendung Geld kostet und mit der Rendite der betreffenden Maschinen in Einklang stehen muss, erhöhen das Leistungspotential. Später in den Höfen werden dann die theoretischen Erkenntnisse praktisch erprobt und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen gezogen.

 

Schnell sind zwei Stunden herum. Um 10.00 Uhr gehen die Mädel teils in die Küche, teils in die Handarbeit. Leckere Dinge entstehen im Laufe von zwei Unterrichtsstunden in dem modernen Küchenbetrieb unter fachmännischer Anleitung. Jede Schülerin legt ihren besonderen Ehrgeiz darin, alles gut zu machen, und auf viele „Warums der Kochkunst" sind die Antworten leichter, wenn man in der „Ernährungslehre" und in der „Gesundheitspflege" gut aufgepasst hat.

 

Inzwischen müht sich die Handarbeitsgruppe mit Schrägstreifen, Latz und Tasche. Die Schwesternschürze ist ja praktisch — aber nähen? Na, das nächste Stück wird schon besser, und wenn alle Mädel erst ihr Nachthemd oder sogar Kleid genäht haben, dann wird die Schneiderin beurlaubt. Herrenhemden stehen auch auf dem Programm und natürlich das Flicken. Ebenso auch das Weben. Ein schöner Schal oder ein Kissen zu Mutters Geburtstag ist bei dem sehr vorteilhaft bezogenen Material ein preiswertes dauerhaftes Erinnerungsstück.

 

Um 12.45 Uhr wird pünktlich gegongt und um 13.00 Uhr mit einem Tischspruch die Mahlzeit begonnen. Die Mädel servieren abwechselnd. Das ist gleichzeitig angewandte „Familienpflege". Es wird alles besprochen und geübt, was eine junge Dame aus dem 20. Jahrhundert wissen muss.

 

Nach dem Essen tritt der Ämterplan in Aktion. Es wird gespült, geräumt, gewischt. Das Hausamt versorgt neben der Küchenaufgabe die zu waschende, bügelnde, flickende Wäsche.

 

Um 14.30 Uhr sitzen wieder alle Schülerinnen oben im Lehrsaal. „Gartenbau" als erste Nachmittagsstunde. Es werden die verschiedenen Bodenarten durchgesprochen und untersucht. Man kommt dann wie von selbst auf deren Entstehung und auf die Pflege und Behandlung, die der Boden von uns fordert, wenn wir reiche Erträge haben wollen. Es werden die verschiedenen Gartengewächse behandelt — und im Keller treiben schon die eingesetzten Zwiebeln, die sicher bald zu blühen beginnen.

 

Dann steht noch „Geflügelhaltung" auf dem Stundenplan. Das ist ein wichtiges Lehrfach. Die Männer sagen oft mit Recht, der Geflügelhof bringt nichts ein, er kostet nur viel Futter. Dabei ist es gar nicht schwer, mit etwas Überlegung die Zucht rentabel zu gestalten. In den Köpfen vieler Bauerntöchter entsteht schon der Plan: „Im nächsten Jahr wird‘s bei uns zu Hause anders“.

 

Das war ein Arbeitstag einer Mädchenklasse mit Herausstellung einiger Lehrfächer. Daneben wird noch Unterricht in „Gemeinschaftskunde" erteilt, um den Mädchen deutlich zu machen, dass man im Zeitalter der Gleichberechtigung auch ein wenig Interesse für Politik haben muss. Das Lehrfach „Tierhaltung" vermittelt ihnen Kenntnisse in der Schweine-, Schaf- und Viehzucht, damit kein Verlustgeschäft daraus wird. Die „Gesundheitspflege" zeigt unseren Körper als Wunderwerk der Natur, „Säuglings- und Kleinkinderpflege" steht als weiteres Unterrichtsfach auf dem Lehrplan.

 

„Hausarbeit — leicht gemacht" ist in jeder Woche einem Vormittag vorbehalten. Von allen diesen Dingen muss die zukünftige Bäuerin, Hausfrau und Mutter Kenntnis haben — und das ist noch nicht genug!

 

Sicheres Rechnen und Schreibgewandtheit machen es leichter, mit vielen Dingen des täglichen Lebens besser fertig zu werden. Schließlich dürfen auch die Musik und das Singen nicht vergessen werden, damit etwas Freude in das sonst so ernste Leben kommt. Denn froh und lebensbejahend sollen sie sein — die Mädel. Wie stolz sind sie, wenn zur Schlussfeier die Eltern kommen und sie mit Worten oder durch eine bunte Ausstellung selbst gefertigter Dinge unter Beweis stellen können, dass sie etwas gelernt haben – gelernt fürs Leben. Denn Bäuerin sein, ist heute bei der Vielseitigkeit der Aufgaben nicht leicht. Man muss Liebe zur Arbeit, einen klaren Kopf und das Herz auf dem rechten Fleck haben.

 

Die Lehrkräfte der hauswirtschaftlichen Abteilungen unserer Landwirtschaftsschulen sind bemüht, das Interesse zu wecken und die erforderlichen beruflichen Kenntnisse zu vermitteln. Die freudige Aufnahme des gebotenen Lehrstoffes müsste das Streben gerade der ostdeutschen Bauernmädel sein, nicht nur zur Verwertung auf dem westdeutschen Bauernhof, sondern es können später – nach der ersehnten Wiedergewinnung der Heimat – besonders große Aufgaben an sie herantreten. Christiane Zenke

 

Seite 14   Züchtung und Leistung. Die gesamte Futterwirtschaft besteht aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen.

Die Aufgabe der Züchtung ist es, die Erbanlagen zu verbessern. Die Züchtung schafft aber keine fertigen Leistungen, sondern nur Leistungsmöglichkeiten. Sie zu nutzen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Der Dreiklang „gesunder Boden, gesundes Futter, gesundes Vieh" kann dabei als Ausgangspunkt aller Überlegungen betrachtet werden.

