Ostpreußen-Warte, Folge 01 vom Januar 1954


Ostpreußen-Warte

Folge 01 vom Januar 1954

Seite 1   Schlägt unsere Schicksalsstunde?

Foto: Die Kant-Gedächtnis-Tafel an der Schlossmauer zu Königsberg

An der Schwelle des neuen Jahres, des neunten nach der Vertreibung der jenseits der Oder und Neiße beheimatet gewesenen ostdeutschen Stämme aus ihrem siebenhundertjährigen Siedlungsgebiet, ist es ein Gebot der Stunde, Bilanz zu ziehen. Und dies umso mehr, als in diesen Tagen neuerwachten Hoffnungen wachsende Gefahren gegenüberstehen. Denn im kommenden Jahr wird sich nach menschlicher Voraussicht das Schicksal Deutschlands, des deutschen Volkes und vor allem der Heimatvertriebenen entscheiden. Der Ernst des Problems erfordert eine sachliche, jedoch auch kritische Beurteilung vom deutschen Standpunkt aus.

 

Vor neun Jahren begann in den Januartagen die erzwungene Flucht und Vertreibung aus unserer Heimat. Auf tiefverschneiten und vereisten Straßen zogen die Elendskarawanen in Richtung Westen. Hinter den Trecks brannten die Dörfer und Städte, vor ihnen lag das Grauen eines Ungewissen Schicksals. Müde Pferde und ebenso müde, wortlos gewordene Bauern quälten sich durch knietiefen Schnee, hinter den meist überladenen Wagen und Schlitten trieben weinende Frauen und Kinder gerettetes Vieh. Es war der Anfang vom bittersten Ende. Es ist nötig, sich diese Leidenstage ins Gedächtnis zurückzurufen, weil sie uns das Recht zu ideellen und materiellen Forderungen gaben, die bis heute noch nicht oder höchstens zum verschwindenden Teil beglichen wurden. Denn uns hat das deutsche Schicksal am schwersten betroffen!

 

Wenn einmal die Geschichte der vergangenen neun Jahre objektiv geschrieben wird, werden die Historiker wohl zu dem Urteil kommen müssen, dass sie eine nahezu ununterbrochene Kette politischer Fehl- und Trugschlüsse, verpasster Gelegenheiten und irrealer Pläne bildeten. Unter deren Einfluss vermochte sich das Erkennen, der, durch den Krieg geschaffenen Gegebenheiten — dies war zumeist deutscher Verdienst — nicht durchzusetzen. Auch in den letztvergangenen Monaten siegte nüchterne Vernunft nur teilweise, obwohl sich die Fronten West und Ost, ihr Potential und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten immer klarer abzeichneten. Es ist natürlich nicht anzunehmen, dass die Regierenden ohne Ausnahme mit Blindheit geschlagen sind. Aber Partei- und Prestigerücksichten,  schließlich auch hier und da egoistische Interessen ließen viele, leider allzu viele stur an Vorbedingungen für einen vernunftgemäßen Ausgleich festhalten, die durch die fortschreitende Entwicklung längst überholt waren. Der erste Schritt zur Lösung der Deutschlandfrage einschließlich des Heimatvertriebenen Problems ist nun einmal die innerdeutsche Wiedervereinigung. Ihr Produkt wird - zumindest vorerst — dem alten Reich gewiss nicht gleichen, auch nach „freien Wahlen nicht. Aber das darf nicht schrecken, weil sonst uns nie ausreichend geholfen werden kann und unsere Heimat dauernd verloren wäre. Deshalb wäre es auch unverantwortlich, jetzt Verhandlungen zwischen West und Ost an Fragen scheitern zu lassen, die nach den obwaltenden Verhältnissen nur schrittweise mit der Zeit zu lösen sind! Der Westen möchte verständlicherweise schlagartig für das ganze neuerstehende Reich die - sagen wir — kapitalistische, der Osten die kommunistische Staatsform, auch viele Regierungsvertreter beider Seiten wollen zukünftig am liebsten ausschließlich bestimmen. Doch auch hier wird erst das Gesetz der natürlichen Schwere Entscheidungen bringen denen wir übrigens in Ruhe entgegensehen können. Über allen divergierenden Meinungen stehen das Wohl von Staat und Volk! Die Demarkationslinie muss verschwinden sonst wird sie zur Grenze. Die Verwaltungs-  und Wirtschaftsformen müssen gegebenenfalls so lange gegenseitig ertragen werden,  bis der Volkswille sich durchgesetzt hat; das Nebeneinanderbestehen heterogener Systeme in einem Staate ist sowieso auf die Dauer unmöglich. Und persönliche Ambitionen reichen überhaupt nicht. Trotzdem hat bis ins Jahr 1953 hinein das Streben, ohne zeitbedingte Kompromisse nur durch Wettrüsten allein die  deutsche Frage zu lösen, immer größere politische Schwierigkeiten heraufbeschworen. Inzwischen wurde uns die Heimat immer mehr entfremdet!

 

Nun bedeutet die in Aussicht genommene Berliner Konferenz der vier Außenminister an sich einen Schritt auf den Frieden zu und scheinbar einen Sieg politischer Vernunft. Denn noch sind trotz allem Optimismus die erstarrten Fronten nicht im Fluss. Die Londoner „Times" haben dieser Tage sogar der Sorge Ausdruck gegeben, gewisse westeuropäische Kreise steuerten darauf hin, in Berlin nur feststellen zu wollen, dass den Russen an einer Verständigung nichts liege, um ihnen dann die Schuld an der hoffnungslosen Versteifung der Weltlage zuschieben zu können. Zweifel an einem positiven Resultat sind natürlich am Platze; denn nach wie vor sind die russischen Absichten und Forderungen unklar. Das Scheitern der Besprechungen wäre aber absolut sicher, wenn beide Seiten starr auf ihrem bisherigen Standpunkt beharrten. Allerdings ist zumindest mit vermittelndem Eingreifen der Briten zu rechnen, die im Interesse ihres Handels ??? als auch die Sicherheit des Commonwealth an der Normalisierung der britisch-russischen Beziehungen stark interessiert sind. Auch Frankreich wird sicherlich einen intransigenten Standpunkt des Westens nicht mitmachen. Das ist einerseits erfreulich, zum andern jedoch vergrößert es aber auch die Möglichkeit von „faulen Kompromissen" zu Lasten Deutschlands. Es wird also darauf ankommen, dass beide Seiten den Bogen nicht überspannen. Eines dürfen wir eben nicht außer Augen lassen: Unsere Position zwischen der Front der rivalisierenden Machtblocks ist keineswegs so gesichert, dass wir der nächsten Zukunft sorglos entgegensehen könnten. Nicht, dass wir einen heißen Krieg zu fürchten hätten, der Deutschland trotz des neuen Luftschutzes und mehr oder minder zahlreichen Divisionen zur Wüste machen würde. Wohl aber, dass die Gefahr auf uns lastet, die untragbare „Oder-Neiße-Linie" könnte bei ungeschicktem und die augenblicklichen Gegebenheiten nicht beachtenden Verhandeln schließlich eine Weltenscheide mitten durch unser Vaterland nach sich ziehen. Die künftige deutsche Politik wird sicher nicht umhinkönnen, (Rest der Zeile unlesbar) verbinden. Es scheint, dass die Entwicklung dahingeht. So unmöglich für uns Deutsche eine Politik der Isolation wäre, so notwendig ist — das haben London und Paris erkannt und Washington beginnt es einzusehen — eine kluge Mittlerposition. Damit Deutschland nicht zum Vasallen der einen oder anderen Seite wird. Dieses ist unsere Mahnung und unser heißester Wunsch zum Jahreswechsel. Findet er keine Erfüllung, dann wird unser Heimatvertriebenenelend zur Dauer. Denn die Bundesrepublik kann es nicht allein beseitigen. Und dies umso weniger, wenn der Strom der Sowjetzonen-Flüchtlinge uns weiter überflutet und aus Mitteln in ein geordnetes Bett geleitet werden muss, die unsere unerträglichen Lasten mildern sollten.

 

 

Seite 1   Oberländer ruft zur Selbsthilfe auf!

Bundesvertriebenenminister Professor Dr. Oberländer hat in einem Rundfunkvortrag zu verstärkter Selbsthilfe auf allen Lebensgebieten aufgerufen. In diesem Zusammenhang erklärte der Minister wörtlich: Was sich im Schützengraben oder auf der Straße der Trecks bewährt hat, was in den furchtbaren Jahren 1945 und 1946 Millionen Deutscher das Leben gerettet hat, damals ein Mittel im Kampf ums Dasein, kann heute ein Mittel sein, um Not zu überwinden, die auch der stärkste Staat nicht allein überwinden kann."

 

Einleitend hatte Prof. Oberländer an die Bedeutung erinnert, die Selbsthilfeaktionen vor allem an den deutschen Volkstumsgrenzen und in den Sprachinseln seit jeher gehabt haben. Auch in der ersten Nachkriegszeit seien gerade die Vertriebenen, die alles verloren hatten, zur Selbsthilfe in freiwilligen kleinen Gemeinschaften gezwungen gewesen. Leider gebe es aber auch heute noch weite und wertvolle Schichten unseres Volkes, die dringender Hilfe bedürften — der Staatshilfe und noch viel mehr der Selbsthilfe.

 

Als besten Weg, um den Riss zu überwinden, der heute noch allzu oft durch unser Volk geht, bezeichnete der Minister das Patenschaftssystem, bei dem beide helfen, der Gebende und Nehmende. Prof. Oberländer führte hier konkrete Beispiele an und erklärte unter anderem: „Es gibt Tausende von Kindern, die eine bessere Ausbildung verdienten, die eine gute Lehrstelle oder eine höhere Schule besuchen wollen, die aber nicht in der Lage sind, es so weit zu bringen, bis sie eine Ausbildungsbeihilfe oder eine kleine Unterstützung bekommen. Was wäre besser, was wäre christlicher, als dass all die vielen wirtschaftlich gesunden Familien sich eines dieser Kinder annehmen, eine Patenschaft für ein solches Kind übernehmen oder laufend einen gewissen Betrag bezahlen, bis eine entsprechende Ausbildungsstufe erreicht ist? Denken wir an die vielen deutschen Kinder aus Jugoslawien, die sechs Jahre in jugoslawischen Lagern gelebt haben und trotz einwandfreier deutscher Abkunft nicht einmal mehr Deutsch sprechen können. Diese Kinder — zum Teil sind sie Waisen —, kommen nun nach Deutschland herein. Gewiss nimmt sie der Staat auf, er tut viel für sie, aber wäre in solchen Fällen nicht der direkte Lastenausgleich, der Lastenausgleich von Mensch zu Mensch, besser? Ist nicht gerade hier eine Möglichkeit, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen?"

 

Der Minister berichtete weiter von eindrucksvollen Beispielen der Selbsthilfe auf dem Gebiet des Wohnungsbaues: „Im bayerischen Schwaben besuchte ich einmal eine Gemeinde, die sich selbst geholfen hat. Der Bürgermeister, der ein Vierfamilienhaus für kinderreiche Familien hatte, verlangte von jedem Mitglied der Gemeinde zehn Arbeitsstunden. Zunächst wollte man ihn wegen dieses Zwanges verklagen. Aber bald merkten Einheimische wie Vertriebene, wie man durch diese Arbeit zusammenwuchs. Bald hielt es jeder für eine Ehrenpflicht, zehn Stunden zu arbeiten, und bald war jeder Handwerker gerne bereit, an diesem Gemeinschaftswerk kostenlos mitzuhelfen. Und das Ergebnis: Eine vierzigprozentige Preissenkung der Kosten des Hauses, also 40 v. H. billigere Miete für vier kinderreiche Familien. Aber was viel wichtiger war, das war der Stolz der Gemeinde, für diese kinderreichen Vertriebenenfamilien etwas Derartiges geleistet zu haben, und der angefeindete Bürgermeister wurde ein gefeierter Mann. Sollte es den 25 000 Gemeinden der Bundesrepublik nicht möglich sein, jedes Jahr wenigstens eine Wohnung für kinderreiche Familien durch Gemeinschaftsarbeit verbilligt zu schaffen?"

 

Zusammenfassend wies Prof. Oberländer dann darauf hin, dass wir alle gemeinsam den deutschen Staat bilden. Von diesem Staat dürfe man nicht nur nehmen wollen, sondern man müsse auch geben — freiwillig geben, nicht nur vom Finanzamt gezwungen. ,,Im freiwilligen Geben zeigt sich erst die echte Staatsgesinnung!"

 

Dass er mit diesem Aufruf keineswegs einer Kürzung der staatlichen Leistungen für die Vertriebenen das Wort reden wollte, hat der Bundesvertriebenenminister erneut ganz klar ausgesprochen. Im Rahmen des Tätigkeitsberichts der Bundesregierung für das abgelaufene Jahr skizzierte Prof. Oberländer ganz kurz auch die Aufgaben für 1954. „Es wird notwendig sein", erklärte er, „das vorhandene Gesetzgebungswerk in sehr wesentlichen Teilen auszubauen, um im Sinne echter sozialer Gerechtigkeit die Eingliederung der Vertriebenen und die soziale Sicherstellung der Flüchtlinge in vollem Umfange durchzuführen." Als Ziel der kommenden Jahresarbeit des Ministeriums bezeichnete es der Minister, „in jedem Punkte allen Vertriebenen, Flüchtlingen und Kriegssachgeschädigten allmählich dieselben Lebensbedingungen zu verschaffen, die den Einheimischen und Nichtgeschädigten der Bundesrepublik als gegebene Lebensbasis zur Verfügung stehen."

 

 

Seite 2 und 7     Deutsche Pionier- und Kulturleistung des Ostens im Dienste des Abendlandes. Dr. Dietrich von Nathusius

Die Geschichte lehrt, dass Ostpreußens Hauptstadt Königsberg im Jahre 1255 gegründet wurde, als König von Böhmen, Ottokar II, mit seinem Heere dem Deutschen Ritterorden im Kampfe gegen die heidnischen kampfstarken Pruzzen Hilfe leistete und die Stadt zu seinen Ehren ihren Namen bekam. Zur Schilderung jenes Geschehens und seines Fortganges gehört zunächst eine Betrachtung der Vorgeschichte und der sie gestaltenden Persönlichkeiten.

 

Die Errichtung des Deutschen Ritterordens geht auf den dritten Kreuzzug zurück, den der Hohenstaufenkaiser Friedrich I (von den Italienern wegen seines rotblonden Bartes Barbarossa genannt) im Jahre 1189 als ein Unternehmen der ganzen abendländischen Christenheit begann, indem er mit zwanzigtausend Rittern, durch Ungarn, das byzantinische Reich und Kleinasien zog und bei Ikonion (Konia) einen großen Sieg über die Sarazenen errang.

 

Nachdem dieser hochgeachtete Herrscher, Verkörperung des ritterlichen Zeitideals, im 67. Lebensjahre im Flusse Saleph, dem heutigen nördlich Zyperns ins Meer mündenden Gösku, beim Baden durch Herzschlag sein Leben verloren hatte und sein Sohn Heinrich nach vergeblichem Kampfe um die Heiligen Stätten die Heimkehr vorbereitete, stiftete er in Akkon (Akka) ein großes Hospital. Diese Stiftung hat der Papst Innozenz III im Jahre 1199 in einen Ritterorden umgewandelt und bestimmt, dass er ein rein deutscher sein solle. — In Akkon, das wegen seiner blutigen Umkämpfung als Friedhof der Christenheit bezeichnet wurde, blieb der Ordenssitz auch, bis die Stadt nach hundert Jahren von den Moslems zurückerobert worden ist. ---

 

Nach jenem Kreuzzuge, dessen einzige Frucht der Deutsche Ritterorden war, hat sich dieser auch im Reiche hauptsächlich der Krankenpflege gewidmet. Seinen ersten Niederlassungen in Regensburg, Halle und Lübeck folgten bald weitere. Kaiser Heinrich hat dem Orden in Bern ein aufgelöstes Augustiner-Kloster mit allen Gerechtsamen übereignet und Kaiser Friedrich II, der den Adel an ideale Zwecke binden wollte, gewährte ihm die besondere Gunst der Übergabe der Burgkapelle in Nürnberg mit den geistlichen und weltlichen Gerechtsamen, dazu eines reich ausgestatteten Hospitals und ihm zinspflichtigen Höfen. — Die Kirchenfürsten sahen in dem Orden den besten Kämpen Christi und förderten ihn durch Landschenkung und Einräumung von Kirchenpatronaten. Die vom Orden in ihren Hospitälern bewiesene Sorgfalt, und dort erzielten guten Erfolge verschafften ihm überall hohe Achtung und materiellen Lohn. Begüterte Adlige schenkten ihm Teile ihres Landbesitzes und junge Edelinge hielten ihn für die würdigste Genossenschaft. Die Klasse der Halbbrüder, die ohne Bindung an die Gelübde an des Ordens Vorrechten teilhaben wollten, führte ihm viele Anhänger und weitreichende Verbindungen zu.

 

Mit des Ordens viertem Hochmeister, Hermann von Salza, dessen Familie aus dem thüringischen Orte Hohensalza stammte, trat 1209 eine der bedeutendsten Gestalten des Mittelalters ins Licht der Geschichte. Salza beschäftigte sich im genannten Jahre mit dem Umbau des Hauptschlosses von Akkon in den Hochmeistersitz, als ihn der Hilferuf des Königs Andreas von Ungarn erreichte, der den Orden bat das Land Siebenbürgen gegen die besonders aus der Walachei räubernd einfallenden heidnischen Feinde zu schützen. Hermann von Salzas anfängliches Zögern, diesem Rufe zu folgen, hat der Papst mit seiner Zusage jeder Hilfe beseitigt, so dass der Orden mittels Heranholung vieler deutscher Siedler schon binnen weniger Jahre ein lebhaftes Aufbauwerk und seine Sicherung durch Burgen in die Wege leitete.

 

Dieses Unternehmen des Hochmeisters sollte jedoch nicht dem Orden zugutekommen. Als die römische Kurie den Entschluss fasste, das so befriedigte Siebenbürger Land zu einem ihr selbst unterstehenden selbständigen zu machen, erfuhr sie, dass die Politik nichts Unmögliches erstreben darf. König Andrejs erblickte in der Entstehung eines autonomen Landes innerhalb seines Gebietes eine schwere Gefährdung seiner Herrschaft und ließ im Frühjahr 1225 die Ordensritter durch seinen Sohn Bela mit Waffengewalt aus ihren Besitzungen vertreiben. Die deutschen Siedler aber durften als Schutzwächter und Förderer der Landbebauung ungestört wohnen bleiben.

 

Mit der Gelassenheit eines Staatsmannes

Hermann von Salza nahm diesen Schlag mit der Gelassenheit des Staatsmannes hin, der aus Fehlern Nutzen zieht. Er befand sich damals im Auftrage des Kaisers auf einer Reise zum Norden, wo König Waldemar von Dänemark, Beherrscher fast der ganzen südlichen Ostseeküste, seit 1222 Gefangener des Grafen Heinrich von Schwerin, zur Bereitschaft gebracht werden musste, den Besitzstand des Reiches und Dänemarks schiedlich zu ordnen. Es gelang dem Hochmeister, einen Vertrag zustande zu bringen, wonach künftig Holstein, Mecklenburg und Lübeck Reichslehen sein sollten.

 

Bei dieser Gelegenheit konnte der Hochmeister wertvollen Einblick in die Probleme der Ostsee und des Ostens überhaupt gewinnen. Vom Reiche waren diese bisher so wenig beachtet worden, dass der junge König Friedrich II im Jahre 1215 ahnungslos über die Bedeutung seines Tuns dem Dänenkönige alle Landstriche östlich der Oder zugebilligt hatte. Diese Zusage war nun hinfällig geworden. Der Nutzen daraus sollte dem Deutschen Ritterorden sehr bald zugutekommen. Seine künftige Bewegungsfreiheit in dieser Gegend wurde noch gesicherter durch den Übermut Königs Waldemar, der den Vertrag mit dem Kaiser schon nach drei Jahren brach, worauf sich Holstein, Mecklenburg und Lübeck zusammentaten und mit Hilfe aus dem Reiche im Juli 1227 bei Bornhöved die dänische Machtstellung an der Ostseeküste zusammenschlugen. ---

 

Entscheidendes für die Zukunft des Ordens geschah im Winter von 1225 auf 1226, als Abgesandte des Herzog Konrad von Masovien in der Komturei von Halle dessen Schreiben mit der Bitte überbrachten, dass der Orden ihm Hilfe leisten möge gegen die Raubzüge und dauernden Überfälle der heidnischen Pruzzen auf sein Land zwischen Bug und Weichsel. Besonders der Pomesanen-Stamm verfolgte den Herzog mit wildem Hasse, weil er die Mönche des Zisternienser-Ordens in Oliva bei ihrer Heidenmission unterstützte, wobei schon mehrere begüterte Häuptlinge bekehrt worden waren. Sie hatten Konrad schon das Kulmer Land entrissen und bedrohten ständig seine Hauptstadt Plock. Da ihre Bekämpfung mit der Bekehrung zu verbinden war, musste die Waffenhilfe auch geistlichen Charakter haben. Auf eines Bischofs Rat hatte sich Konrad deshalb an den Orden gewendet und ihm für seine Hilfe das ihm entrissene Kulmerland als Schenkung versprochen.

 

Der Hochmeister hielt diese Hilfeleistung für eine besonders würdige Aufgabe des Ordens und ein großartiges neues Betätigungsfeld. Seine Erfahrungen mit Siebenbürgen veranlassten ihn diesmal zu umfassenden Sicherungsmaßnahmen. Des Kaisers Unterstützung als wichtigster war er gewiss. — Über diesen größten Förderer des Deutschritter-Ordens muss zur Aufhellung des geschichtlichen Hintergrundes kurz berichtet werden.

 

Der hochbegabte, äußerlich und in seinem Wesen ansprechende Enkel Barbarossas, einziger Sohn Heinrichs VI und Konstanzes, des Normannenkönigs Roger II von Siziliens Tochter, ist am 26. Dezember 1194 im kleinen Orte Jesi bei Anvona geboren und am 13. Dezember 1250 in Fiorentino (Apulien) gestorben. Nur dreimal in seinem Leben war er in Deutschland; nur sein erster Aufenthalt war ein längerer und dauerte von 1212 bis 1220, als er sein deutsches Königtum gegen Widersacher erkämpfen und um seine Erhöhung durch die Kaiserkrone bemüht sein musste. Er verlor ganz früh seinen Vater, den als Zweiunddreißigjährigen in Messina am 28. September 1197 das Sumpffieber hinwegraffte, als er sich über See zu einem neuen Kreuzzuge aufmachen wollte. Die verwitwete Mutter Konstanze ließ ihren kleinen Sohn darauf durch einen päpstlichen Legaten zum König von Sizilien krönen. Als sie schon ein Jahr nach ihrem Gatten starb, setzte sie den Papst Innozenz zum Vormunde des vierjährigen Kindes ein. Der Knabe Friedrich wuchs nun in der Mittelmeerwelt des Königshofes zu Palermo auf und bereicherte sich mit allem Wissen der Zeit, lernte spielend die italienische Muttersprache, die griechische, arabische, französische und provenzalische, während er sich mit der deutschen Sprache erst im Laufe der späteren Zeit vertraut machte. — Im Jahre 1212 nach Deutschland gekommen, erlebte er, wie erst sein Nebenbuhler, der von England gestützte Otto von Braunschweig durch siegreichen Kampf ausgeschaltet werden musste, bis er im Juli 1215 zu Aachen zum König gekrönt werden konnte.

 

Nun besaß er die Anwartschaft auf die Kaiserkrone, die ihm aber des Innozenz Nachfolger, Papst Honorius II infolge seiner intriganten Politik missgönnte. Dieses Hindernis hätte Friedrich kaum überwinden können, wenn ihn nicht sein gütiges Geschick im Jahre 1217 mit Hermann von Salza zusammengeführt haben würde. Der weltweise Mann wurde des unerfahrenen Königs vertrauter Berater und Freund und das Treueverhältnis zwischen den zwei bedeutendsten Erscheinungen jener Zeit fand erst beim Tode des Hochmeisters am 20. März 1239 zu Salerno sein Ende. — Dem Hochmeister gelang es, mit überlegener Verhandlung gegen tragbare Zugeständnisse des Honorius Bereitschaft zur Kaiserkrönung zu erreichen. Sie fand am 22. November 1220 in der Peterskirche statt. — Hier sei bemerkt, dass die Päpste, seitdem Karl der Große am 25. Dezember des Jahres 800 wenn auch nur ungern, sich von Leo IV hatte zum Kaiser krönen lassen, womit ein westliches Kaiserreich neben das byzantinische Ostreich trat, dieses Recht, dem deutschen König die höchste Weihe zu erteilen, über sieben Jahrhunderte sicherten, bis es ihnen 1530 vom deutschen Kurfürstenkollegium abgesprochen wurde.

 

 

Seite 2   Hermann von Salza - einflussreichster Mann

Hermann von Salza gewann durch dieses weithin sichtbare Auftreten als Mittler zwischen Kaiser und Papst noch höhere Achtung und galt nach dem Kaiser als einflussreichster Mann des Reiches. Seine Freundschaft mit Friedrich zeigte dessen restlose Unterstützung des vom Hochmeister geplanten Kreuzzuges gegen die wilden heidnischen Pruzzen im Ostlande. In eingehenden Verhandlungen reifte des Kaisers Entschluss, im Frühjahr 1226 mit der goldenen Bulle von Rimini den Grund zu legen für einen selbständigen Ordensstaat im unteren Weichselgebiete. Seine Erweiterung sollte von des Ritterordens Fähigkeit abhängen, auch die benachbarten Volksstämme des südlichen Ostseerandes der christlichen Kulturgemeinschaft zuzuführen. Der Hochmeister erhielt damit alle Rechte eines nur dem Kaiser verantwortlichen Reichsfürsten im neu zu gründenden Staate. Beide Männer waren zur Überzeugung gekommen, dass die Befriedigung und damit die Christianisierung des nordosteuropäischen Raumes ein höchst wichtiges politisches Gebot sei. — Der Herzog Konrad von Masovien suchte zwar die Einräumung so weitgehender Rechte an den Orden abzuwehren, musste sich jedoch des Kaisers Gebot beugen.

 

Hermann von Salza hat bei diesem wichtigen Staatsakte weitschauend des Kaisers Zustimmung zu erreichen verstanden, Lübeck zur reichsfreien Stadt zu erheben, wodurch er für den künftigen Ordensstaat eine starke rückwärtige Verbindung auf der Ostsee herstellte. — Weiter sorgte er mit Friedrichs Hilfe dafür, Magdeburg zur strategischen Zentrale des Nachschubes zum Osten zu machen. Darauf gewann er den Markgrafen von Meißen zum Bundesgenossen, desgleichen den Markgrafen von Brandenburg. Um sich die Unterstützung aller norddeutschen Gebietsherren zu sichern, warb er Konrad von Thüringen, den Sohn der heiligen Elisabeth, der auch über Hessen regierte als Ordensbruder, so dass von da an Marburg ein besonders starker Ordensstützpunkt wurde. Schließlich gelang es ihm noch, den Weifen Otto von Braunschweig für den Ordenseintritt zu gewinnen, so dass er fast alle Männer Norddeutschlands, die Geschichte gestalten halfen, an seiner Seite hatte.

 

Diese Vorbereitung des Unternehmens im Ostraume krönte der Hochmeister mit einer diplomatischen Sonderleistung, indem er einen harten unschlichtbar scheinenden Streit zwischen Friedrich und dem Papst Gregor II zu bereinigen verstand. Gregor hatte den Kaiser wegen eines nicht rechtzeitig unternommenen, vom Papst verlangten Kreuzzuges im Jahre 1227 mit dem Bannfluche belegt, worauf Friedrich dessen ungeachtet ohne großes Heer nach dem Orient fuhr und durch kluge Vermittlung vom Sultan die friedliche Herausgabe Jerusalems an die Christenheit erreichte. Dieser Erfolg verhinderte den herrschsüchtigen Papst zwar an des Kaisers Vernichtung als Herrscher, machte ihn aber noch viel eifersüchtiger auf ihn. Da trat Hermann von Salza wieder als einzig möglicher Vermittler auf, denn er galt jetzt allgemein auch als der Hochmeister der Diplomatie Seine Verhandlungen mit Gregor ergaben im Spätsommer des Jahres 1230 den schönen Erfolg einer Versöhnung, die bei einem von ihm vorbereiteten Male stattfand. Hier konnte er nun mit noch mehr Recht Unterstützung seines Vorhabens erbitten. Gregor hatte ihm schon während der Schlichtungsverhandlungen das masovische Schenkungsangebot kirchlich bestätigt und ließ ihm jetzt eine Urkunde ausstellen die alle seine Wünsche billigte, so dass Herzog Konrad sich auch von dieser Seite genötigt sah, die dem Orden eingeräumten Rechte anzuerkennen.

 

Am 23. September 1230 rief Papst Gregor zum Kreuzzuge gegen die heidnischen Pruzzen auf Unmittelbar nachher ließ der Hochmeister seinen bewährten niedersächsischen Gehilfen Hermann Balk mit dem Ordensheer zum Osten aufbrechen, um den Ordensstaat zu erkämpfen. Mit Überwindung vieler Hindernisse wurde ein Kulturwerk von einzigartiger geschichtlicher Bedeutung begonnen. Im Jahre 1231 entstand Thorn, ein Jahr darauf folgte Kulm, 1233 begann die Errichtung der Stadt Marienwerder. Der Hochmeister ernannte Balk zum Meister von Preußen und erließ 1233 zur Sicherung des neuen Staatwesens die „Kulmer Landveste", welche nach lübischen und magdeburgischem Vorbilde den Bürgern der neuen Städte und Dörfer ihre Rechte verbürgte und weitgehende Privilegien verlieh. — Hermann von Salza gebührt der Ruhm, dass im Laufe der Zeit fast alle Städte des Ostens, auch außerhalb des Ordensstaates dieses deutsche Stadtrecht einführten. Dieser Hochmeister hat unter des Reiches Schutzherrschaft in noch höherem Grade als der Kaiser den Deutschen eine neue Idee von ihrer Mission der Kulturverbreitung gegeben. Zum Schutze seines Aufbauwerkes im Osten schloss er ein weitgespanntes Netz von Staatsverträgen mit Masovien, Kujavien, dem Piasten von Großpolen, mit Breslau und Krakau ab. Alle diese Bundesgenossen haben zum Gelingen des Kreuzzuges Hilfstruppen gesandt, als es an die immer schwereren Kämpfe mit den urkräftigen Pomesanen ging. Als erster deutscher Verbündeter half dem Orden der Burggraf von Magdeburg, mit dessen Hilfe es gelang, am Drausensee in richtiger Feldschlacht ein großes Preußenheer zu besiegen. Die von Balk geschaffene ständige Schutztruppe konnte aber auf die Dauer den zahlenmäßig weit überlegenen, unbändigen Pruzzenstämmen gegenüber nur mit dem Beistande weiterer Bundesgenossen Raum gewinnen und ihnen ihren Willen aufzuzwingen. Als neuer Helfer kam der durch seinen Bergwerkbesitz reiche Markgraf von Meißen, mit dessen Streitmacht die Bezwingung der preußischen Burgen gelang. Heinrich schenkte dem Orden beim Abschiede zwei wehrstarke Schiffe mit der Bemannung, die bei der Befriedung des Frischen Haffs und der Errichtung der Festung Elbing im Jahre 1237 beste Dienste leisten konnten. Hierbei haben ebenso wie im nächsten Jahre 1237 bei der Gründung der Stadt Elbing Meißener und Lübecker Bürger tatkräftig mitgeholfen.

 

Bei der Gründung der Seestädte waren die Hanseaten führend. Mit ihren Koggen haben sie die Seeräuber von der Ostsee vertrieben und immer mehr deutsche Siedler in die Ostlandschaft befördert. Ihr Werk war besonders der immer blühende Überseehandel. Welche Pionierarbeit die Männer der Hansa schon vor des Ordens Auftreten im Osten leisteten, muss hier als wesentlicher Teil der dortigen deutschen Kolonisation im Umriss geschildert werden.

 

Die Ostsee und ihre Uferländer waren von jeher Schauplatz des Ringens finnischer, slavischer und germanischer Elemente um das Übergewicht. In Visby auf Gotland, das den russisch-deutschen Handel vermittelte, wurde der deutsche Kaufmann führend. Er gründete eine Niederlassung in Nowgorod und nahm die Dünamündung in Besitz. Seit ihrer Entdeckung waren die Lübecker schon im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts während der Sommerzeit regelmäßig dorthin gefahren und haben einen schwungvollen Handel mit den heidnischen Liven ins Leben gerufen. Hierdurch angeregt unternahm der Bremer Domherr Albert, Neffe des dortigen Erzbischofs, zu Beginn des Jahres 1200 mit einer Flotte von 23 Schiffen eine Erkundungsfahrt nach der Dünamündung und kehrte im nächsten Frühjahr wieder zurück, um nun am Ausflusse des Rigabaches in die Düna den Grundstein der Stadt Riga zu legen. — Geistliche hatten schon die Lübecker auf den Fahrten begleitet, und der Kononikus Meinhard vom Kloster Segeberg hatte einige Meilen oberhalb der Dünamündung ein Holzkirchlein gebaut, um sich der Heidenmission hinzugeben. Da sich die Liven gegen die Bekehrung zur Wehr setzten und seinen Nachfolger Berthold 1198 erschlugen, schien das Missionswerk gefährdet, aber den Bischof gewordenen Albert feuerte dieser Widerstand zum energischen Weiterbetreiben an und es mit der Heranziehung vieler Hilfskräfte aus der Heimat großzügig auszuweiten. Zur Sicherung des Errungenen gründete er den geistlichen Ritterorden „Die schwertragenden Brüder der Ritterschaft Christi", kurz „Schwertbrüder" genannt, für den er 1204 des Papstes Genehmigung erhielt.

 

Von Riga, als Mittelpunkt, ging die Kolonisierung in ganz Livland aus. Neben Schutzburgen entstanden die Siedlungen. Als Albert 1229 die Augen schloss, stand das Gebiet zwischen dem Rigaischen und Finnischen Meerbusen unter der Hoheit des Bistums Riga.

 

Die Esten, Stammesverwandte der Finnen, wehrten sich zunächst heftig mit der Waffe gegen die Einschränkung ihrer Freiheit, kamen jedoch bald zur Einsicht des ihnen durch die Neuordnung erwachsenden Nutzens und wurden schließlich wertvollste Helfer beim Ausbau einer christlichen Kultur. Mit ihrem Bildungsdrang haben sie auf allen Gebieten Vortreffliches geleistet. In der Oberstadt Reval's, wo ihre Feste Lindenisse gestanden hatte, wurde die Ordensburg errichtet. Der Dom, dessen Bau 1225 begann, wurde 1240 die bischöfliche Kathedrale. —

 

Da die feindlichen Nachbarn die Befriedung dieses der Blüte entgegengehenden Kolonialgebietes schwer gefährdeten, konnten die Schwertbrüder auf die Dauer den Angriffen nicht mehr standhalten. Als ihr Ordensmeister bei einem Überfall den Tod fand, boten sie dem Deutschritter-Orden eine Vereinigung an. Sie kam zustande und wurde im Jahre 1237 vom Papste bestätigt. Von diesem Zeitpunkte an gab es nur noch den Deutschen Ritterorden als Gebieter. Fast 200 Jahre lang konnte er seine kulturelle Aufgabe in einem Raume von 194000 Quadratkilometern erfüllen, der von Pommerns Ostgrenze bis zum Finnischen Meerbusen reichte.

 

Aus Leopold von Ranke's Darstellung dieser deutschen Kulturtat in seinem Werke „Preußische Geschichte" sei hier sehr gekürzt folgendes wiedergegeben:

 

Der Grund einer neuen Herrschaft längs der baltischen und preußischen Grenzen und Küsten war gelegt. Ein Staat eigentümlichster Art, welcher die weltliche von ihm selbst geschaffene Autonomie mit einem hohen Grade kirchlicher Unabhängigkeit verband, war gestiftet. In der Idee von allgemein kirchlicher Natur, in seiner Erscheinung ganz Deutsch; eine erhebliche Gebietserweiterung für die kulturell überlegene deutsche Nation. Den Marken der lateinischen Christenheit erwuchs hiermit ein neues Bollwerk, doppelt notwendig, da ein Ereignis eintrat, welches die Gestalt des europäisch-asiatischen Kontinents von Grund auf veränderte. Der mongolische Völkersturm erhob sich, hatte von Ostasien kommend China, Indien, Vorderasien und das östliche Europa überwältigt und bedrohte das Abendland. Die Macht der Piasten wurde gebrochen, die soeben germanisierten Grenzländer wurden erreicht und überflutet. — Man darf sagen, dass die Gründung des Ordensstaates ein Jahrzehnt später, als sie geschah, kaum mehr möglich gewesen wäre. Denn es erhoben sich die heidnischen Elemente unter der Einwirkung einer das Heidentum begünstigenden riesigen Macht zu neuer Stärke. Dadurch gewann die Aufgabe des Ordens weltgeschichtliche Bedeutung, denn es ging um den Schutz der abendländischen Kultur im Osten, so dass die fernere Überwältigung der heidnischen Preußen universale Bedeutung bekam. — Die Schwierigkeiten aber mehrten sich. Der Herzog Swantopolk von Ostpommern benutzte den Mongolensturm zur stärkeren Betätigung seiner Feindschaft gegen den Orden. Um des Papstes Gunst zu genießen, ließ er sich scheinheilig taufen und unterstütze sowohl die mit dem Orden strengen Regeln unzufriedenen bekehrten Preußen, als auch die heidnischen in ihrem Kampfe.

 

Diese bedrohliche Lage rief das Gemeingefühl aller europäischen Christen zu Gunsten des Ordens wach. Der Papst ermahnte in einer Bulle des Jahres 1254 alle Gläubigen zur Hilfe des Ordens, weil die zum Christentum bekehrten Estländer, Liven und Preußen jetzt vom Verderben bedroht seien. Alle benachbarten Völker sollten daher mit äußerster Anstrengung diesem alle bedrohenden Verderben Widerstand leisten. — In Böhmen, Mähren und Galizien predigte der Minorit Bartholomäus das Kreuz mit überwältigendem Erfolge. Aus diesen Gegenden kam darum dem Orden der mächtigste Zuzug. — Der König Wenzel von Böhmen hatte schon ein großes Verdienst bei der Mongolenabwehr. Jetzt trat sein Sohn Ottokar II, damals die glänzendste Gestalt des östlichen Europa, an die Spitze des Unternehmens und zog mit einem großen Heere auf raschem Marsche dem Orden zu Hilfe. Dieser Übermacht konnten die Preußen des Samlands nicht widerstehen, zumal auf viele die Tatsache einen tiefen Eindruck machte, dass ein König sie bekämpfte, der sie auch schützen könnte. — Ottokar hat auf diesem siegreichen Feldzuge mit klarem Blick den Platz für eine neue Ordensburg zwischen dem Kurischen- und Frischen Haff ausgewählt und den Anstoß gegeben, dass 1225 mit dem Burgbau der Stadt Königsberg begonnen wurde.

 

Gegenüber dieser Verbindung des Ordens mit den stärksten Kräften der Christenheit entwickelte sich aber gegen ihn eine umso heftigere Feindseligkeit namentlich seitens der Litauerführung. Deren Fürsten waren um ihre Unabhängigkeit besorgt und standen vor der Frage, sich mit der Bewahrung ihres Heidentums und ihrer eigenen Verfassung den Mongolen anzuschließen oder denen, welche ihnen unter der Kreuzfahne eine neue Lebens- und Glaubensform bringen wollten. Sie verwarfen eine Bekehrung und gaben damit auch den stammesverwandten Preußen, die mit der Annahme des Christentums nicht zugleich ihre Gewohnheiten aufgeben wollten, Mut und Rückhalt zu immer stärkerem Widerstande. Infolgedessen musste der Orden zur Niederwerfung der ununterbrochenen aufflammenden Aufstände und zum Schutze der Städte und Dörfer wieder den Beistand der Bundesgenossen erbitten. Diesmal brachte der Markgraf Otto von Landsberg aus dem Hause Askanien die Hilfe, indem er mit starken Streitkräften das ganze Land durchzog und in schweren, verlustreichen Kämpfen die Preußen zum endgültigen Nachgeben zwang. Die meisten, auch Angehörige des vornehmsten Geschlechtes der Witlinge, unterwarfen sich und erhielten vom Landmeister dafür günstige Bedingungen. Ein kleiner Teil hielt fest am Heidentum und flüchtete zu den Litauern. — Für diese entscheidende, die Ordensherrschaft sichernde Hilfe wurde den Rittern und Mannen des Markgrafen der Dank durch Landschenkungen abgestattet.

 

 

Königsberg, Memel, Wehlau und Labiau entstehen

Nun war Friede im ganzen preußischen Gebiete und der Weiteraufbau ging fortan ungestört vor sich. Verbündete halfen dabei, eine Stadt nach der anderen zu bauen. Während Königsberg entstand, leisteten livländische Ordensbrüder und Lübecker beim Aufbau von Memel. Es folgten Wehlau und Labiau, von denen aus ganz Samland in friedlicher Arbeit zum Wohlstand gebracht wurde. Die Naturkräfte wurden gebändigt; den Überflutungen der See starke Dammbauten entgegengesetzt und der Gefahr der Weichselüberschwemmungen wurde mit zusammenhängenden Dämmen begegnet. Der Verkehr auf den Straßen wurde gegen Räuber geschützt. Die herangeholten Siedler erhielten Hof und Ackerland.

 

Um das Jahr 1260, zwei Jahrzehnte nach dem Tode des großen Hermann von Salza, steht der Orden als sichtbares Machtzentrum in dem politischen Kräftespiel. Der Zeit entsprechend ist er eine aristokratisch-monarchische Korporation und zugleich eine religiöse Genossenschaft, die im Innern strenge Zucht übt und auf ehrbaren Lebenswandel der Landbewohner achtet. — Diese Regierungsform erhielt als staatliche Einheit ihre Vollendung mit der Verlegung des Hochmeistersitzes nach Preußen. Nachdem dieser sich von Akkon aus eine Zeit lang in Venedig befand, sollte nun fast eineinhalb Jahrhunderte lang die herrliche Marienburg seine Behausung sein, in die Siegfried von Feuchtwangen im Sommer 1309 einzog. —

 

So viel aus Rankes Geschichtsbericht. Als Winrich von Kniprode in den Jahren 1351 bis 1382 Hochmeister war, stand der Ordensstaat auf der Höhe seines Ansehens und seiner Macht. Von seiner Leistung kündeten viele Städte und über tausend Dörfer innerhalb einer blühenden Landwirtschaft. —

 

Da alles Geschehen ewigem Wandel, dem Gesetze des Werdens und Vergehens unterworfen ist, wurde Schillers Spruch „doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten", auch im Schicksal des Deutschen Ritterordens und seines Werkes verwirklicht.

 

Wie Russland stets der gefährlichste Feind des baltischen Ordenslandes war, hat Litauen ständig das preußische bedroht. Als sich nach der Eheschließung des Litauerfürsten Jagiello mit der polnischen Erbprinzessin Jadwiga und ihres Gatten Erhebung zum polnischen König die zwei Staaten verbündeten, setzte ihr vereinter Angriff auf das preußische Ordensgebiet ein. Am 15. Juli 1410 erlitt das Ordensheer bei Tannenberg, in der größten Schlacht des Mittelalters, durch feindliche Umzingelung die furchtbarste Niederlage. Die Blüte der deutschen Ritterschaft mit dem Hochmeister Ulrich von Jungingen nebst den meisten Kriegern ihrer Verbündeten bedeckte das Schlachtfeld.

 

Der Sieger Jagiello triumphierte und nahm die Huldigungen der verängstigten Landesbewohner entgegen. Seinen Sieg auskostend, verweilte er aber solange auf der Kampfstätte, dass ihm der erhoffte vollständige Gewinn versagt blieb. Ein Mann mit eisernem Herzen, der Voigtländer Hermann von Plauen, hat als Befehlshaber der Marienburg den durch Siegestaumel verspäteten Anmarsch der Feinde zu schneller reichlicher Versorgung der Burg aus dem Lande benutzt und die Stadt Marienburg nach Aufnahme ihrer Bürger niederbrennen lassen, um den Gegnern keinen Unterschlupf oder Schutz zu lassen und freie Sicht auf das Kampfgelände zu bekommen. Den Angriffen auf die Burg wurde durch wiederholte kühne Ausfälle der Burgbesatzung begegnet. Hierdurch und durch eine von Pferdekadavern ausgegangene Seuche unter den Belagerern wurden die Gegner so geschwächt und entmutigt, dass sich Jagiello nach zwei Monaten zum Abbrechen der Belagerung gezwungen sah. Sein Entschluss wurde noch durch den Abzug der litauischen Führer bestärkt, die auf eine Schwächung der Machtstellung Jagiellos bedacht waren. — Günstig wirkte sich auch aus, dass das livländische Ordensheer durch das Ermland ins Kulmer Land vorgedrungen und die meisten Burgen zurückerobert hatte. Außerdem kam der verbündete Schlesier Michael Küchenmeister mit einer starken Söldnertruppe vom Süden her zur Hilfe und säuberte das Gebiet westlich der Weichsel vom Feinde. — So folgte nach einem Waffenstillstande ein Vertrag vom 1. Februar 1411, der einen „ewigen Frieden" herbeiführen sollte, doch dem Orden schwere Opfer auferlegte. Er musste das weite Land Sumeiten zwischen dem preußischen und dem baltischen Gebiete an Litauen abtreten und an Polen einen hohen Geldtribut auf sich nehmen, der zur langdauernden, schweren Last für die ländliche und städtische Bevölkerung wurde.

 

Verhängnisvoller wirkte sich aber eine andere Folge der Niederlage von Tannenberg aus, denn sie hatte des Ordens Schwäche gegenüber den vereinigten Gegnern offenbart, wodurch eine Reihe von Städten seines Herrschaftsgebietes, die ohnehin eine dem Zeitgeiste entsprechende Mehrung ihrer Eigenrechte erstrebten, zu bewaffneten Aufständen ermutigt worden sind, um die Ordensgewalt abzuschütteln. Da die Polen diese Aufstände unterstützten, entstanden lange aufreibende Kämpfe mit dem Erdergebnis, dass der Orden in einem zweiten Thorner Frieden von 1466 Westpreußen an Polen abtreten musste. — Die Tragik dieses Gebietsverlustes wird durch die geschichtlichen Tatsachen erhellt, dass das Weichselland, wie Cornelius Tacitus in seinem 98 n. Chr. erschienenen Buche „Germania" feststellt, damals der germanischen Goten Wohngebiet war. Dem späteren Einsickern der Slaven dorthin infolge des Hunneneinbruchs in Europa und Zurückweichens deutscher Stämme gen Westen haben erst die Sachsenkaiser Halt geboten und erst 1772 konnten Weichsel- und Warthelandschaft wieder Deutschland eingegliedert werden, als das in sich verfallene Polen zwischen Russland, Österreich und dem Staate Friedrich des Großen geteilt wurde. —

 

Das Ende der preußischen Ordensherrschaft kam zeitgemäß, als sich die Reformation im nördlichen Mitteleuropa durchgesetzt hatte, der Hochmeister Albrecht von Brandenburg selbst Protestant wurde und das ostpreußische Ordensgebiet in ein erbliches Herzogtum umwandelte. Wie dieses nicht lange nachher als wertvoller Bestandteil im Staate der Hohenzollern aufging und ihm den Namen Preußen gab, gehört wie sein hier geschilderter Ursprung zu den wichtigsten Kapiteln der deutschen Geschichte.

 

Den Abschluss der Schilderung deutscher kultureller Kolonisationsarbeit im Osten bilde noch der Bericht von der letzten Zeit der baltischen Ordensherrschaft. Sie geriet seit dem Unglück von Tannenberg infolge der geographischen Trennung ihres Gebietes vom preußischen im ersten Thorner Frieden in dauernde Bedrängnis durch die Bedrohung seitens ihrer neidischen und habgierigen Nachbarn und musste sich abwechselnd gegen Litauer, Polen und Russen verteidigen. Dass der Orden dort seine segensreiche Schutzherrschaft trotz dieser Unbilden noch über beinahe einundeinhalb Jahrhundert aufrecht erhalten konnte, ist hauptsächlich dem glänzenden Siege des Landmeisters Wolter von Plettenberg im Jahre 1502 über die Russen zu danken, denen dadurch über fünfzig Jahre Angriffe verleidet wurden. Doch im Jahre 1558, in welchem auch der letzte bedeutende deutsche Kaiser, Karl V., starb, war das Unheil nicht mehr abwendbar. Iwan der Schreckliche verwirklichte seinen Schwur, das Moskauer Reich bis zur Ostsee auszudehnen, mit einem gewaltigen Angriffe seiner Horden, die das Ordensheer überwältigten und schreckensvoll im Ordenslange wüteten. Tausende deutscher Bürger wurden niedergemetzelt, viele Tausende verschleppt. Die Hilferufe des Ordens ans Reich verhallten unerwidert. — So blieb den von größter Not Getroffenen nur der Ausweg, die weniger Schlimmen unter den Feinden zu wählen und sich ihrem Schutze anzuvertrauen. In Betracht kamen Polen und Schweden. Gotthard Kettler, letzter Ordensmeister, entschied sich für Polen, und Livland schloss sich ihm an. Kettler erhielt dafür Kurland, den Landstrich südlich der Düna mit der Hauptstadt Mitau als ein Herzogtum unter polnischer Oberhoheit verliehen, wo seine Nachkommen noch 150 Jahre regierten. Estland suchte und fand Schutz bei den Schweden. — Im Jahre 1561 fand auch die baltische Ordensherrschaft ihr Ende.

 

Damit endet ein für Europas Antlitz und Leben eminent wichtiger Zeitabschnitt. Die in ihm vollbrachte deutsche Leistung hat sichtbare bleibende Zeugnisse in Backsteinbauten des Ordensstils, deren erhabendstes Denkmal die Marienburg ist. Und im Geschichtsbuche bleibt verzeichnet, dass die 1201 von Bremensern gegründete Kulturstätte Riga ihre Stellung als Freie deutsche Reichsstadt trotz aller Widrigkeiten bis zum Jahre 1581 behauptete; dass ein Leibniz als unversellster Geist seiner Zeit außer in Berlin und Wien auch in Petersburg um 1700 eine Akademie der Wissenschaften ins Leben rief, für die nur deutsche Gelehrte in Betracht kamen, und dass diese Akademie in der russischen Hauptstadt in ihrer Zusammensetzung, in der Sprache und in ihren Veröffentlichungen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine deutsche war; schließlich, dass die deutsche Bevölkerungsgruppe im baltischen Raume als Pflegerin einer siebenhundertjährigen fruchtbaren deutschen Kultur bis zum Jahre 1918 naturgemäß führend war. —

 

 

Seite 2   Skandal um Kreisleiter Knuth

Der in der ostpreußischen Bevölkerung und selbst In den damaligen Parteikreisen übel berüchtigte Kreisleiter Knuth ist wieder aufgetaucht. Knuth lebte seit Kriegsende In Krukum (Schleswig-Holstein) unter falschem Namen und nannte sich Kurt Quedenfeld. Dort hatte er eine Süßmost- und Likörfabrik gegründet, und zwar mit Hilfe eines sehr großen Flüchtlingskredites. Die Höhe dieses Kredites soll sich auf 150 000 DM belaufen. Seine falsche Namensführung wurde aufgedeckt, als seine Fabrik jetzt in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Knuth war bekannt, lieh als Landesverwaltungspräsident der Ukraine und Gaustabschef des Volkssturmes in Ostpreußen gewissermaßen die rechte Hand von Gauleiter Erich Koch. Durch sein brutales und rigoroses Verhalten war Knuth überall gefürchtet und gehasst. Schon als KdF-Gauwart pflegte er seine Mitarbeiter mit der Reitpeitsche zu traktieren. Bereits in der Heimat wusste man sich zu erzählen, dass Knuth mehrfach vorbestraft gewesen sein soll, darunter auch mehrfach wegen betrügerischen Bankrotts.

 

In Schleswig-Holstein hatte Knuth es sogar bis zum BHE-Kreistagsabgeordneten geschafft, und nur durch das Eingreifen eines vernünftigen Mannes, wie uns berichtet wurde, wurde verhindert, dass Knuth auch als Abgeordneter des BHE in den Bundestag zog. Wie nun weiter berichtet wird, sollen führende Kreise des BHE von der Existenz des Knuth und dem Erhält des 150 000 DM Flüchtlingskredites gewusst haben. Es ist daher dringend erforderlich — und alle Heimatvertriebenen haben ein Recht darauf — dass diese Angelegenheit in aller Offenheit geklärt wird. Wir erwarten Antwort auf, den Skandal Knuth!

 

 

Seite 2   Auch Zivilinternierte kehrten heim. Viele Ostpreußen dabei

Nach längerer Pause sind in den Tagen seit dem 28. Dezember erneute Heimkehrertransporte aus der Sowjetunion in Deutschland eingetroffen. Mehrere tausend Männer, Frauen und Kinder konnten nach Jahren unermesslichen Leides die Schwelle zum Leben wieder überschreiten.

 

„Herzlich willkommen, im deutschen Vaterland", rief Bundeskanzler Dr. Adenauer, diesen ehemaligen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten im Lager Friedland zu, wo er einen der Transporte persönlich begrüßte.

 

Wie sich aus den in Bonn vorliegenden Unterlagen ergibt, sind seit September des vergangenen Jahres über zehntausend ehemalige deutsche Kriegsgefangene und Zivilverschleppte aus Russland entlassen worden. Annähernd 8000 von ihnen kehrten in die Bundesrepublik heim, der Rest fuhr in die Sowjetzone und nach Berlin. Nach Mitteilung des Heimkehrerverbandes standen am 15. Dezember 1953 noch 11 624 in der Sowjetunion zurückgehaltene Gefangene in Postverbindung mit der Heimat. Die Gesamtzahl der Nichtheimgekehrten, die lebend in Russland bekundet wurden, betrug 96 116.

 

 

Seite 2   Periphere Verteidigung. Von Herbert von Böckmann General der Inf. a. D.

Die Peripherie ist die Randbegrenzung einer Fläche, der Entschluss, sie zu verteidigen, bedeutet die Fläche, die von ihr umrandet wird, dem Angreifer zu überlassen, um sein Vorgehen erst an der Peripherie zum Stehen zu bringen.

 

Der Gedanke der „peripheren Verteidigung Europas“ ist im Verlauf der Auseinandersetzungen über die Bildung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft entstanden. Es bedeutet, dass man sich damit begnügen will einen von Osten her einbrechenden Feind erst an der jenseitigen Peripherie Europas, die etwa in der Linie England-Pyrenäen-Alpen gedacht sein mag, ernsthaften Widerstand zu leisten. Damit würden der deutsche und der französische Raum zum Vorfeld der geplanten Abwehrfront werden.

 

Und doch kann man denen, die eine solche Notlösung empfehlen, keine Vorwürfe machen. Sie sind dazu gezwungen, weil Europa zögert, die Streitkräfte zu schaffen, die nötig sind, um eine bessere, strategische Lösung anzustreben.

 

Eine Strategie, die Europa vor dem Einbruch eines Angreifers schützen soll, muss über eine bewaffnete Macht verfügen, die so stark ist, dass sie gegebenenfalls dem Feind im Osten des europäischen Bereichs entgegentreten kann. Dass die dazu nötigen Kräfte bereitgestellt werden können, ist nicht zu bezweifeln.

 

Weder das Hauptziel aller Politik, neuen Krieg zu verhindern, noch das Bestreben, nationale Belange zu wahren, entbindet die Verantwortlichen von der Pflicht, alles zu tun, was möglich ist, um der Gewalt mit Aussicht auf Erfolg begegnen zu können.

 

Sicherlich ist es, angesichts der vernichtenden Wirkung des modernen Krieges ein Verbrechen, politische Ziele mit Anwendung von Gewalt erreichen zu wollen. Aber nicht geringer ist die Schuld, welche die Politiker auf sich nehmen, wenn sie gegebenenfalls von den Sodaten verlangen würden, mit unzureichenden Kräften einen Angreifer abzuwehren, oder sich bei einer peripheren Verteidiung Europas zu opfern.

 

Man hat den Strategen vorgeworfen, dass sie nicht verstanden hätten, politisch zu denken. Nun scheint es so, als ob die Politiker die strategischen Folgen, die sich aus einer, der Lage nicht entsprechenden Verfahrensweise, ergeben können, unterschätzen.

 

Die Wandlung des Krieges findet ihren Ausdruck nicht nur in seiner Ausweitung und der zu erwartenden Schnelligkeit seines ersten Ablaufs, sondern auch in der Notwendigkeit einer innigen Verbindung zwischen Politik und Strategie, die vorausschauend und vorbeugend das tut, was der Erhaltung des Friedens und der Sicherheit Europas dient.

 

 

Seite 3   Immanuel Kant und wir. Zum 150. Geburtstag des großen Weisen von Königsberg.

Foto: Immanuel Kant im 67. Lebensjahre.

Foto: Das Kantdenkmal auf dem Paradeplatz in Königsberg

Unsere Bilder zeigen: das einstige Wohnhaus von Immanuel Kant zu Königsberg. Kant erwarb dieses schlichte Gebäude im Jahre 1783 und wohnte hier bis zu seinem Tode am 12. Februar 1804. Im Jahre 1893 musste das Haus, nachdem es durch Umbauten verändert worden war, abgerissen werden. – Die neu hergestellte Grabstätte Kants am Dom zu Königsberg. Sämtliche Aufnahmen: Alfred Kühlewindt

Vor hundertfünfzig Jahren – am 12. Februar 1804 – schloss Immanuel Kant in seiner Vaterstadt Königsberg, die er nie verlassen hatte, seine Augen. Die Bedeutung dieses großen Philosophen für die ganze Welt zeigt Hochschuldozent i. R. Dr. Friedrich Schroeder, der jahrzehntelang Mitglied der „Gesellschaft der Freunde Kants“ war und sich seit seiner Jugend der Kantforschung gewidmet hat, in nachstehenden Ausführungen auf.

 

Kopernikus, von deutschen Eltern in dem vom Deutschen Orden gegründeten Thorn geboren, „der den Gestirnen wieß die Bahn", ist in aller Munde. Der Mohrunger Herder, der Begründer der Völkerpsychologie, der Geschichts- und Kulturphilosophie, die zu Hegel, Comte, Nietzsche und den maßgebenden Köpfen der Gegenwart geführt hat, der Apostel der Humanität, gehört der Weltwissenschaft an. Der Königsberger Hamann, der „Magus des Nordens", hat seine Fruchtbarkeit bis zu Rudolf Ottos „Heiligem", Kierkegard, zur Dialektischen Theologie bewiesen. Der Danziger Schopenhauer, als der geistvolle Schüler Kants, ist der systematische Begründer des Pessimismus und erlebt in den verschiedensten Richtungen des Fühlens und Wollens immer aufs Neue seine Wiedergeburt.

 

Alle überstrahlt Immanuel Kant: Kein Licht der Welt, sondern ein ganzes strahlendes Sonnensystem auf einmal. Als Gelehrter stand ihm ein Universalwissen zur Verfügung, dass dem eines Aristoteles, eines Leibniz, eines Hegel nicht ungleich ist. Als Naturwissenschaftler gilt er als der Begründer, der modernen Kosmogonie. Als Philosoph stellt er das Ideal eines solchen dar. Die Aufgabe der Philosophie erblickt er in der Beziehung aller Erkenntnisse auf die wesentlichen und letzten Zwecke der menschlichen Vernunft. Die vier Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? umreißen seine Lebensarbeit. Diese zu lösen ist er als Präzeptor Germaniae der geeignetste und berufenste in seiner tiefgründigen Denkart, in seinem weitschauenden Orientierungsblick, in seinem ständigen sich überprüfen und in seinem kritischen von Besonnenheit getragenen Abwägen. Seine in strenger Selbstzucht errungene Persönlichkeit atmete ein Verantwortungsgefühl, für jeden und das Ganze, eine warme sittliche Reinheit und eine unbedingte Wahrheitsliebe. Der Weise steht also vor uns, der sich den Würdigsten unter den Erziehern der Menschheit zugesellt.

 

In der früheren Grabstätte Kants im Königsberger Dom sah man Raffaels Bild „die Schule von Athen" in einer gelungenen Nachbildung: symbolisch eine feinsinnige Huldigung und vorwärtsmahnende Wertung! Das für seine Zeit Bedeutsame, ja Erschütternde, in gewissen Perioden mit besondere! Stoßkraft vorbrechend, hat bis auf die Gegenwart seine Fruchtbarkeit bewiesen.

 

Der Mensch selbst als Bürger zweier Welten, einer in Raum und Zeit durch das Kausalgesetz gebundenen, aber auch in Selbstbestimmung und sittlicher Würde einer fast unbegreiflichen intelligiblen Welt angehörend, hat so die Gewissheit oder das Recht, die Postulate d. h. die regulativen Forderungen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit aufzustellen, als ob sie in unendlichen, selbsterkämpften Näherungsversuchen zu ahnen, zu erringen, zu betätigen wären. „Ich musste das Wissen aufheben, um dem Glauben Platz zu machen", sind seine oft angeführten Worte.

 

Sein Bruch mit traditionellen Denkgewohnheiten, seine einmal für richtig erkannte unentwegt beibehaltene Methode in systematischem Aufbau und erstrebter Architektonik, der ethische Wertgehalt seiner Darlegungen, die letzten Endes auf die Freiheit des Menschen als autonome Persönlichkeit und seine Würde und auf den endlichen Sieg der Vernunft im Weltgeschehen abzielen, haben auch etwas schlechthin Erhabenes.

 

Der sogenannten Aufklärung mit einer gewissen verflachenden Oberflächlichkeit und tendenziösen Einseitigkeit, einem Eklektizismus und rationeller Überschätzung wurde seiner Zeit Halt geboten und Humescher Zweifel an Wissen, Gewissen und Wahrheit durch seine umstürzenden Erkenntnisse und Überführungen entkräftet. So musste Kants Gesamtwerk, in 18 Bänden von der Preußischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben, ein Grundbuch für die Denker, Forscher und Philosophen nach ihm werden.

 

Das Fortleben Kants hält seine Weltgeltung wach. Auf allen Gebieten des Geisteslebens, besonders naturgemäß bei seinen engeren Fachgenossen, wenn man so sagen darf, wirken sich seine Probleme und Ideen fruchtbarst aus. Je nach Einstellung und Verwaltungsweisen greifen sie ihrer Eigenart gemäße Fragen heraus, die sie, oft in dem Bemühen, Unebenheiten auszugleichen oder Lücken an brüchigen Stellen auszufüllen, zu einem System ausbauen.

 

Die Periode des „Deutschen Idealismus" ist in Kant verwurzelt und philosophisch-ethisch untermauert. Hervorzuheben ist dabei ganz besonders sein weltanschaulich-schöpferischer Einfluss auf Schiller, der durch ihn als einen ihm adäquaten Geist auf einer gewissen Stufe seiner Höherführung Betätigung und Ermutigung seiner auf das Heroische abzielenden Natur erfuhr, lag doch hinter beiden „in wesenlosem Scheine, das, was uns alle bändigt, das Gemeine.

 

Auch Goethe hat ihn nicht ohne Gewinn studiert.

 

Fichte wurde das Studium Kants zur geistigen und sittlichen Wandlung. Das mysteriöse „Ding an sich" formte sich ihm zum schöpferischen Willen, zu sich selbst erfassenden moralischen Ich, das sich in Pflichterfüllung und Recht tun, im Leben für den andern und das Gemeinwesen, im Handeln „über sich selbst hinaus" kundtut.

 

Die führenden Staatsmänner, die Vertreter der ostpreußischen Landstände, Stein, York, W. v. Humboldt waren von Kant'schem Geist in strenger Zucht und selbstloser Aufopferungsbereitschaft der Tradition des Deutschen Ordens getreu durchdrungen. Wie die Welt anders ausgesehen hätte, wären die Preußen, die Sieger von Leipzig, nicht dagewesen oder hätte Blücher bei Waterloo nicht die katastrophale Entscheidung gebracht!

 

Dem allumfassenden Werke Hegels ging besonders in seinen jüngeren Jahren ein gründliches Studium Kants vorher, den er auch trotz seiner späteren Distanzierung von ihm stets dankbar anerkannt hat. Schopenhauer bezeichnet Kants Lehre als die Eingangspforte zu seiner eigenen Philosophie und kommt in sämtlichen sechs Bänden auf ihn anerkennend zu sprechen.

 

Auch Nietzsches Philosophie ist eine Philosophie des Willens und hat gerade durch das herausfordernd Gegensätzliche in seiner Weltbetrachtung das Augenmerk auf ihn gelenkt.

 

Als sodann die Periode des deutschen Idealismus abgeflaut und allzu eifrige Schüler Hegels, ohne seine Größe und seinen Schwung, sich in Begriffsspielereien und Überkonstruktionen verloren, die dem empirischen Wissen und Leben nicht gerecht wurden, erscholl in den sechziger Jahren der Ruf: Zurück zu Kant!

 

Man besann sich seiner Grundhaltung und der Grenzen des Menschseins und seines Wissens und Forschens und suchte sich Kraft und Trost zu holen bei ihm in den ewig ungelösten Fragen.

 

So entstand der Neukantianismus; so die sich bald über alle kultivierten Länder ausdehnende Kantgesellschaft. Die Kant-Gedächtnisfeiern 1904, 1924 führten zu neuer Besinnung und Kristallisierung. Auch Nikolai Hartmann oder Husserl gaben ihre Abhängigkeit zu.

 

Mit durch Vaihingers Philosophie des „als ob" ist K. ebenfalls ins englisch-amerikanische Schrifttum, so bei Alexander oder Whitehad oder Dewey gedrungen. „Kant is a perennually attentive figure" heißt es in Lindsays Kant. It is the fundamental examination of the human mind itself."

 

Auch Jaspers der hochbedeutende Psychiater, Lebens- und Kulturphilosoph, der Einzige, der unter den Existentialisten tatsächlich von bleibender Bedeutung ist, bezeichnet Kant als Ahne und Wegweiser zum weisen Philosophieren neben Bruno und Spinoza.

 

Selbst verschiedene Physiker und Atomforscher sind in Kants Werken zu Hause, wenn sie natürlich auch im Physikalisch-Chemisch-Technischen eigene bisher nicht beschrittene Wege gehen.

 

Es ist nur erfreulich, dass eine Schweizer Zeitschrift die Schändung von Kants Grab schließlich mal als etwas Unerhörtes, Asiatisches hinstellt. „Solange das Grab des größten abendländischen Philosophen nicht wieder von einem europäischen Volk geschützt wird, steht Europa in Todesgefahr."

 

Dass Kant tatsächlich lebt und eifrigst studiert wird, habe ich selber nicht versäumt in den Bibliotheken, Vorträgen und Wissenschaftlichen Darbietungen festzustellen, wo es auch immer im fremdsprachigen Ausland gewesen ist, ob es in Upsala, Oxford, Grenoble, Lausanne usw., zuletzt noch in New York war.

 

In einer Zeit des rücksichtslosen Existenzkampfes und verbrauchter Nerven, andererseits bewusster Ökonomisierung des Arbeitsprozesses ist Kants Schriften „Von der Macht des Gemüts durch den bloßen Vorsatz seiner Gefühle Meister zu sein" nicht bloß ein Schlüssel zu seiner inneren, gewissermaßen privaten Persönlichkeit, sondern auch eine Fundgrube heilsamer Anregungen. Der bekannte Arzt Hufeland hat das damals schon gewürdigt.

 

Weiter entspringt aus der Beschäftigung mit Kants Schriften eine tiefsehende Verstandesschulung, eine Aufrüttlung und ein Gewahr werden innerer produktiver Kräfte, ein heterözischer Nutzen auf dem Wege anhaltender Sammlung und klarer Zielsetzung. Goethe hat einmal gesagt, wenn er Kant lese, sei ihm, als wenn er in ein helles Zimmer trete. Von den kleineren anmutig humorvoll, ja oft witzig gehaltenen fast populären Schriften bis zu den begrifflich am meisten anstrengenden großen Kritiken stellen sie eine progressive Schulung des Erfassens vom Sinn, umschichtigen Zusammenhang, Grund und Endabsicht dar.  

 

Gerade, dass man bei Kant nur mit Mühe und Fleiß sich zu den letzten Erkenntnissen und Wahrheiten erst hindurchringen muss, haben seine Werke besonders in Seminaren und Übungen ihren zweckmäßigen Platz und fruchtbarsten Boden gefunden, überall mahnen uns und warnen uns die hervorragendsten Eigenschaften des Philosophen: seine Gewissenhaftigkeit, ein unentwegtes Verantwortungsgefühl, Vornehmheit und Würde bei Abwehr wie beim Angriff, sein zähes, vorsichtiges Arbeiten.

 

Seine Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik entlarvten Scharlatanerie und Hokuspokus, Superstition und Phantastereien des damaligen Schweden Svedenborg und machen den Garaus der Psychose gewisser Moderichtungen, die von Zeit zu Zeit die Menschheit durchrasen. So ist das Studium Kants ein Waffen und Wehr der Übergriffe einer unwissenschaftlichen Para- wie Tiefenpsychologie und Psycho-Analyse. Trotzdem erste Autoritäten der Wissenschaft ihren Bereich abgesteckt haben, tauchen die „Komplexe" und „deren Verdrängung“ im literarischen und kulturellen Leben unvermindert auf.

 

Seine Beobachtungen über das Schöne und Erhabene sind auch heute noch ein Damm gegen einseitige überhebliche, schädliche Strömungen, die sich sensationslüstern, oft sexueller Tendenz, breitspurig unreifer Volksmassen bemächtigen. Das wahrhaft Schöne erfüllt uns ohne mindeste Regung von Begierde und Sinnenreiz mit ruhigem Wohlgefallen aus der reinen Kontemplation weder aus den niederen noch oberen Begehrungsvermögen stammend. Unsere Sinnen- und Verstandeskräfte im freien Spiel lustvoller Harmonie erfassen den ganzen Menschen, lösen uns vom Druck der äußeren Welt und teilen uns auf das eigene Ich. Nicht mehr Sklave des Willens, schwindet bei uns die Schwere des Irdischen und lässt als „weltliches Evangelium" die verwirrten Irrgänge der Erde in Vogelperspektive vor uns liegen.

 

Noch imposanter und ergreifender sind seine Ausführungen über das Erhabene. Sie bilden eine Zentralstelle und sind schlechthinniger Ausdruck seines Lebens und Wirkens. Die Worte am Schluss der Kritik der praktischen Vernunft: Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der besternte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir, sind Besitz aller Kulturvölker geworden. Als Naturwesen dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen, empfinden wir zunächst niedergedrückt die Nichtigkeit unserer winzigen Körperlichkeit, eine Hemmung unserer Lebenskräfte, dann aber sind die Schrecken überwunden. Es entsteht ein lustbetontes Gefühl. Die Idee des Übersinnlichen regt sich innen, dass wir jeder sinnlichen Größe überlegen sind. Wir werden eine sinnliche Kraft gewahr in uns, die der Naturgewalt außer uns überlegen trotzt, einen übermächtigen Willen und selbständige Vernunftbewusstsein von Menschenwürde, das das Naturrecht bricht und in sich ruhend selbst erhaben ist.

 

Immer wieder hören wir seinen Appell heraus an das Edle und Charakteristische im Menschen in seiner Würde und Freiheit, mit seinem Gewissen und kategorischen Imperativ, seinem Pflichtgefühl und guten Willen, seinem Rechtssinn im Gemeinschafts-, Staats- und Völkerleben und seiner sozialen Betätigung.