 

Die Züchtung hat in intensiver Arbeit Leistungsanlagen geschaffen, die heute in der allgemeinen Landeszucht vorhanden, aber in einer großen Anzahl von Betrieben zu wenig bekannt sind. Vor einem Jahrhundert genügte es, wenn die Kuh 1000 kg Milch im Jahr lieferte (Albrecht Thaer!). Heute besitzen die Rinderbestände Erbanlagen, die Leistungen von 4000 kg Milch erwarten lassen. Unsere Herdbuchkühe und die unter Milchkontrolle stehenden Tiere haben diese Leistung annähernd erreicht. Damit bildet die Herdbuchzucht die wertvollste Quelle für die Landeszucht. In der breiten Landeszucht spielt die Frage der Züchtung nicht die entscheidende Rolle. Hier kommt es vorwiegend auf die richtige Aufzucht, Haltung und Fütterung der Tiere an. Wie unvollkommen und unzureichend diese Fütterung jedoch in vielen Betrieben heute noch ist, beweist die Tatsache, dass die durchschnittliche Milchleistung aller Kühe im Bundesgebiet nur 2600 kg beträgt. Das bedeutet, dass die Mehrzahl der Kühe eine Leistung von etwa 2000 bis 2200 kg Milch aufweist.

 

Die gekennzeichneten Tatsachen zwingen zu einer intensiven Beratung. Sie ist umso notwendiger, weil die Wirtschaftlichkeit der Milcherzeugung bei einer Mindestleistung von etwa 3000 kg liegt. Es wird deshalb in den kommenden Jahren und Jahrzehnten darauf ankommen, diese heute noch bestehende große Kluft zwischen Züchtung, Erbanlagen und wirklicher Leistung, zwischen guter und schlechter Futterwirtschaft zu schließen. Um diese Brücke zu schlagen, genügt weder der Hinweis, dass es besser sei, wenige Tiere gut zu ernähren als eine große Viehzahl recht und schlecht durchzuhungern, noch der Hinweis auf die alten und sicher wertvollen Worte: „Die Rasse geht durch das Maul" oder „Die Kuh milcht durch das Maul"! Es genügt auch nicht die Feststellung, dass in Betrieben, in denen der Bedarf an Erhaltungsfutter 75 Prozent des Futters verschlingt, von einer Wirtschaftlichkeit der Viehhaltung keine Rede sein kann.

 

Gewiss, diese Vielseitigkeit in der Futterwirtschaft erfordert das ganze Können und Wissen des Landwirts. Es gilt zu erkennen, dass die Futtergewinnung vom natürlichen Grünland, von der Ackerfutterfläche und durch den Zwischenfruchtbau für die Mehrzahl unserer Betriebe einen Dreiklang bildet. Dabei kommt dem Zwischenfruchtbau als Ersatz der stets kostspieligen Ackerfutterfläche, d. h. als „zweites Stockwerk der Futterwirtschaft" eine besondere Bedeutung zu. Es gilt ferner zu erkennen, dass auch die Futterwerbung und Fütterung in Form von Heu, Silage und möglichst teilweises Grünkraftfutter eine Einheit bilden muss. Dabei ist vor allem das heute noch sehr vernachlässigte Gärfutter als der „goldene Schlüssel der Futterwirtschaft" anzusehen. Und schließlich bedarf die notwendige „Harmonie" von Trockenmasse, verdaut. Eiweiß und Stärkeeinheiten bei der Fütterung einer weitgehenden Planung und Überlegung. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die Ausnutzung der Nährstoffe bei einer Milchkuh mit 5 Laktationen bei einer Jahresleistung von 2000 kg Milch nur 18 Prozent, bei einer Leistung von 5000 kg Milch aber 31 Prozent beträgt. Ebenso sei erwähnt, dass die praktische Grenze der Milchleistung, die ausschließlich mit wirtschaftseigenen Futtermitteln erzielt werden kann, bei 18 Litern Milch liegt. Das sind für viele Betriebe unbekannte Zahlen.

 

Die augenblicklich im gesamten Bundesgebiet stattfindenden „Futterwirtschaftlichen Vortragstagungen" weisen darüber hinaus mit Nachdruck auf eine möglichst vielseitige und ausgeglichene Fütterung hin. Dem Bedarf der Tiere an Mineralstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und anderen Wirkstoffen wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist zweifellos richtig und allein durch die Tatsache bedingt, dass nachweislich 25 Prozent unserer Böden schlecht mit Kalk und 75 Prozent ungenügend mit Phosphor versorgt sind. Dabei gilt es zu erkennen, dass ein gutes Mineralstoffgemisch kein Futterkalk, sondern ein Arzneimittel oder Schutzstoff ist, das dem Tier in einem sehr genau abgestimmten Verhältnis zugeführt werden muss und der Absicherung höherer Leistungen ebenso dient, wie einer besseren Fruchtbarkeit und einer längeren Lebensdauer. Beträgt doch die Zeit das durchschnittliche Lebensalter unserer Milchkühe nur 7 Jahre!

 

Züchtung und Leistung müssen sich ergänzen! Mehr als bisher wird es bei dem fortschreitenden Konkurrenzkampf darauf ankommen, dass auch der letzte Betrieb die großen züchterischen Erfolge der letzten Jahrzehnte erkennt und die Leistungen in seinem Viehstall anzugleichen und auszunützen versucht. Dem Können und nicht zuletzt dem Willen des Betriebsleiters bleibt es überlassen, unter den so außerordentlich verschiedenen Verhältnissen darüber nachzudenken, die Milchviehhaltung wirtschaftlicher zu gestalten, auch wenn die augenblicklichen Milchpreise nicht seinem Wunsche entsprechen. Die langen Winterabende geben Zeit dazu. Helfer und Berater stehen dem Einzelnen immer und überall zur Seite. Landwirtschaftsrat Dr. Gaede

 

Seite 14   Ostpreußen auf Vollbauernstellen. Landsmann Vogelgesang übernahm einen Hof in Ostfriesland.