 

Die Unsterblichkeit, die Beharrlichkeit von Seele und moralischen Willen sei des Schweißes der Edlen wert. Die völlige Angemessenheit des Willens zum moralischen Gesetz ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem Zeitpunkte seines Daseins fähig sei.

 

Kant hat den unbedingten Glauben an die Gewissheit der menschlichen Freiheit und an die Selbstentscheidung des vernünftigen Willens. Der Mensch hat eine Würde. Er ist Zweck in sich selbst und hat als solcher einen absoluten Wert. In den Gewissen, oder, wie er es lieber nennt, in dem kategorischen Imperativ wird ihm seine Pflicht aus Achtung vor dem Sittengesetz vorgeschrieben. „Du sollst, wenn du kannst" ist das Fundament seiner Ethik. In Schillerscher Fassung „Nehmt die Gottheit auf in euern Willen und sie steigt von ihrem Weltenthron". Treueste Pflichterfüllung ist ihm oberstes Gesetz. Die Gesinnung, aus der heraus unser Handeln sich vollzieht, und der gute Wille bei der Aufbietung aller Kräfte allein sind maßgebend, nicht Ertrag und Erfolg. „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden als ein guter Wille." Daraus folgt auch unbedingte Wahrheitsliebe, die eine jede Lüge, auch die Notlüge als menschenunwürdig verwirft.

 

Die entwickelten Grundsätze will Kant auch auf das Gemeinschafts-, Staats- und Völkerleben ausgedehnt wissen. „Das Recht ist das Heiligste, was Gott auf Erden hat. Es ist der Augapfel Gottes. Die bekannten Worte „Fiat justitia pereat mundus" akzeptierte er so, Gerechtigkeit solle herrschen, auch wenn alle Schelme der Welt darüber zu Grunde gehen. Sonst habe es keinen Wert mehr, dass Menschen leben. Dieses Recht dürfe nie der Politik angepasst werden.

 

Zu seiner Abhandlung „Zum ewigen Frieden" vom Jahre 1795 wird unter dem Drucke der schreckensdrohenden Gegenwart und im Zuge einer globalen Weltsicherung erneut gegriffen. Kerngedanken und praktische Vorschläge lösen darin einander ab; und manches ist schon Gemeingut des Gebildeten geworden. Der Völkerbundgedanke geht letzten Endes auf ihn zurück.

 

Wie weit sind wir heute noch davon trotz Völkerbund, Genfer Konvention und Haager Beschlüssen und der UNO entfernt! Die geheime Kabinettspolitik Metternich-Talleyrandscher Prägung sucht unter dem Schein irgend eines in Wirklichkeit nicht bestehenden, nur angemaßten Rechts chauvinistische Ziele zu verwirklichen, und unbegreiflich-kurzsichtige Expansionsgelüste, ob im Norden oder im Westen, dank Jalta und Potsdam, machen sich breit.

 

Nun, da das „Tier" zur Strecke gebracht, wird es gewissermaßen ohne alle Weitschau ausgeschlachtet. Der marxistische Imperialismus wirft sich als Beschützer eines All-Slawentums und von Länderannektionen auf, die wohl eine Spanne Zeit nach dem Zurückweichen germanischer Stämme von Wenden, Liutizen u. a., nie aber von Polen bewohnt gewesen sind.

 

Kants optimistische Grundhaltung, sein Glaube an den Fortschritt bei zunehmender Selbsterkenntnis der menschlichen Vernunft hat ihn von einer scharf kritischen Urteilsabgabe über Duldung zum Positiven, über die Postulate zur Gewissheit erzogen.

 

So strahlt von ihm und seinem Werk ohne Euphemismus viel besonnene Kraft und überzeugende Hilfe auch für uns aus, die wir in einer in den Grundfesten schwer erschütterten Zeit leben und da ein falsch verstandener Relativismus und Subjektivismus den Schutz und Damm von bewährten Gepflogenheiten, Lebensbräuchen und festeingewurzelten weltanschaulichen und religiösen Bestimmtheiten zu durchbrechen droht. Kant gab uns wieder den Glauben an die Imponderabilien. In unserer Persönlichkeit ein Höchstmaß von Edelkraft heraus zu meißeln, heißt den Fortschritt der Kultur verbürgen. Ein gesunder, Utopien abholder Idealismus, der in Sachlichkeit und Objektivität den Sinnen traut, wenn der Verstand sie wach und im Maß erhält und der von der unzerstörbaren, machtvollen Idee, vom Ganzen zum Ganzen, unentwegt durchdrungen ist: ein Optimismus, der seines Sieges über den dumpfen Widerstand der Welt, ihre Oberflächlichkeit und Unzulänglichkeit des Alltagslebens mit seinem veräußerlichten Glückseligkeitshange gewiss ist, sind seine Fackeln des Geistes und müssen unsere Losung sein!

 

In Achtung vor dem Göttlichen in uns und in errungener Harmonie unserer Geistes- und Seelenkräfte zieht bei uns jene Stille, Bescheidenheit und Gefasstheit der echten Persönlichkeit ein, die das höchste Glück der Menschenkinder ist. Selbst Leiden und der uns allen unfassbare Tod können unsern Heroismus nicht, wie es genügsam unser Volk bewies, aus der Bahn oder gar zu Fall bringen. So ist dem Tüchtigen diese Welt nicht stumm Arbeiten und nicht verzweifeln, so lange es Tag ist, mag die Erde auch in ihrem Entwicklungsgange wenig menschenfreundliche Bahnen einschlagen.

 

 

Seite 4   Elsa Bernewitz, Wetter überm Gottesländchen, Roman, 336 Seiten, Ln. 9,80 DM. Verlag Ernst Kaufmann, Lahr/Baden, Alleestraße 2.

Wetter überm Gottesländchen ist ein Frauenroman, der in feiner Weise die Probleme aufzeigt, die auch in einer glücklichen Ehe auftreten können. Das Buch spielt auf einem ländlichen baltischen Pfarrhofe und die junge Pfarrfrau, Elisabeth Beckkrath, ist die Hauptgestalt, eine zarte Frauengestalt, die man lieben muss. Sie leidet unter ihrer Kinderlosigkeit und sie fürchtet die Entfremdung ihres Mannes, aber ihre Liebe und ihr Gottvertrauen sind stärker. Das Buch ist auch ein zeitgeschichtlicher Roman, anfangs erlebt der Leser noch das Leben im alten Baltenlande, doch dann kommt das Wetter, der Umsturz. Elisabeth und ihr Mann erleiden gemeinsam den Tod. Elsa Bernewitz verfügt über eine dichterisch feine Sprache die das Buch zu etwas Besonderem macht, es eignet sich sehr gut zum Vorlesen und wird weite Leserkreise ansprechen. G. v. Selle

 

 

Seite 4   Kriegsschadenrente für Vertriebene nach dem Lastenausgleichs-Gesetz

Nach dem Soforthilfegesetz erhielten Vertriebene, die das vorgeschriebene Lebensalter erreicht hatten oder arbeitsunfähig waren. Unterhaltshilfe, sofern sie keine Einkünfte hatten oder ihre Einkünfte den für die Unterhaltshilfe gesetzten Richtsatz nicht überschritten. Das Lastenausgleichsgesetz, das das Soforthilfegesetz ablöste (es trat am 01.09.1952 in Kraft) gibt den Vertriebenen ebenfalls die Möglichkeit, Unterhaltshilfe zu beantragen. Die Unterhaltshilfe ist eine Form der Kriegsschadensrente. Sie dient, wie das Gesetz sagt, der Sicherung der sozialen Lebensgrundlage, d. h. sie wird als Sozialleistung nach einheitlichen Sätzen gezahlt.

 

Die Entschädigungsrente ist die zweite Form der Kriegsschadensrente. Sie ist ein Ausgleich für ein durch die Vertreibung verlorengegangenes Vermögen. Die Höhe der Entschädigungsrente richtet sich nach dem für den erlittenen Vermögensschaden errechneten Grundbetrag. Sie kann entweder neben der Unterhaltshilfe oder als selbständige Rente gewährt werden. Sowohl die Unterhaltshilfe als auch die Entschädigungsrente werden nur gewährt, wenn die Einkünfte des Antragstellers den Einkommenshöchstbetrag, auf den ich noch zu sprechen komme, nicht überschreiten.

 

Wer kann Unterhaltshilfe beantragen?

Jeder Geschädigte, der einen Vertreibungsschaden, Kriegssachschaden, Ortsschaden oder Sparerschaden erlitten hat, ist antragsberechtigt. In diesem Aufsatz will ich nur dem Personenkreis der Vertriebenen dienen.

 

Was ist ein Vertreibungsschaden?

Die Erklärung gibt der § 12 LAG. (Lastenausgleichsgesetz). Er muss einem Vertriebenen im Zusammenhang mit den gegen Personen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit gerichteten Vertreibungsmaßnahmen in den deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie oder in Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Gebietsstand vom 31.12.1937 entstanden sein und zwar:

1. an Wirtschaftsgütern, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes gehören;

 

2. an folgenden Wirtschaftsgütern, soweit sie nicht unter Ziff. 1 fallen:

a) an Gegenständen, die für die Berufsausübung oder für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind;

b) an Hausrat;

c) an Reichsmark-Spareinlagen;

d) an anderen privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen als Reichsmarkspareinlagen;

e) an Anteilen an Kapitalgesellschaften, sowie an Geschäftsguthaben, bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;

 

3. als Verlust von Wohnraum;

 

4. als Verlust der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage.

 

Es ist nicht Zweck dieses Aufsatzes, auf die soeben aufgeführten Schäden noch im Einzelnen einzugehen.

 

Lebensalter des Antragstellers.

Kriegsschadensrente (Unterhaltshilfe oder Entschädigungsrente) erhalten die männlichen Geschädigten, die bei Antragstellung das 65. Lebensjahr, die weiblichen das 60. Lebensjahr vollendet haben, und vor dem 1. Januar 1890 (Frauen vor dem 01.01.1895) geboren sind. d. h. Geschädigte können bis 31.12.1954 einen Antrag auf Gewährung der Kriegsschadensrente stellen. Wenn die Geschädigten nach diesem Termin das 65. bzw. 60. Lebensjahr vollendet haben, können sie nicht mehr in den Genuss der Kriegsschadensrente gelangen.

 

Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers.

Hat der Antragsteller das vorgeschriebene Lebensalter nicht erreicht, ist er aber außerstande, durch Arbeit die Hälfte dessen zu verdienen, was er als gesunder Mensch in seinem Beruf hätte verdienen können, so wird ihm als Erwerbsunfähigen ein Antragsrecht auf Kriegsschadensrente zuerkannt. Die Erwerbsunfähigkeit muss bei Antragstellung vorgelegen haben oder innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes (01.09.1952) eingetreten sein. Ist also die Erwerbsunfähigkeit nach dem 01.09.1953 eingetreten, so kann er nicht in den Genuss der Kriegsschadensrente einsteigen.

 

Eine alleinstehende Frau, die bei Inkrafttreten des LAG. für mindestens drei zu ihrem Haushalt gehörende Kinder zu sorgen hat, die das 15. Lebensjahr, soweit sie in Schul- oder Berufsausbildung sind, das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen Gebrechlichkeit dauernd pflegebedürftig sind, ohne Rücksicht auf das Lebensalter, ist ebenfalls berechtigt einen Antrag auf Kriegsschadensrente zu stellen. Sie wird den Erwerbsunfähigen gleichgestellt Vollwaisen die das 15. Lebensjahr oder das 19. Lebensjahr, wenn diese sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder wegen Gebrechlichkeit dauernd arbeitsunfähig sind, sind ebenfalls antragsberechtigt. Sind die Eltern der Kinder noch in Kriegsgefangenschaft oder vermisst, so sind sie den Vollwaisen gleichgestellt. Dass der Antragsteller am 31.12.1950 im Bundesgebiet oder Berlin-West gewohnt haben muss, um überhaupt antragsberechtigt zu sein, wird hier nur am Rande bemerkt. Deshalb wird auf den Personenkreis, der diesen Stichtag nicht zu erfüllen braucht, nicht näher eingegangen.

 

Sachliche Voraussetzungen

Wie bereits erwähnt, ist der Geschädigte berechtigt, sofern er die personellen Voraussetzungen erfüllt hat, einen Antrag auf Kriegsschadensrente zu stellen, wenn er einen Vertreibungsschaden erlitten hat. Für die Unterhaltshilfe ist die Ermittlung eines Schadensbetrages nicht erforderlich. Die Ermittlung des Schadensbetrages gewinnt erst für die Festsetzung der Entschädigungsrente an Bedeutung.

 

Jeder Vertriebene, der durch die Vertreibung seine berufliche oder sonstige Existenzgrundlage verloren hat und sich dieser Verlust heute noch auswirkt, kann diesen Verlust als Voraussetzung für die Zahlung der Unterhaltshilfe geltend machen. Während bei Kriegssachgeschädigten der Verlust einer Existenz erst dann anerkannt wird, wenn die Einkünfte aus den Jahren 1937, 1938 und 1939 den Betrag von DM 35,-- überstiegen, wird bei Vertriebenen, die nicht ihren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend aus Leistungen der öffentlichen Fürsorge bestritten haben, vermutet, dass sie durch die Vertreibung ihre berufliche oder sonstige Existenzgrundlage verloren haben.  Auch der Antragsteller, der zur Zeit der Vertreibung bereits Rente aus der Sozialversicherung erhielt und den diese Rente nach der Vertreibung wieder gewährt wird, kann Unterhaltshilfe erhalten, weil vermutet wird, dass er vor der Vertreibung neben seiner Sozialrente noch andere Einkünfte gehabt haben muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Denn allein durch die Sozialrente wird es ihm nicht möglich gewesen sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch die Leistungen seiner Verwandten (gleichgültig, ob freiwillige oder gesetzlich verpflichtete Leistungen) werden als Existenzgrundlage anerkannt, sofern diese Leistungen nach der Vertreibung weggefallen sind und dieser Verlust im ursächlichen Zusammenhang mit der Vertreibung steht. Nur die Antragsteller, wie bereits erwähnt, die vor der Vertreibung aus Mitteln der öffentlichen Fürsorge unterstützt wurden, gehen leer aus. Ihnen bleibt die Unterhaltshilfe versagt.

 

Höhe der Unterhaltshilfe.

Die Unterhaltshilfe beträgt für den Antragsteller DM 85,-- monatlich. Sie erhöht sich um DM 37,50 für seine nicht von ihm getrennt lebende Ehefrau oder für eine Pflegeperson und um DM 27,50 monatlich für jedes Kind, das das 15. Lebensjahr oder das 19. Lebensjahr, wenn es sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet, noch nicht erreicht hat. Für Kinder, die wegen Gebrechlichkeit dauernd arbeitsunfähig sind, wird der Familienzuschlag in Höhe von DM 27,50 ohne Rücksicht auf ihr Lebensalter gewährt. Voraussetzung ist natürlich, dass die Kinder sich im Haushalt des Geschädigten befinden.

 

Unterhaltshilfe für Vollwaisen.

Vollwaisen erhalten Unterhaltshilfe, jedoch nur auf Zeit, in Höhe von monatlich DM 45,--. Die Unterhaltshilfe wird eingestellt, wenn die Vollwaise das 15. oder wenn sie noch in Ausbildung steht, das 19. Lebensjahr vollendet hat, und zwar mit dem Ende des Monats, in dem dieses Ereignis eingetreten ist.

 

Unterhaltshilfe auf Lebenszeit

Wie bereits erwähnt, wird bei Vertriebenen der Verlust einer Existenz durch die Vertreibung vermutet. Der Antragsteller erhält die Unterhaltshilfe somit auf Lebenszeit. Voraussetzung ist, dass der Verlust sich heute noch auswirkt. Der Verlust einer Existenz kann unterbrochen werden durch Neugründung einer Existenz. Hat z. B. eine Frau einen Existenzverlust nachgewiesen und nach der Vertreibung einen Nichtgeschädigten geheiratet, so ist sie nicht mehr antragsberechtigt. Durch die Wiederverheiratung ist der durch die Vertreibung verursachte Existenzverlust unterbrochen. Ein anderes Beispiel: Ist eine Frau bereits vor der Vertreibung geschieden und der Ehemann durch Urteil verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, liegt wohl ein Existenzverlust vor, wenn der Ehemann entweder arbeitsunfähig ist oder das vorgeschriebene Lebensalter (65 Jahre) erreicht hat. Dann ist der geschiedenen Frau die Unterhaltshilfe in Höhe von DM 85,-- zu gewähren. Hat aber der geschiedene Ehemann nach der Vertreibung für den Lebensunterhalt seiner von ihm geschiedenen Ehefrau gesorgt, so ist der Existenzverlust unterbrochen. Die geschiedene Ehefrau hat somit ihr Recht auf Gewährung der Kriegsschadensrente verloren. Stirbt der unmittelbar Geschädigte, dem bereits Unterhaltshilfe gewährt wurde, so endet die Zahlung mit dem letzten Tage des auf den Todestag folgenden Monats. War aber der Berechtigte im Zeitpunkt des Inkrafttretens des LAG. verheiratet, so erhält seine nicht dauernd von ihm getrennt lebende Ehefrau die Unterhaltshilfe. Voraussetzung ist natürlich, dass sie vor dem 1. Januar 1895 geboren ist oder im Zeitpunkt des Todes des Ehegatten das 60. Lebensjahr vollendet hat oder erwerbsunfähig ist. Sie erhält die Unterhaltshilfe vom Beginn des auf den Todestag folgenden übernächsten Monats ohne neuen Antrag. Die alleinstehende Tochter, die sich im Haushalt des Empfangsberechtigten befand und ihn gepflegt hat, erhält nach dessen Tode die Unterhaltshilfe ebenfalls weiter. Sie wird genauso versorgt wie die Ehefrau, die nicht dauernd von dem Antragsberechtigten getrennt lebte.

 

Über Anrechnung von Einkünften, Krankenversicherung und Sterbegeld und insbesondere über Entschädigungsrente werde ich in meiner nächsten Fortsetzung schreiben. (Fortsetzung folgt). Fritz Pfützenreuter, Bonn

 

 

Seite 4   Dr. Schlicker im Vertriebenenministerium

Das Pressereferat des Bundesvertriebenenministeriums ist vom 15. Dezember ab in Nachfolge des bisherigen Referenten, Herrn v. Wilpert, dem das DP-Referat übertragen worden ist, mit Dr. Schlicker besetzt worden. Dr. Schlicker war früher Chefredakteur der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ und zeitweilig Vertreter des Deutschen Nachrichtenbüros in Königsberg. Er ist 53 Jahre alt, stammt aus Ostpreußen und gehört dem Gesamtdeutschen Block/BHE an.

 

 

Seite 4   Bundespost-Kalender

Der Deutsche Bundespost-Kalender für das Jahr 1954 ist in 20. Folge soeben im Konkordia-Verlag, Frankfurt (Main), Jahnstraße 43, erschienen. Er umfasst 140 Blätter Kunstdruckpapier, davon 27 farbige Blätter und 12 ganzseitige Kunstbeilagen aus dem Post- und Fernmeldegebiet. Von den 27 farbigen Blättern sind 8 zur Verwendung als Postkarte eingerichtet.

 

Der Kalender steht unter dem Leitgedanken „Deutsche Bundespost und Technik“ wobei nicht nur die Technik des Fernsprech-, Telegraphen- und Funkdienstes gemeint ist, sondern auch die Mechanisierung im Postbetriebs-, Postscheck-, Postsparkassen- und Kraftpostwerkstättendienst.

 

Die geschickte Verteilung der leicht verständlichen technischen Bilder, Landschaftsaufnahmen, Schwarz-Weiß- und Farbzeichnungen sowie der prachtvollen Kunstblätter über das ganze Jahr, machen seine häufige Betrachtung abwechslungsreich und interessant. Er wird sich viele neue Freunde zu den alten erwerben. Konkordia-Verlag; Frankfurt (Main), Jahnstraße 43, Preis: 6,50

 

 

Seite 5   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb.) Gotenstraße 33

Nutze die Zeit! Unter diesem Losungswort für 1954 möge das neue Jahr allen ost- und westpreußischen Turnerinnen und Turner recht viel Lebens- und Arbeitsfreude und reichen Ertrag bringen. Möge es ein Jahr gesunden weiteren Aufstiegs und vor allem das Jahr der Rückkehr auch des letzten Kriegsgefangenen und zugleich der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit werden. Das walte Gott!

 

Allen im Januar Geborenen einen herzlichen Geburtstagsglückwunsch, ganz besonders

 

Bruno Wagnitz (KMTV 1842) der am 02.01.1954 und Frau Friedel Wölk (KMTV 1842), die am 22.01.1954, ihr 60. Lebensjahr vollenden,

 

Franz Richter (Zoppot) und Reinhold Sadowski (Lyck), die beide am 02.01.1954, 70 Jahre alt werden, und

 

Otto Beutner (KMTV 1842), der am 24.01.1954, auf 75 Lebensjahre zurückblicken kann.

 

Ihnen allen ein kräftiges Gut Heil!

 

Dr. Alfred Wolff, 1. Vorsitzender des Königsberger Turnclubs, hätte am 2. Weihnachtsfeiertage 1954 die Schwelle zum achten Jahrzehnt überschritten. Wir gedenken seiner als eines Mannes, der sein ganzes Leben Jahns Zielen und der deutschen Jugend gewidmet hatte. In Leipzig geboren und dort bereits 10 Jahre als Vorturner und Übungsleiter in einem Turnverein tätig, folgte er 1909 einer Berufung nach Stallupönen (Ebenrode) an das Staatl. Reformgymnasium als Studienrat. 1935 wurde er nach Königsberg (Pr.) versetzt. Neben seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit widmete er sich mit großer Liebe auch dem Schulturnen und dem Vereinsturnen. In der Deutschen Turnerschaft wurden sein Rat und seine unermüdliche Arbeit für die Jugend hoch geschätzt. In Stallupönen und in Königsberg war er Vereinsvorsitzender, auch die Führung des Ostpr. Grenz- und Memelgaues und des Turnbezirks Gumbinnen waren ihm anvertraut. In der Staatlichen Jugendpflege vertrat er die DT und war selbst Kreisjugendpfleger von 1927 - 1933. Die Ehrenurkunde des Pr. Ministers für Volkswohlfahrt, die Ehrenbriefe des Turnkreises I Nordost und der Deutschen Turnerschaft waren eine bescheidene Anerkennung seiner hohen Verdienste.

 

Seine Lebensaufgabe war die Betreuung und Ertüchtigung der Jugend; ihr opferte er jede freie Minute; sie bestimmte auch sein Schicksal! Getreu seiner hohen Pflichtauffassung blieb er in Königsberg, bis seine Familie und die ihm anvertrauten Kinder die Stadt verlassen hatten. Dann erst versuchte er zusammen mit seinem Hausnachbarn, Bezirks - Schornsteinfegermeister Zeep nach Pillau zu kommen. Beide gerieten dabei in russische Gefangenschaft. Von einem zum Ural gehenden Zivillistentransport wurde er am 15.02.1945 schwer darmkrank auf Gut Biothen bei Kuxtern, 13 km westlich Tapiau zurückgelassen. Seitdem fehlt jede Spur. Dr. Alfred Wolff ist verschollen. Aber für uns Turner lebt er mit seinem Gedankengut und seiner hohen Geistesart als Vorbild für unsere Arbeit fort. Sein Name ist aus der ostpreußischen Turngeschichte nicht fortzudenken!

 

Vielleicht hat der eine oder andere Leser noch einiges über Dr. Wolffs weiteres Schicksal erfahren. Nachrichten darüber würden wir gern an seine Familie weiterleiten.

 

Das 8. Wiedersehenstreffen der Turnerfamilie Ost- und Westpreußen findet entgegen der bisherigen Ankündigung bereits vom 19. bis 23.08.1954 in Hameln statt, weil auch das der Planung zu Grunde liegende Alterstreffen des Deutschen Turnerbundes auf diese Zeit vorverlegt worden ist. Onkel Wilhelms Rundbrief zur Jahreswende 1953/54 enthält Näheres darüber. Der Rundbrief wurde im Dezember 1953 versandt.

 

Verzogen sind nachgenannte Turnschwestern und Turnbrüder. Wer kennt ihre heutige Anschrift?

 

Kurt Dahl (KMTV),

 

Otto Kötzsch (Bartenstein),

 

Gerhard Marsmann (KMTV),

 

Else Neumann-Klein (Tgm. Danzig).

 

Friedrich Noweck (TuF Danzig),

 

Kurt Nürnberg (Danzig),

 

Gertrud Ohl (FrTV Danzig),

 

Hans Joachim Paasche (TuF Danzig),

 

Otto Pallentin (KMTV),

 

Dora Palmowski (Sensburg),

 

Hedwig Peise (FrTV Kbg.),

 

Magdalene Pekelsky-Killat (KTC),

 

Frau Penner (Marienburg),

 

Gerda Raeder-Gotaut (KTC),

 

Ulrich Raschdorf (Zoppot),

 

Ruth Rautenberg-Meißner (Zoppot),

 

Erich Rehm (KTC),

 

Magdalene Rentel (KTC),

 

Friedrich Reschke (TuF Danzig),

 

Erich Rosenkranz (Langfuhr),

 

Gretel Samen (Marienwerder),

 

Karl Scharnow (Marienburg),

 

Robert Schmidt (Marienwerder),

 

Herbert Schnelle (Zoppot),

 

Michaele Schubert (Dzg-Ohra),

 

Edith Schütz (KTC),

 

Margarete Schütz-Kaspereit (KTC).

 

Maria Schuh-Wieandt (KMTV),

 

Ernst Schulz (KMTV).

 

Ernst Schulz (Dzg-Heubude),

 

Sigrid Schulz (KTC)

 

Horst Sonntag (Zoppot),

 

Max Spendel (Zoppot),

 

Ernst Steinhaus (Tgm. Dzg.),

 

Charlotte Stutz-Hartwig (Labiau).

 

Erich Sukkau (TuF Dzg.).

(Wird fortgesetzt.)

 

 

Seite 5   Zum Tode von Max Goetz

Im Alter von fast 68 Jahren verstarb in Hedwigenkoog (Schleswig/Holstein) der um den ostdeutschen Sport verdienstvolle Mitbegründer des 15-fachen Balten- und Ostpreußenmeisters VfB Königsberg Max Goetz. Der Verstorbene gehörte seit seinem 15. Lebensjahre dem VfB Königsberg an, stand lange Jahre in der Fußballmannschaft des Meisters, wurde nach seiner aktiven Tätigkeit als Spieler ein bekannter Fußballschiedsrichter und Starter der Leichtathleten, arbeitete im Vorstand des VfB und des Baltischen Rasen- und Wintersportverbandes an verantwortlicher Stelle und war für die Aufstellung der Balten-Auswahl verantwortlich. Der Deutsche Fußballbund verlieh ihm seinerzeit die Ehrennadel. Mit Max Goetz ist nicht nur ein Stück der Vereinsgeschichte des VfB Königsberg dahingegangen, sondern auch der Fußballgeschichte des deutschen Ostens überhaupt. Aus der Gründerzeit des nunmehr 53-jährigen VfB leben nun nur noch Richard Reicke in Hamburg und Willy Helbing in Gerolzofen (Nordbayern). — Max Goetz verfolgte auch nach dem Kriege und nach seiner beschwerlichen Flucht, die ihn nach Schleswig/Holstein verschlug, die Belange des ostdeutschen Sports und insbesondere seines VfB und nahm mehrfach trotz seiner schweren Erkrankung an den Kameradschaftstreffen des VfB teil.  M. Gr.

 

 

Seite 5   Aus den Landsmannschaften

Der Vorstand der Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft Ostpreußen beschloss unter Vorsitz von Landesgruppenleiter Hellmut Gossing, gleichzeitig Landesvorsitzender des BvD, die Durchführung eines Landestreffens im Frühjahr. Es soll die bisher größte Veranstaltung der in Niedersachsen lebenden mehr als 300 000 Ostpreußen werden und die Aufmerksamkeit der gesamten Öffentlichkeit auf sich lenken. Über Zeit und Ort wird der Vorstand im Januar 1954 Festlegungen treffen. Der Einsatz zahlreicher ostpreußischer Gruppen in Niedersachsen für die „Bruderhilfe Ostpreußen" wurde durch den Landesverband — in gleicher Weise wie durch den Bundesvorstand anerkennend gewürdigt; Dank gilt vor allem den Gruppen Sulingen, Seesen und Osterode, die viele hundert Zentner Spenden für die noch in der Heimat lebenden Landsleute sammelten. Im neuen Jahr wird die Landesgruppe unter Einschaltung der gesamten niedersächsischen Presse zu einer breit angelegten Aktion für die „Bruderhilfe Ostpreußen" aufrufen, da — wie Landesgruppenleiter Gossing mitteilte — bisher erst die Hälfte der in Ostpreußen Zurückgebliebenen mit einem Paket bedacht werden konnte.

 

Ostpreußen-Familie in Flensburg

Der für uns Flensburger Ostpreußen schon traditionell gewordene Altenkaffee stand ganz im Zeichen des Advents. Etwa 140 unserer Alten mit ihren Betreuerinnen und dem Vorstand hatten sich eingefunden, um den Darbietungen zu lauschen. Frau Dr. Wiedwald als Frauenreferentin begrüßte alle aufs herzlichste. Superintendent Handtmann überbrachte die Grüße der St. Mariengemeinde und hielt anschließend eine Adventsansprache. Der 1. Vorsitzende, Schulrat a. D. Babbel grüßte im Namen des Vorstandes. Seine darauffolgende Ansprache stand ebenfalls im Zeichen des Advents. Er forderte die lieben Alten auf, sich, trotz des Gefühls der Vereinsamung, unter das Wunder von Bethlehem zu stellen. Gedichtvorträge von Frau Kursch und Frau Hiller, sowie von zwei Mädchen und die von dem Ostpreußen/Pommernchor gut vorgetragenen Lieder gaben dem Verlauf des Abends einen würdigen Rahmen.

 

Am 4. Advent fand die Weihnachtsfeier der Ostpreußen-Familie in der Aula der Nikolai-Knabenschule statt. Dank den Spenden unserer Landsleute konnten wir etwa 200 Kindern eine kleine Weihnachtsfreude bereiten. Der 1. Vorsitzende wies in seiner Festansprache auf die Bedeutung des Weihnachtsfestes hin. Das Märchen vom „Sterntaler" wurde von einer Mädelgruppe unter Leitung von Frau Hiller anmutig und gut gespielt. Reicher Beifall belohnte die kleine Schar. Auch das Gedicht der drei Lichtträger und das von Frl. Henning vorgetragene Gedicht ernteten reichen Beifall. Unter Leitung von Herrn Riedel trug der Ostpreußen/Pommernchor durch seine gut und klangschön vorgetragenen Lieder zum Gelingen des Festes bei. Unter großem Jubel kam dann der Weihnachtsmann und verteilte an die Kinder eine Tüte mit Gaben.

 

Nürnberg

Die „Bruderhilfe Ostpreußen" wird bei der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen Nürnberg e. V. ganz „groß" geschrieben. Am 14.11.1953 ging die 2. Sendung für die Bruderhilfe ab, am 10.12.1953 folgte bereits die 3. Sendung mit Kleidern (darunter allein 52 Wintermäntel), 92 Paar Schuhe, Wäsche und Lebensmittel. Bisher sind insgesamt 18 Ztr. an Liebesgaben nach Hamburg zur Weiterleitung nach Ostpreußen gesandt worden. Und wieder haben neben unseren Mitgliedern auch Nürnberger Bürger in vorbildlicher Weise an diesem so äußerst wichtigen Liebeswerk mitgeholfen. Die den August-Spenden beigefügten Zettel mit der Spenderanschrift haben ihren Zweck voll erfüllt. Bereits 3 Wochen nach Abgang der Spenden waren die ersten Briefe der dankerfüllten Empfänger in Nürnberg. Die auszugsweise Verlesung der Zuschriften bei den Monatsversammlungen gab vermehrten Ansporn zum Sammeln, denn die Schilderungen der Lebensverhältnisse in unserer Heimat unmittelbar durch die Betroffenen packten durch ihre erschütternde Darstellung auch an harte und gleichgültige Herzen! Die Spenden flossen so reichlich, dass die Sammelstelle bereits erhebliche Raumnot hatte. Es gab viel Mühe und Arbeit, sie sollen und werden uns nicht verdrießen: Es wird weitergesammelt! „Brüder in Not", wer wollte da abseits stehen?! Die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen e. V feierte im Genossenschaftssaalbau das Weihnachtsfest. Aus dem reichhaltigen Programm sollen als wesentlich ein zeitnahes Weihnachtsspiel, die Bescherung der Kinder und eine reichhaltige Tombola herausgestellt werden.

 

Zwei bedeutende Kundgebungen von Hoffnung und Treue mögen besonders erwähnt sein. Die Übergabe des Traditionsbuches der 1920 in Nürnberg gegründeten Vereinigung der „Heimattreuen Ost- und Westpreußen" an die Landsmannschaft und die Entzündung einer aus der alten Heimat nach Nürnberg gelangten Kerze — Symbol untrennbarer Verbundenheit deutscher Menschen und Erde diesseits und jenseits der Weichsel.

 

Seesen a./Harz

Die Ost- und Westpreußen hatten bei ihrem Heimatabend im Dezember wieder einen so starken Zuspruch aus dem ständig wachsenden Mitgliederkreis, dass sämtliche Räume des Ratskellers eine beängstigende Fülle aufwiesen. Das von der Kulturwartin Frau Donnermann einstudierte zaubervolle Adventsspiel und die 101 Gewinne der Verlosung von Königsberger Randmarzipan, bereichert durch einen sehr wertvollen Hauptgewinn aus der Stiftung der Firma Bettenhaus Augustin, hatten wohl eine besondere Zugkraft ausgeübt. — Der Heimatabend am 9. Januar 1954 wird durch eine Generalversammlung mit Neuwahl des Vorstandes eingeleitet.

 

Im Mittelpunkt der Vorweihnachtsfeier für unsere 110 Kinder standen das von Frau Donnermann einstudierte Märchenspiel und eine stimmungsvoll geschmückte Tafel mit Kuchen, Milchkakao und Bonbons. Jedes Kind erhielt vom Weihnachtsmann ein wertvolles Geschenkpäckchen und von der Firma Kussat (früher Königsberg) zwei leckere Würstchen.

 

Lübbecke (Westfalen)

Die Monatsversammlung der hiesigen Landsmannschaft im Monat Dezember 1953 war im festlich geschmückten Saale des Lübbecker Hofes zu einer heimatlichen Adventsfeier ausgestaltet. Zunächst begrüßte der Vorsitzende, Hardt, den aus Russland heimgekehrten Landsmann Thomas, worauf das Fest seinen Verlauf mit Liedern, Festansprache, Rezitationen und einer gemeinsamen Kaffeetafel nahm.

 

Die Kirchengemeinde in der neuen Flüchtlingsstadt Espelkamp-Mittwald hatte eine Ostpreußentagung veranstaltet. Vormittags predigte im Gottesdienst Pfarrer Stoschek aus Ostpreußen, nachmittags vereinigten sich über 400 Ostpreußen zu einem Familienabend. Dabei sprachen Pfarrer Stoschek sowie Hardt, der Vorsitzende der landsmannschaftlichen Kreisvereinigung, auch fanden Aufführungen der Jugend statt.

 

Verein heimattreuer Ost- und Westpreußen zu Hannover

Der Vorstand wünscht allen Mitgliedern und Freunden des Vereins ein glückliches und erfolgreiches neues Jahr!

 

Beitragszahlung: Am 01.01.1954 ist der erste Vierteljahresbeitrag in Höhe von 3,-- DM fällig geworden. Die Mitglieder werden gebeten, den Beitrag bis spätestens zum 15.01.1954 auf das Postscheckkonto Hannover Nr. 12 21 76 des Vereins einzuzahlen.