Die Zahl der ostpreußischen Landwirte, die auf Vollbauernstellen untergekommen sind, ist in Ostfriesland besonders gering. Einer von den wenigen ist Willy Vogelgesang, der am 1. Oktober 1950 eine Vollbauernstelle auf dem Erhardshof bei Gödens, Kreis Wittmund, übernehmen konnte. Als ostpreußischer Bauernsohn suchte er sich nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sofort Arbeit in der Landwirtschaft. Als Landarbeiter konnte man damals ja verhältnismäßig schnell unterkommen. Es glückte ihm schon 1946 auf einem 60 ha großen Marschhof als Verwalter anzukommen. Unter dem Begriff Verwalter versteht man in Ostfriesland auf einem Hof dieser Größe einen Landwirt, der zwar die Leitung und Verantwortung für den Betrieb übernimmt, daneben aber in erster Linie die erste Arbeitskraft des Betriebes darstellt. Der von ihm bewirtschaftete Marschhof gehörte zur Herrschaft Gödens, Besitzer Graf von Wedel, und wurde 1950 von der Hann. Siedlungsgesellschaft käuflich erworben, die daraus zwei gleich große Siedlerstellen machte. Die Wirtschaftsgebäude und das Land wurden zu gleichen Teilen geteilt. Für die zweite Siedlerfamilie musste ein neues Wohnhaus errichtet werden. Vogelgesang bekam das alte Wohnhaus mit etwa 30 ha Land. Die Bodenzahl für den alten Marschboden mit hohem Grundwasserstand schwankt zwischen 40 und 62 Punkten. Den gegebenen natürlichen Verhältnissen entsprechend ist der Betrieb als Grünlandbetrieb aufgezogen, in dem Milchproduktion, Jungviehaufzucht und Weidemast die Haupteinnahmequellen der Wirtschaft sind. Der Ackerbau spielt eine ganz untergeordnete Rolle und beträgt nur 17 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die 4 ha Getreide bringen das erforderliche Stroh, 1 ha Hackfrucht teilt sich auf in 25 Ar Kartoffeln und 75 Ar Futterrüben. An lebendem Inventar sind vorhanden: 2 Pferde, 12 Milchkühe, 8 Fersen, 2-jährig, 8 Fersen 1-jährig, 12 Kälber, 1 Zuchtsau, 21 Läufer bzw. Mastschweine, Geflügel für den eigenen Bedarf. Im Verlauf von fünf Jahren hat es Vogelgesang geschafft, die Milchleistung seiner Herde auf einen Jahresdurchschnitt von 5300 kg mit 188 kg Milchfett zu bringen. Er marschiert damit im Milchkontrollverein Gödens an der Spitze. Für die Weidesaison werden jährlich 15 - 20 Ochsen angekauft und fettgeweidet abgestoßen. In der kurzen Zeit von 5 Jahren hat Vogelgesang seinen Hof aus bescheidenen Anfängen zu einer zeitgemäßen Wirtschaftsform entwickelt, so dass er ihn und seine Familie gut ernährt. Fachliches Können, großer Fleiß, Tatkraft und Umsicht, waren auch hier die Voraussetzung dafür, dass Vogelgesang sich eine neue Lebensgrundlage als Bauer schaffen konnte. Oberlandw.-Rat Dr. habil. Schwarz, Friedeburg (über Wittmund)

 

Seite 14   Grüne Woche in Berlin

Bundeskanzler Dr. Adenauer hat die Schirmherrschaft über die „Grüne Woche, Berlin 1956", die vom 27. Januar bis 5. Februar 1956 stattfindet, übernommen. Diese internationale Winterausstellung der Land-, Gartenbau- und Forstwirtschaft, die wiederum von zahlreichen Fachtagungen und Vortragsveranstaltungen begleitet wird, wurde vor genau 30 Jahren (1926) ins Leben gerufen.

 

Im Rahmen der „Grünen Woche wird u. a. auch das 75-jährige Bestehen der Fakultät für Landbau an der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg mit einer würdigen akademischen Feier festlich begangen. Unter den im Rahmen der „Grünen Woche" stattfindenden Veranstaltungen heben wir hervor:

 

Vortragsabend der Deutschen Weltwirtschaftlichen Gesellschaft e. V. mit einem Referat von Staatssekretär Dr. Th. Sonnemann über „Landwirtschaft und Außenhandel"; Pressekonferenz des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten; Präsidialsitzung des Zentralverbandes des Deutschen Obst-, Gemüse und Gartenbaues e. V.; Kundgebung des Deutschen Bauernverbandes 28. Januar, 15.30 Uhr in der Ehrenhalle des Ausstellungsgeländes); Sitzung des Ausschusses Berlin der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft gemeinsam mit dem Präsidium der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft; Präsidialsitzung des Deutschen Bauernverbandes; Treffen der Landfrauen, Öffentliche Vortragsveranstaltungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, gemeinsam mit dem Präsidium der ausländischen Presse durch den Deutschen Bauernverband u. a. m.

 

Bei der Vortragstagung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft wird u. a. Regierungsdirektor Dr. von Babo, Karlsruhe, über „Festigung der bäuerlichen Familienwirtschaft" sprechen. Ferner sind zahlreiche andere fachliche Veranstaltungen, sowie internationale Reit- und Springturniere vorgesehen.

 

Seite 14   Wenn der Schlepper reden könnte

... dann würde er sich in manchen Betrieben: darüber beklagen, dass man ihm zumutet, ohne die notwendige Pflege auszukommen. Die Statistik stellt fest, dass im Durchschnitt pro Jahr insbesondere bei älteren Schleppern mindestens 400 DM für Reparaturen angesetzt werden müssen. Diese Kosten lassen sich durch richtige Pflege und Wartung aber ohne viel Mühe auf die Hälfte herabsetzen. Außerdem können zusätzlich noch diejenigen Kosten gespart werden, die dann entstehen, wenn der Schlepper infolge von Störungen oder Reparaturen zur gewünschten Zeit nicht einsatzfähig ist.

 

Wo über Schlepperpflege in Versammlungen diskutiert wird, kann man vielfach den Einwand hören, der Bauer habe nicht so viel Zeit, um auch den Schlepper noch zu pflegen. Dieser Einwand ist durchaus nicht stichhaltig. Für die Pflege eines Pferdegespannes müssen am Tag mindestens zwei Stunden, meist aber noch mehr Arbeitszeit aufgewendet werden und dies an allen 365 Tagen des Jahres. Insgesamt erfordert, also die Pflege eines Pferdegespannes pro Jahr volle 73 Arbeitstage mit 10 Arbeitsstunden. Der notwendige Aufwand an Arbeitszeit für die Pflege eines Schleppers dagegen erfordert nur 15 Arbeitstage.

 

Zur täglich notwendigen Pflege des Schleppers braucht man 25 Minuten, und zwar zum Schmieren, Tanken und zur Batterie- und Reifenkontrolle. Dies aber nicht an 365, sondern nur an 280 oder noch weniger Tagen. Für kleine Reparaturen, die man selbst vornehmen kann, benötigt man bei guter Pflege jährlich nur 17 Stunden.

 

Falsch ist es, sich mit diesen einfachen Pflegearbeiten auf die Tankstelle und ihren Kundendienst zu verlassen, denn der Schlepper kommt ja nicht regelmäßig und nicht oft genug zur Tankstelle. Auch um die Reifenpflege muss man sich auf dem Hof kümmern. Eine Luftpumpe kostet je nach der Ausführung 30 - 80 DM, aber ihr Kauf lohnt sich unbedingt, denn der Luftdruck in den Reifen muss ständig kontrolliert werden. Reifen, die mit zu viel oder zu wenig Luft gefahren werden, unterliegen einem wesentlichen rascheren Verschleiß als gut gepflegte Reifen.

 

Sehr zweckmäßig wäre es auch beim Schlepper, Betriebsstundenzähler einzubauen; wer Tausende von Mark für einen Schlepper ausgibt, sollte die 50 DM für dieses notwendige Gerät nicht scheuen, denn der rechtzeitige Ölwechsel kostet 15 – 20 DM, während die Vernachlässigung des Ölwechsels zur Folge hat, dass alle 2 – 4 Jahre neue Kolben und neue Zylinderlaufbüchsen notwendig werden, was jährliche 300 – 500 DM kostet.

 

Voraussetzung für die richtige Schlepperpflege ist allerdings, dass man sich die wenigen dazu notwendigen Geräte an einem bestimmten Platz an einer kleinen Werkbank oder einem Pflegestand übersichtlich aufbewahrt und nicht bei Bedarf im ganzen Hof herumsuchen muss. Dr. E.

 

Seite 15   Todesanzeigen

Plötzlich und unerwartet entriss uns der Tod durch einen tragischen Unglücksfall am 1. Januar 1956 meinen geliebten herzensguten und treusorgenden Gatten, unseren lieben guten Sohn, lieben Bruder und Schwager, Erhard Klein, früher Rositten, Kreis Pr.-Eylau im blühenden Alter von 25 Jahren. In tiefer Trauer: Erika Klein, geb. Michel, Eltern: Otto Klein / Frieda Klein. Als Geschwister: Edwin Klein, Elger Klein, Elfriede Klein. Als Schwägerin: Herta Kammler. Gelsenkirchen und Eldingen, Kreis Celle

 

Zum zehnjährigen Todestag. In Dankbarkelt und stiller Trauer gedenken wir unserer lieben Mutter, Omi, Schwiegermutter und Tante Anna Dirsus, geb. 06.12. 1874 gest. 20.01.1946. Verstorben in russischer Gefangenschaft auf ihrem früheren Grundstück. Sie ruht an der Seite ihres lieben Mannes, unseres lieben Vaters, des Bauern und Bürgermeisters Ferdinand Dirsus, früher Wilhelmsheide, Kr. Elchniederung, Ostpr. Ihr Leben war unermüdliche Arbeit und Liebe für uns. Im Namen aller Hinterbliebenen: Meta Timmas, verw. Klein, geb. Dirsus: Hamburg-Billstedt, Kapellenstraße 39

 

Nach kurzer Krankheit verstarb plötzlich und unerwartet im Krankenhaus zu Verden meine liebe Frau, unsere liebe Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester und Tante, Gertrud Felchner, geb. Lenkeit, im 66. Lebensjahre. In tiefer Trauer: Karl Felchner, Heinz Felchner und Frau Lisa Felchner, geb. Winter. Rotraut Felchner. Christiane als Enkeltochter. Rodungen, Kreis Schloßberg, Ostpreußen, jetzt Kirchlinteln, Kreis Verden. Aller, den 11. Januar 1956

 

Nach schwerem, mit großer Geduld getragenem Leiden entschlief heute früh, fern der geliebten Heimat, unsere liebe Mutter, Schwiegermutter und Oma, die Mühlenbesitzerwitwe Martha Zindler, geb. Henkies, im Alter von 63 Jahren. In tiefem Schmerz: Christel Zindler, geb. Zindler. Wolfgang Zindler. Paul Zindler. Ilse Zindler, geb. Holzapfel. Konrad Zindler. Christel Zindler, geb. Gill. Astrid, Karola, Sabine und Susanne. Hameln, Wilhelm-Raabe-Str. 10, den 13. Januar 1956. Früher Nemmersdorf, Ostpreußen. Die Beisetzung hat am 16. Januar 1956 auf dem Waldfriedhof Wehl in Hameln stattgefunden.

 

Gott der Herr rief nach langem schwerem Leiden im Alter von 68 Jahren unsere innig geliebte älteste Schwester, unsere herzensgute Tante, liebe Schwägerin und Kusine, die Försterwitwe, Frau Anna Hilger, geb. Hundsdörfer am 4. Januar 1956 zu sich in die Ewigkeit. In stiller Trauer: Klara Bubritzki, geb. Hundsdörfer. Elise Hundsdörfer. Frida Jesgars, geb. Hundsdörfer als Schwestern und alle Anverwandten. Lötzen, Markt 6 jetzt Quirnbach (Pfalz), Nidervellmar bei Kassel im Januar 1956. Die Entschlafene ruht, fern der masurischen Heimat, in Quirnbach,

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Am 11. Januar 1956 verstarb meine geliebte Tochter Hertha Prang, geb. Gronert, nach langem schwerem Leiden. August Gronert. Königsberg Pr., Bachstraße 12, jetzt Neuß a. Rh., Schabernackstraße 18 I.