 

Vorankündigung: Unser diesjähriges Kappenfest findet am Sonnabend, dem 13. Februar 1954 in der „Fröhlichen Waldschenke" statt. Näheres wird in der Februar-Ausgabe der „Ostpreußen-Warte" bekanntgegeben.

 

Kameradschaft ehem. ostpreußischer Feldzeugdienststellen

Allen ehem. Angehörigen der ostpreußischen Feldzeugdienststellen wünschen wir ein gesegnetes und ein frohes neues Jahr. Möge das neue Jahr dem bei dem Treffen in Göttingen geschmiedeten Band der Kameradschaft eine festere Bindung bringen und beim nächsten Treffen einen größeren Kreis der ehem. Angehörigen zu uns führen. Ganz besonders hoffen wir, dass den noch in Gefangenschaft befindlichen Kameraden das neue Jahr die Freiheit bringt. Auch die noch in der alten Heimat unter fremder Herrschaft und von ihren Angehörigen getrennt lebenden Kameraden möge das neue Jahr die Freiheit und die Rückkehr zu ihren Familien bringen.

 

Alle ehem. Angehörigen der ostpreußischen Feldzeugdienststellen, die sich bei uns noch nicht gemeldet haben, bitten wir, es bald nachholen zu wollen.

 

Für die Kameradschaft der ehem. ostpreußischen Feldzeugdienststellen

 

I. A.: Fritz Augustin, Hemer-Sundwig, Hüttenstraße 16

 

I. A.: Erich Wetzel, Oldenburg i. Oldbg., Leobschützerstraße 23

 

 

Seite 5   Wer baut „Graue Erbsen“ an?

Die Dezembernummer unseres Blattes macht uns Appetit auf allerhand beliebte ostpreußische Gerichte mit Rezepten dafür. Darunter ist auch eines für die geschätzten grauen Erbsen, die im ganzen übrigen Deutschland unbekannt sind. Leider reicht das Rezept nicht dazu aus, das schmackhafte Gericht von grauen Erbsen mit Speck auf den Tisch stellen zu können. „Man nehme", heißt es meist in Rezepten. Woher man aber heute graue Erbsen nehmen kann, die man früher in Ostpreußen überall bekam, weiß kaum jemand. Der SOS-Ruf, den eine ostpreußische Landsmännin aus dem Fränkischen in der Oktobernummer unserer Ostpreußen-Warte in den — Leserkreis sandte, lässt erkennen, dass dieser Grundstoff für das leckere Mahl rar geworden ist. Das Ergebnis dieses Rufes zeigt das noch besser. Nicht ein einziger Lieferant dafür hat sich gemeldet. Nur eine Anzahl von graue-Erbsen-Freunden hat um Bekanntgabe der Lieferanten, die sich gemeldet haben, gebeten. Trotzdem werden die Landsleute, die Appetit darauf haben, auf ihr Leibgericht wohl nicht verzichten brauchen. Der SOS-Ruferin konnte bereits ein Päckchen für eine erste Mahlzeit zugesandt werden und es steht zu hoffen, dass in einer der nächsten Nummern das Angebot eines Lieferanten wird erscheinen können. —

 

Ostpreußische Landwirte, die mit dem Anbau von grauen Erbsen vertraut und bereit sind, diese auf ihrer inzwischen erworbenen westdeutschen Scholle anzubauen, werden um Mitteilung an die Ostpreußen-Warte unter dem Stichwort „graue Erbsen" gebeten. Etwas Saatgut kann ihnen zum Frühjahr zum Vermehrungsanbau zur Verfügung gestellt werden. Den westdeutschen Nachbarn und Freunden wird dann gezeigt werden können, welch ein schätzenswertes landwirtschaftliches Erzeugnis unsere ostpreußischen grauen Erbsen sind, die es wohl verdienen, auch in Westdeutschland bekannt, geschätzt und angebaut zu werden. A. K.

 

 

Seite 5   Siedlerschule Katlenburg. Überholung und Ausbildung bäuerlicher Siedlungsbewerber.

Die Siedlerschule in Katlenburg bereitet nun den dritten Lehrgang für das Sommerhalbjahr 1954 vor. Die Erfahrungen des ersten und des Anfang November angelaufenen zweiten Lehrgangs haben gezeigt, dass diese neue und zunächst einmalige Einrichtung eine empfindliche Lücke in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung und Überholung von bäuerlichen Siedlern schließt. Dies beweist das ständig wachsende Interesse von Siedlern, Siedlungsbewerbern und Siedlungsträgern. Das Wohnheim der Siedlerschule ist während des laufenden Wintersemesters voll belegt. — Der Sommerlehrgang beginnt am 20. April (Osterdienstag) und dauert bis 3. Oktober dieses Jahres. Der Lehrplan umfasst neben einer Überholung der landwirtschaftlichen Grundkenntnisse eine gründliche betriebswirtschaftliche Ausbildung in theoretischer und praktischer Form. Besonderen Wert wird auch auf eine handwerkliche Grundausbildung gelegt, die eine Selbsthilfe bei der Erstellung einfacher Geräteteile und Gebrauchsgegenstände und bei der Reparatur von Geräten und Einrichtungsstücken möglich macht oder erleichtert. Daneben werden aber auch wesentliche Lebensfragen behandelt, die den Siedler und seine Familie besonders berühren. Nicht zuletzt wollen ostkundliche Arbeitsgemeinschaften auf künftige Aufgaben der deutschen Landwirtschaft im Osten des deutschen Lebensraumes hinweisen. In Verbindung mit dem Lehrgang stehen Kurzkurse, so ein Melkerlehrgang, ein Maschinen- und Gerätelehrgang u. ä. m. — Einzelheiten über Lehrplan. Aufnahmebedingungen und Kosten sind dem Prospekt der Siedlerschule zu entnehmen, das mit dem Anmeldevordruck bei der Leitung der Siedlerschule in Katlenburg angefordert werden kann. Ostvertriebene. SBZ-Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte haben durch Ausbildungshilfen Vergünstigungen in Aussicht. Anmeldungen sind bis spätestens 28. Februar nach Katlenburg einzureichen.

 

Siedlerschule Katlenburg vor neuen Aufgaben.

Auf Anregung verschiedener Siedlungsträger und Siedler werden mit Beginn des neuen Jahres neben den Halbjahreslehrgängen Kurzlehr gänge für Siedlungsanwärter an der Siedlerschule durchgeführt, und zwar für jene Siedlungsbewerber, die eine ernsthafte Aussicht haben. In absehbarer Zeit eine bäuerliche Siedlerstelle zu übernehmen. Die Auswahl der Teilnehmer treffen die Siedlungsträger. Diese Kurzkurse werden drei Wochen dauern. Sie sollen ehemalige Bauern, die seit ihrer Vertreibung entweder als Landarbeiter oder gar berufsfremd eingesetzt waren, mit den gegen wärtigen betriebswirtschaftlichen Verhältnissen vertraut machen und damit auf ihre künftigen Aufgaben vorbereiten. Der Unterricht wird in der Form von Arbeitsgemeinschaften durch Praktiker erteilt. Die Kurse werden durch das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium befürwortet und gefördert.

 

 

Seite 5   Geburtstagskinder in Flensburg. Im Monat Januar können folgende Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg ihren Geburtstag feiern.

 

Am 01.01.1954:  Herr Rudolf Falkowski, Mühlenholz 25, früher Königsberg (Pr.), Kalthöfsche Straße 15, 70 Jahre.

 

01.01.1954: Frau Emma Harnack, Martinstift, früher Heydekrug, Kreis Tilsit, 75 Jahre.

 

02.01.1954: Frau Johanna Schmidtke, Friesische Straße 111, früher Königsberg, Oberhaberberg 36, 77 Jahre.

 

05.01.1954: Herr Bruno Porr, Südergraben 73, früher Lötzen, Gymnasialstraße 8, 78 Jahre.

 

07.01.1954: Frau Amalie Lange, Norderstraße 24, früher Urfelde, Kreis Stallupönen, 81 Jahre.

 

07.01.1954: Frau Helene Zenthöfer, Lager Schützenheim, früher Schönheide, Kreis Goldap, 76 Jahre.

 

08.01.1954: Frau Ida Mateoschat, Resselweg 4, früher Neidenburg, Schulstraße 8, 70 Jahre.

 

08.01.1954: Herr Albert Paulat, Friesische Straße 85, früher Tilsit, Rosenstr. 2, 72 Jahre.

 

09.01.1954: Herr Maximilian Zorn, Pregelstieg 2, früher Königsberg (Pr.), Hagenstraße 7, 73 Jahre.

 

17.01.1954: Frau Anna Jukschat, Friedheim 16, früher Lyck, Straße der SA 101, 82 Jahre.

 

17.01.1954: Frau Berta Niederländer, Friedheim 30, früher Eydtkau, Wiesenstraße 6, 75 Jahre.

 

20.01.1954: Herr August Görke, Friesische Straße 64, früher Schmalenken, Kreis Tilsit, 71 Jahre.

 

20.01.1954: Frau Martha Podszuck, Teichstraße 10, früher Königsberg (Pr.), Hohenzollernstraße 14, 71 Jahre.

 

21.01.1954: Herr Fritz Habbel, (wahrscheinlich Schreibfehler: Babbel), Stuhrsallee 15, früher Königsberg (Pr.), HoverbeckStraße 45, 74 Jahre.

 

22.01.1954: Frau Luise Kallweit, Kanzleistraße 56, früher Königsberg (Pr.), Meyer-Waldeck-Straße 6, 73 Jahre.

 

??.01.1954: Frau Martha Langheit, Kloster zum Heiligen Geist, früher Sensburg, 72 Jahre.

 

29.01.1954: Frau Wilhelmine Streich, Hafermarkt 19, früher Schippenbeil, Färbergasse 4, 75 Jahre.

 

Der Vorstand gratuliert allen Geburtstagskindern aufs herzlichste. Insbesondere gelten die Glückwünsche dem l. Vorsitzenden Herrn Schulrat a.D. Babbel.

 

Seite 6   Eine Ostpreußin sah Island

Fotos: Isländische Landschaft mit Gletschern. – Bilder oben: Ein Hof in Südost-Island. Beim Umgraben der „Baumreihen“. Aufn.: Fricke 

Nach bestandenem Abitur fasste ich den Plan, den Sommer in Island zu verbringen. Anfang Mai ging es in fünftägiger Seefahrt mit einem Frachtschiff von Kopenhagen nach Reykjavik. Die Stadt mit ihren zum Teil im amerikanischen Stil, zum anderen Teil aus Wellblech gebauten Häusern, andererseits aber auch hübschen Villen machte auf mich einen recht seltsamen und unorganischen Eindruck.

 

Der Hof meines Brotherrn lag 50 km östlich von Reykjavik. Herrlich war seine Lage. Anderthalb Kilometer vor dem Hof ragte in 500 m Höhe der Ingolfsjall, ein bis zu halber Höhe mit Moos und Gras bewachsener oben aber kahler Berg. Hinter dem Hof und nach Osten hin war das Land ganz eben. Nur am Horizont sah man die Hekla, einen noch tätigen Vulkan, und weiter südlich die weißglänzenden Gipfel zweier Gletscher aufragen. Südlich, in zwei Kilometer Entfernung, floss der Oelfusa ein sehr breiter und reißender Gletscherstrom. Im Westen dagegen zog sich eine dunkle Gebirgskette hin, vor der man den Rauch der heißen Quellen von Hveragerdi aufsteigen sah. In Hveragerdi gibt es unzählige heiße Quellen, deren Energie zur Heizung von Gewächshäusern ausgenutzt wird, in denen die herrlichsten Blumen blühen und sogar Südfrüchte zur Reife kommen.

 

An meinem ersten Arbeitstag musste ich den Boden zwischen Baumreihen umgraben, wo ich gleich beim ersten Spatenstich einen der „großen" Bäume mit ausgrub. Diese Arbeit muss sehr vorsichtig verrichtet werden, da die Bäume, besser gesagt Sträucher, etwas sehr Seltenes auf Island sind. Durch den ständigen Wind werden die Bäume nicht hoch, sondern verkrüppeln. Es gibt auf Island keinen richtigen Wald. Im weiteren Verlauf des Sommers gab es in Feld und Garten genügend Arbeit für mich. Da diese Art der Arbeit sehr ungewohnt war, verspürte ich in der ersten Zeit tüchtigen Muskelkater und wünschte den Abend oft sehnsüchtig herbei. Jedoch nach getaner Arbeit war aller Kummer, alle Müdigkeit vergessen, und immer wieder verleiteten mich die herrlichen Abende und hellen Nächte zu einem Spaziergang. Sonnen-auf- und -untergang liegen dicht beieinander, und es wird gar nicht dunkel. Besonders gern verbrachte ich die Abende auf einem Felsen am Oelfusa. In aller Einsamkeit ließ ich meine Gedanken mit dem tosenden Wasser ziehen, folgte dem Zug der Schwäne und Wildgänse, sah Fischottern aus dem Wasser auftauchen und beobachtete an den Ufern die ruhig weidenden Schafe und Pferde. An jedem schönen Abend sah ich hinter dunklen Bergen einen herrlichen und farbenprächtigen Sonnenuntergang.

 

Es ist eine recht schwierige Arbeit, dem isländischen Boden etwas abzugewinnen. Fährt man an den Höfen vorbei, die ohne Zaun und ohne Baum in der Landschaft liegen, so fragt man sich immer wieder, wovon leben diese Menschen eigentlich? Rund um den Hof sieht man grüne Wiesen, manchmal Kartoffel- oder Rübengärten, aber gar keine Getreidefelder, da man in Island wegen des kurzen Sommers kein Korn anbaut. Auch die Wiesen bedürfen ständiger Pflege. Sie müssen in jedem Frühjahr eingeebnet, gedüngt und neu besät werden. Die Hausarbeit während des Sommers ist die Heuernte, die sich von Juni bis September erstreckt. Durch die langen Tage wächst das Gras besonders schnell, und es kann dreimal geschlagen werden. Auf den meisten Höfen, selbst auf vielen kleinen, wird weitgehend maschinell gearbeitet. Die Bauern sind hauptsächlich Viehzüchter, während im Übrigen die Erwerbsquelle des Landes der Fisch ist. Außer Kühen besitzen die meisten Bauern Pferde und Schafe. Wolle und Fleisch der Schafe sind gesuchte Handelsartikel. Die Schafe werden im Frühjahr ins Freie getrieben und suchen sich dann selbständig ihre Weidegründe. Im Herbst werden sie in großen Pferchen zusammengetrieben, und jeder Bauer holt sich für den Winter seine mit einem Zeichen versehenen Tiere. Um Baumaterial zu sparen, es gibt ja kein Holz in Island, und um der größeren Wärme wegen hat man die Schafställe in die Erde gebaut und mit Torf und Grassoden abgedeckt. Überall bekannt sind die zähen Islandponys, unter denen man sich nicht allzu kleine Pferde vorstellen darf. Sie laufen den Sommer über frei, meist in Herden umher. Früher waren sie das einzige Verkehrsmittel, denn eine Eisenbahn gibt es nicht, und wurden weitgehend als Reitpferde benutzt, während heute der Jeep das ideale moderne Beförderungsmittel für Island ist, da die Wegverhältnisse fast überall schlecht sind. Die Pferde werden aber noch weiterhin gehalten und kaum ein Bauer lässt sich das Vergnügen eines sonntäglichen Ausrittes nehmen.

 

Die isländischen Menschen lernte ich erst später richtig kennen, nachdem ich in der Sprache etwas sicherer geworden war. Von Anfang an kam man mir mit großem Verständnis entgegen und half mir mit Geduld und gutem Willen beim Erlernen der Sprache. Zehn Personen, darunter auch eine Norwegerin, bildeten unsere Hausgemeinschaft. Im Sommer kamen noch zwei Jungen im Alter von 13 und 14 Jahren hinzu, die kräftig mithalfen. In Island haben die Schulkinder vom 1. Mai bis 1. Oktober Ferien, in denen fast alle auf das Land zur Arbeit gehen. Die beiden Hauptnahrungsmittel waren Fisch und Fleisch. Oft gab es Rinder- oder Hammelfleisch — Schweine gibt es kaum in Island — aber noch öfter Fisch. Fisch in allen Formen — getrocknet, gesalzen, geräuchert und frisch. Da wir

einen großen Garten hatten, hatten wir den ganzen Sommer hindurch auch frisches Gemüse. Als Nachspeise essen die Isländer mittags und abends ihren Skyr, eine saure Milchspeise, vergleichbar mit unserer Stippmilch. Jeden Tag zum Kaffee gab es Kuchen, und manchmal fand man sich auch abends um 10 Uhr noch zu Kaffee und Kuchen zusammen.

 

In allen isländischen Küchen wird weitgehend elektrisch gekocht, da die Stromversorgung kein Problem ist. Das Land ist reich an Wasserfällen. Es gibt genügend Kraftwerke, die die größeren Orte und viele in der Umgebung liegenden Höfe mit Strom versorgen. Die weiter entfernten und einsam gelegenen Höfe erzeugen ihren Strom selber, indem sie die Kraft von kleinen Wasserfällen oder Gletscherströmen ausnutzen.

 

Immer wieder erlebte ich in Island Beispiele schönster Gastfreundschaft. Als ich im Laufe des Sommers auf fremde Höfe kam, wurde ich dort auch als Ausländerin und besonders als Deutsche mit großer Herzlichkeit aufgenommen. Besonders freute ich mich, welches Interesse die Isländer dem Schicksal meines Vaterlandes entgegenbrachten. Sie wussten von der Spaltung Deutschlands, und es waren ihnen die schlechten Lebensverhältnisse im Osten bekannt. Dies beweist ein kleines Beispiel. Als ich einmal auf einem sehr einsamen Hofe zu Gast war und beim Mittagessen eins der Kinder sein Gericht nicht essen wollte, schalt es die Mutter und sagte: „Schämst Du Dich gar nicht, in Ostdeutschland haben die Leute gar nichts zu essen, und Du lässt diese gute Speise stehen." Ganz unvorstellbar war ihnen natürlich das Schicksal der Flüchtlinge. Wohl hörte man mir interessiert zu, als ich von unserer Flucht erzählte, aber dann kam die Frage: „Ja, wurden Eure Möbel denn nachgeschickt?"

 

Die schönen alten isländischen Trachten, die in ihrer Schlichtheit so feierlich wirken, werden leider nur noch von den älteren Frauen getragen, während die Jugend amerikanische Vorbilder nachahmt.

 

Obgleich ich nur 5 Monate in Island gearbeitet habe, wurden mir 14 Tage Urlaub und recht viel freie Wochenenden gewährt. Natürlich nutzte ich die Zeit aus, um Land und Leute kennenzulernen. Ich habe in dieser Zeit die isländische Landschaft in ihren Kontrasten, der Weite und den gedämpften zarten Farben und ihre Bevölkerung lieben gelernt. Luise Fricke.  

 

 

Seite 6   Unsere Buchbesprechung

Im Geiste Herders.

Im Geiste Herders. Gesammelte Aufsätze zum 150. Todestage J. G. Herders herausgegeben von Erich Keyser. (Marburger Ostforschungen im Auftrage des Johann Gottfried Herder-Forschungsrates e. V. her. von E. Keyser. Band I. Frankfurt/Main 1953. Holzner-Verlag.

 

Nicht schöner konnte der Marburger Herderforschungsrat das Andenken seines Schutzheiligen ehren, als durch diesen schönen und gewichtigen Band, mit dem er sich selbst ein ihn ehrendes Mal gesetzt hat. Gleich der erste Aufsatz von Erich Keyser gibt in einem auf gründlichster Kenntnis des ausgebreiteten Schrifttums Herders eine glänzende Charakteristik, des großen Ostpreußen. Mit ungewöhnlichem Geschick hat der Verfasser hier aus entlegendsten Stellen des Herderschen Werkes Äußerungen zu einem Gesamtbild komponiert, die aufs deutlichste Sinn und Leistung Herders entstehen lassen. So vielfältig diese Stimmen auch sein mögen, sie geben doch ein einheitliches Bild. Hier erscheint Herder als der Begründer einer neuen Epoche der deutschen Geistesgeschichte, er ist der eigentliche Begründer des geschichtlichen Sinnes, dessen Auswirkung in der nachfolgenden Geschichte von ungeahnter Wirkung gewesen ist. Nicht nur kann man Herders Entdeckung als die Geburtsstunde der historischen Weltanschauung ansehen, sondern sein Wirken hat ganz außerordentliche Folgen in der Gestaltung der Beziehungen unter den einzelnen Völkern gezeitigt. Dabei ist es ein besonderer Verdienst Keysers, dass er nachdrücklich allen denen entgegentritt, welche einen extremen Nationalismus als von Herder begründet annehmen möchten.

 

Wie eine Probe aufs Exempel fast wirkt der Aufsatz K. Bittners über „Die Beurteilung der russischen Politik im 18. Jahrhunderlt durch J. G. Herder". Eine außerordentliche Untersuchung, die den Sinn des Herderschen Interesses an den osteuropäischen Völkern überhaupt deutlich erklärt. — Die beiden folgenden Untersuchungen sind dem Kern der Herderschen Interessen gewidmet. Die Arbeit von

Walter Wiora behandelt Herders Ideen zur Geschichte der Musik. Auch hier wird deutlich, wie stark dieses Gedankengut bis in unsere Gegenwart hineinwirkt. — Der umfangreichste Beitrag entstammt dem Nachlass Leonid Arbusows über „Herder und die Begründung der Volksliedforschung im deutschbaltischen Osten". Dies ist der materialreichste Beitrag der Herder-Gedenkschrift. Unmöglich auch nur einen annähernden Begriff vom hier dargebotenen Reichtum zu geben. Die schöne Abhandlung ist eine Fundgrube für den Fachmann, aber sie ist getragen von dem Bewusstsein des Verfassers, dass er es bei der Behandlung seines Themas mit einer völlig einmaligen und erstmaligen Leistung Herders aus einheitlichem Denken zu tun hat, es die Begründung einer neuen Wissenschaft, der Volksliedforschung, auf der sich die Volkskunde aufbaut.

 

Von besonderem Reiz ist der letzte Aufsatz des Bandes von Juan C. Probst, Herder in Argentinien. Aul geringem Raum wird eine Fülle von Material geboten, welches aufweist, wie stark Herders Ideen in den Aufbau des Landes Argentinien verwoben sind. — Eine höchst schätzbare, sehr genau aufgebaute Bibliographie über das Herder-Schrifttum seit dem Jahr 1946 - 1953 bietet Dieter Berger auf rund vierzig Seiten. G. v. Selle

 

Fontane an Friedlaender

Theodor Fontane Briefe an Georg Friedlaender. Herausgegeben und erläutert von Kurt Schreinert. Quelle und Meyer. Heidelberg 1954. 400 S., 19,50 DM.

 

Wenn man nichts von Theodor Fontane kennen und wissen würde, so wäre dieser Briefband allein fähig, diesen Mann in ein ganz besonderes Licht zu stellen. Es ist selten, dass lediglich Briefe, denen dazu die Antwort des Partners fehlt, ein so klares Bild des Verfassers vermitteln, wie es hier geschieht. So ist zu sagen, dass die Briefe ein wertvolles Dokument für die Biographie und die literarische Charakteristik Fontanes bedeuten. Mit Recht sagt der Herausgeber in seiner ebenso bedeutenden wie sachlich erschöpfenden Einführung, die Briefe an den schlesischen Amtsrichter Friedlaender zeigen, wie Fontane „ganz zuletzt", d. h., wie er „eigentlich" war. Jede Seite fast enthält in der Tat den echten Fontane. Über vierzehn Jahre hin begleiten die Briefe das Geschehen der Zeit mit meist ausführlichen Randbemerkungen, Excursen, Causerien, Kommentaren, wie sie eben nur ein Fontane schreibt, mit all seiner Liebenswürdigkeit, aber auch mit allem ihm glänzend zur Verfügung stehenden Hohn und Spott über die Krankheitserscheinungen am sozialen Körper der Zeit. Vor allem fällt die scharfe Kritik am Adel auf, dem Fontane in seiner Frühzeit fast mit Liebe zugetan war. Der Adel erscheint ihm überholt in allen seinen in romantischer Tradition gebundenen Lebensäußerungen (S. 133. 250, 254 ff.). Fontane hasst alles, „was die neue Zeit aufhält". Der Arbeiterfrage ist er ganz aufgeschlossen. „Es scheint doch fast wie göttlicher Wille, dass sich der Mensch sein tägliches Brot verdienen soll." Die Menschheit beginnt „nicht beim Baron, sondern nach unten zu beim vierten Stand; die andern können sich begraben lassen" (S. 147). In seiner Gesellschaftskritik steht Fontane Neitzsche, Lagarde und W. Rabe nicht nach. Wohltuend sein gesunder nationaler Sinn, sein Glaube an das eigene Volk (S. 161). Auch in diesen Briefen tritt Fontane entgegen als Meister des feinstgeschliffenen Apercus: „Berühmtheit ist ein Zeitungsresultat (S. 204). „Das Leben ein Theaterstück" (S. 40) „Skandal ist immer das süßeste" (S. 33). Manche Bereicherung der Autobiographie, manche kluge Bemerkung zu Zeitgenossen enthält der Band, so gut G. Hauptmann, Holtei, Wildenbruch, auch zu Johanna Ambrosius (S. 295 ff.), der er freilich dichterische Begabung abspricht. Alles in allem: ein herrlicher Reichtum ist vor uns ausgebreitet Das er uns in einer vollkommenen Gestalt geboten wird, bedeutete das hohe Verdienst des Herausgebers, der mit großer Hingabe und vorbildlichem Einfühlungssinn diese Briefe durch einen im Umfang und in der Anpassung an den Text schlechthin meisterlichen Kommentar zu vollem Leben gebracht hat. G. v. Selle.

 

 

Der Redliche Ostpreuße, ein Hauskalender für 1954, Verlag Rautenberg und Möckel, Leer/Ostriesland, 1,80 DM.

 

Zum fünften Male nach der Unterbrechung durch Flucht und Zusammenbruch ist der beliebte Hauskalender wieder erschienen, mit vielen schönen Bildern und Erzählungen aus der alten Heimat. Am schönsten ist der Artikel „In Erinnerung an unsere Landarbeiter“ von Walter v. Sanden-Guja. Noch viele andere bekannte, vertraute Namen sind vertreten. Agnes Miegel an der Spitze, dann Gertrud Papendick, Charlotte Kayser, Erminia v. Olfers, Hans Georg Bucholtz, Paul Brock und noch viele andere. Der Kalender wird wieder viel Freude bereiten.

 

 

Rendulie, Generaloberst a. D., Glasenbach-Nürnberg-Landsberg, ein Soldatenschicksal nach dem Krieg. Leopold Stocker Verlag, Göttingen DM 13,50.

 

Der alte Armeeführer im Osten, auf dem Balkan und in Norwegen wird seinen Soldaten wohlbekannt sein, aber nur wenige werden nur sein Schicksal nach dem Kriege in den Lagern wissen, die seinem Buch den Titel gaben. Klar, nüchtern mit soldatisch kurzen und daher so flüssig zu lesenden Sätzen schildert der' Verfasser seine Erlebnisse, seine Gedanken und die seiner Mitgefangenen. Es ist alles so sauber, wie Freund und Feind beurteilt werden, ebenso wie man es von einem deutschen General gewohnt ist, darum ist es auch eine Freude, das Buch zu lesen, wenn es auch viel Böses schilderte. Für die gewesenen und künftigen Soldaten ist dies Buch geschrieben, damit sie wissen, wie es war und wie es sein sollte. Dr. P.

 

 

Goldmanns Kriminal-Romane. Th. Walsh. Kidnapper in Manhattan. — Earl Derr Biggers, Der Chinesenpapagei. — J. w : Vandercook, Der Sumpf auf Trinidad. — Th. Muir. Das Geheimnis der Sappho. — Edgar Wallace, Der Mann, der alles wusste.

 

Wieder liegen eine Reihe neuer oder neuaufgelegter Romane aus der bekannten Reihe der Kriminalromane vor. Es ist schwer zu sagen, wem hier die Palme zu reichen ist. Sie sind alle vortrefflich, jeder in seiner Eigenart. Voran aber mag doch der millionenhaft bewährte Wallace stehn. Vom Mann, der alles wusste, kann man nur sagen, das ist handfeste Kriminalistik, wie man sie sich nicht aufregender wünschen kann. Auf dem Fuß folgen die Kidnapper in Manhattan, ein zur Kunst erhobener Ablauf eines wirklichen Kriminalfalles, bei dem nur die Liebesgeschichte etwas unwirklich, aber doch nicht störend wirkt. Muir legt jetzt in deutscher Fassung bereits den vierten Band seiner in die wissenschaftliche Sphäre greifenden Bücher vor. Vandercook und Biggers bedienen sich mit schönem Erfolg der Atmosphäre von San Francisco und Hollywood bzw. der mittelamerikanischen Inselwelt als Hintergrund ihrer exakt aufgebauten Erzählungen.

 

 

Seite 7   Heimkehrer-Aussagen über Zivilgefangene

Wir veröffentlichen nachfolgend Namen von in die UdSSR Verschleppten, die dort noch zurückgehalten werden, bzw. dort verstorben sind. Der Suchdienst Hamburg ist bemüht, die Anschriften der Angehörigen zu ermitteln, um sie benachrichtigen zu können. Sollten Sie die Namen und Anschriften von Angehörigen kennen, schreiben Sie an den Suchdienst Hamburg, Abteilung II (Zivilvermisste), Hamburg-Altona, Allee 131.

 

Allenstein: die Angehörigen der Elsbeth Grossmann, geb. 27.10.1928, Schneiderin. Sie hatte zwei Schwestern, ihr Vater hieß Paul und die Mutter Grete.

 

Bartenstein: die Angehörigen des Heinz Krause, geb. etwa 1924, Zimmermann.

 

Königsberg: die Angehörigen der Eva Bauer, geb. etwa 1930.

 

Königsberg: die Angehörigen des Herrn Biert, geb. etwa 1880. Er besaß zwei Häuser in Königsberg.

 

Königsberg, Hans-Sagan-Straße 74: die Angehörigen des Helmut Bork, geb. etwa 1911, Ingenieur bei der Reichsbahn, verh,, seine Ehefrau soll jetzt in Regensburg wohnhaft sein.

 

Königsberg: die Angehörigen der Johanna Dörfler, geb. etwa 1895, verh.

 

Königsberg: die Angehörigen der Maria Dukat, geb. etwa 1928.

 

Königsberg: die Angehörigen der Frau Fahl, geb. etwa 1896, verheiratet.

 

Königsberg: die Angehörigen der Lisa Janzig, geb. etwa 1923, Büroangestellte.

 

Kreis Osterode: die Angehörigen der Frieda Kuschinski, geb. etwa 1921. Eine Schwester von ihr wurde auch verschleppt.

 

Plasswich über Braunsberg: die Angehörigen der Elisabeth Grunwald, ledig, Hausangestellte.

 

Reichenau, Kreis Osterode: die Angehörigen des Karl Golke, Landwirt.

 

Rosengarth, Kreis Heilsberg: die Angehörigen des Benno Liedmann, oder Tiedmann, geb. etwa 1924, ledig, Bauernsohn.

 

Tilsit: die Angehörigen der Edith Böttcher, geb. etwa 1925, Lehrling.

 

Tilsit oder Kreis Tilsit: die Angehörigen des Paul Kirsch, geb. etwa 1930, Bauernsohn.

 

Allenstein: die Angehörigen des Rudi Neumann, geb. etwa 1912.

 

Bartenstein, Markt: die Angehörigen des Herrn Alt, verh., hatte eine Tochter Ursula, Besitzer eines Textilgeschäftes.

 

Braunsberg: die Angehörigen der Martha Schulz, geb. etwa 1923, hatte noch eine Schwester Gertrud und einen kleineren Bruder. Angestellt in eine Zigarrengeschäft.

 

Königsberg: die Angehörigen der Lisa Janzig, geb. etwa 1923, Büroangestellte.

 

Königsberg: die Angehörigen der Gertrud Krens, geb. etwa 1911. Sie war taubstumm. Ihr Ehemann und ihre 5 Kinder sollen 1947 noch in Königsberg gewesen sein.

 

 

Seite 8   Unsere alten Kachelöfen. Von Carla von Bassewitz.

Foto: Alter Kachelofen in einem ostpreußischen Gutshaus (Fuchshöfen)

Die betreffende Stelle des Briefes lautete: ----- „Und dann befahlen die Russen mir, mit einigen andern Frauen, im unteren Stockwerk Ihres Hauses den Schutt herauszuschaffen. Die Decken waren eingestürzt, von den Möbeln nichts mehr erkennbar --- nur eine graublaue Kachel habe ich gefunden, die stammte gewiss von dem Ofen in Ihrem Wohnzimmer. Was für Erinnerungen mich dabei überfielen, können Sie sich denken …“

 

Ja — unsre Kachelöfen — die wärmespendenden Freunde unserer langen Winter — Mittelpunkt des ostpreußischen Wohnzimmers!

 

Nicht überall gab es in der Heimat schon die vielleicht praktische aber unpersönliche Zentralheizung, und mancher künstlerisch wertvolle Fayence-Ofen blieb als Schmuck des Hauses sowieso stehen. Außerdem war er sparsam für die Übergangszeit, ehe der Heizungskessel in Gang gebracht wurde. Die langen scharfen Winter wären in unsern freistehenden Häusern mit eisernen Öfchen nicht auszuhalten gewesen — die gute alte wärmespendende Kachel musste es sein! Auch in den Gastzimmern war ohne sie nicht auszukommen, die ausgekälteten Mauern erwärmten sich erst am zweiten Tag, nachdem die Kacheln unentwegt Hitze auf sie ausgestrahlt hatten. Wie tief saß der Frost, und wie spät regte sich im Frühjahr das Leben erst wieder in der erstarrten Erde!

 

Wenn man pelzvermummt, mit Ohrenklappen und „Mauchen", zwei Paar wollenen Socken in getranten Stiefeln, (am wasserdichtesten war die Mischung von Tran und Dachsfett!) schon im schneidenden Nordost und tiefen Schnee auf dem Hof gewesen war zu allen Pflichten, die einem schon morgens Landbesitz und Verantwortung auferlegen, wie wundervoll beschirmt fühlte man sich dann beim Betreten des alten Hauses mit seinen bullernden Kachelöfen!

 

Die Stuben waren hoch und die Öfen auch. Ehe sie durchgebrannt waren, mussten ihre Türen lange offen stehen. Wie freundlich erhellte das flackernde Feuer den im Schneelicht noch dämmrigen Raum und warf wechselnde rötliche Lichter auf Möbel, Bilder und die bemützte Kaffeekanne auf dem Frühstückstisch! Der Wirtschaftspelz blieb gleich mit im Zimmer, damit er nicht erst auskühlte, sonst würde man draußen nie warm. Er wurde neben dem Ofen — aber beileibe nicht zu nah, sonst würde ja das Fell hart — über einen Stuhl gehängt. Langsam bildeten sich von den hängengebliebenen Schneeklümpchen kleine Rinnsale auf dem sorgfältig gebohnerten Fußboden...

 

Nach dem Frühstück musste man ja gleich wieder hinaus — der Hausherr in die Außenwirtschaft, die Frau zum Geflügel und in die Gärtnerei. Auch wenn keine Gewächshäuser vorhanden waren, deren Betrieb sorgfältig mit dem Gärtner durchgesprochen werden musste, gab es dort Arbeit genug im Winter. Es wurde Mist gefahren, Geräte und Fenster repariert, der Wintergemüsevorrat durchgesehen, die Mieten stärker abgedeckt, die Kellerfenster verpackt, oder gelegentlich gelüftet, und vieles andere, was keinen Aufschub duldete.

 

Wie herrlich strahlten am Nachmittag bei der leise dichter werdenden Dämmerung die glühenden Kacheln wohltuende Wärme aus! Da konnte man die verklammten Finger dran legen und sich mit dem Rücken anlehnen, wenn die Familie sich zum Essen sammelte. Abends konnte man die Leselampe und den Sessel etwas näher an den guten Ofen heranziehen und im Schutz seines Hauses ausruhen von der Tagesarbeit, während draußen der Sturm durch die breiten Flusstäler und Niederungen raste, dass die soliden Holzläden klapperten und die Äste der alten Bäume knarrten und ächzten ...