 

Fern der Heimat entschlief heute für uns unerwartet unsere liebe Mutter, Schwiegermutter, Schwester, Tante und meine liebste Omi, Frau Nanny von Schmidt, geb. Franz, im Alter von 73 Jahren. Ihre aufopfernde Liebe galt stets ihrer Familie und darüber hinaus ihrem Freundeskreis. In tiefer Trauer . für die Hinterbliebenen: Heinz-Eberhard von Schmidt: Frankfurt a. M., am 10. Januar 1956.  Hausener Weg 11. Früher Königsberg Pr.

 

Nach einem arbeits- und erfolgreichen Leben verstarb im 81. Lebensjahre unerwartet am 2. Januar 1956 mein innig geliebter Mann, mein treusorgendes liebes Vatilein, der Postamtmann a. D. Gustav-Adolf Dannat. In tiefstem Schmerz: Käte Dannat, geb. Lange und Tochter Ilse Dannat. Die Einäscherung fand am 5. Januar 1956 im Krematorium Berlin-Wilmersdorf statt. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 17. Januar 1956, 15.00 Uhr, auf dem St.-Annen-Friedhof Berlin-Dahlem, Dorf.

 

Am 17. Dezember 1955 entschlief in Altenau im Oberharz im gesegneten Alter von 90 Jahren unsere liebe Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Urgroßmutter, die Hegemeisterswitwe Olga Bindert, geb. Böttcher, früher Reußenhof, Kreis Elchniederung, später Tilsit. Lothar Bindert, Landwirt früher Gilgen. Siegfried Bindert, Apotheker früher Ortelsburg jetzt Gemünden am Main. Erika Bindert, geb. Klein. Gertrud Gronau, früher Tilsit jetzt Altenau, Oberharz, Oberstraße 6

 

Nach einem gesegneten Leben unermüdlichen Schaffens in Liebe und Selbstlosigkeit hat unsere treue Mutter Elisabeth Krumm, geb. Nadrowski früher in Königsberg Pr., Schrötterstraße 42, im 77. Lebensjahre, am 13. Dezember 1955, im Altersheim Preetz, Holstein, ihre gütigen Augen für immer geschlossen. Hans Krumm, Pfarrer und Frau Hildegard Krumm, geb. Busch, sowj. bes. Zone. Heinz Krumm, Gewerbeoberlehrer und Frau Lena Krumm, geb. Weber, Hagen, Westf., Bergstraße 78 und sechs Enkelkinder

 

In stiller Trauer gedenken wir des zehnten Todestages meines lieben treusorgenden Mannes, unseres herzensguten Vaters und Großvaters Reichsbahnobersekretär Friedrich Gronau, geb. 05.08.1885, welcher am 26. Januar 1946 in Königsberg nach schwerer Krankheit verstorben ist. Er folgte seinem Schwiegersohn Zollassistent Ernst Kurkowski geb. 20.05.1905, der am 16. Januar 1945 in Belgien gefallen ist: Elisabeth Gronau geb. John. Hildegard Kurkowski geb. Gronau. Christel Gronau und Enkelkinder Königsberg Pr. Alter Garten 64, jetzt Barmstedt, Holst. Krützkamp 10

 

Zum Gedenken. Nach fast elfjährigem vergeblichem Warten gedenken wir in stiller Trauer meines geliebten unvergesslichen Mannes und guten treusorgenden Vaters Oberltn. Heinrich Gehse, geb. 04. Mai 1907, vermisst seit April 1945 in Königsberg Pr. Wer weiß etwas über sein Schicksal? In stillem Gedenken: Helene Gehse, geb. Wings und Kinder; früher Insterburg, Ostpr., Graudenzer Straße 6, jetzt Gütersloh, Westf. Danziger Straße 16

 

Zum zehnjährigen Gedenken. Wir gedenken in Liebe und Wehmut meines lieben Mannes und Vaters, Hermann Kalkstein, gestorben am 24.01.1946 in Gefangenschaft in Leningrad: Herta Kalkstein, geborene Leber. Als Kinder: Edith Kalkstein, Manfred Kalkstein, Anita Kalkstein. Zinten. Jetzt Schleswig, Lollfuß 56

 

Unser Bundesbruder, der prakt. Arzt Dr. med. Karl Maluck rec. 3. November 1922, ist am 09.11.1955 in Peine verstorben. Wir betrauern sein Ableben tief. Ruhe in Frieden! KDStV. Tuisconia – Königsberg. Bonn, Immenburgstraße 21

 

Nach kurzer schwerer Krankheit entschlief am 10. Januar 1956 um 24 Uhr mein lieber Mann, Bruder, Schwager, Onkel und Großonkel, der frühere Haus- u. Hotelbesitzer und Vertreter der Vereinsbrauerei Tilsit, Karl Schmidt, im 67. Lebensjahre. In tiefer Trauer: Anna Schmidt, geb. Albuschat und Angehörige. Tilsit, Anger 3 a. Jetzt Haseldorf üb. Uetersen, Kr. Pinneberg. Beisetzung hat am 16. Januar 1956 in Uetersen auf dem neuen Friedhof stattgefunden.

 

Am 18. Dezember 1955 verstarb plötzlich und unerwartet, fern seiner geliebten Heimat, mein lieber Pflegevater, unser lieber Bruder, Onkel, Schwager und Opa, der Bauer u. frühere langjährige Gemeindevorsteher von Pabbeln, Kr. Gumbinnen Johann Theophil, im Alter von 76 Jahren.

Im Namen aller trauernden Hinterbliebenen: Irmgard Manko, geb. Theophil. Erich Manko und Kinder. Hannover, Schleswiger Str. 17. Auf dem Stöckener Friedhof in Hannover haben wir ihn zur letzten Ruhe gebettet.