 

Aber alles im Leben beruht — auch bei den Kachelöfen! — auf Gegenseitigkeit. Sie verlangen liebevolle Behandlung — sonst weigern sie sich einfach. Sie wollen während des Sommers ihre Rohre sorgfältig gereinigt, herausgebröckelte Schamottesteine ergänzt und durch Hitze geworfenen Eisenteile und Türen vom Schmied gerichtet bekommen. Pfui über die Eigentümer, die ihren treuen Freunden solches nicht angedeihen lassen! Und was ihnen manchmal sogar zugemutet wird — es ist nicht auszudenken — nasses Holz!! Dann weinen sie direkt, und zischend tropfen ihre Tränen an der Innenseite herab! Die ostpreußischen Öfen haben meist eine erhebliche Tiefe in der Waagerechten. Man wirft nicht von oben ein, sondern schiebt von vorne nach hinten. Erst kommt das Holz — aber beileibe kein diesjähriges — wer könnte sich dessen geringe Brennfähigkeit im Osten leisten! Nein, es ist mindestens ein Jahr alt — besser zwei — im Winter bei Frost geschlagen, während des Sommers 8 Wochen gehackt in sauberen Stapeln unter freiem Himmel getrocknet, und ohne Regen in die Scheune gefahren. Hei, wie das prasselt, und wie der Ofen sich freut, bis nachher die Kohlen drauf kommen!

 

Da gab es allerdings einen ganz alten, der lehnte auch die Kohlen ab, der fraß nur Holz — und den Willen taten ihm über 200 Jahrelang alle Besitzer des Hauses. Wir mussten es sogar extra für ihn schneiden, denn er hatte eine solche Tiefe — oder wenn man will Länge, dass er Scheite von den Ausmaßen eines großen Backofens brauchte, wenn er warm werden sollte. Er war schneeweiß, aus herrlichen Fayence-Kacheln mit dem Allianz-Wappen des Ehepaares, das ihn im 18. Jahrhundert hatte setzen lassen. Er verjüngte sich nach oben und jeder Absatz seines ebenmäßigen Aufbaues war mit schmalen schwarzen Streifen abgesetzt — ein Meisterwerk ostpreußischer Töpferkunst! Und mit seinem Backholz gefüttert, wärmte er den ganzen Gartensaal, wo die große Familie Weihnachten, Taufe, Konfirmation und Hochzeit feierte — wo das Abitur des ältesten Sohnes begangen, das erste Tanzfest für die älteste Tochter gegeben wurde — und wo bei ernster Musik sich die kunstverständige Jugend mit dem Alter zusammenfand.

 

Dann war im Hause neben einigen ähnlichen Fayence-Öfen einer, der gegen den Backholzfresser beinah ein Öfchen genannt werden konnte. Er stand auf einem Holzrahmen mit Kugelfüßen von solider Eiche und hatte auf seinem Absatz — auch er verjüngte sich nach oben — eine Nische — eine Miniaturofennische in sich selber — halbrund, und wie geschaffen zum Warmstellen einer Grogwasserkanne oder einer Rotweinflasche. Seine Kacheln wiesen zierliche Spätbarockschnörkel auf, und oben auf der Spitze thronte ein feinmodelliertes Kachelmännchen. Es trug die Tracht der damaligen Zeit: Zopf, Dreispitz und Kniehosen, Ja da saß es durch die Jahrhunderte und sah auf die nachgeborene Männerwelt herab.

 

Der Raum war Arbeitszimmer des letzten Besitzers, dem sah es zu bei seinen schweren Berechnungen, wie der Wert der Wirtschaft gesteigert und die Zukunft der Kinder gesichert werden könnte — wie die Arbeiter und Angestellten besserzustellen und ihre Anhänglichkeit an den Betrieb zu belohnen sei. Es folgte seinen Ausarbeitungen und Plänen, es beobachtete seine Freude, wenn ein Jugendfreund bei alten Erinnerungen ein nächtliches Glas — meist mehrere — mit ihm trank. Es hörte seine Besprechungen mit Untergebenen und Geschäftspartnern — die Vermahnung von „Sündern" und Beruhigung von Hilfesuchenden. Es war immer dabei!

 

Von all den ehrwürdigen Freunden eines warmen behaglichen östlichen Hauses, ach es waren ihrer noch viel mehr — können wir den Männchenofen und den Backholzfresser noch heute im Bilde sehen.

 

Aber den guten, schlichten und nützlichen Ofen mit den blaugrauen Kacheln, von denen eine die Zerstörung der Heimstätte überlebt hatte und deren Erwähnung alle diese Erinnerungen hervorzauberte — den nicht! Es ist kein Bild von ihm erhalten geblieben. Er stand in einem Zimmer mit gemalten Rosenranken auf uralter Leinwandtapete — dem täglichen Wohnraum der Familie. Er war glatt — ohne Wappen oder Männchen — treu und solide stand er da in seiner unauffälligen behaglichen Farbe, und bedeutete für alle Hausgenossen Wärme und Geborgenheit.

 

Das ist es, was eine Familie braucht, und auch — das Menschenherz. Das ist es, was wir schon hier wieder schaffen müssen für uns und die Unsern — und darin wird die Wiedererrichtung unserer Häuser bestehen, wenn es einmal zurück in die Heimat geht.

 

Daran hat wohl auch die Briefschreiberin gedacht, als sie in all den Trümmern die kleine blaugraue Kachel fand — in ihr schien enthalten der Begriff von Wärme und Geborgenheit der Heimat...

 

 

Seite 8   Professor Dr. Herbert Kraus 70 Jahre alt (mit Foto)

Der Vorsitzende des Göttinger Arbeitskreises, Direktor des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen, Professor Dr. Herbert Kraus, beging am 2. Januar 1954 seinen 70. Geburtstag. Er entstammt einer alten ostpreußischen Gelehrtenfamilie und wurde am 2. Januar 1884 in Rostock geboren, wo sein Vater Professor der Mathematik war. Seine Jugend verlebte H. Kraus in Dresden, absolvierte 1903 dort das Abitur und studierte dann in Leipzig Jura. Später wurde er Schüler von Franz von Liszt in Berlin und wurde durch diesen besonders für das Strafrecht interessiert. 1907 bestand er das Referendarexamen und promovierte mit einer staatsrechtlichen Arbeit. 1911 legte er das Assessor Examen ab und wandte sich ganz der Wissenschaft zu. Ein längerer Studienaufenthalt in Amerika und an der Sorbonne schloss sich an. 1914 habilitierte er sich in Leipzig mit einer Arbeit über „Die Monroedoktrin in ihren Beziehungen zur amerikanischen Diplomatie und zum Völkerrecht". 1917 wurde er ins Auswärtige Amt berufen und nahm an den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk und Versailles teil. Gleich nach Kriegsende wurde er von Leipzig als o. Professor für öffentliches Recht an die Albertus­­­­­-Universität nach Königsberg berufen. Im Jahre 1928 folgte er einem Rufe nach Göttingen. Im Juli 1937 wurde Herbert Kraus zwangspensioniert, da er nicht gewillt war, sich in den geforderten politischen Rahmen einzufügen. Er widmete sich in den Jahren bis 1945 in Dresden der Arbeit zu seinem umfassenden Lehrbuch des Völkerrechts, das im Februar 1945 mit all seinem Besitz durch Bomben vernichtet wurde. Nach Kriegsende wurde H. Kraus wieder nach Göttingen berufen, wurde aber gleich beurlaubt, um in Nürnberg die Mitverteidigung von Hjalmar Schacht zu übernehmen. 1947 kehrte er nach Göttingen zurück und begann mit dem Neuaufbau des Instituts für Völkerrecht. 1949 wurde eine Forschungsstelle im Rahmen des Institutes genehmigt, der die Auswertung der Nürnberger Materialien übertragen wurde.

 

Am 01.05.1951 wurde Prof. Kraus als Nachfolger des letzten Kurators der Albertus Universität, Dr. h. c. Friedrich Hoffmann, Vorsitzender des Göttinger Arbeitskreises.

 

Anlässlich des Geburtstages trafen sich am 2. Januar in der Wohnung des Jubilars zahlreiche Mitglieder des Lehrkörpers der Universität Göttingen, Mitarbeiter und Freunde zu einer Feierstunde. Oberpräsident Kutscher überreichte eine umfassende Festschrift: „Mensch und Staat in Recht und Geschichte", die Herbert Kraus von seinen Freunden, Schülern und Mitarbeitern dargebracht wurde. Glückwunschschreiben und Telegramme von Bundespräsident Prof. Heuß, vom Bundesminister Kaiser, und vom Bundesvertriebenenminister Prof. Dr. Oberländer trafen ein.

 

Se. Magnifizenz der Rektor der Georg-August-Universität Prof. Dr. Heimpel, übermittelte die Glückwünsche der Universität. Auch der Ministerpräsident des Landes Niedersachsens, Hinrich Kopf und der Herzog von Braunschweig überbrachten ihre Glückwünsche

 

 

Seite 8   Herder-Gedenkfeier in Marburg

Im vergangenen Monat jährte sich zum 150. Male der Todestag des großen Ostpreußen Johann Gottfried Herder, der durch seine Schriften und Gedankengänge so bestimmend für das völkische Denken geworden ist und der zu den größten Persönlichkeiten der abendländischen Kultur zählt. Die Wochen vor dem Weihnachtsfest und die damit verbundenen Vorbereitungen ließen den Tag des Gedenkens an den großen Deutschen nur zu sehr im Hintergrund bleiben, wie auch überhaupt der Name dieses überragenden Mannes im Bewusstsein des Volkes zurückgetreten ist vor seinem Werk, in dem die Großen, die nach ihm kamen, wurzeln.

 

In Marburg an der Lahn, der alten Universitätsstadt, die so viel Bindungen zum deutschen Osten hat und die auch in jüngster Zeit zum Sitz des Herder-Instituts wurde, fand sich der Johann - Gottfried – Herder-Forschungsrat zu einer Gedenkfeier. Im holzgetäfelten Lesesaal der Universitätsbibliothek schauten die Bilder der hessischen Landgrafen von den hellen Wänden auf die mehr als hundertköpfige Versammlung bekannter Persönlichkeiten des Forschungsrates, die sich dort zu dieser Feierstunde eingefunden hatten. Eine beeindruckende Atmosphäre des überzeitlichen, allgemein Gültigen lag über dieser Stunde, in der sich bedeutende Wissenschaftler unserer Zeit mit dem Vermächtnis eines Großen auseinandersetzten, dessen Aussage, über eineinhalb Jahrhunderte hinweg, auch unserer Generation unendlich viel zu geben hat.

 

Als Auftakt zu der Feier klang, wie ein Gruß aus vergangener Zeit, das Allegro des Streichtrios in Es-Dur von W. A. Mozart durch den Raum und geleitete die Gedanken zurück zu dem großen ostpreußischen Theologen und Dichter, der 1744 in Mohrungen geboren ist. In dem gleichen Jahrhundert, da Mozart seine unsterbliche Musik komponierte, schrieb Herder seine „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" nieder und begründete durch seine Übersetzungen und seine Kritik das Verständnis für die völkische Eigenart anderer Nationalkulturen. Aus seiner Sammlung von Volksliedern aller Nationen das Werk „Stimmen der Völker in Liedern“und wird zur wegweisenden Darstellung völkischer Eigenart für alle die die sich nach ihm um die Pflege unverfälschten Volkstums bemühen werden. Wir sehen Her der im Gespräch mit dem jungen Goethe und wissen, wie sehr er mit seinen Ideen den kommenden Genius beeinflusste. Wir wissen wie Herders geistige Saat reifste Früchte in der deutschen Dichtung trägt und wissen, welchen Auftrieb seine Ideen dem völkischen Bewusstsein anderer Nationen brachten. In seinen geschichts-philosophischen Betrachtungen steht er auch heute noch mit bleibender Gültigkeit neben uns.

 

Der Präsident des Johann-Gottfried-Herder Forschungsrates, Prof. Dr. H. Aubin, Hamburg, eröffnete die Gedenkstunde. Herder, so führte er aus, sei ein echter Sohn des deutschen Ostens. Aus den Gegebenheiten dieses Raumes heraus sei Herders Werk entstanden. Darum habe der Forschungsrat seine Arbeit, die dem östlichen Mitteleuropa gälte, unter den Namen dieses ostdeutschen Dichters gestellt. Herders geistiges Vermächtnis sei so ungeheuer befruchtend für die Nachwelt gewesen, dass man oft genut geneigt ist, die heutigen katastrophalen nationalen Probleme auf das Wecken des völkischen Bewusstseins durch das Herdersche Ideengut zurückzuführen. Herders Ideen seien aber heute noch genauso gültig wie vordem, die Tragik läge in der bewusst falschen Auslegung seiner Gedankengänge. Herder habe immer den Volkstumsbegriff mit dem Gedanken der Humanität verbunden, deshalb seien seine Ideen auch so zündend bei den Völkern des östlichen Mitteleuropas eingeschlagen. Im deutschen Volke wäre er, der wohl einer unserer Größten ist, nicht so bekannt wie andere, die erst aus einer Anregung schöpften, aber in all den folgenden Generationen spräche Herders großes Vermächtnis zu uns.

 

An diesen Gedankengang anknüpfend, entwickelte dann Prof. Dr. Th. Litt, Bonn, seinen Festvortrag: Herder als Geschichtsdeuter. Nie habe es dem Wesen Herders entsprochen, sich selbst herauszustellen. Sein Gedankengang sei aber unserer Zeit so gegenwärtig, dass er unmittelbar in das heutige Gespräch eingreifen könne, ohne von seiner Gültigkeit auch nur das Geringste einzubüßen. Zu der, uns alle bewegenden Fragestellung: Wie verhalten wir uns zu der geschichtlichen Situation? und der damit verbundenen Folgerung. In welcher Beziehung steht der Mensch, zum Ablauf der Geschichte? stellte Prof. Dr. Litt die Auffassungen gegenwärtiger Philosophen gegeneinander.

 

Damit weist uns Herder den Weg durch die Zeit, in die unsere Generation gestellt ist. Wir müssen diese Zeit „erleben", wir können uns nicht von der Szenerie in ein anderes, stilleres, ruhevolleres hinüberwünschen. Hier stehen wir vor der Aufgabe, die uns das Schicksal gestellt hat und die zu erfüllen wir gezwungen sind. Sie im Bewusstsein unserer menschlichen Größe zu erfüllen, sei unser Streben.

 

Herders fast lebensgroßes Portrait, das neben dem Pult des Vortragenden aufgestellt war, blickte auf den Zuhörerkreis der Forscher, Wissenschaftler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Eine von Bibl.-Dir. Dr. W. Hänisch besorgte Ausstellung mit einer einmaligen Zusammenstellung von Originalzeugnissen aus Herders Leben, Bildern, Briefen und Erstdrucken, die aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengetragen waren, vermittelte eine enge Fühlungnahme mit dem Schaffen Herders. Aber auch ohne diese eindrucksvollen Erinnerungsstücke bleibt uns der große Sohn Ostpreußens gegenwärtig, ein Weiser, der vor 150 Jahren lebte und doch unserer Generation so unendlich viel zu sagen hat. Hans Joachim Sramek.

 

 

Ausgabe B der Ostpreußen-Warte

Seite 9   Die Blindenanstalt auf den Hufen

Foto: Blick auf die Grüne Brücke und den Fischmarkt. Aufn.: E. Blume

Foto: Das Denkmal Kaiser Friedrichs III. vor dem Opernhaus auf dem Paradeplatz. Aufn.: Pohle

In diesen Tagen flatterten uns aus dem Leserkreise einige alte Königsberger Zeitungen auf den Tisch. Es waren schon recht vergilbte Blätter, die die Vertreibung aus unserer Vaterstadt in irgendeinem Rucksack überstanden hatten. Mögen diese Zeitungsblätter noch so alt sein, berichten sie doch so mancherlei Dinge, die uns auch heute noch lesenswert erscheinen. Wir werden auch weiterhin in diesen alten Zeitungen unserer Heimatstadt kramen und so manchen Artikel wieder ans Tageslicht bringen. Heute veröffentlichen wir einen Bericht über die Einweihung der neuen Blindenunterrichtsanstalt auf den Hufen, die am 18. Oktober 1909 stattfand. Der Artikel, der am 19. Oktober 1909 in der .Ostpreußischen Zeitung veröffentlicht wurde, gibt einen historischen Überblick über die ostpreußischen Blindenanstalten.

 

„In feierlicher Weise wurde am Montag die Einweihung der mit einem Gesamt-Kostenaufwande von rund 1 700 000 Mk. neu erbauten Anstaltsgebäude der „Ostpreußischen Blindenunterrichtsanstalt", des „Gräflich Bülow von Dennewitzschen Blindenstifts" und des „Kaiserin - Augusta - Viktoria - Werkstättenhauses für blinde Männer" vollzogen.

 

Um 11 Uhr vormittags hatten sich sämtliche Insassen der drei Anstalten in dem großen Saale des Hauptgebäudes der Ostpreußischen Blindenunterrichtsanstalt, von deren Zinnen die preußische Flagge wehte, versammelt und erwarteten hier in festlicher Stimmung das Erscheinen der zur Feier geladenen Ehrengäste. Vertreter der Provinzialverwaltung empfingen diese am Eingange des schmucken Hauptgebäudes. Erschienen waren u. a.: Se. Exzellenz der Herr Oberpräsident v. Windheim mit Gemahlin, Kommandant Exzellenz Generalleutnant von der Lippe, Exzellenz Generalleutnant v. Rauch, Oberlandesgerichtspräsident Kanzler im Königreich Preußen Exzellenz Ehr. v. Plehwe, Landeshauptmann Geheimrat v. Berg mit Mitgliedern des Provinzialausschusses der Provinz Ostpreußen und den Landesräten Geh. Regierungsrat Triebet, Seddig, Passarge und Küsel, Landesbaurat Varrentrapp, welcher die Pläne für den Bau entworfen und den Bau selbst geleitet hat, Generalsuperintendent D. Braun nebst Gemahlin, in seinem Ornat Prälat und Probst Szadowski, Oberpräsidialrat Dr. Graf v. Keyserlingk, Generallandschaftsrat Baron von der Goltz, Konsistorialpräsident a. D. D. Frhr. v. Dörnberg, Stadtverordnetenvorsteher Stadtrat a. D. Krohne und der Vorstand der Ostpreußischen Blinden-Unterrichts-Anstalt mit seinem Vorsitzenden, Kaufmann Paul Lemmel, an der Spitze, sowie zahlreiche Damen.

 

Die Feier wurde eröffnet durch den Vortrag des 100. Psalms in der Komposition von Marken, welchen der stattliche Chor der Blinden von der hohen Empore des zwölffenstrigen Saales herab unter Leitung des Anstaltslehrers Unfrau zu Gehör brachte. Nachdem die letzten Akkorde verklungen waren, betrat Generalsuperintendent D. Braun das Rednerpodium und nahm zu einer längeren gehaltvollen Ansprache das Wort. Er wies auf die Bedeutung des 18. Oktober in der preußischen Geschichte hin, auf die Freiheitskriege von 1813 und den Tag von Belle-Alliance, der ein Aufleuchten der Freiheit bedeutete. Der heutige 18. Oktober sei für die Anstalt ein bedeutungsvoller und gewaltiger Tag. Er dokumentiere in aller Deutlichkeit das hohe Interesse und die stete Liebestätigkeit, welche unter der Führung des Königshauses den armen Blinden unserer Provinz aller Bekenntnisse entgegengebracht werde, nicht bloß für ihr körperliches Wohlsein und ihre körperliche Pflege, sondern auch für die Erziehung und Ausbildung für das Leben und die Seele, Staat und Kommunen seien reich geworden an Erbarmen für die Blinden unserer Provinz, nicht nur indessen für sie allein, denn reich sei Ostpreußen an Anstalten der christlichen Nächstenliebe für Blinde, Taubstumme, Krüppel usw. Dank gebühre allen denjenigen, die mitgearbeitet hätten an dem Werke der Erweckung für barmherzige Nächstenliebe, insbesondere dem Kaiser und seiner hohen Gemahlin, dem seligen Landeshauptmann v. Brandt und denjenigen Mitgliedern der Provinzialverwaltung, welche heute bereits im kühlen Grabe ruhen, ferner den hier anwesenden Lehrern der Blinden und allen denen, die sich mit warmen Herzen in christlicher Nächstenliebe der Anstalten angenommen haben. Mit Gebet seien die Anstalten damit geweiht und damit ihrer Bestimmung im Namen Gottes überwiesen.

 

Probst Prälat Szadowski sprach darauf ein kurzes Gebet und wünschte den Anstalten segensreiches Gedeihen.

 

Demnächst ergriff Landeshauptmann Geheimrat v. Berg das Wort und gab einen längeren historischen Überblick über die ostpreußischen Blindenanstalten. Am 18. Oktober vor nunmehr 90 Jahren — so führte der Redner u. a. aus — sei die Urkunde für die Errichtung des Gräflich Bülow von Dennewitzschen Blindenstiftes unterzeichnet worden, das zunächst bestimmt war, diejenigen ostpreußischen Vaterlandsverteidiger, insbesondere alte Soldaten aufzunehmen, die in den Freiheitskriegen ihr Augenlicht eingebüßt oder schwer gefährdet hatten. Der von dem damaligen kommandierenden General v. Auerswald mitunterzeichnete Aufruf für die Begründung eines derartigen Heimes hätte den Erfolg gehabt, dass zunächst die Summe von 6000 Talern zusammengekommen sei trotz der drückenden Lage, in welcher sich die gesamte Provinz mit allen ihren Bewohnern befand. Weitere Spenden hätten es, namentlich unter v. Auerswalds Initiative, ermöglicht, im Jahre 1819 eine Krieger-Blindenanstalt für Preußen in Königsberg, unterstützt durch des Königs Gnade, in der Sackheimer Hinterstraße zu errichten, nachdem die gesammelten Spenden die Höhe von 18 000 Talern erreicht hatten. Dieses sei zunächst für 20 Krieger eingerichtet worden. Gleichzeitig sei dem Stift die Aufgabe zugefallen, seine Insassen handwerklich auszubilden, um sie vor Not zu schützen. In segenbringender Weise habe die Anstalt so bis zum Jahre 1836 bestanden; indessen sei zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden, die bisherige Blinden-Unterrichtsanstalt aufzulösen und sie in eine Blinden-Unterstützungsanstalt umzuwandeln und zwar mit Rücksicht darauf, dass die Blinden der Anstalt ihren Lebensunterhalt nicht mehr erwarben. Unter dem 19. Dezember 1836 habe diese Anstalt unter dem damaligen Oberpräsidenten v. Schön ihre Bestätigung erhalten. Am 1. Januar 1837 sei sie ins Leben getreten. Das bisherige Anstaltsgebäude in der Sackheimer Hinterstraße sei zum Preise von 3500 Talern verkauft worden und der erzielte Erlös dem Unterstützungsfonds zugeführt worden. Der gesunde und schöne Gedanke, den Blinden nicht bloß eine dauernde Unterstützung zu gewähren, sondern sie auch in ihrer Bildung und Erwerbsfähigkeit zu fördern, wäre indessen nicht schlummernd geblieben. Unter allgemeiner Opferfreudigkeit sei ein Provinzialverein begründet worden, der es sich zur Aufgabe gemacht, die Blinden der Provinz nach jeglicher Richtung zu fördern. Auf dem Oberhaberberg gegenüber der dortigen Kirche sei 1846 eine besondere neue Anstalt für die Blinden errichtet worden, die jahrelang segensreich gewirkt habe, und zwar bis zum Jahre 1856, von welchem Zeitpunkt an das Gräflich Bülow von Dennewitzsche Stift dem Provinzialverein alljährlich die Summe von 10 000 Mk. überantwortete mit der Bedingung, die alten, blinden Krieger zu pflegen. Im Jahre 1882 seien aus den späteren Feldzügen nur noch vier Krieger anstaltsbedürftig gewesen. Deshalb habe man damals beschlossen, die Aufgaben des Bülowschen Stifts und die der Provinz der Obhut des Preußischen Blindenwesens zu übergeben und gleichzeitig das Vermögen des Bülowschen Stifts der Provinz zu überweisen. Nach langen Verhandlungen habe dann im Jahre 1897 die Übergabe der Anstalten an den Verein stattfinden können. Die gemeinsame Arbeit sei äußerst segenbringend gewesen. Die Zahl der Blinden habe innerhalb der Provinz infolge ihrer stetig zunehmenden Bevölkerung sich vergrößert, und viele hätten deshalb nach ihrer Ausbildung leider herausgegeben werden müssen. Mit dem Jahre 1905 sei es dank der christlichen Nächstenliebe der ganzen Provinz anlässlich der Silberhochzeit unseres Kaiserpaares möglich gewesen, für blinde Männer ein besonderes Werkstättenhaus zu begründen. Schon zu dieser Zeit hätte es sich herausgestellt, dass der Platz an der Haberberger Kirche für die Interessen der Anstalten nicht mehr genüge, und im Jahre 1906 sei dann der Gedanke aufgetaucht, die Anstalten vor die Tore der Stadt nach den Hufen hinaus zu verlegen. 1906 habe Landesbaurat Varrentrapp die Pläne zu den Neubauten vorgelegt, und nachdem sie die Genehmigung erhalten, sei mit der Errichtung der umfangreichen Baulichkeiten auf dem Terrain bei Hardershof durch die Firma Sandmann der Anfang gemacht und in Zeiträume von anderthalb Jahren wären sie zu Ende geführt worden. Die Gebäude genügten für absehbare Zeit dem Bedürfnis, denn sie seien imstande, einschließlich des Anstaltspersonals 400 Köpfe zu fassen. Der Verein und die Provinzialverwaltung haben sich alle Mühe gegeben, die sämtlichen Anstaltsräume nach Möglichkeit aufs Beste einzurichten. Redner schloss seine Ansprache mit dem Gelöbnis an des großen Dulders Wort „Einer trage des anderen Last" und dem Wunsche, dass Gott seine segnende Hand immerdar über die Anstalten halten möge.

 

Der Vorsitzende der Blinden-Unterrichtsanstalt, Kaufmann Lemmel, dankte sodann allen denjenigen, welche mit an diesem Werke der christlichen Nächstenliebe tätig gewesen sind, insbesondere der Königlichen Staatsregierung, dem Oberpräsidenten für die Veranstaltung von Hauskollekten, dem Landeshauptmann und der Provinzialverwaltung, die sich weit über das Maß der gesetzmäßigen Verpflichtung an dem Werke beteiligt habe, den früheren und zeitigen Wohltätern der Anstalt und dem zeitigen Leiter der Anstalt, der schon seit nunmehr über 40 Jahre im Dienste derselben stehe. Die baren Mittel der Anstalt seien durch den Neubau erschöpft, und deshalb bitte er alle, mit Rat und Tat der Anstalt auch fernerhin zur Seite zu stehen.

 

Direktor Brandstädter knüpfte an das Wort „Befiehl du deine Wege" an und sprach den Dank der Angestellten und der Zöglinge für die Gründung der neuen Anstalten aus, in denen es vergönnt sei, den Blinden die erforderliche Ausbildung und Handfertigkeit für Erwerbung ihres Lebensunterhaltes zu gewähren.

 

Oberpräsident Exzellenz v. Windheim gab darauf diejenigen Auszeichnungen bekannt, die aus Anlass der Fertigstellung der Neubauten verliehen worden sind und knüpfte daran Wünsche für weitere segensreiche Wirksamkeit der Anstalten. Es haben erhalten: Landesbaurat Wilhelm Varrentrapp den Charakter als Geheimer Baurat, Kaufmann Paul Lemmel, hier, den Roten Adlerorden vierter Klasse, der Direktor der Ostpreußischen Blindenunterrichtsanstalt August Brandstädter und Landesrat Otto Kusel den Königlichen Kronenorden vierter Klasse, der Zimmerpolier Hugo Schenkel und der Maurerpolier Hugo Schwarz das Allgemeine Ehrenzeichen, und der Maurerpolier Gustav Herrmann in Alt-Bolitten die Kronenordenmedaille.

 

Den Schluss der Feier bildete der Vortrag des 23. Psalms in der Vertonung von B. Klein durch den Anstaltschor.

 

Die Mehrzahl der Ehrengäste trat darauf einen Rundgang durch sämtliche Anstaltsräumlichkeiten an. Photograph Kühlewindt hatte eine Reihe vorzüglicher Aufnahmen von dem Gebäude und der Feier selbst gemacht

 

Auf der Pregelbrücke

Träge fließt das trübe Wasser

Und es riecht nach Teer und Tang.

Einsam steh' ich auf der Brücke,

Träumend geht mein Blick entlang,

Sieht der Häuser dunkle Schatten

Wie ein alt-verstaubtes Bild.

Dichter fällt der Abendnebel,

Der die große Stadt verhüllt.

 

Und der Brückenlampe Schimmer

Spiegelt sich im weiten Kreis,

Ölig runde Flecke zeugen

Von des Tages Müh' und Fleiß.

Viele stolze Schiffe zogen

Ihre stille, weite Bahn,

Legten langsam und bedächtig

An des Pregels Ufer an;

Löschten ihre vollen Lasten,

Zogen schwerelos zum Meer;

Kamen weit aus fernen Ländern,

Fremder Meere Küsten her.

 

Seht, jetzt treiben morsche Hölzer,

Äpfel, Zwiebel in den Kreis,

Bleiben an den Pfählen hängen,

Die im Mondenlicht so weiß.

Schwimmen dann im Strome weiter,

Werden bald nicht mehr geseh'n.

So geht alles einst vorüber,

Kaum Erkennen, schon Vergeh'n.

Anita Lehre-Düllo

 

 

Seite 10   Eine tapfere ostpreußische Frau

Neun Jahre sind inzwischen seit der gewaltsamen Vertreibung aus unserer Heimat vergangen. Damals vor neun Jahren begann das Unheil über unsere Heimat und seine Menschen hereinzubrechen. Unsagbares Leid, schwerste Entbehrungen, Not und Tod waren die Folgen für unsere schwergeprüfte Bevölkerung. Sehr viele Landsleute mussten noch jahrelang grauenhafteste Not unter der sowjetischen Besatzung ertragen, bis auch sie endlich der Tyrannei entrinnen konnten. Nachstehend beginnen wir mit der Veröffentlichung eines Berichtes von Margarete Raabe, der Frau des ehemaligen Direktors des Ostpr. Jungbrunnens in Königsberg, über ihre Erlebnisse in den Jahren von 1945 - 1947 unter der Russenherrschaft in Königsberg.

 

Nach tagelangen schrecklichen Bombardements stürmten am 08.04.1945 mittags die Russen in unserem Keller, Kastanien-Allee 1. Wir, Frl. W., 4 polnische Hausmädchen, 1 Krankenschwester, die Eltern und ungefähr 40 alte Leute des in letzter Zeit in unserem Hause untergebrachten städt. Altersheimes waren dort. Der erste russische Offizier war freundlich, besonders zu den alten Eltern, über deren hohes Alter er den Kopf schüttelte. Leider verließ uns der Offizier bald, und über uns stürmten nun ungehindert die russischen Horden herein. Der Versuch, sie mit Kaffee zu bewirten und sie dadurch etwas in Schach zu halten, glückte nur bis zum Abend.

 

Als bei Dunkelwerden eines der Polenmädchen mit Gewalt weggeführt wurde, sahen wir mit Bangen, was auf uns alle wartete. So gut wir konnten machten wir uns unkenntlich, und wie verabredet, legten wir uns zwischen die Alten und Kranken. Nachts wurde ich mehrmals zum Mitkommen aufgefordert, konnte mich aber dadurch, dass ich mir den Anschein gab, die Beine nicht gebrauchen zu können, retten. Unser Keller war inzwischen gedrängt voll geworden, die Russen trieben immer mehr Menschen hinein. Die Häuser in Ratshof und um uns herum brannten. Unsere beiden Häuser brannten nicht; das kleine hatte viele Bordwaffeneinschläge und das große mehrere Bombenlöcher im obersten Stockwerk und einen Granatendurchschlag im Kellergeschoss. In das Prasseln des Feuers, das von draußen in unseren Keller drang, mischten sich die flehenden Bitten der von den Russen hinausgezerrten Frauen. Von den anderen forderte man Uhren, Ringe, Goldsachen; die umherstehenden und versteckten Koffer wurden mitgenommen. Ich hörte, durfte mich aber nicht rühren, wie Papa sich weigerte, seine Uhr zu geben und wie Mutter immerzu bat, ihre Koffer nicht zu nehmen, sie sei doch ausgebombt. —

 

So wie Papa handelte noch ein älterer Herr, beide wurden von den Russen hinausgetrieben, Mutter ging freiwillig hinterher. Hinausgetrieben wurden auch alle, die gehen und stehen konnten, wohin, weiß ich nicht, sie wurden getrieben — getrieben. Vorher tobte, es hatte den Anschein, als wäre es um unser Haus, — ein Gefecht. Die Deutschen versuchten, die Russen zurückzudrängen und wir lagen in Angst und hofften, zitterten und beteten, aber leider kam keine Rettung.

 

Die darauf folgenden Tage und Nächte vergingen weiter in Schrecken und in verzehrender Angst. Wir waren überhaupt nicht mehr vor den Russen sicher, — vor ihrem Rauben, Vergewaltigen usw. — Die noch vorhandenen Lebensmittel gingen auch weg, wir wussten nicht, wo wir etwas verstecken sollten. Nur Kartoffeln waren geblieben. Das Kochen war eine Pein, die Russen durften nicht sehen, dass man noch stehen konnte; sie zerrten und stießen jede Frau mit, nach der ihr Sinn stand. Selbst vor unseren alten 80-jährigen sterbenden Frauen machten sie nicht Halt. Frl. W. und ich, wir konnten uns wie durch ein Wunder retten? und wenn es nicht anders ging, kämpften wir mit den Unmenschen; ich wurde dann kreideweiß und taumelte, darüber erschraken meistens die Kerle und ließen von mir ab. Ich hätte mich im anderen Falle lieber erschießen lassen, überhaupt erschien der Tod als die einzige Erlösung aus dieser Pein.

 

Die polnischen Hausmädchen und die Krankenschwester, letztere gab sich auch als Polin aus, wurden gleich am ersten Tage mit der Bemerkung, dass man bei Deutschen nicht arbeiten dürfe, aufgefordert, nach Hause zu gehen. Das russische Mädchen wurde von einem Offizier gefragt, wie es ihr bei den Deutschen ergangen sei. Auf ihre Antwort, es sei ihr immer gut gegangen, erhielt sie eine schallende Ohrfeige, mit den Worten; „Wenn Du eine Russin sein willst, ist es bei Deutschen niemals gut, hast Du verstanden?"

 

Unser unruhiges Leben und das wüste Betragen der noch immer uns heimsuchenden Russen, hatten sich nicht geändert. Wir lebten weiter in Angst und Schrecken. Inzwischen ging die Ruhr durch unseren Keller. Ich war die erste, die davon befallen wurde. Während dieser Zeit — ich war schwerkrank, — gingen die Russen als an einer Sterbenden an mir vorüber; aber ein Teil meiner noch vorhandenen Kleider und Schuhe musste mit. Ich selbst erholte mich und wurde wieder in Augenschein genommen. Nach einer furchtbar verbrachten Nacht, während der ich längere Zeit unter dem Bett an der Spiralmatratze hing, — wäre ich bald einem Russen zum Opfer gefallen. Ich konnte jedoch schreiend auf die Hofseite unseres Gartens laufen. Dort waren Lastkraftwagen aufgefahren. Im Gartenhaus befand sich eine Küche, ich bat den Koch um Hilfe, doch dieser kam nicht. Alber meine Schreie wurden von einem Major gehört. Er kam mir ins Haus nach; ich zeigte ihm, soweit es ging, meinen blau und schwarz geschlagenen Körper und flehte ihn um Hilfe an. Der russische Major streifte seinen Handschuh ab, gab mir die Hand und stellte durch einen etwas deutsch sprechenden Russen Fragen. Auf die Frage: „Wie ernährt ihr die alten Menschen?" schickte er mir zwei Hinterviertel eines Pferdes. Da konnten wir gut kochen zur Freude der noch am Leben gebliebenen alten Menschen. Vom 9. Mai ab bekamen wir von der Kommandantur 200 gr. Brot pro Person. Flüchtende Landleute hatten, um ihre Habe zu erleichtern, in unserem Garen einen Sack grobes Brotmehl abgeworfen. Das Mehl hatten wir, da es etwas feucht war getrocknet und verwahrt; die Russen fanden es, schütteten es aus und zertrampelten es. Wir sammelten das noch brauchbare Mehl wieder, kochten davon morgens eine Suppe und gaben die 200 gr. Brot dazu, die jeder gleich für den Abend einteilen musste. Zum Mittagessen machten wir ein Kartoffelgericht.

 

Infolge der nicht ausreichenden Ernährung, unruhigen Schlafes und fortwährenden Belästigung durch die Russen starben im Zeitraum von einigen Wochen 16 alte Menschen. Einer der Männer verlor den Verstand. Er schrie Tag und Nacht: „Alles haben sie mir genommen, meine Kleider, meine Schuhe, meinen Mantel", bis er durch den Tod erlöst wurde. Die Toten wickelten wir in eine Decke und betteten sie in den durch unseren Garten gezogenen Verteidigungsgraben. Trat ein Todesfall abends oder in der Nacht ein, so schliefen wir andern oder besser gesagt, wir verbrachten die Nacht in allernächster Nähe des Toten. Es kam vor, dass ich mich neben einen Toten schutzsuchend legte; denn die Angst vor den Russen nahm die bis dahin vorhandene Scheu vor den Toten. Trotzdem schon Wochen vergangen waren, gingen die Russen immer noch durch unseren Keller und suchten nach Kleidungsstücken, Uhren, Lebensmitteln u. dgl. Einen alten Herrn (über 80 Jahre) wollte man den Anzug ausziehen, er weigerte sich. Man stieß ihn in den Kohlenkeller, wir hörten Schläge und Schreie; als wir zu ihm kommen konnten, lag er am Boden, seiner Kleider beraubt, und stöhnte vor Schmerzen. Wir schleppten ihn auf sein Lager, nach einigen Tagen starb er. Inzwischen wurden in den oberen Räumen unseres Hauses Möbel, Apparate usw. zerschlagen, Türen und Fenster, selbst Wände wurden herausgerissen. Auch der Garten war vollkommen verändert. Die Blutbuche, Martins stolzer Baum, wurde zuerst abgeästet, sie diente als Stange im neuen Sportplatz. —

 

Das Erinnerungsplätzchen unseres Jungen wurde zertreten, der Gedenkstein umgeworfen und als Bank benutzt. Auch die großen Tannen wurden von unten an abgeästet und die kleineren umgehauen.

 

Inzwischen hatte eine LKW-Abteilung in unserem Hause Quartier genommen; durch den Dolmetscher ließ man uns sagen, dass wir den Keller sofort zu räumen hätten. Ich ging bitten, und wir durften nur noch kurze Zeit, wie man uns sagte, bleiben. Wir baten um Arbeit, und bekamen Wäsche zu waschen und zu plätten und gelegentlich — in der Küche zu arbeiten. Dafür erhielten wir übrig gebliebene Speisen, Brot, Dörrbrot usw. Da wir doch noch immer hofften, in dem Keller unseres Hauses bleiben

zu dürfen, gruben wir den Garten unseres Nachbarhauses, Kastanien-Alle 2, um und säten Gemüse. Vielleicht war das Graben für mich zu schwer.  Mein Herzleiden meldete sich, ich bekam mehrmals am Tage starke Anfälle, nach deren Abklingen ich mich vollkommen erledigt fühlte Die Anfälle mehrten und steigerten sich, ich konnte nur noch ganz wenig essen. Da ich liegen musste, schleppte ich mich in den Nachbargarten und legte mich dort auf einen Gartenstuhl. Ein junger Russe kam, schüttelte den Kopf und brachte mir in seinem Kochgeschirr den Rest seines Mittagessens; dieses wiederholte er mehrere Tage.

 

Anfang Juni war meine Schwester Martha mit ihrem Töchterchen zu uns in unseren Keller gekommen. Sie war im Februar geflüchtet, aber nur bis Zoppot gekommen, wo sie am 12.03. den Russeneinfall erlebte. Viel, viel Schreckliches hat sie mit ihrer Evemarie erlebt. Da sie nicht mehr aus noch ein wusste, entschloss sie sich, besonders auf Bitten Evemaries, nach Königsberg zu fahren. Die Grenzen waren damals noch nicht geschlossen. Sie hoffte in Königsberg noch ihre Wohnung zu finden, evtl. auch ihren Mann; aber sich vorstellen, wie grausam die Russen waren, konnte sie sich nicht. Wir arbeiteten nun zusammen, so gut es ging.

 

Am 9. Juli zog in die benachbarten Villen, soweit sie noch beziehbar waren, eine neue russische Einheit ein. Ein Offizier kam zu uns und forderte uns in grober Weise auf, sofort unseren Keller zu räumen. Ich flehte und bat, doch er gab uns nur 3 Stunden Zeit zur Räumung. Auch mein Bittgang zum General, der in der König‘schen Villa, Kastanien-Allee Nr. 8, wohnte, erlaubte uns nur bis zum andern morgen früh bleiben zu dürfen. Der Offizier stand während des Packens neben mir, fuchtelte mit der Reitpeitsche und trieb mich zur Eile an. Ich packte zusammen, so gut ich es in der Aufregung konnte, ebenso Frl. W. Meine Schwester arbeitete mit ihrem Töchterchen in einem Arbeitstrupp. Wir konnten sie nicht benachrichtigen. Die zusammengepackten Sachen schleppten wir in den Nachbarsgarten, wo wir einen alten Mann als Wache aufstellten. Inzwischen besorgten wir uns ein Unterkommen in dem Hause meiner Verwandten in der Boyenstraße. Früh am andern Morgen fingen wir an, unsere Sachen — einen Teil davon hatte man uns in der Nacht gestohlen, — dorthin zu bringen. Derweil hatte man die noch in unserem Keller gebliebenen alten Leute, die zum größten Teil weder stehen noch gehen konnten, auf einen Lastwagen geworfen und davongefahren. Ich habe es nie erfahren, wohin. Wir richteten uns in einem Zimmer im Obergeschoß Boyenstraße 45 ein. Da in der Küche nur ein Gasherd war, kochten wir im Keller in der Waschküche. Meine Schwester und Frl. W. gingen arbeiten. Ich bekam in der Poliklinik von einem deutschen Arzt ein Attest, lautend bis 21.07., dass ich wegen eines schweren Herzleidens nicht arbeiten konnte.

 

Täglich suchten die Straßenkommandantinnen, das waren junge deutsche Frauen, die Wohnungen der Deutschen ab und trieben die Frauen zusammen, um sie den Russen zur Arbeitseinteilung zuzuführen. Inzwischen war den deutschen Ärzten verboten worden, Atteste auszuschreiben, und somit konnte das meine nicht verlängert werden.

 

Während der Kontrollgänge der Kommandantinnen konnte ich mich bis zum 05.08. verstecken. An diesem Tage ging ich mit einem Trupp Frauen — mehrere Hundert waren es - zu einem Arbeitsplatz vor dem Nordbahnhof. Dieser Platz sollte sauber gemacht und planiert werden. Wir schleppten Eisenteile, alte Motoren, und allen möglichen Unrat ein Stück Weges nach hinten: Wir bekamen 200 Gramm Brot pro Tag und mit Ausnahme der ersten 5 Tage eine Wassersuppe mit wenig Mehl. Bald stellten sich bei mir die Herzanfälle wieder ein, und ich musste die groben Arbeiten einstellen. Nach drei Wochen war ich so weit, dass ich nicht mehr aufstehen konnte. Die schweren Anfälle machten mich vollkommen kraftlos und Elend, und meine Umgebung glaubte das Ende nahe. Der für unsere Straße zuständige ärztliche Betreuer kam nicht, es hieß, er müsse umziehen. Da träumte ich eines Nachts, ich ginge vollkommen bekleidet durch hohes, klares Wasser und wurde nicht nass. Am Morgen sagte ich zu meiner Schwester Martha: „Ich werde nicht sterben, ich werde gesund“. Und langsam, ganz langsam wurde es besser mit mir, trotz des elenden Körpers, der bis zum Skelett abgemagert war. Nach mehreren Tagen kam der ärztliche Betreuer, ein junger bayerischer Medizinstudent. Er stellte Untertemperatur und ich weiß nicht, was noch fest. Jedenfalls bekam ich wieder ein Attest, d. h. ich durfte nicht zur Arbeit getrieben werden und durfte 200 Gramm Brot pro Tag kaufen. Während der Zeit des Krankenlagers gingen die Russen in Steputas Häuschen in den unteren Räumen ein und aus. Sie hämmerten und zerschlugen (der Rest des Satzes fehlt). In den Garten wagten wir uns auch nicht, da ernteten sie die Früchte; den verrammelten Kellereingang brachen sie immer wieder auf und kletterten am Balkon hoch. Dann kam es sehr oft vor, dass ein Russe vor meinem Bett stand. Sie raubten aus dem Zimmer, was sie fassen konnten, sie nahmen den Spiegel von der Wand, die Schere vom Tisch, umherliegende oder hängende Kleidungsstücke usw. Einige gefüllte Taschen mit Sachen, die mir besonders wert waren. Als ich einmal mit Evamaries Hilfe in den Keller zum Kochen ging, überfielen uns dort mehrere Russen. Während derselben Zeit war ein anderer Russe am Balkon hoch und ins Zimmer geklettert und hatte uns alle unsere Kleider gestohlen. Schwach wie ich war, versuchte ich nachzulaufen, aber ich strauchelte und fiel, wieder. Wegen meiner verzweifelten Schreie schüttelte ein alter Russe mitleidig den Kopf und versuchte, mir zu helfen. Unweit vor mir hob er meinen Muff und meine Handschuhe auf. (Dieser Muff hat mich bis Berlin begleitet, auf der langen Fahrt und im Lager wärmte er am Tage meine Hände und in der Nacht diente er als Kopfkissen). Trotz aller Aufregungen am Tage ist uns des Nachts in der Boyenstraße nichts passiert.

(Fortsetzung folgt)

 

 

Seite 10   Landsleute bitte herhören!

Allen Arbeitskameradinnen und -kameraden und Berichterstattern die besten Wünsche zum Jahreswechsel. Herzlich danken wir an dieser Stelle allen denen, die uns zum Weihnachtsfest geschrieben haben.

 

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag (09.12.1953) unserer lieben Kollegin Frau Frieda Schulze, geb. Brustat.

 

Anträge auf Dienstzeitbescheinigungen sind nicht an uns, sondern an die Auskunftstelle Königsberg Pr. (22a) Duisburg, Oberstraße, Zimmer 680, zu stellen. Dabei ist zu beachten:

 

a) Genaue Personalangaben machen,

 

b) Beschäftigungsdienststelle angeben,

 

c) Namen des Dienststellenleiters oder von Kollegen nennen, die für die Abgabe einer Bescheinigung in Betracht kommen,

 

d) eine eigene Erklärung über diejenigen Personalmerkmale beifügen, die bescheinigt werden sollen (Dienstbezeichnung, Anstellungsverhältnis, Besoldungs- oder Vergütungsgruppe, Dienstzeiten, Besoldungsdienstalter usw.). Die Erklärung muss den Zusatz tragen, dss der Anfordernde bereit ist, darüber vor Gericht eine eidesstattliche Erklärung abzugeben.

 

e) Für den bescheinigenden Kollegen ist Rückporto und 1,-- DM in Briefmarken für Beglaubigungsgebühren beizufügen.

 

Die Bitte im Antrage: „Ich möchte sofort eine Dienstbescheinigung haben, ohne Personalangaben, genügt nicht. Aus den hier vorliegenden Anträgen geht nicht einwandfrei hervor, dass die lieben Kolleginnen und Kollegen nicht die Ostpr.-Warte B mit Einlage Königsberger Neue Zeitung halten und sich nicht vorher informiert haben, was lles dazu erforderlich ist. Auch ist festgestellt, dass sie sich weder hier, noch bei der Stadt Duisburg, Auskunftstelle Königsberg Pr., gemeldet haben. Wir bitten alle Arbeitskameradinnen und -kameraden, die die Ostpreußen-Warte mit Königberger Neue Zeitung halten, dafür zu werben, dass auch der letzte Kollege die Ostpreußen-Warte B hält. Nur so können wir alle Fälle klären, wenn wir über alle wichtigen Anordnungen der Bundesregierung, die uns Königsberger angeht, informiert sein wollen. Auf die Werbebuchprämien der Ostpreußen-Warte wird hingewiesen.

 

Wohnungsänderungen sind nach wie vor uns, sowie der Stadt Duisburg mitzuteilen. Wenn wir diese Bitte aussprechen, dann wird auch ein triftiger Grund vorliegen, dies zu tun.

 

Nach unserer Suchliste zu urteilen, fehlen immer noch viele Arbeitskameradinnen und Arbeitskameraden. Wie viele Landsleute von uns warten auf ihre vermissten Lieben? Helfen auch Sie uns, den richtigen Suchweg finden. Auch für den kleinsten Anhaltspunkt sind wir dankbar.

 

Für die Berichterstattung im Monat Dezember 953 danken wir namens der Angehörigen:

 

Erich Matte,

 

St.-O.-Insp. a. D. Willi Faber,

 

St.-Insp. Reinhold Neiß,

 

Stadtassistentin Erna Wintel,

 

Paul Klein,

 

Charlotte Anrath,

 

Elisabeth Schmidt,

 

Horst Berger,

 

Emma Linder.

 

Am 29. November 1953 verstarb in Bergen (Rügen-Ostzone) unsere liebe Kollegin Stadtsekretärin i. R. Käthe Raudies. Sie nahm regen Anteil an dem weiteren Ausbau der Anschriftensammelstelle. Manchen wertvollen Hinweis verdanken wir ihr.

 

Ferner sind verstorben:

 

Schwester im Alters- und Pflegeheim Rothenstein Auguste Donath. Bis 1947 war sie dort noch tätig. In Wilhelmshaven hatte sie ihre 2. Heimat gefunden.

 

Vom ehemaligen Königsberger Stadtsteueramt verstarb am 25.10.1953 Stadtobersekretär Gustav Wiechert.

 

Wir werden das Andenken dieser lieben Arbeitskameradinnen und -kameraden in Ehren halten.

 

Wir suchen und wer berichtet:

 

Liesbeth Hein und Otto Fritsch, Friedrichstr. 12,

 

Richard Schmeer, Magisterstr. 41.

 

Böhm und Wiesbaum, Königstraße.

 

Franz Kuhn und Franz Kuhnert, Wilhelmstraße.

 

Edwin Borchert (Beton- und Monierbau).

 

Fahnenjunkerfeldwebel Hansgeorg Wrona, geb. 25.06.1925 in Schalmey (3. Komp. Pi.-Batrl. Ulrich von Hutten)

 

St.-Insp. Rusch,

 

St.-O.-Insp. Rehberg.

 

Frau Gertrud Reimann

 

Angestellte Rauchwetter (Wi. A.)

 

St.-Sektr. Rogowski.

 

St.-O.-S. Julius Rieck

 

Angest. Richard Renner (Verw.-Stelle Altersheim Waldau),

 

St.-Insp. Bruno Radtke

 

Angest. Rieß (St.-A. 49)

 

Bibliothekarin Reger

 

Emil Reiß (K. W. S.),

 

Schwester Erna Ricklinkat (St.-Kr.-Anst.)

 

Lagerverw. Wilhelm Radatz (K. W. S.)

 

Schlosser Reuter (Hafen),

 

Frau Charlotte Ritter

 

Kartograf Karl Rau,

 

Renner, geb. Kretschmann (Wi. A.)

 

Arbeiter Rippke und Ritter (Hafen)

 

Arbeiter Eugen Rutkowski (Gasanst.),

 

Vollz.-O.-Sektr. Franz Reimann,

 

die Oberinsp. d. Fuhrges. Ramminger, Roßack und Insp. Ruhr,

 

Straßenhilfsaufseher Roose.

 

Bei Anfragen usw. bitte stets Rückporto beifügen.

 

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, - Angestellten und Arbeiter 16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1

 

 

Seite 10   Königsberger Suchdienst

Gesucht werden folgende vermisste Königsberger:

 

202. Gustav Arndt, Therese Arndt, Fritz Arndt und Max Arndt. Früher Schnürlingstraße 25

 

203. Fritz Bartsch, geb. 18.01.1916, Oberfeldwebel, früher Vorst. Langg. 122, Feldpostnummer N 200 67 D. Seit 26.01.1945 in Königsberg vermisst.

 

204. Max Bialluch, geb. 22.08.1896, Lehrer, früher Hochmeisterstraße 6

 

205. Paul Böttcher, geb. 09.05.1890, Prokurist bei Witt & Svendsen, früher: Wohnung Weidendamm 29; am 04.02.1945 in Königsberg gesehen worden.

 

206. Edith Böttcher, geb. 05.08.1927, früher: Weidendamm 29; am 27.02.1945 von Konradswitte, Kurisches Haff verschleppt

 

207. Alfred Bolz, geb. 24.06.1898, früher:  Junkerstr. 10. Seit Mitte Januar 1945 vermisst bei den Kämpfen um die Festung Boyen

 

208. Horst Braunsberger, geb. 14.08.1925, Bote bei der Deutschen Ostmesse, früher: Fritzener Weg 24; vermisst seit 28.06.1944

 

209. Reinhard Ewald, früher: Knochenstraße 52, vermisst seit 28.01.1945, gesucht von seiner Ehefrau.

 

210. Hermann Frank, geb. 1868, früher: General-Litzmann-Straße 22 (?).

 

211. Marie Heß, geb. Meller, verw. Schott, geb. 09.05.1874, früher: Blücherstraße 18 I; letzte Nachricht vom 17.01.1945

 

212. Walter Kirstein, geb. 17.01.1906, früher: Lizentgrabenstraße 18

 

213. Emma Kohnert, geb. Lockau, geb. 16.02.1865, früher: Oberhaberberg 4, vermisst seit Februar 1945 in Königsberg

 

214. Minna Maschke, geb. Seydel,geb. 13.10.1871, früher: Hinterroßgarten 40, Gartenhaus.

 

215. Erwin Meitsch, geb. Dezember 1922, Gefreiter, früher: Steindamm 35. Vermisst seit Januar 1943 in Russland

 

216. Franz Meller, geb. 30.05.1878 (?), Polsterer- und Tapeziermeister bei Gebrüder Siebert, früher: Vorderlomse 39.

 

217. Fritz Meller, geb. 1882, Oberzugfrührer bei der Reichsbahn, früher: Unterhaberberg 8.

 

218. Alfred Georg Meschut, geb. 30.09.1897, techn. Angestellter bei der Heeres-Waschanstalt, früher: Wallring 1 – 3; seit 29.01.1945 vermisst Metgehten. Gesucht von seiner Ehefrau.

 

219. Emma Naesserg, geb. Wermke, geb. 02.07.1895, früher: Guditter Allee 43 bei Buchholz

 

220. Liesbeth Nagorni, geb. Kallweit, früher: Kaiserstraße 11

 

221. Franz Neubacher, geb. 23.01.1900, Schirrmeister, und Sohn Siegfried N., geb. 12.02.1935, früher: Hermann-Göring-Straße 75 II r.

 

222. Fritz Neumann, geb. 1895 geb., Gendarmeriemeister, früher. Kalgen.

 

223. Gertrud Neumann, geb. Rusch, früher: Löben, Langgasse 6

 

224. Gisela Oertel, geb. 30.05.1925, früher: Moltkestraße 14

 

225. Otto Riemann, früher: Richard-Wagner-Straße 27/28. 1945 in Königsberg verschleppt.

 

226. Max Schipper, Major der Luftwaffe, früher: Schrötterstraße 4

 

227. Friedrich Schmeer, geb. 12.03.1876, Reichsbahnwerkmeister, früher: Lämmerweg 20

 

228. Herta Schoff, geb. 30.11.1903, Standortfürsorgerin bei der Kommandantur, Königsberg, früher: Blücherstraße 18

 

229. Harry Templin und Paul Templin, geb. 09.06.1910, früher: Am Fließ 52

 

230. August-Ferd. Wittke, geb. 15.11.1879, Arbeiter beim Heereszeugamt Königsberg, früher: Lavendelstraße 3

 

231. Fritz Zimmermann, Flaksoldat, und Frau Minna Zimmermann, geb. Schüttrigkeit, geb. 06.02.1914, früher: Tiepoldstraße 20.

 

Auskünfte und Hinweise erbittet die Stadt Duisburg. Auskunftstelle Königsberg, Preußen. Nachricht erbittet die Auskunftstelle Königsberg der Patenstadt Duisburg.

 

 

Seite 11   Sommer im Bernsteinland. Von Alexis. 8. Fortsetzung

Schwere Winterstürme richteten in den ersten Januartagen des Jahres 1914 im Ostseebad Cranz starke Verwüstungen an. Unsere Bilder zeigen die Strandpromenade beim Hotel Monopol und die Strandpromenade mit Blick auf den Seesteg. Auf einer Postkarte, die damals herausgegeben wurde, hieß es: Am Friedag wärt, de See ging hoch und höcher, / De witte Gischt, spritzt rup bis up de Dächer, / De grote Flut se bahnt sik egnen Weg, / Zerstört de schöne Promenad und Ufersteg / Nu jammre wi, wer wat de Flundre keepe, / Wi motte uns genug ok so all streepe! / Drum helpt und giwt, denn mok wi alles scheen, / Ju könne dat ja ok noch selber sehn; / Und wenn et Sommer war, kömmt ohne Bange, / E niet Cranz, verschönt, wat Ju empfange.

Foto: Blick auf das winterliche Tharau. Aufn. Frau Scheffel

 

Bagger greifen tief in den Boden, der auf Wagen befördert zur Wäscherei läuft, wo die Bernsteinklumpen herausgespült werden. Der Rest wird wieder dorthin befördert, wo man zu graben begann, so dass sich die Abbaustelle nur auf der einen Seite tiefer ins Land hereinfrisst, auf der anderen dagegen wieder zuwächst, ohne wie sonst im Bergbau unvernarbte Wunden und riesige Schlackenhalden zu hinterlassen.

 

Schon früher wusste man, dass aus der Erde mitunter mehr herauszuholen ist, als aus der See. Doch wurde der Stollenbau in jüngster Zeit aufgegeben, weil durch die Unmasse des zum Abstützen nötigen Holzes das Verfahren zu kostspielig war. Die neue Art der Gewinnung hat zudem den Vorteil, jeden Kubikmeter Erde zu erfassen.

 

Die Räume, in denen geschickte Frauenhände den Stein schleifen, bohren und polieren, sind vom Kreischen der Maschinen erfüllt, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Bewundernswert ist die Arbeitsdisziplin der jungen Mädchen, die eingehüllt in einen aromatisch strengen Geruch und von Bernsteinstaub wie Müllerinnen überpudert, den Fremden gar nicht beachten. Wichtiger fast noch ist die Bernsteinkocherei, die einen wertvollen Lack liefert. Bei der Herstellung kunstgewerblicher Arbeiten wetteifert die Norddeutsche Bernsteinindustrie mit der Staatlichen Bernsteinmanufaktur.

 

Die Bernsteingewinnung gehört dem Staat, der von der Ordenszeit bis heute die willkommene Einnahmequelle in den Händen behielt. Nur nach Jahren geringer Ausbeute, wo sich der große Verwaltungsapparat nicht lohnte, wurde sie an tüchtige Kaufleute verpachtet, die mehr herauszuholen wussten. Das wurde aber zum Anlass genommen, die Pachtsumme zu vervielfachen, bis die Unternehmer die Sache satt bekamen und den ganzen Kram hinwarfen, so, wie es noch heute jeder Geschäftsmann machen möchte, wenn ihm das Finanzamt zu sehr im Nacken sitzt.

 

In alter Zeit regelten zahlreiche Bernsteinordnungen die Ausbeutungs- und Besitzverhältnisse. Der oberste Beamte, Bernsteinmeister genannt, hatte in Lochstädt, seit dem Jahr 1581 in Germau seinen Sitz.

Ihm mussten Strandknechte oder Strandreiter den Bernstein abliefern, der durch Strandleute oder Strandbauern gesammelt wurde. Beim Auflesen halfen ihnen ihre Frauen und Kinder, die den Männern während der kalten Jahreszeit zugleich gewärmte Pelzdecken zu reichen pflegten, wenn sie halberstarrt aus dem Wasser zurückkamen.

 

Streng an ihrem Bernsteineid gebunden, wurden sie entsprechend schlecht bezahlt, so wie es in der „guten alten Zeit" allgemein üblich war. Denn das Salz, das sie als Entgelt erhielten um ihre Hafergrütze zu würzen, schmeckten sie täglich bei ihrer Arbeit auf der Zunge und ich würde mich bedanken, als Metzgergesell meinen Wochenlohn in Gestalt von Königsberger Klopsen in Empfang zu nehmen. Wie wenig der Gaumen dieser Leute verwöhnt war, geht aus dem Bericht eines alten Schriftstellers hervor, den, es als Botaniker interessierte, dass sie sogar die Beeren des Sandkorns dazu benutzten, um ihren heißen Schlunz ein wenig Geschmack zu geben.

 

Selbstverständlich haben die Dichter auch die schwere Arbeit der Strandbauern romantisch verklärt. Max von Schenkendorf singt in seinem Bernsteinfischerlied:

 

„In dem ersten Morgenstrahle

Füllen wir mit Gold die Schale

Schöpfen wir das Sonnengut"

und weiter:

„Mutig selbst auf Todeswegen

Schiffen wir dem Licht entgegen

Dürstend nach so hohem Preis

Werden wir herabgezogen

Kühlet im Gezelt der Wogen

Unsere Gluthen goldnes Eis"

 

Auch Rhesa, ein Kind der Kurischen Nehrung hat uns 1797 ein „Lied der Bernsteinfischer" geschenkt. Seine Herkunft hat ihm die Leier zur Verherrlichung altpreußischer Sagen und Gebräuche am reinsten gestimmt. Deshalb mögen auch die ersten Strophen seines Gedichts hier folgen:

 

„Brüder auf, der Westwind wehet

Und die See rauscht hohlen Klang

Wer Aurora liebt, empfähet

Reichen Segen früh zum Fang

 

Spüle dich auf aus verborgenen Trümmern

Goldiger Stein, den die Sonne gebar

Fürstliche Kronen sollst du umschimmern

Glänzen der Jungfrau an Busen und Haar

 

Senkt die Reusen eilig nieder

Wenn die Well am Strand sich legt

Kehrt mit raschem Fuße wieder

Eh die zweite brandend schlägt

 

Seht, schon perlt der Flut Geriesel

Und das Meergras taucht empor

Zwischen Muschel, Holz und Kiesel

Blitz das goldene Harz hervor . . .

 

Den Strandbauern war es untersagt, sich ohne Kescher am Ufer blicken zu lassen, damit sie gleich als staatliche Arbeiter zu erkennen seien. Oft erschienen bei ihnen die Strandknechte zur Haussuchung und immer wieder geschah es, dass sie in irgend einem Versteck ein paar besonders schöne Stücke Bernstein vorfanden, die aus Gewinnsucht oder Spieltrieb unterschlagen worden waren.

 

Wie eine alte Legende klingt die Geschichte von eines Strandbauern Weib, das bei seiner ärmlichen Einrichtung nichts, als ein schönes geflochtenes Körbchen besaß, in dem es sein Nähzeug verwahrt hielt.

 

Einst konnte die Frau der Versuchung nicht widerstehn, aus dem Fang ihres Mannes ein paar schöne, ebenmäßige Stücke zu nehmen, die eine prachtvolle, hellgelbe Färbung hatten. Sie versteckte sie zunächst in ihrem Körbchen.

 

Kam da eines Tages der Strandreiter geritten, band sein Pferd an den Pfosten und sah sich in der Stube um. Wie es seine Pflicht war, durchsuchte er alle Schubladen und das Bett, aber es war nichts darin zu finden. Zum Schluss sah das Körbchen stehn. „Was hältst du in diesem Körbchen verwahrt?" fragte er. Das Weib errötete, weil sein Gewissen schlug, fasste sich aber und sprach: „Ei, nur mein Nähzeug wie Ihr seht." Der Strandreiter merkte wohl, dass er belogen wurde. Da er aber mitleidig war und das Weib zudem schön, forschte er nicht weiter nach und ritt seines Wegs.

 

In der Nacht stand die Frau heimlich auf und betrachtete ihren Schatz. Dann weckte sie den Fischer unter viel Zärtlichkeiten, um, ihm alles zu gestehn, aber sooft sie ansetzte, brachte sie es doch nicht übers Herz. Vielmehr, empfand sie fortan noch stärker die Süße des Geheimnisses. Als der Strandreiter das nächste Mal geritten kam, fragte er das Weib abermals, was es in dem Körbchen verwahrt halte. „Aber so seht doch, nichts als Eier", antwortete sie diesmal schon viel dreister, „wenn Ihr wollt, kann ich Euch davon verkaufen." Der Strandreiter blickte sie an, zog die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts und ging.

 

Als abermals ein Vierteljahr vergangenen war, trat er zum dritten Mal in die Stube und gewahrte, dass Kirschen in dem Körbchen lagen. „Was verwahrst du in diesem Körbchen?" fragte er streng. „Ei, Kirschen, nichts als Kirschen" sagte die Frau selbstsicher, „nehmt doch eine Probe, wenn Ihr wollt“.

 

Da setzte sich der Strandreiter an den Tisch und begann Kirschen zu essen, die ihm gut zu munden schienen. Je mehr er aß, desto unruhiger wurde das Weib. Als er schon eine ganze Weile gegessen hatte, sah man zwischen den dunklen Früchten etwas Helles hervorschimmern. Da schüttete der Knecht das Körbchen um, von dessen Grund lauter edelgefärbte helle Steine zum Vorschein kamen.

 

Im Gefängnis gestand die Untreue, dass sie den Schatz ohne Wissen ihres Mannes gesammelt, aber nie daran gedacht habe, ihn um Geldes willen zu „verpartieren." Sie habe nichts anderes im Sinn gehabt, als sich bisweilen an seinem strahlenden Feuer heimlich zu erfreun. Da sie schwanger war, verschonten sie die Richter mit Stockschlägen und milderten ihre Strafe. Noch in ihrer Haft gebar sie ein Mädchen, dessen bernsteingelbe Haare von nie gesehener Schönheit waren.

 

Die Verhandlungen vor dem Bernsteingericht in Palmnicken, später in Fischhausen, zeigen, wie sich das Strafmaß sozusagen nach Gewicht erhöhte, denn während ein geringer Unterschleif um 1640 nur zwanzig polnische Gulden Strafe kostete, gab es bei Entwendung einer achtel Tonne Staupenschläge oder Landesverweisung, bei einer viertel Tonne jedoch drohte bereits der Galgen.

 

Das Fortschaffen des geraubten Guts zu Schiff scheint bei den Bernsteindieben am häufigsten gewesen zu sein. Georg Wilhelm sagt denen Strafe an, die sich unterstehen, „obbemeldeten Börnstein heimlich verbottener Weise zu entwenden oder unter gesaltzenen Fischen, Flachs etc. mit arglistigen rencken nach Königsberg, Mümmel, Braunsberg, Elbing und Dantzig zu verführen". Auch verfügt er, dass keine Schotten „sich am Seestrande oder dazugehörigen Örtern auf Sahmland sollen sehn lassen", die infolge ihrer Geschäftstüchtigkeit schon immer berühmt waren.

 

Natürlich kamen Bernsteindiebstähle am leichtesten heraus, wenn sich Nachbarn in die Haare gerieten. Als einst einem alten Mann im Streit von seinem trunkenen Zechkumpan zugerufen wurde, er halte es mit den Bocksheiligern, antwortet der sogleich: „Und du stiehlst Bernstein", was einen langen Prozess nach sich zieht.

 

Der heidnische Brauch, den Göttern einen Bock zu opfern, muss sich unter der Strandbevölkerung allen Verboten zum Trotz noch bis gegen das Jahr 1600 erhalten haben. Diese Sudauer hielten zäh an ihren alten Überlieferungen. Severin Goebel tadelt sie wegen ihrer „Abgötterei, Anrufung der unvernünftigen Kreatur und ihrer Halsstarrigkeit. „Er ist der Ansicht, dass es sich bei diesem Volksstamm um Abkömmlinge von Juden handelt, die nach der Zerstörung Jerusalems hierher verschlagen worden seien, wo sie seither in Fischerbudlein ein kümmerliches Dasein fristeten. Noch jetzt könne man ihr Klagelied vernehmen, aus dem man immer wieder die Worte „jeru-jeru“ heraushöre. O guae mutatio rerum!

 

Entsetzliche Folgen hatten die Untaten Hans Loses, der 1474 seinen Nächsten, die er verderben wollte, Bernstein in die Häuser schmuggelte, um sie darauf als Diebe zu bezichtigen. Durch grausame Foltern zu einem Geständnis dessen, was sie nicht begangen hatten, gepresst, wurden die Unglücklichen aufgehängt.

 

Es scheint, dass der Orden nicht gleich nach der Eroberung Preußens das Bernsteinregal aufgerichtet habe. Erst 1246, nach der völligen Unterwerfung der aufrührerischen Samländer konnte er sich des ungeschmälerten Besitzes der Küste erfreun und damit dem Preußen Laucstiete bei Lochstädt den Bernsteinhandel entreißen.

 

Anfänglich wurde das Harz hauptsächlich als Räucherwerk an die Kirchen verkauft. Erst in späteren Jahrhunderten kamen die Bernsteinzünfte auf, die aber, um jedwedem unlauteren Handel vorzubeugen, weniger in Königsberg, als in Danzig und Elbing ihren Sitz hatten.

 

Damit wurde an die uralte Tradition des Bernsteinschmucks wieder angeknüpft, der in Form rohbearbeiteter und aneinander gereihter Steine schon in vorgeschichtlicher Zeit üblich gewesen, zur Zeit des römischen Imperiums aber zu hoher Blüte gelangt war. „Eia poppeia“ sagte Nero zu seiner neuen Freundin Poppäa, als er ihr ein kostbares Bernsteinhalsband umlegte und ihr eine blonde Perücke aufsetzte, die er sich durch einen zum Limes abkommandierten Offizier besorgt hatte. Vier Jahre später war sie ihm so über, dass er ihr einen Fußtritt versetzte, an dessen Folgen sie starb. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der lichte Prunk den dunkelhaarigen Römerinnen gut zu Gesicht gestanden hat, soweit sie nicht die Hofmode „Nur — blond" mitmachten. Aber so sind die Frauen, immer wollen sie anders erscheinen, als sie sind und es ist ein Glück, dass ihnen das Haarfärben heute ein wenig abgewöhnt worden ist. Den Unbelehrbaren aber möge das Schicksal der Poppäa ein warnendes Beispiel sein.

 

Von allen Plätzen, nach denen Bernstein verschickt wurde, war die Niederlassung in Brügge die älteste und größte. Aber auch in Lübeck, Kolberg und Stolp wurde er frühzeitig bearbeitet. Nicht nur Rosenkränze und Schmuck daraus waren begehrt, sondern auch Einlegearbeiten wurden mit ihm kunstvoll ausgeführt, wovon mancher Hausrat in Schlössern und Patrizierhäusern Zeugnis gibt.

 

Die Farbe des Bernsteins wechselte von Weiß über Hellgelb bis ins rötliche, „bernsteinfarbene“, so, wie chinesischer Tee, verschieden stark aufgebrüht, verschiedene Schattierungen aufweist.