 

Zum stillen Gedenken. Am 6. Dezember 1955 jährte sich zum ersten Mal der traurige Tag, an dem mein unvergesslicher Mann, unser Vater und Onkel, Ernst Dagg, durch Unfall seine lieben Augen für immer schloss. Auch an meinen lieben Vater, guten Opa, Otto Faeth in Kl.-Wolstrup, 1954 gestorben, möchte ich gedenken, sowie meines Bruders Kurt Faeth, geb. 22.05.1924, der bei Kowel 1943 als SS-Soldat vermisst wurde. Wer weiß etwas von ihm? Ferner gedenken wir unserer lieben Eltern, Schwieger- und Großeltern, Adolf Krause und Luise Krause geb. Böhnke, beide starben 1945 in der ostpreußischen Heimat in Reipen, Kr. Wehlau, an Hungertyphus. Dann wollen wir des Bruders, Schwagers und Onkels, Adolf Krause, geb. 08.06.1920, der in Stalingrad vermisst wurde, gedenken. Wer kann Auskunft geben? Weiter gilt unser Gedenken meinem lieben Bruder, Schwager und Onkel, Erich Janutta, der im November 1950 in Cuxhaven verstorben ist. Gleichzeitig gilt unser stilles Gedenken meines lieben Mannes, unseres guten Vaters, Schwagers und Onkels, Rudolf Diesterhöft, gefallen am 11.07.1943 in Russland. In stiller Trauer: Frau Margarete Dagg, geb. Faeth, Peter, Klaus-Dietmar und sein Töchterchen Renate, die ihren Papi und Opi nicht mehr kannte. Heinrichshof, Kreis Wehlau, Ostpreußen. Jetzt Duisburg-Meiderich, Unter den Ulmen 138. Anna Diesterhöft, geb. Janutta. Helmut, Erika und Ursula, als Kinder. Kl.-Engelau über Friedland, Ostpreußen. Jetzt Bottrop Randebrockstraße 129

 

Tretet her, ihr meine Lieben, nehmet Abschied, weint nicht mehr. Hilfe konnt ich nicht mehr finden, denn mein Leiden war zu schwer. Und so ziehe ich von dannen, schließ' die müden Augen zu, haltet innig treu zusammen, gönnet mir die ewige Ruh! Nach schwerem, mit großer Geduld ertragenem Leiden hat Gott der Herr meinen lieben Gatten, unseren lieben Vater, Schwiegervater und Großvater, Emil Zellmann, im 63. Lebensjahre am 29. Dezember 1955 zu sich in die Ewigkeit abberufen. In stiller Trauer: Martha Zellmann, geb. Schott und Kinder. Auer, Kr. Mohrungen, Ostpreußen. Jetzt Walsum, d. 2. Januar 1956

 

Fürchte Dich nicht, ich habe Dich erlöst. Jes. 43, l Der Herr über Leben und Tod hat am 8. Januar 1956 unseren lieben Vater und Großvater, Heinrich Neuman, im 77. Lebensjahre nach kurzer schwerer Krankheit zu sich gerufen. In stiller Trauer im Namen aller Angehörigen: Herta Kösling, geb. Neumann. Gr.-Engelau — Kl.-Plauen, Kreis Wehlau, Ostpreußen. Jetzt Holzheim bei Neuß Heyeweg Nr. 2

 

Fern der unvergesslichen Heimat entschlief plötzlich an Herzschlag am 6. Januar 1956 mein ehemaliger Hauswirt aus Königsberg-Seligenfeld, Ostpreußen, der Maurerpolier Heinrich Quirin im 66. Lebensjahre. Seine Sehnsucht nach seinem einzigen Sohn Richard Quirin, der seit 1944 vermisst ist, konnte nicht mehr gestillt werden. In stiller Trauer: Fr. Thea Rimkus und Kinder. Kaiserslautern, 12. Januar 1956

 

Die wir im Leben geliebt, wollen wir im Tode nicht vergessen. Am 6. Januar 1956 erlöste ein sanfter Tod nach langem, mit großer Geduld getragenem Leiden unsere liebe Schwester, Schwägerin und herzensgute Tante, Hedwig Knauer, im Alter von 50 Jahren. Sie war zuletzt wohnhaft in Ludwigshafen a. Rh., früher in Königsberg Pr. Auf dem Waldfriedhof Lauheide bei Münster i. W. fand sie ihre letzte Ruhestätte. Gleichzeitig gedenken wir unserer lieben Eltern Kantor i. R. Alexander Knauer und Frau Margarete Knauer, geb. Greitschus, die vor zehn Jahren an den Folgen der Vertreibung aus Elbing, Ostpreußen (früher Dawillen, Kreis Memel) in Teltow bei Berlin verstorben sind. In stiller Trauer: Bernhard Knauer und Frau Erna Knauer, geb. Himml, Münster i. W., Sternstr. 23, früher Königsberg-Tannenwalde. Margarethe Knauer, Berlin-Schöneberg Grunewaldstraße 90. Martha Gawenus, geb. Knauer, Wermelskirchen (Königsberg Pr.). Siegfried Knauer und Frau Margarete Knauer, geb. Bargel, Kamen i. W. Heerener Straße 11 (Krangen bei Neustettin). Reinhold Knauer und Frau Hermi Knauer, geb. Voss, Kamen i. W. Heerener Straße 11 und alle Nichten und Neffen

 

Wir hofften auf ein Wiedersehen, doch Gottes Wille ist geschehen. Wir konnten Dich nicht sterben sehen und nicht an Deinem Grabe stehen. In ihrer lieben Heimat verschied am 3. Dezember 1955 nach einem arbeitsreichen Leben im Alter von 74 Jähren unsere liebe gute Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester und Tante, Julie Joswig, geb. Leschinski, in Georgsfelde Kreis Lyck, Ostpreußen. Sie wurde von ihrer Tochter Lotte zur letzten Ruhe gebettet. Ihr Wunsch, die Kinder und Enkel noch einmal zu sehen, wurde ihr nicht vergönnt. In tiefem Schmerz im Namen der Geschwister und Angehörigen: Fritz Joswig. Memmingen, Allgäu Eduard-Flach-Straße 11

 

Zum Gedenken. Nur Arbeit war Dein Leben, Du dachtest nie an Dich. Nur für die Deinen streben hieltst Du für Deine Pflicht. In Liebe gedenken wir unserer lieben guten Mutter, Schwiegermutter und Omi, Frau Lina Taetz, aus Pillau, die am 2. Januar 1956, vor zehn Jahren im 58. Lebensjahre so plötzlich von uns ging. In tiefer Dankbarkeit: Carl Lönnies und Frau Herta Lönnies, geb. Taetz, München. Otto Köck und Frau Friedel Köck, geb. Taetz, Emmerich. Hans Loßmann und Frau Eva Loßmann, geb. Taetz, Dortmund. Hans Gonschorrek und Frau Lilo Gonschorrek, geb. Taetz, Landshut und 9 Enkelkinder