 

Diese unterschiedliche Färbung ist die ursprüngliche, wenn auch moderne Aufbereitungsverfahren ganz neue Töne entstehen lassen können. Vielleicht waren es abgestorbene Teile von Bäumen, die das seltenere weiße Harz ausschwitzten, lebende das lebhafter gefärbte.

 

Wir lieben den hellgelben Stein am meisten und finden ihn für blonde Frauen als schönsten Schmuck, während sich der dunkle vorteilhafter bei der Ornamentierung von Möbeln ausnimmt — eine Wertung, die im alten Kunsthandwerk auch überall beachtet worden zu sein scheint.

 

„Buntfarbige"' Stücke ähneln geschecktem Halbedelstein; „flomig“ werden solche genannt, die durch eingelagerte Luftbläschen wie mit Watte gefüttert aussehn, die „eisfarbigen“ endlich sind durchsichtig wie Glas, Seesteine, die lange im Wasser gelegen haben, gleichen Sahnebonbons und müssen erst von ihrer Kruste befreit werden, um ihre eigentliche Tönung erkennen zu lassen. Dunkler bekrustet sind die Erdsteine, die man aus den Schichten des Diluviums birgt.

Fortsetzung folgt

 

 

Seite 12   Uutkureert / Von Wanda Wendlandt

„E Wedder ös dat wedder!“ sagte Onkel Ernst zur Begrüßung und schob den Sorgenstuhl dicht an den großen Kachelofen. „Mi sull gaonich wundre, wat dao aller wedder de Klompschoh opsete ware und oppe Näs lijje! Op eenmaol nenne se dem jao „Jrippe“, wat so lang all Önfluenza heet – na et motte jao ömma nieje Mode kaome: Mi sull gaonich wundre, wenn se söck ware e Ossezaogel anne N… binde on römhöpse wi de Aope! – Aowa vonne Jrippe dao kunn eck Ju jao ook wat vatelle, bloß denn sej Ju wedder, e böske Leege ziert de Red un eck sull Jun nich so doll de Näs vulleeje. Aowa eck si jao nich so wi jenMann, wo oppe Jeröcht jelaode weer, weil he von seinem Naowa dem Waoge jeborjt had und denn dem stöll un heimlich äwer Nacht triggjestellt had, ganz un gaor entwei on untem Liem. Un nu nuscht betaole un trechtmaoke laote wull. „Hoher Herr Jerichtshof“ säd he „das sein ganz ausjestunkene Leeje! Indem daß ich das gaonich needich hab, von dem Mann was zu borjen und nie nich um mein Dag nich un kein mal nich vondem Mann was jeborjt jehabt haben tu! Un indem daß der olle Brassel von ohlem Wagen schon nich mehr tosammeheel on äwerall entwei war wi ich ihm holte! Un ganz on gaor noch, weil ich ihm sein Eijentum in besten Zustand truggjebraocht haben tu!“

 

„Dat kann jao nu de blind Schuster möttem Kreckstock feele, dat dat nich stömme kann – kann – aowa von mien Vatelling, dao laot eck mit je nu ook nich een I-Tippelke awdiffendeere, wenn dat ni chwaohr sön sull denn jriep eck e witt Wulf!

 

Wi eck noch e Jung weer von vleicht dröttije Jaohr, dao hadd wi ook e lang Tied so e aosije Wedder ackraod wi nu ömma. Un dao seed ons Mutterke to dem Vaoda: „Eck weet gaonich wat nu möttem Jung ös, de quiemd so röm un fißbiedelt mi ömma undre Feed önne Köch röm, wo he sonst doch nich so haole ös un de ganze Dag buute ös! Eck war em man motte önne Bedd jaoge on em Fleedertee kaoke!" Eck mußd denn ook önne Bedd on ömmt dem ohle Poggeseich schlucke, aowa et wull gaonich beete wäre möt mi.

 

Wi so wo all twe Weekes vergange weere, dao wurd op eenmaol ons groot Boll ook krank on brölld on schmeet söck ömma dat eck dat bet önne Bedd heere kunn. Un dao säd ons Vaoda: „Mi ös da to ängsclich möttem Bolle — wer weet wat dem schaodt! Wi ware man motte dem Kardel to Ried naoh C. schöcke on vonnem Vehdokter Medizin haole laote. Na und wenn he denn nu schon dao sö, denn kann he ook jlieks bi em Mönschedokta rangaohne on wat värem Junge haole. Huck Di man hen und schriew man aller jenau op, wat se schaod vär jedem Dokter e Extrazeddel un denn jew de on Jeld dem Kardel, denn kann he jlick möttem Blößvoß losriede."

 

Na ons Mutterke deed dat denn ook on de Kardel, ons Peerdsknecht, reed denn los on ons Mutterke vermaohnd em noch maol, man good optopasse, wat de Doktersch sejje wulle on söck dat jenau to marke on ook good oppe Medizin optopasse. „Jao jao, eck war dat schon aller bewichse!" praohld de Kardel, „Weete Se nich mehr, wi eck dat väre Jaohr önne Kantung fein bewichsd hadd, dat eck nich önjetaoge wurd bi e Mareena on triggjestelld wurd?" — „Jo jo, eck weet noch, aowa nu ried man los, dat Du bold wedder kemmst!"

 

Na he had söck denn ook jespood so veel he kunn und brocht denn ook Medizin, e Schachtel Pöles on e groot Tuud möt witt Pulwer. „Na und wat seede de Doktersch — hest Du Di dat good jemarkt?" — „Jao, un nich bloß jemarkt. Alles jenau opjeschräwe, wi eck aowends önne Krog mit twe Glas Beer to mien Mitnehmbrot bestelld hadd. Hier — kenne Se läse: He muhs oddentlich mit Stroh jerieben, in einem Kreiß jefiert, de Pulwa einjeschittet met viel Waser un denn mit Deckens tojedekd werden. — Dat ös värem Junge. Un nu värem Bolle: He muhs de Pillens einkriejen, denn in kalte nasse Lakens einjewikelt, mit Todecks warm zujedeckt um noch Wärmkrukens manke Beine kriejen." — „Wat," säd ons Mutterke, „wat sull wi möttem Jung maoke? — Möt Stroh awriewe? - Mi kömmt dat bold so vär, als wenn ons ohl Dokter all e böske önne Kindheit kömmt!"

 

„Sejj dat man nich", meent ons Vaoda, „eck hebb erscht jistre önne Sinndagsblad jelese vonne nieje Naturheilmethode: Dao motte de Lied vär Dau un Dag möt barfte Feet dorche Gras un Stoppels renne un Waoter trede. — Ob buute Waoto oddersch bönne Waota — Waota ös op jedem Fall jesund und denn wöll wi man anfange un dem Jung „viel Wasser einschütten" — un Du, Kardel, haol man e Wösch Stro! — Aowa doch nich jlieks Arwtestro — dao teh wi jo dem Jung de Fell aw, wenn mi e mriewe — Arwtastro ös doch to hart"!

 

„Hart jejen hart", säd de Diewel, un scheet oppe Amboß; wat sön mott, mot sön!" morrd de Kardel, un tooch möt sienem Laod Arwtestro wedder aw. He hadd söck da fein trechtjelejt: Alle säwe Jaohr paßd de Flöck — dat he söck nu fein räke wull, weil eck em maol kortjeschneedne Peerdhaor mangke Tobback ön sien Sinndagspiep jestoppd hadd. Aova ons Mutterke leet em nich ran, haold söck sölwe e Wöschke mehr Heej als Stro un reew mi nu sachtike dem ganze Romp aw. Denn mußd eck e paormal ömme Dösch renne on denn e ganz Stöppel Waota mötte ganz Huupe vonnem witte Polwa runderwerje — Oi! mi schuddert noch! — Na un denn wickele se mi in warme Wolldeckes on packde mi önne Bedd.

 

„So — dat ös jao nu jedaohne, nu help de lewe Gottke! — Aowa nu de Boll, nu mott wi dem jo värnehme! Aowa de ward doch de Pölles gaonich schlucke wölle?" — „Na vleicht kann eck se em värkaue" schloj de Kardem vär. „Nä Jung, dat jeiht doch nich, denn titst doch alle Kraft ute Pölles ruter." Na denn wurde se önne Koppermeerser jeschött on fien terdröckd on de Polwa denn önne Buddel Waota dem Bolle önne Hals jegaote. Nu wurd dat aowa e suur Stück Aorbeit, em ön kohle natte Laoks to wickle, alle Mann mußde ran on em hoole helpe, bät et denn endlich jlöcke wull. Aowa nu möt Todecks todecke? — „Ach wat!" mennt ons Pa, „De Dokta ös bloß so fienstriepich! Wat brukt e Boll Todecks?! — Kardel, haol de Peerdsdecke, wi wäre em ön de önwöltre!" Na, dat jing jao denn nu möt groot Meej ook vär söck, nu blewe denn block noch de Warmkrukes. „Ons Vehdokta mot woll ook all wat vonne niemodsche Naturheilkunde wejjekräje hebbe“, säd ons Vaoda, „von so e Kureererie bi e Stöck Veh hebb eck doch mein Dag noch nich jeheert!“ – Nu weer gaonich dran to enke, dat söck de Boll de heete Warmkrukes mangke Beene stöcke laote wull: He sprung op un schmerd ömma önne Höcht on sien ganze Önpacking jing kornistes. „Weete Se wat!“ säd ons Kardel, „wi ware em de Krukes möt Ströcker ömme Hals on ömme Buuk hänge, dat mott doch graod so good sön wi mangke Beene!“ Na nu bleew jaonuscht andert äwrig als dato ok so to maoke.

 

Dem andre Morje, dao hadd eck schwemme kunnd, so natt wer mien Bedd von Schweet on s frösch un munte wi e Fröschke weer eck do bloß noch so schwiemschlaojich un doll schwack oppe Hinderbeene. Aowa de Boll, de hadd de ganze Nacht jerementert on jeraohrd on jebrölld on mußt awjestaoke ware.

 

Wi nu ons Baoda wedder naoh C. on bi e Doktasch eem, dao kreej he jao denn dat to weete, dat de Kardel ön sein Damligkeit de Vaordnunge utjetuuscht had: Wat eck jekreeje bad, sull de Boll krieje, on mien Deel hat he jekreeje – worut Eener seene kann dat de Mönsch väl mehr uthole kann als so e Boll! – „N  bloß e Jlöck“ säd ons Vaoda to ons Mutterke „dat wi de ohle Pölles nich dem Jung önjejäwe hebbe! Denn e niej Aortboll, dem wöll wi ons bold wedder opjetaoge hebbe! Aowa e niej Aortsähn – dat ös jao doch nich so leicht – wat; Mutta?“

 

 

Noah Fieroawend

Guter Rat teuer!

Krauses waren jungverheiratet, und die Hausarbeit ging der frischgebackenen Ehefrau noch nicht ganz so schnell von der Hand, wie sie es eigentlich sollte. So kam es, dass das Mittagessen noch nicht fertig war, als ihr Mann heimkehrte. Als dieser dann auch noch in der Küche erschien, um ihr gegebenenfalls behilflich zu sein, wurde sie ganz nervös. Aufgeregt lief sie mit dem Kochbuch in der Hand von hier nach dort und holte die einzelnen Zutaten. Plötzlich stieß sie aus Versehen ihren Mann an, so dass ihr Buch an die Erde fiel und zuklappte. — „So!" rief sie verzweifelt, „nu hast du mir auch noch das Kochbuch zujeschlagen, wo ich nich mal weiß, was ich da koche!"

 

 

Bären aufgebunden

Eine ältere Dame kam nach Tapiau, der Geburtsstadt von Lovis Corinth, zu Besuch. Plötzlich fiel ihr ein, dass dort irgendein großer Maler geboren ist. Sie grübelte und grübelte, konnte jedoch nicht auf den Namen kommen. Um sich vor ihren Verwandten nur nicht zu blamieren, fragte sie deshalb gleich an der Eisenbahnsperre den Beamten: „Sagen Sie, wie heißt doch der große Mann, der hier geboren ist?" — „Großer Mann?!" Verdutzt sieht sie der Beamte ein Weilchen an, dann schmunzelt er: „Na, da haben Se sich ja en scheenen Bären aufbinden lassen! Wissen Se, bei uns werden auch nur kleine Kinder jeboren ..."

 

Das Bommche

Buttgereit ist zum Sonntagnachmittag zu Bekannten eingeladen worden. Gerade als er deren Haus betreten will, kommt ihm ein kleines Mädchen entgegen, das einen Dackel an der Leine führt. Neugierig mustert sie mit ihren großen, blauen Augen den Fremden, so dass dieser fühlt, die Kleine ansprechen zu müssen. — „Na, du willst wohl mit dem Hundche Spazierengehen? Wie heißt er denn eigentlich?" — „Der heißt Waldi", gibt sie ganz unbefangen zur Antwort, und gar nicht schüchtern fährt sie fort: „Und wie heißt du, Onkel?" — „Ich, hm …", verlegen räuspert sich Buttgereit, „ich — ich heiße Karl." — „So, Karl heißt du." Mit einer befriedigenden Geste holt sie dann aus ihrer Manteltasche einen Bonbon hervor. „Hier, Onkel Karl, den schenke ich dir." Erfreut über die Freigebigkeit des Mädchens bedankt sich Buttgereit, steckt den Bonbon in den Mund und will gerade fort, da nimmt der kleine Flachskolf das Gespräch noch einmal auf: „Na, Onkel, wie schmeckt dir denn das Bommche?" — „Danke, danke, sehr gut", antwortet er schnell und kurz, um die Unterhaltung endgültig abzubrechen. — „Komisch, Onkel, nicht?!" piepst da die Kleine weiter „mir schmeckt das Bommche, dir schmeckt das Bommche, und der dumme Waldi hat es schon dreimal ausjespuckt."

 

 

Auch wahr!

Es war noch recht früh am Morgen, als Zachran von lauten Axtschlägen geweckt wurde. Verschlafen und fröstelnd — es war Wintertags — ging er ans Fenster, um zu sehen, wer da schon herumwirtschaftete. Als er ein kleines Guckloch in die befrorenen Scheiben gehaucht hatte, war sein Erstaunen nicht gering. Da stand doch tatsächlich sein Nachbar im Nachthemd und hackte Holz. Safran öffnete das Fenster und rief: „He, Fritz, was is denn mit dir los?! Warum hackst du jetzt schon Holz?" — „Na, ich hatte nuscht nich mehr zum Heizen", war die Antwort. — „Schön, aber sag mal, warum hackst du denn in dieser Hundskälte im bloßen Hemd?" — „Ach, weißt du", erwiderte der ganz seelenruhig, „ich bin so gewohnt, mich erst in der warmen Stube anzuziehen, sonst erkälte ich mich womöglich noch."

 

Humor der Heimat

Landbriefträger in unserem Nachbardorf und Umgebung war Fr. Grohnert, ein tüchtiger, und überall gern gesehener Mann. Sein Dienst war nicht leicht. Oft musste er weite Wege machen, um die eingelaufenen Postsachen den einzelnen Familien zu übermitteln. So erschien er auch eines Tages in dem Kantorhaus in J. Schon von weitem deutete er der im Garten beschäftigten Hausfrau durch freundliches Winken an, dass er eine gute Nachricht bringe. „Frau Kantor", begann er, als er ganz nahe war, „hier ist eine Karte für Sie, Sie bekommen heute Nachmittag Besuch. Da ich weiß, dass es hier am Ort nicht alles gibt, wie es gewünscht wird, habe ich das Klopsfleisch zum Abendbrot aus W. gleich mitgebracht." Und damit überreichte er der ob dieses Vorfalls heiter gestimmten Hausfrau die Karte nebst einem kleinen Paket, enthaltend zwei Pfund Hackfleisch. So geschehen in unserm lieben Ostpreußen.

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt (6)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Nu haben wir Weihnachten und Silvester wieder mal hinter uns und sind mit kalte Fieße im neien Jahr reingetrampelt. Wissen Se, mit die Feiertage is das immer so e seltsame Sache. Erst freit einer sich rein dammlich, aber je dichter dass se rankommen, desto kleiner wird de Freid, weil das Portmanneeh leer is, und wenn se denn endlich vorbei sind, sagt einer „Gott sei Dank“. Mancher sagt das natierlich bloß, weil er noch virzehn Tag feiern mechd und das nich zugeben will, aber viele meinen dis ehrlich weil se sich dem Magen verkorkst haben und sich nu endlich wieder erholen können. Es is ja uch keine Art nich, was manche Menschen sich in die paar Tag inne Kaldaunen reinstoppen: Gänsebraten und Marzepan, Wurscht und Äppel, Schinken, Schucklad, Kuchen, Walnisse, Feigen, Feffernisse, Äppelsinen und Bomboms. Das reisst ieberhaupt nich ab. Im Essens stehen se auf und mit e Stick fette Silz innes Maul gehen se schlafen, und zwischendurch haben se nichemal Zeit, richtig Luft zu holen, weil se aus eins kauen missen. Das kann ja aufe Dauer nich gut gehen. Wir hädden ja nu nich so ippige Feiertage. Se wissen ja, es haut nich hin, aber e Stickche fetten Schweinebraten mite scheene reesche Schwart haben wir sich auch beleistet. Sehn Se, und das hädden wir nich machen solld, denn der Magen is sowas nich mehr gewehnt. Ich sagd gleich zu e Emma, se solld bei wenigstens es paar Schnapschens intus nehmen, aber se weiß ja alles besser, und als heeherer Postbeamter mit gute Erziehung is einer denn still und hält dem Rand. Das war Heiligabend. Nachts um Uhre eins ging es los. Das fette Fleisch war de Emma aufe Gallenblas geschlagen, und nu fing se an zu wuien und zu klagen, se krimmd sich wie e Regenwurm, ringeld sich zusammen und rolld sich wieder auseinander, dass rein dachd, se renkt, sich was aus. Dazwischen meind se: „Du ??? ??? wie e Fausthandschke aufe Schorrbahn, das siehst du gar nich, wenn ich mir so quälen muss. Dem Tod kann einer von kriegen!“ „Häddst man gehorcht und e paar Schnapschens raufgekippt, denn wer dir das nich passoren!" „Ja, nu hab ich auch noch Schuld! Du wolldst doch durchaus deinem Schweinebraten haben!" „Wolld ich auch, aber dem Kornus hinterher!" Und denn ging es weiter mittes Wuien und Stöhnen. „Wenn das nich bald aufheert, denn häng ich mir auf, das hält ja kein Pferd nich aus. Steh endlich auf und zieh mir anne Beine!" Das is de Emma Allerweltsmittel und eigenes Patänt. Wenn ihr irgend was is, sagt se, es hat sich was versetzt, und denn muss ich raus und ihr de Beine langziehen. Dabei verkiehl ich mir jedes Mal, und das will se bloß, denn is se wenigstens nich allein krank, sondern hat Gesellschaft. „Du mit dein dammliches Beineziehen, das hilft doch nuscht." „Schadt nuscht, es beruhigt mir aber!" Was bleibt einem bei sonne Sturheit iebrig? Ich mißd raus auße Posen, rein inne Bixen, denn spuckd ich mir inne Händ und riß ihr annes Fahrgestell, bis ich nich mehr jappen konnd. Half es nu wirklich, oder war das bloß Einbildung, jedenfalls meind se mit eins, dass es langsam besser wurd. „Nu noch emal so doll wie du kannst am linken Bein!" Ich also so doll wie ich konnd, und riezt! lag ich lang aufe kalte Dielen, denn ich war an ihre Wad ausgeglitscht. In die Gegend is se noch einigermaßen gepolstert, aber dafier bin ich hinten und anne Hiften desto spiddriger. Deshalb hädd ich mir ganz aasig gestoßen, und die blaue Fleckens sind heite noch nich weg. Außerdem lachd se mir aus, dass ich so ungeschickt bin, und nu mißd ich wuien und mir schobben. Ich konnd de ganze Nacht kein Aug nich zumachen, aber de Emma schnarchd wie e Ratz, als wenn se in ihr ganzes Leben noch niemals nich fettem Schweinebraten gegessen hädd. Nu können Se vleicht verstehen, wenn ich auch ??? Dank sag, dass de Feiertage vorbei sind. Aber ich mein es ehrlich.

 

Zu lachen gab es Weihnachten allerdings auch, aber nich zu knapp. Da wohnen bei uns im Dorf achtzehn Familien Steinmetzer, dass einer se gar nich ausenanderhalten kann, besonders wo sechszehn mit Vornamen August heißen. Jeder hat seinem Spitznamen. Dem wo ich mein hieß Fichtepeter, weil er beim Holzklauen im Wald mal einem Fichtenbaum innes Kreiz gekriegt, dass se ihm abschleppen mißden. Er is Schuster, und wenn er lacht, dann reicht der Mund bis an beide Ohren ran. Wenn de Ohren nich wären, denn mechd er sich diräkt de oberste Hälft vom Kopp ablachen. Erstfeiertag hädd der Fichtepeter sich e Flichtlingsfamilie Kussner eingeladen. Das kam mir gleich verdächtig vor, und richtig, das dicke End kam nach. De Herren huckden inne gute Stub aufes Plischsofa und paffden e Ziehgarr, de Damen waren inne Kich und schlugen Schmand. Mit eins meind de Steinmetzersche: „Na, de Leite munkeln ja allerhand ieber Ihnen, dass Se dem Kaufmann innem Konsum scheene Augen machen und dass Ihre Emma im Juli was kleines kriegt." Da brausd de Fussnersche auf: „Fassen Sie sich man anne eigne Nas und wischen sich dem Troppen ab, dass er nich im Schmand reinplumst. Wenn Ihr Mann alles wissd! Haben de Leite auch erzählt, dass Ihr August aus eins um unsere Emma rumscharwenzelt is?" „Haha! Rumscharwenzelt! Der kann ganz andre Mädchens kriegen wie Ihre aufgepumpte Emma." So gab ein Wort das andere, bis de Fussnersche dem Schmandschläger hinschmiß und aus die gastfreindliche Familie verschwinden wolld. Da kriegd se von rickwärts e paar rohe Eier annem Kopp, dass de ganze Blus bekleckerd war. Nu drehd se sich aufem Absatz rum und fuhr de Steinmetzersche mit beide Hände inne Haare. In dem Momang kam der Kussner reingestirzt, weil das Kampfgetöse bis aufem Plischsofa zu heeren war. Aber ehr daß er noch seine Altsche beispringen konnd, haud de Steinmetzersche ihm eins mitte Nudelrolle annem Kirbiß. De Brusch wird noch virzehn Taqe zu sehen sein. Von dem Schlag war er qanz bedammelt, torkeld zurick, trampeld auf de zerkloppte Eier rauf, glitschd aus und fiel mittes Gesicht direkt innem Schmandtopp rein. Da steckd aber noch der Schmandschläger drin wo seine Frau hingeschmissen hädd. Und der Stiel bohrd sich in sein rechtes Nasloch rein und riß ihm de Nas e Stickche auf, daß Blut kam. Das ging alles viel schneller, wie ich das hier erzählen kann. Aber wie de Frauens nu Blut sahen, da wurden se mit eins ruhig Denn kam noch der Fichtepeter inne Kich und fing

firchterlich an zu lachen, vom rechten Ohr bis zum linken Ohr. Das sah so komisch aus, daß aller mitlachen missden. Was soll ich Ihnen sagen: Se vertrugen sich wieder! De Kußnerseche machd sich de Eier auße Haare und ihr Mann dem Schmand auße Augen. De Steinmetzersche kiehld ihm zwischendurch de Brusch am Kopp, und der Fichtepeter hold e Flaschche Rum außem Schreibtisch. Wie oft er denn noch dem Schreibtisch aufschließen mißd, weiß ich nich. Jedenfalls wurd es sehr, sehr spät, bis se sich trennden. Und Zweitfeiertag wurd denn de Verlobung zwischen Kußners Emma und Steinmetzers August bekanntgegeben. Nu wird denn im Juli noch e kleiner Steinmetzer zukommen, damit der Name im Dorf nich ausstirbt. Und de Frau Kußner kauft nu nich mehr im Konsum, sondern bei Apels. Und de Frau Seinmetzter wischt jetzt öfters als frieher dem Tropfen vonne Nasenspitze ab. Nu mechden Se natierlich wissen, wie das alles rausgekommen is. Das hat der Fichtepeter besorgt. Der hädd sich im Krug orndlich de Nas beplimpert und bei die Gelegenheit alles erzählt. Dafier soll er zu Haus orndlich eins mittem Schlorr gekriegt haben, aber de Leite reden ja so viel, da weiß einer zuletzt gar nich mehr, was einer zuletzt gar nich mehr, was einer glauben soll. Bloß eins steht fest: von diese Weihnachtsfeier und ihre Folgen werden noch Kinder und Kindeskinder reden und sich de Huck volllachen.

 

Unser Silvesterabend war triebe und traurig. Wir hädden keinem Rum nich, bloß e paar trockne Pfannkuchen -  de Emma hädd das Fett gespart wegen ihre Galle. Der Neijahrsbock kam auch nich, und wie ich zu de Emma sagd, se soll bei wenigstens Schlorrche schmeißen – ich konnd ja nich, weil mir immer noch das Kreiz wehtat – da fragd se mir einfach, ob ich verrickt bin. Da können Se nuscht machen. Nu wollen wir mal sehen, was das neie Jahr uns bringt. Ob wir nu unsre alte e bißche besser gehen wird wie bis jetzt? Ob wir gesund bleiben oder all de Klumpen aufsetzten? Ob wir im Toto gewinnen? Meeg es kommen,wie es will, wir halten durch. So winsch ich Ihnen und Ihre Familie e glickliches und gesundes neies Jahr. Bleiben Se mir trei und lassen Se auch mal was von sich heeren. In diesem Sinne Prost und herzliche Grieße! Ihr Ernst Trostmann. Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste. Wer kennt die Angehörigen?

Heimkehrer haben beim Suchdienst Aussagen über Vermisste gemacht. Die Angehörigen dieser Vermissten konnten bisher nicht ermittelt werden. Erkennen Sie aus den nachstehend aufgeführten Personalangaben einen der Vermissten und können Sie Auskunft über dessen Angehörige geben? Helfen auch Sie, die Angehörigen ausfindig zu machen. Jede zutreffende Meldung bedeutet ein geklärtes Vermisstenschicksal! Geben Sie Ihren Hinweis zur Auffindung der Angehörigen bitte unverzüglich unter Angabe der Befragungsnummer der Liste (jeweils am Ende der Suchanzeige) an das Deutsche Kote Kreuz, Suchdienst München, Abt. Nachforschungsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7a.

 

Gesucht werden aus:

 

Allenburg (Ostpreußen): die Angehörigen von Vorname unbekannt Sauter,verheiratet, Justizangestellter, Stabsfeldwebel bei der Feldpostnummer 29743 – B/1273

 

Arnswalde, Ostpreußen: die Angehörigen von Fritz Scheinemann, Gefreiter – 3/6186

 

Vermutlich Gegend von Insterburg, Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Eliser oder Eliser oder Elisa, geb. etwa 1905/1910, verheiratet, Oberschütze bei der 4. Komp., Panzerjägerabteilung 230 der 170. Division – A/230

 

Gegend von Kloppenburg: die Angehörigen von Wilhelm Wilmes, Beruf: Tischler, Obergefreiter bei der 392. Inf.-Div. – 3/6192

 

Königsberg: die Angehörigen von Paul Kellner, geb. etwa 1900, verheiratet, Obergefreiter bei der 7. Komp., Grenad.-Rgt. 122 oder 50. Inf.-Div. – A/576

 

Königsberg: die Angehörigen von Vorname unbekannt Rockmann, geb. etwa 1895, verheiratet, Obermaat bei der Marine-Flak-Abt. 271, Scheinwerfer, Feldpostnummer 49873 – A/1096

 

Königsberg oder Umgebung: die Angehörigen von Erich Schustereit, zuletzt bei der Feldpostnummer L 21130 E – A/1303

 

Königsberg: die Angehörigen von Ernst Wissler, geb. 1912, Obergefreiter – B/2218

 

Lyck (Ostpreußen): die Angehörigen von Max Wilk, zuletzt bei der Feldpostnummer 16696 – A/2966

 

Vermutlich aus Mellmeraggen, Kreis Memel: die Angehörigen von Georg Redmer, Holzkaufmann, Hauptmann bei der Feldpostnummer 10502 A – 3/6183

 

Aus dem Kreis Osterode oder Marienburg (Ostpreußen): die Angehörigen von Gerhard Preuß, geb. etwa 1913/1916, Wachtmeister bei der 1. Komp., Nachrichten-Abt. 21, Feldpostnummer 08910 – B/1145

 

Vermutlich aus Riedenburg (Ostpreußen): die Angehörgen von Albert Graf, geb. 1903 in Riedenburg, zuletzt bei der Feldpostnummer 31163 – B/2434

 

Umgebung von Tilsit: die Angehörigen von Vorname unbekannt Hänsl, geb. 1915,  Berufssoldat, Wachtmeister bei der Feldpostnummer 07247 B – A/400

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Bruno Duscha, Beruf: Lehrer, Hauptmann der Reserve bei der Nachrichtenabteilung 291 und Nachrichten-Ersatzabteilung 1, Königsberg – A/2207

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Alfred Führer, geb. etwa 1919, Beruf: Landwirt, SS-Mann – B/342

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Ernst Gruhn, geb. 1922 in Ostpreußen, Obergefreiter bei der Feldpostnummer 19163 – A/384

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Rudolf Herrmann, geb. etwa 1927/1928 in Ostpreußen, Matrose bei der 7. Batterie, 3. Abteilung, Marine Artillerieregiment 2 – A/2018

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Neske, geb. etwa 1924 in Ostpreußen, ledig, Kanonier bei der Inf.-Div. Ostpreußen II – A/2650

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Michael Omarsreuther, geb. etwa 1905, verheiratet – A/944

 

Ostpreußen oder Westpreußen: die Angehörigen von Helmut Peters, geb. etwa 1923/1925, ledig, Soldat – A/975

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Rohde, geb. etwa 1905, Obergefreiter beim Begleitbataillon Reichsmarschall – A/2758

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Simon, geb. etwa 1918 in Ostpreußen, ledig, Wachtmeister bei der Inf.-Div. Ostpreußen II. - B/2749

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Paul Surowski, geb. etwa 1920, zuletzt bei der schw. Flakabteilung 601, Flakgruppe Niederschlesien, Festungsbesetzung Breslau — A/2799

 

Vermutlich Marienburg (Ostpreußen): die Angehörigen von Paul Schmidt, geb. etwa 1920, led., Oberjäger beim 16. Fallschirmjäger-Regiment Schirmer — B/1391  

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Schulzik, geb. etwa 1918/1919, Unteroffizier bei der 14. Komp., Jäger-Regiment 741, Feldpostnummer 43601 E — A/1938

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Friedrich Wiedmann, geb. 1928. Forstlehrling, Offiziersbewerber beim 3. Ausbildungs-Bataillon der Luftwaffe Oschatz — A/2044  

 

Allenstein (Ostpreußen): die Angehörigen des Vorname unbekannt Kopatz, geb. etwa 1901, verh., Oberfeldwebel bei der 14. Kompanie, Inf. Rgt. 478. Feldpostnummer 32017 — B/1975  

 

Jogeln, Kreis Ebenrode (Ostpreußen): die Angehörigen des Vorname unbekannt Gran oder Grau, verh., Volkssturmmann beim Volkssturm, 3. Komp.-Bataillon Ebenrode, Gruppe Nord —  A/1618

 

Königsberg: die Angehörigen des Heinz Wulf, geb. in Königsberg, ledig, Beruf Schreiner, Obergefr. bei der FPN 09465 — B/1714  

 

Königsberg: die Angehörigen des Max Kolberg, geb. etwa 1905 in Königsberg, verh., Beruf: Schuhmachermeister, Stabsgefreiter beim Festungs-Inf.-Bataillon 1441, FPN 02077 A — A/650

 

Umgebung von Königsberg: die Angehörigen des Vorname unbekannt Philipp, geb. etwa 1913, Oberfeldwebel — B/1109

 

Königsberg-Tilsit: die Angehörigen des Vorname unbekannt Wette, geb. etwa 1899/1901. Beruf Landwirt, Feldwebel bei der FPN 34 165 B — A/1489

 

Parleese bei Bischofsburg, Kreis Rössel (Ostpreußen): die Angehörigen des Vorname unbekannt Schipper, geb. etwa 1914/1916 in Parleese, verh., Wachtmeister — B/1371

 

Groß-Schunkern (Ostpreußen): die Angehörigen des Helmut Gulbinz, geb. etwa 1910, Unteroffizier — B/437

 

Gegend von Tilsit (Ostpreußen): die Angehörigen des Fritz Blankenstein, geb. 1905, verh., Beruf Zollassistent. Feldwebel bei der 5. Komp., Marschbataillon 300 — A/79

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Vorname unbekannt Bachmann, geb. etwa 1915, verh., Beruf: vermutl. Landwirt, Stabsgefreiter — B/29

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Helmuth Bischof, geb. etwa 1922, ledig, Unteroffizier bei der Flugzeugführerschule B 4 Hagenow (Mecklenburg) — B/100

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Erich Börschke, geb. etwa 1920, Unteroff. bei der 1/14 Flak. — A/93  

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Willi Noweck, geb. etwa 1921 in Labiau (Ostpr.), ledig, Beruf Schlosser, Stabsgefr. beim Divisions-Stab der 61. Inf.-Div. FPN 15933 — B/2056

 

Ostpreußen: die Angehörigen des, vermutlich Josef Schuder, verh., Landarbeiter, Feldwebel beim Feld-Einsatz-Bat. 69, 69. Inf.-Div. — B/1435  

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Robert Rohmann, geb. vermutlich in Ostpreußen, Unteroffiz. bei der 2. Schwadron des Reiter-Regmts. der FPN 17389 C — B/1232

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Vorname unbekannt Beschorner, geb. etwa 1920. Obergefr. bei der FPN L 32084 — B/1787

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Ernst Preukschat, geb. etwa 1916, zuletzt bei der 10. Komp., Regiment 13, 206. Division — A/1866

 

Vermutlich (Gumbinnen (Ostpreußen): die Angehörigen des, vermutlich Franz Warnke oder Warneke, geb. etwa 1907/1908 in Ostpreußen, verh., Beruf: Schreiner, Obergefreiter bei der FPN 59372 D — B/1611

 

Klackendorf, Kr. Rössel (Ostpreußen: die Angehörigen des Josef Parschau, geb. etwa 1895/1898, verh., Beruf: Bauer. Schütze beim Volkssturm-Bataillon Rössel (Ostpreußen) — B/1089  

 

Königsberg: die Angehörigen des Karl Weunert, geb. etwa 1900/1905, verh., Unteroffizier bei der 2. Komp. Bau-Pionier-Bataillon 227 — A/1994

 

Königsberg: die Angehörigen des, Vorname unbekannt Baumgarten, verh., Regiments-Kommandeur beim Art.-Reg. 788 zur besonderen Verwendung, FPN 29695 — A/43

 

Königsberg: die Angehörigen des Helmut Mohnke, geb. etwa 1913, ledig, aktiver Soldat, Oberfeldwebel bei der Jagd-Pak-Komp. 1254 —A/872

 

Königsberg: die Angehörigen des Kurt Galweit, geb. etwa 1915 — A/310

 

Umgebung von Königsberg: die Angehörigen des, Vorname unbekannt Thum,  geb. etwa 1901 — A/1372

 

Memel: die Angehörigen des Oskar Weiß, geb. etwa 1917, ledig, Beruf: Elektriker, Obergefreiter beim Panzer-Gren.-Rgt. 1, 24. Panzer-Div. — A/1465

 

Rastenburg: die Angehörigen des Fritz Weber, geb. etwa 1905/1910, Berufssoldat, Oberfeldwebel bei der FPN 57486 — A/1445

 

Stegen (Ostpreußen): die Angehörigen des Ernst Siemske, geb. etwa 1928, led. — A/1148