 

In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habee die Welt überwunden. Joh. 16, 33 Heute früh, am 8. Januar 1956, verschied nach langem, mit großer Geduld ertragenem Leiden meine liebe Frau, unsere geliebte herzensgute Mutter, Großmutter, Urgroßmutter, Schwägerin und Tante, Frau Johanne Skilandat, geb. Schrade. In stiller Trauer: Franz Skilandat, Gatte, früher Zinten, Ostpreußen, jetzt Waldshut i. B. Siemenstraße 20. Fritz Balzuweit und Frau Hilde Balzuweit, geb. Skilandat, Waldshut. Franz Zumkehr und Frau Lena Zumkehr, geb. Skilandat, Kloten Schweiz. Fritz Eberhard und Frau Gertrud Eberhard, geborene Skilandat, Kloten Schweiz. Großkinder und Urenkelchen

 

Seite 16   Todesanzeigen

Geboren: 12.09.1880. Gestorben 07.01.1956. Walter Treidel, Superintendent i. R,. früher Marienburg, Westpreußen. Im 76. Lebensjahre entschlief nach kurzer schwerer Krankheit mein lieber Mann, unser treusorgender Vater, Großvater, Bruder und Onkel. In tiefer Trauer: Frieda Treidel, geb. Mattern; Hermann Treidel, Assessor des Forstdienstes; Ingeborg Treidel, geb. Vespermann; Magdalena Grombal; Urte, Hermann und Walter; Gertrud Rautenberg, geb. Treidel; Anna Barczewski, geb. Treidel; Gerhard Rautenberg. Rittergut Weenzen üb. Elze (Han)

 

Einst waren wir glücklich und hatten ein Heim, Jetzt sind wir vertrieben, verlassen, allein. Das Liebste entrissen, zerstört alles Glück, Das kehrt nun nie wieder zu uns zurück. Fern seiner geliebten ostpreußischen Heimat entschlief plötzlich und unerwartet, infolge eines Herzschlages, nach kurzer Krankheit am 24. Dezember 1955 im 64. Lebensjahre mein lieber Mann und treuer Lebenskamerad, mein guter Vater, unser lieber Bruder, Schwager und Onkel, Bäckermeister Richard Rehse. Dieses zeigt schmerzerfüllt an im Namen aller Anverwandten: Maria Rehse, geb. Fox; Rudi Rehse. Königsberg Pr., Neuer Graben 30/31, jetzt Scheidegg im Allgäu, Bößerscheidegg 158

 

Er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn. Hebräer 11, 27 b. Mein lieber Mann, unser lieber Vater und Schwiegervater, der ordentliche Professor für Praktische Theologie und Konsistorialrat D. Alfred Uckeley, ging nach einem reichgesegneten Leben im 82. Lebensjahre heim in Gottes Frieden.

Margarete Uckeley, geb. Frese; Dr. med. Wolvad Uckeley; Annemarie Uckeley, geb. Wagner; Pfarrer Dietrich Uckeley; Ruth Uckeley, geb. Oppermann. Marburg/Lahn, Bismarckstraße 32, Eschwege, Bad Wildungen-Reinhardshausen, den 26. Dezember 1955. Die Trauerfeier fand Freitag, den 30. Dezember, um 14 Uhr, in der Friedhofskapelle zu Bad Wildungen statt, danach Beisetzung in der Familiengrabstätte.

 

Am 17. Dezember 1955 verstarb in der ostpreußischen Heimat unser lieber guter Onkel, der

Geistl. Professor Eduard Barkowski, im Alter von 82 Jahren. R. I. P. Wir gedenken seiner in Liebe und Dankbarkeit. In stiller Trauer: Bruno Fuhg und Frau Dorothea Fuhg, geb. Neumann. Berlin N 65, Brunnenstraße 78. Die feierliche Beisetzung fand am 22. Dezember 1955 in Allenstein statt.

 

Am 29. Dezember 1955 hat Gott der Herr unseren lieben Vater und Bruder Wilhelm Langkeit

früher Königsberg Pr. im 79. Lebensjahre in die Ewigkeit abberufen. Bundesrichter Dr. Herbert Langkeit und Frau Charlotte Langkeit. Kassel-Harleshausen, Wilhelmshöher Weg 19. Emma Wolfrum, geb. Langkeit, Hamburg 26, Wichernsweg 23

 

Sei getreu bis in den Tod, so will Ich dir die Krone des Lebens geben. Unvergessen Emil Janz, geboren am 01.02.1880, gestorben am 19.01.1946 in Königsberg Preußen; Henriette Janz, geborene Babbel, geboren 27.11.1882, gestorben 27.03.1947 in Königsberg Preußen; Emil Janz, Obergefreiter., geboren 15.04.1909, gestorben 15.11.1943 Wessely, Russland, Südfront; Walter Janz, Oberfeldwebel R.O.A.  geboren 01.12.1916, gestorben 24.03.1942 Konduja am Wolchow; Ulrich Janz, Soldat R.O.A., geboren 17.04.1928, gestorben 06.04.1945, vermisst bei Seerappen; Susanna Babbel, geboren 22.10.1872, gestorben April 1945 in Königsberg Preußen. In stillem Gedenken: Else Janz, Lotte Janz, Frieda Janz, Gisela Janz-Meunier. Köln, Schillingstraße 42. La Tuque, Kanada, früher Königsberg Pr. Powundener Str. 20

 

Am 3. Dezember 1955 entschlief sanft und unerwartet nach noch gut überstandener Operation mein herzensguter Mann, Vater, Schwiegervater und Onkel, Emil Kubelke im vollendeten 70. Lebensjahre.

In stiller Trauer : Frau Gertrud Kubelke, Frau Irmgard Kerkien, geb. Kubelke, Julius Kerkien. Früher Wehlau, Ostpr., jetzt Eickelborn, Kreis Soest, Westfalen

 

Nach schwerer Krankheit ist unser lieber Vater, Großvater, Bruder, Onkel und Schwager Otto Stillger, geb. 16. 5. 1874, gest. 11.01.1956 von uns gegangen. In tiefer Trauer seine Kinder: Margarete Stillger, Karlsruhe, Klosterweg 20; Waldemar Stillger und Frau, Herscheid, Müggenbruch 24, Westf.; Elsbeth Stillger, Bad Segeberg, Kreis-Krankenh.; Liesbeth Stephan, geb. Stillger, Düsseldorf, Marschallstraße 6; Ursula Stillger, Pforzheim, Städt. Krankenhaus sowie drei Enkelkinder und alle Anverwandten. Auritten, Kreis Heydekrug, jetzt Karlsruhe, Klosterweg 20

 

Am 31. Dezember 1955 verstarb in der sowj. bes. Zone, fern seiner geliebten Heimat, unser lieber Vater, Schwiegervater und Opa, der Postbetriebsassistent a. D. Gustav Willuweit, aus Königsberg,Tannenwalde, Carl-Peters-Straße 7, im Alter von 85 Jahren. In stiller Trauer

im Namen aller Angehörigen: Bruno Willuweit, jetzt Bremerhaven-W., Am Wohnwasserturm 6

 

Am 7. Januar 1956 verstarb unser lieber Onkel, Hermann Krüger, Rehfeld, Kr. Insterburg, Ostpreußen im Alter von 77 Jahren. Wir haben ihn in Obermarchtal (Donau) beigesetzt. Für alle seine Nichten und Neffen: Arno Krüger, Gr.-Warkau, Kr.-Insterburg, jetzt Geislingen/Balingen, Württbg., Schaalstraße 38

 

Zum Gedenken.  Am 6. Januar 1956 jährte sich zum zehnten Mal der Todestag meines lieben Mannes, Schwiegersohnes, Bruders, Onkels und Schwagers, des Polizeimeisters Franz Neumann, früher Königsberg Preußen, Wißmannstraße 4a (Polizeirevier 4), der an den Folgen russischer Kriegsgefangenschaft nach zweimonatigem Krankenlager, immer auf ein Wiedersehen hoffend, in Berlin verstorben ist. In stillem Gedenken im Namen aller Angehörigen: Lisbeth Neumann, Hamburg 24, Comeniusplatz 3. Seine Ruhestätte befindet sich in Hamburg-Ohlsdorf.

 

Unser geliebter Vater, Schwiegervater und Großvater, Bruder. Schwager und Onkel Stadtbaumeister a. D. Georg Klein, Branddirektor der Freiw. Feuerwehr und Kreisfeuerwehrführer, früher Gumbinnen, ist am 4. Januar 1956, neun Monate nach dem Tode seiner lieben Frau, im 71. Lebensjahre sanft entschlafen. Er ist auf dem Friedhof in Johannisberg, Rhg., beigesetzt. Im Namen der Hinterbliebenen: Georg Klein jr., Vera Rieck, geb. Klein, Johannisberg, Rhg., Grund 155

 

Gott der Allmächtige nahm am 26. Dezember 1955, fern seiner ostpreußischen Heimat, meinen lieben Mann und treuen Lebenskameraden, unseren guten Vater, Schwiegervater, Schwager, Onkel und Opi, Lehrer i. R. Georg Zdunek, im Alter von 67 Jahren in sein himmlisches Reich. In tiefer Trauer im Namen der Angehörigen: Anna Zdunek, geb. Uschkoreit, Dr. Eduard Brunner und Frau Traute, geb. Zdunek. Werner Barthel und Frau Anneliese, geb. Zdunek und Enkelkind Gabi. Tilsit, Rosenstraße 8, jetzt Eutin, den 27. Dezember 1955 Robert-Schade-Str. 9. Die Beerdigung fand am 29. Dezember 1955 in Eutin statt.

 

Mitten in seiner Arbeit überraschte der Tod am Freitag, dem 13. Januar 1956, für uns alle plötzlich und unfassbar, meinen herzensguten Mann, unseren treusorgenden Vater, unseren lieben Sohn, Bruder, Schwager und Onkel, Leo Hohmann, im Alter von 52 Jahren. Wir bitten seiner im Gebet zu gedenken. In stiller Trauer: Elisabeth Hohmann, geb. Mast. Marianne Hohmann und Hannelore Hohmann (als Töchter), und alle Anverwandten. Königsberg Pr., Vogelweide 1, jetzt Essen, Kerckhoffstraße 49, den 17. Januar 1956. Die Trauerfeier und Beisetzung hat im engsten Familienkreise in aller Stille auf dem Südwest-Friedhof stattgefunden.

 

Hans Walchhoeffer, Major, d. R. a. D. geboren 24.08.1891, gestorben 02.01. 1956. In tiefer Trauer: Maria Walchhoeffer, geb. v. Socha-Borzestowski, Lyck, Ostpreußen, jetzt Epfenbach, Kr. Sinsheim, Januar 1956

 

Zum Gedenken des zehnjährigen Todestages meines lieben Mannes, des Zahnarztes Dr. Erwin van Riesen, geb. 07.11.1889, gest. 17.01.1946 aus Königsberg Pr.: Gertrud van Riesen, geborene Herrmann. Hufenallee 10/12, jetzt Ebersberg/München

 

Im Jahre 1955 sind folgende Bundesbrüder durch den Tod aus unserer Mitte abberufen: Am 12.01.1955, Zahnarzt Dr. Walter Schmidt, früher Osterode, Ostpreußen; Am 21.03.1955,  Arzt und Zahnarzt Dr. Heinrich Fraaß; Am 17.10.1955, Pfarrer Kurt Weitschieß, früher Pelleninken bei Insterburg; Am 03.11.1955, Gutsbesitzer Dr. Arthur Wenck, Deisenhofen bei München, früher Garbseiden (Samland). Wir werden den Verstorbenen ein treues Andenken bewahren! Der Alt-Herrenverband der früheren Königsberger Turnerschaft Cimbria

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