 

Trakehnen: die Angehörigen des Hans Ortmann, geb. etwa 1916 in Trakehnen, Gestütswärter, Feldwebel bei der FPN 24095 — A/947  

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Hugo, Böttcher geb. etwa 1919, zuletzt bei der 2. Komp. 460. Korps-Nachr., FPN — 16002 — B/120

 

Ostpreußen: die Angehörigen des, Vorname unbekannt Funk, geb. etwa 1908, verh., aktiver Soldat, Stabsfeldwebel bei der 4. Komp., Grenad.-Rgt. 984, FPN 19962 E — C/143

 

Ostpreußen: die Angehörigen des August Perschke, geb. etwa 1908/1910 in Ostpr., verh., Beruf: Landwirt, Stabsgefreiter bei der Heeres-Flak 308, FPN 59155 — A/2023

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Heinrich Vogt, verh., Beruf: Lehrer, Leutnant bei der FPN 66909 E — A/1415

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Konrad Standtke, geb. etwa 1910/1915. Beruf: Schmied, Oberfeldwebel — 3/6189

 

Ostpreußen: die Angehörigen des, Vorname unbekannt Lukowski, geb. etwa 1905/10, Beruf: Landwirt, Gefreiter bei der Fest-Pak, Ersatz- und Ausbildungsabteilung 102, Posen — B/881

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen des Franz Sabotka, Gefreiter beim Pionier-Rgt.-Stab, zur bes. Verw. 103, FPN 09719 — 3/5984

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen des, Vorname unbekannt Freytag, geb. etwa 1915/1917, verh., Beruf: Dreher oder Schlosser, Obergefreiter beim Waffenmeisterzug Nachschub-Div. 712. FPN 09899 B oder C — A/1654

 

Allenstein (Ostpreußen): die Angehörigen von Vorname unbekannt Fischer, geb. etwa 1914/1916. verh., Wachtmeister beim Flak-Rgt. 81 — A/2229

 

Vermutlich aus Deutsch-Krone: die Angehörigen von Vorname unbekannt Pygorsch, geb. etwa 1916, aktiver Soldat, Unteroffizier bei der 3. Komp. Sturmgeschütz-Abt. 177 — B/2692

 

Insterburg oder Tilsit: die Angehörigen von Vorname unbekannt Schwitay, geb. etwa 1913/1916, verh., Oberfeldwebel bei der 1. Komp. Sturmgeschütz-Abt. Panzer-Division 90 — A/1320  

 

Königsberg: die Angehörigen von Erich Fischer, geb. 1920, Beruf: Motorenschlosser, Unteroffiz. bei der Feldpostnummer 28586 — B/2391

 

Königsberg: die Angehörigen von Vorname unbekannt Neumann, geb. etwa 1897, Feldwebel bei der 9. Komp. Panzerregmt. 6 — B/1040

 

Königsberg: die Angehörigen von Albert Ruhnau, zuletzt bei der 4. Batterie Reserve Flakabtlg. 156. 10,5 cm - B/1256

 

Königsberg, Unterhaberberg 2, die Angehörigen von Franz Tannenberg, geb. etwa 1905, verh., Soldat beim Pionier-Ersatz-Bataillon 1 — C/121

 

Umgebung von Königsberg: die Angehörigen von Josef Zetlatscheck, geb. etwa 1914 in Königsberg, ledig, Beruf: Landwirt, Unteroffizier bei der 12. Komp. Grenadier-Rgt. 61 der 7. Inf.-Division, Feldpostnummer 24353 E — A/1546

 

Masuren (Ostpreußen): die Angehörigen von Albert Kandit, geb. etwa 1905, Fahrdienstleiter eines Kraftfahrparks, zuletzt bei der Sicherheitspolizei Aalborg — B/2512

 

Neukrug bei Bartenstein: die Angehörigen von Bruno Skischus, geb. in Neukrug bei Bartenstein, Unteroffizier bei der Sturm-Flakabteilg. 71. Feldp.-Nr.  L 00173 — A/ 1155

 

Rangel: die Angehörigen von Vorname unbekannt Wehrmann, Vorn, geb. etwa 1910/1917, verh., Oberleutnant beim Pionier-Bat. der 290. Inf.-Division — 3a/6180

 

Umgebung Rastenburg oder Arys (Ostpreußen): die Angehörigen von, vermutlich Gerhard  Schulzke, geb. 1927 in der Umgebung von Rastenburg oder Arys, Schüler, Matrose bei der 215. Marine-Flakabteilung Peyse (Samland) — 3/6188

 

Ruhwalde, Kreis Osterode: die Angehörigen von, Vorname unbekannt Pollakowski, geb. etwa 1900, verh., Eisenbahner in Cherbourg — A/999

 

Tilsit oder Insterburg: die Angehörigen von Helmut Stepudat, geb. etwa 1915/1917, Leutnant bei der Feldpostnummer 01957 — B/2172

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Georg Ferch, Unteroffizier bei der 2. Komp. Sturmgeschütz-Brigade 249, Feldpostnummer 47770 D — A/1645

 

Ostpreußen: die Angehörigen von, Vorname unbekannt Gärtner, geb. etwa 1927/1928, ledig, Soldat, vermutlich beim Panzer-Grenadier-Regiment „Groß-Deutschland" — A/306

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Vorname unbekannt Gusikat, geb. etwa 1910 in Labiau oder Tapiau, Stabsgefreiter beim Stab der 61. Inf.-Div., Feldpostnummer 15933 — B/ 1889  

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Jakob Jechner, geb. etwa 1900/1902 in Ostpreußen, Obergefreiter beim Ersatz-Bataillon einer Jäger-Division — A/2396

 

Ostpreußen: die Angehörigen von, Vorname unbekannt Neumann, geb. etwa 1914/1915, verh., Zugwachtmeister bei der 5. Komp. 2. Polizei-Rgt. — B/2638

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Michael Ottenbreit, geb. 1927 in Rumänien, ledig, Grenadier bei der Kampfgruppe Delfs, SS-Polizei-Division — A/2022

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Johann Piklaps, Zollassistent — A/2708

 

Vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Werner Romba, geb. etwa 1925, zuletzt bei der 1. Komp. SS-Panzer-Pioniere 12 Hitler-Jugend, Feldpostnummer 58497 B  -  B/1235

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Heinz Sondermaier, Wachtmeister bei der Feldpostnummer 10705 — B/2124

 

Ostpreußen: die Angehörigen von, Vorname unbekannt Schärfchen, geb. etwa 1915/1918, verh., Obergefreiter beim Stab Pionier-Bat. 297 — B/1340

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Erich Schöning, geb. etwa 1920, Stabsgefreiter beim Inf. Rgt. 21 der 4. Panzer-Division — A/2843

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Franz Schwan, Gefreiter bei der Feldpostnummer 40164 — A/4509

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Karl Tuchna, zuletzt bei der 10. Komp. Landesschützen-Bat. 235 Bukarest, Feldpostnummer 01294 — B/1560

 

Ostpreußen: die Angehörigen von, Vorname unbekannt Urbahn, vermutlich verh., Beruf: Fleischer, Gefreiter beim Sicherungs-Bat. 343, Feldpostnummer 02043 C — A/1401

 

Ostpreußen: die Angehörigen von, Vorname unbekannt Wiegratz, geb. etwa 1925, ledig, zuletzt bei der Waffen-Werkstatt-Komp, der 16. SS-Panzer-Grenad.-Div. — A/1494

 

 

Seite 13   Das neue Jahr. Eine Erzählung aus Ostpreußen / Von Gertrud Papendick

In dieser Nacht ging in dem Gutshaus von Pogaunen niemand zu Bett. Die erleuchteten Fenster des Erdgeschosses warfen Stunde um Stunde ihre hellen Vierecke auf den Schnee der Auffahrt, an der gegenüber vor der schweigenden nächtlichen Erde die hohe, dunkle Reihe der Tannen stand.

 

Hinter den Fenstern feierte das Haus, — Herr, Freundschaft und Gesinde, — den Abgang des Jahres.

 

Beim Essen hatte der Hausherr dem scheidenden Jahr ein paar milde Worte nachgeschickt. Er redete es nicht in Grund und Boden, sondern ließ ihm Gerechtigkeit widerfahren. Die Ernte war leidlich gewesen nur der Hafer hatte zu viel Regen bekommen; mit den Rüben konnte man zufrieden sein; es hatte keine Seuchen beim Vieh und keine politischen Verwicklungen gegeben. Trotz alledem, man sollte Vergangenem niemals nachtrauern „Der Mensch hofft immer Verbesserung". Darum, das Glas geleert!

 

Es war schon an der Tafel scharf getrunken worden, und hinterher stieg die Stimmung durch die Stunden. Alles, was sich in diesen festlichen Räumen bewegte, fühlte und benahm sich wie zu Hause. Die einen versanken auf Dauer in einem behaglichen Winkel; die andern streunten nach Belieben umher, und niemand ließ sich an Genüssen etwas entgehen. Musik erklang beschwingt und aufreizend, blauer Rauch wölkte durch die Zimmer, die Stimmen wurden lauter und gerieten mehr und mehr durcheinander. Ein Julklapp rollte herein - wie die geheimnisvolle Sendung von einem zum andern und schier ohne Endziel weiterwanderte, gab es Erregung, Verwirrung und uferloses Gelächter.

 

Dazwischen trugen zwei Diener mit lautloser Sicherheit herbei, was im Augenblick vielleicht gerade erwünscht erschien.

 

Indessen ging es in einer anderen Region des Hauses gleicherweise hoch her. Nachdem die große Schlacht der Küche siegreich beendet und das Schlachtfeld abgeräumt war, — während vorn nun alles seinen Gang ablief, konnte auch die Mamsell sich in die blaue Seidenbluse werfen. In der Gesindestube wartete man schon auf sie. Die ledigen Leute, so viele ihrer zum Hause gehörten, hatten wie sonst nach Feierabend ihr Abendbrot gehabt, und dann waren sie gegangen, sich feinzumachen und waren wiedergekommen. Die Mädchen hatten den Tisch mit einem Laken, mit Tannen und Papierrosen geschmückt. Die Mamsell nahm obenan Platz, und die andern setzten sich in bunter Runde, wie es gerade traf: die drei Mädchen, der Chauffeur, die alte Hühnermagd, der Stallbursche, zwei Gärtnergehilfen, die Plättliese, der Kohlenkarl. Auch die alte Ama war dabei, die schon mehr als siebzig Silvesternächte hinter sich gebracht und dem Pogauner Haus zwei Generationen großgezogen hatte.

 

Es begann mit Kaffee und Kuchen, es setzte sich fort mit Bier und Schnaps, weißen und süßen. Und wenn es anfangs ein wenig steif herging, so als genierten sie sich voreinander, — sobald das gute Getränk durch die Kehlen floss und auch hier die Luft zu blauen begann, da konnten sie es auch. Einer der Gartenjungen spielte die Ziehharmonika, und sie fielen alle ein. Dann ging es ans Zinngießen, ans Glückgreifen, ans Pantoffelwerfen. Es war laut und fröhlich, es wurde immer lauter und ziemlich blau.

 

Die beiden Livrierten hatten zwischendurch immer einmal Zeit, eine Weile mitzuhalten.

 

Die einzigen, die in dieser Nacht im Hause schliefen, waren die vierjährigen Zwillingsbrüder. Es war ihnen noch vergönnt gewesen, sich bei Beginn des Abends in ihren allerfeinsten Kitteln mit einer wohlgelernten Verbeugung an der Tafel herumzureichen, dann hatte man sie ins Bett gesteckt. Und nun hatte niemand Zeit, an sie zu denken. Ihre junge Mutti stand in einem sehr schönen Kleid unter der venezianischen Krone des gelben Salons, eine Mokkatasse in der Hand oder vielleicht eine Zigarette, und ließ sich ein wenig anbeten. Der Vater hört im Herrenzimmer geduldig eine Jagdgeschichte an, die er längst kannte, indes er in dem großen Spiegel zu erkennen suchte, was nebenan vor sich ging.

 

Das kleine Kindermädchen Emmi auf der andern Seite des Hauses aber saß mit dem Chauffeur auf einem Stuhl, und sie tranken aus einem Glas.

 

Während das ganze Haus im Festrausch zu schwanken schien, schliefen die beiden kleinen Brüder in dem nach hinten gelegenen Zimmer ihren sorglosen Kinderschlaf.

 

Kurz vor Mitternacht wurde in dem gelben Salon der Weihnachtsbaum angesteckt, der Punsch fuhr auf, und die Pfannkuchen rollten heran. Der siebzehnjährige Diener Josef, der der Sohn des Gutsschmiedes war, zitterte vor Glück, als er sah, wie eine sehr schöne Dame aus der Stadt sich einen Pfannkuchen nahm, die die Mamsell mit Mostrich gefüllt hatte.

 

Als die Gläser voll waren, stieg die Rede auf das neue Jahr Die feierlichen Mitternachtsschläge schufen ein Niemandsland der Stille, in das dann der Neujahrsjubel stürmisch hereinbrach.

 

Auch hinter der Küche brannte noch einmal der Baum, der Punsch war nicht weniger stark und das Gebrüll noch lauter. Der Chauffeur stieg mit dem Glas auf den Stuhl: „Prost Neujahr!"

 

„Kinder", sagte die Mamsell, „die Herrschaft wird gleich kommen anstoßen."

 

„Prost Neujahr!"

 

Niemand konnte in all dem Lärm den fernen, kleinen Laut vernehmen, der aus der Stille der Nacht herkam. Aber die alte Ama, die doch gar nicht mehr so sehr gut hörte, horchte auf einmal auf. Da war doch was! Sie ging an die Tür und lauschte. Na ja! „Emmi", sagte sie scharf, „die Bükens weinen!" Aber die kleine Emmi war sehr betrunken.

 

Da ging die Ama selbst. Der Flur war wie eine Insel in dem brandenden Lärm. „Die sind ja alle" ... dachte sie ungehalten, „wecken die Bükens auf!"

 

Als sie um die Ecke nach hinten bog, sah sie, dass die Tür zum Kinderzimmer nur angelehnt war, und dass drin das Licht brannte. Sie kam hinein, da flitzte der eine Zwilling gerade flink wie ein Eichkater über die Gitterstäbe zurück. Der andere weinte, dass sein Bett zitterte.

 

„Warum schlafen die Bükens nicht?" fragte die Ama sanft, „wer hat denn hier Licht gemacht?"

 

Stille ... Dann schluchzte es drüben von neuem, ein verstrubelter blonder Kopf kam über die Bettkante hoch.

 

„Was ist dem Hatti? Tut Hatti was weh?"

 

Die haben da", kam es wie gestoßen heraus, — „alle — son Vergnügen — und wir müssen in der dunklen — Ecke — schlafen."

 

Der andere aber war schon wieder draußen und lief, so wie er war, im Nachtkittel und barfuß zur Tür. Die Augen brannten ihm vor Neugier und Ungeduld.

 

„Wo issis, Ama? Ich will sehn, wie is aussieht“.

 

„Was denn? Jocki?"

 

„Wo is dis neue Jahr? Ich willis sehn Issis in Salon?"

 

 

Seite 14   Eine 100-jährige Ostpreußin. Mit Foto.

Ihren 100. Geburtstag begeht am 9. Januar 1954, die Pfarrerwitwe Magdalene Friedrichs, geb. Wandke, in Roßwein i. Sa., Mühlstr. 19. Als jüngste Tochter des Pfarrers Eduard Wandke in Mohrungen geboren, war die Jubilarin mit dem Pfarrer Dr. Paul Friedrichs, der zuletzt fast dreißig Jahre in Willuhnen, Kreis Pillkallen amtierte, verheiratet. Das Ehepaar lebte dann nach der Pensionierung in Stallupönen, wo Dr. Friedrichs 1932 verstorben ist. Die Jubilarin wohnt seit der Flucht aus Ostpreußen nach dem zweiten Weltkrieg mit ihren beiden jüngsten Töchtern, ihrem Schwiegersohn, ihren Enkeln und Urenkeln in der Sowjetzone. Trotz ihres hohen Alters erfreut sich Frau Friedrichs einer seltenen geistigen und körperlichen Frische. Wohl kann sie wegen ihrer Schwerhörigkeit keine Gottesdienste mehr besuchen, doch nimmt sie am kirchlichen Leben regen Anteil.

 

Gratulationen, die der Jubilarin zugedacht sind, mögen sie direkt nach Roßwein i. Sa., Mühlstr. 19, oder an die Anschrift ihrer ältesten Tochter, Frau Ella Grabowski, Göttingen, Birkenweg 30, gerichtet werden.

 

 

Seite 14   Ein großer ostpreußischer Sportsmann tritt ab.

Foto: Weltrekordmann Erwin Blask

Foto: Ebenfalls groß im Sport: Frau Blask-Voigt

Besonders die ostpreußischen Leichtathletikanhänger haben 25 Jahre hindurch den Aufstieg, die Höhepunkte und in den letzten Jahren die Achtungserfolge ihres Landsmannes Erwin Blask verfolgt. Mit Schluss des Jahres 1953 will nun der vielfache Deutsche Meister, Ex-Weltrekordmann im Hammerwerfen und noch heutige deutscher Rekordhalter im Steinstoßen, vom Wettkampfsport zurücktreten. Dabei denken wir etwas wehmütig an die ostpreußische Leichtathletik, ihre Wettkämpfer und glanzvollen Leichtathletikfeste zurück.

 

Nur noch ganz wenige von denen, die einst von Ostpreußen aus zu den besten Deutschen gehörten, sind heute noch Aktive in vorderster Front. Die Leistungen und Erfolge eines Erwin Blask sind bekannt, so Hammerwerfen 59 m, Steinstoßen 11,74 m, Kugelstoßen 14,94 m und Diskuswerfen 48,14 m, alles Weiten, die auch heute noch international hervorragend sind. Aber vieles andere, besonders von der Zeit, als unser ostpreußischer Sportsmann nur in seiner Heimat, in Masuren, von Erfolg zu Erfolg eilte, ist nicht so bekannt.

 

Eigentlich alle späteren Meister und Rekordleute sind durch irgendeinen Betreuer oder Trainer entdeckt worden. Bei Blask war das wicht der Fall. Er hat sich eigentlich selbst entdeckt und andere haben später sein Talent erkannt, gefördert und geschult. Erwin Blask war 14 Jahre alt, als er in seinem Heimatdorf Schwiddern bei Lötzen, wo es auch schon eine Fußballmannschaft gab, sich von seinem Taschengeld bereits eine Kugel und einen Diskus gekauft hatte und ganz für sich allein daheim übte. Später kam dann noch ein Speer dazu. Seinen Mitschülern am Lötzener Gymnasium fiel er dann auch bald durch seine überdurchschnittlichen Leistungen auf allen Gebieten des Sports auf. Der rührige Leichtathletikverein, der Sportverein Lötzen, veranstaltete 1924 sein erstes Nationales Sportfest und nach dieser gelungenen Veranstaltung noch auf dem Lötzener Kasernenhof, wurde auch Erwin Blask von seinen Kameraden, die bereits dem Sportverein angehörten, diesem zugeführt. Nun begann, unterstützt durch eine sachgemäße Betreuung des Vereins, der vielseitige Aufstieg. Erwin stand im Tor der Fußballmannschaft in Schwiddern, beim Sportverein Lötzen gewann er den Geländelauf, spielte als Verteidiger in der ersten Jugendmannschaft, schoss dort die gefürchteten Elfmeter und verhalf dieser Mannschaft zu mehreren Masurenmeistertiteln und weiteren Fußballerfolgen, bei Sportfesten sprang er hoch, lief in den Staffeln, machte seine Würfe und bereits als 15-jähriger trat er in den Wurfwettbewerben außer Konkurrenz an und übertraf die Leistungen der Männerklasse meist beträchtlich. Dabei blieb stets der bescheidene Junge, der an der Leichtathletik besondere Freude hatte.

 

Von seinen Lötzener Kameraden wurde er nur noch „Deutscher Meister" genannt und niemand ahnte damals (vielleicht B. selbst doch!), dass es so einmal kommen würde. In Lötzen, Lyck, Treuburg, Johannisburg, dann auch in Allenstein, Insterburg, Tilsit, überall kannte man das jugendliche Lötzener Werftalent und oft gab es Schwierigkeiten mit dem Kampfgericht, wenn der Sp.V. Lötzen seinen Schützling aus begreiflichen Gründen in der Männerklasse starten lassen wollte. Blask 1928 als Jugendlicher in Insterburg Ostpreußenmeister im Kugelstoßen, doch der Titel wurde ihm abgesprochen und seine Leistungen nur für den Bezirkskampf, bei dem übrigens der kleine Bezirk oder Kreis Masuren mit fünf Jugendlichen in der Mannschaftswertung nach Königsberg den zweiten Platz belegte, gewertet. Pfingsten 1928 kam erstmalig eine Berliner Jugendauswahlmannschaft nach Königsberg. Auf dem Sportplatz am Hammerteich machte Blask mit Berliner Einverständnis für Königsberg mit. Beim Kugelstoßen der Jungen saß ein großer Teil der Sportjugend im großen Halbkreis um den Ring und verfolgte den Ausgang. Ein Berliner stieß um 12 m herum, dann auch der erste Königsberger Vertreter und auch der zweite Berliner. Nun betrat der in Königsberg unbekannte Lötzener den Wurfkreis. Ebenso schnell wie er die Kugel auf etwa 15 m Weite beförderte, mussten die Zuschauer ihre Sitzplätze vom Rasen zurückverlegen, um nicht weiter gefährdet zu sein. So deutete Blask schon seine große Klasse als deutscher Werfer von Format an und die Berliner Presse sprach von dem Nachfolger des Allensteiners Hirschfeld, der damals Weltrekordinhaber im Kugelstoßen war.

 

Und dann noch ein kleines Erlebnis von den Jungsiegfriedspielen, ebenfalls vor nunmehr 25 Jahren, 1928 in Tilsit: Die Kämpfe sind in vollem Gang, es wird zum Kugelstoßen der Jugend A aufgerufen, da zieht ein Gewitter auf. Es blitzt und donnert, ein toller Gewitterregen und die Jugend flüchten in ein nahegelegenes Schulgebäude und verteilt sich auf die nun die nun überfüllten Klassenräume. Während dieser Wartezeit herrscht in den Räumen ein ohrenbetäubender Lärm, wie es bei der Jugend nun einmal nicht anders ist. Das Gewitter ist vorüber, alles strömt auf den Platz, so auch die Kugelstoßer. Einer fehlt — Erwin Blask. Der Begleiter der Masurenmannschaft sucht ihn, fragt hier und dort, der Lötzener ist nicht auffindbar. Als der dritte und letzte Aufruf erfolgt, erbittet der Begleiter beim Kampfgericht mit einer kleinen Ausrede nochmals eine geringe Wartezeit und stürzt in die Schule, in der die Jungen die Zwangspause tobend ausgefüllt hatten. Hier ist es jetzt vollkommen still, die Tür wird geöffnet, da sitzt der Gesuchte, den Kopf auf das Pult gelegt und schläft. Das nicht gerade sanfte Wecken, dann das Zurückstürzen des Begleiters zum Kampfgericht war eins. Blask wischt sich den Schlaf aus den Augen, begibt sich gemächlich zum Platz und Stoßkreis, stößt weiter als 15 m und ist Sieger. Das ist Erwin Blask! Nie hat er seine Ruhe verloren, nie ist er unbescheiden oder großspurig aufgetreten, er blieb stets der fleißige, ausdauernde wenn auch ehrgeizige Sportsmann.

 

Um etwas von seiner Vielseitigkeit zu sagen: Bei der Polizei wurde Blask sofort Deutscher Polizeimeister im Speerwerfen, spielte als Mittelstürmer in der starken Handballmannschaft des Polizeisportvereins Königsberg, war auch in Königsberg Tischtennismeister und machte später sein Sportlehrerexamen mit bestem Erfolg an der Reichsakademie für Leibesübungen in Berlin.

 

Erwin Blask hat, ob er in den blau-weißroten Masurenfarben seines Heimatvereins, des Sp.V. Lötzen, im Dress des Polizeisportvereins Königsberg, des Berliner Sportclubs oder im Nationaltrikot die Farben Deutschlands vertrat, immer sein Bestes gegeben. Große Erfolge, aber auch manche Enttäuschungen und Misserfolge hat er hinnehmen müssen. Noch 1952 war er bis zu den Deutschen Meisterschaften und gleichzeitig Ausscheidungen für die Olympischen Spiele in Helsinki deutscher Rekordhalter im Hammerwerfen, 14 Jahre lang, davon 10 Jahre Wertrekordmann. 1936 war er Gewinner einer Silbermedaille beim Olympia in Berlin, 1940 und 1944 gab es keine Olympischen Spiele, 1948 war Deutschland noch nicht wieder dabei. Zu internationalen Leistungen reichte es bei Blask noch 1952, obwohl Deutschland noch über zwei weitere, zu dieser Zeit noch bessere Hammerwerfer (Storch und Wolff) verfügte. Man hatte erwartet, der Deutsche Leichtathletikverband würde Blask nach Helsinki einsenden. Er hat es leider nicht getan und jüngere, erfolgsaussichtslose Nachwuchskräfte hingeschickt. Für den großen und bescheidenen ostpreußischen Sportsmann wäre Helsinki eine befriedigende Anerkennung und Freude zum Abschluss seiner Laufbahn gewesen, wenn er auch kaum Platzaussichten, wie manche anderen jungen Kräfte gehabt hätte. Erwin Blask hätte man als Dank für seine lange Erfolgsserie in der Leichtathletik als Deutschen Fahnenträger in Helsinki einmarschieren lassen können.

 

Ein Rekord, wenn man von dem im Steinstoßen, weil dieses vom Programm gestrichen worden ist, absieht, ist aber dem Ehepaar Blask geblieben. Dazu muss man wissen dass der Ostpreuße mit der Berlinerin Dorle Voigt, die der ehemaligen Weltrekordstaffel über viermal 200 m angehörte, verheiratet ist. Ein englischer Sportjournalist hat die erfolgreichsten Sportlerehepaar der Leichtathletik nach den beiderseits Besten Leistungen auf Grund der Punkttabellen, in einer Rangliste zusammengestellt. Das tschechische Paar Zatopek (10 000 m 29:01,6 Min. und Speerwerfen 52,02 m) nimmt Platz 1 ein. Es folgen die Russen Litujew (400 m Hürden 50,4 Sek. und Weitsprung 5,98 m). Als drittes und gleichzeitig bestes deutsches Paar folgt das Ehepaar Blask (Hammer 59 m und 200 m 24,8 Sek.). Die vierte Stelle nehmen die Deutschen Hendrix-Dollinger noch vor den bekannten Holländern Blankers. Koen ein. Herzlichen Glückwunsch dem ostpreußischen Berliner Ehepaar Blask!

 

Wir hoffen, dass unsere Blasks, wenn auch nicht mehr im Wettkampfsport in deutschen Auswahlmannschaften, so doch bei den Kämpfen der alten Meister und den Kämpfen für die ostvertriebenen Vereine, noch oft und erfolgreich zu sehen sein werden. Erwin Blask ist heute bei der Polizei in Frankfurt/M., ist auch beruflich viel im Sport tätig. Bei dem elfjährigen Sohn Harry weiß man noch nicht, ob er ein großer Werfer oder ein großer Läufer werden wird. W. G.

 

 

Seite 14   Schwäne über winterlichen Birken

Tage gibt es bisweilen, von einer Helligkeit, die von nichts mehr überstrahlt werden kann. Manche Wintertage zählen zu ihnen. Ich meine da beileibe nicht Tage wie Weihnachten etwa oder Neujahr, oder sonst einen kalendermäßig wichtigen Tag. Nein, ich denke da an die Tage, die einem das Leben als kleine Besonderheiten zuzählt und zu denen nicht einmal der symbolisch so beliebte Sonnenschein draußen dazugehört. — Aber der tief im Herzen wohnende, warme Strahl und Augen, die da sehen können, die gehören schon dazu.

 

So ein besonderer Tag war heute, obwohl der Himmel bleigrau und schwer über der Erde hing.

 

Einen Birkenweg, einen liebvertrauten, ging ich zur Hunte, von Ost- nach Westrittrum. Hell hoben sich die Stämme der schlanken, hohen Bäume gegen den dunklen, niedrigen Himmel und den von Ackerboden schon grauüberwehten Schnee ab, als rängen sie darum, in all dem drückenden Grau die Reinheit und Sauberkeit des Weiß zu erhalten. Ihre Ruten hingen steif wie Reifröcke im Winde. Nichts deutete darauf hin, dass sie im Frühjahr die bewegtesten unter den Baumkindern sind im Reigen des ersten Grüns.

 

Wahrlich, es schien das Leben in dieser Winterlandschaft erstarrt oder gar erloschen. Heiser drang durch die Stille nur das unmelodische Krächzen einer einsamen Krähe, so das Bild trostloser Schwere und Einsamkeit noch betonend.

 

Man geht durch so eine Winterlandschaft manchmal wie benommen. Unwirklich klingt jeder Ton. Unser Schreiten selbst scheint uns unwirklich, wie ein schemenhaftes Gleiten in einem Traum, in dem wir uns selbst sehen und beobachten: Auch in uns vermeinen wir alles eingefroren, sogar die Gedanken. Wir bewegen uns zwar, aber ohne jedes Lebensgefühl. Ja, wir haben nur die Empfindung,  von einer unsichtbaren Feder fortgetrieben zu werden, ohne unser Zutun. Wir stehen außerhalb von uns selbst und sehen die Welt wie eine Glaskugel dann, starr und durchsichtig, und uns als einen winzigen, verloren-schwimmenden Fisch in ihr, einen Schwertfisch, dessen Leib bis zur Rückengräte ohne Geheimnis und jedem Auge erkennbar preisgegeben ist. Und wir fieren darüber bis in unser Innerstes.

 

Man hat in solchen Augenblicken wenig Gefühl. Es scheint ausgeschaltet wie die Gedanken, und es wäre unvernünftig, sich irgendeins vorzutäuschen. Man ist irgendwie von von dem Raum gebannt, wird von ihm beherrscht kann sich nicht lösen. Laut, übermäßig laut klingt zu jedem Schritt unser eigener Pulsschlag wie eine dunkle, dumpfe Glocke. Ein fester Reif liegt um unser Herz ähnlich der Eisdecke, die den Strom, den Lauf der Flüsse jetzt bindet. Und er kann nur durch etwas, das außer uns liegt, gelöst werden, so ein Bann!

 

So wurde auch ich aus dem meinen gelöst, als sich das Bild vor mir, das Bild trostloser Verlassenheit jäh veränderte in eins voll ahnender froher Hoffnung: Fünf aufsteigende, große Vögel, fünf einsam fliegende wilde Schwäne brachten die Wendung, wie in einem Märchen fast.

 

Noch nie vor diesem Tag sah ich fliegende Schwäne mit so leuchtend-weißem Gefieder. Symbol der Reinheit und Majestät sind sie ja wohl, mir aber hier Boten des kommenden Frühlings, Boten des Lebens.

 

Glaubt nicht Freunde, ich hätte mich im Kalender geirrt, mich im Ausdruck vergriffen, da ich in die Märztage, und zwar in die ersten, dieses Erleben verlegte etwa. Gewiss, es ist kein Irrtum! Und deshalb empfand ich auch so beglückend beim Anblick des ziehenden Vogelpfeiles, dass unter der Starre des Winters das Leben nicht erloschen war, dass es nur schläft.

 

Verändert war auch die Bedeutung der weißen Farbe nun für mich. See, Schnee, Birken und Schwäne, diese Symphonie in Weiß war nicht nur eine Steigerung von lichter Helle, sondern auch wie eine Verheißung. Welch ein strahlender Akkord: weißdeckender Schnee, leben-verheißende leuchtende Birken und endlich die die Schwere überwindenden, leben-kündenden Schwäne.

 

Der Tag hatte Wärme und Sonne, hatte Inhalt bekommen. Die Gedanken kamen wieder in Fluss. Wie die Hunte, strömten sie in breitem, festem Bette dahin: Das Eis zu beiden Seiten am Ufer erinnerte noch an den eben erst gebrochenen Bann, aber es war nicht mehr so mächtig, das Leben selbst zum Stocken zu bringen. Sieghaft hatte es sich wieder, mit den Schwänen gleichsam, erhoben. Und die Gedanken liefen mit ihnen, nein flogen ihnen nach, holten sie ein, wurden zukunftsfroh und heiter. Uralter Sang meiner Heimat klang in mir auf, da der Vogelpfeil nun gen Osten zeigte, sang aus unbeschwerten, aus frohen Kindertagen:

 

„Zogen einst fünf wilde Schwäne,

Schwäne leuchtend, weiß und schön … "

 

Und dieses Klingen blieb in mir, als ich" schon lange wieder zwischen den Häusermauern der Stadt heimwärts   der neuen Heimat zu — wanderte. Dieses Klingen und der starke zuversichtliche Glaube an das Leben und seine siegende Kraft.

Otto-Maria Kant.

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Suche Einwohner von Ernstwalde, Kr. Insterburg, die bestätigen können, dass ich dort von 1931 - 1939 als Melker tätig gewesen bin. Ich war beschäftigt bei Bauer Ernst Krüger und Hermann Scharfetter. Ernst Woywat, Lenglern bei Göttingen (Krankenhaus).

 

Welcher Kamerad meines in Italien gefallenen Ehemannes, des Oberfeldwebels Heinrich Eulering, geb. am 04.10.1914 In Dbg.-Hamborn, 5./Jg.-Regt. 721 (Nachrichtenzug) kann mir bestätigen, dass mein Ehemann aktiver Wehrmachtsangehöriger war? (Unkosten werden erstattet). Nachricht erb an: Frau Agnes Eulering, geb Radtke, fr. wohnhaft in Braunsberg/Ostpr., Hindenburgstr., jetzt: (22a) Möllen, Post Voerde, Ndrrh., Bahnhof-Stellwerk.

 

Königsberger! Wer kann mir Angaben über das Schicksal und den jetzigen Aufenthalt machen von Familie Fritz Pudat und Tochter Lotte Bartek, Königsberg, Balieth 51. Um Anschrift wird gebeten, Gebühren werden vergütet. Fritz Niemzik, fr. Lyk, Morgenst 15, jetzt Dachtmissen, Kreis Burgdorf üb. Lehrte (Hann.).

 

Zwecks einer Rentensache suche ich Zeugen, die meinen Bruder Theodor Milkowski, wohnhaft Königsberg/Pr., Lerchenweg 37, zuletzt beschäftigt gewesen „Gaufilmdienststelle" Königsberg, gefallen September 1942 auf Kreta, kannten. — Ferner suche ich die Herren Priedigkeit und Thomischat, wohnhaft Kgb., beschäftigt beim RAD, wbl. J., Bezirk Kgb. Welcher ehem. Kollege der DAF, Gau Königsberg, kann es mir bestätigen, wie hoch der Jahresverd. eines Lagerführers, verheiratet, 3 Kinder, war. Unkosten werden vergütet. Nachr. an Rob. Milkowski, (14b) Eglofs (H), Krs. Wangen/Allg.

 

Wer kennt Familie Meta Mogath aus Neu-Lindeau, Kr. Samland. Bin 1945 nach Dänemark evakuiert. Da sämtliche Papiere abhanden gekommen, benötige ich Zeugen, die bekunden können, dass ich in Neu-Lindeau, Kr. Samland, eigenen Haushalt gehabt habe. Bitte um gefällige Zuschriften an: Frau Meta Mogerth, Frücht b. Bad Ems.

 

Gesucht wird Familie Bruno Tiedtke aus Königsberg Vorst. Langgasse; Familie Ewald Sperber aus Königsberg, Siedlung Spandinen; Frau Luise Raabe aus Kbg.Ponarth, Jägerstraße 32a. Nachr. erbeten an Erich Tiedtke, Braunschweig, Gartenstraße 8.

 

Suche Walter Möhrke, Fischhausen, Gustav Neumann, Wolittnick, Kr. Heiligenbeil, Willi Litteck, aus Masuren. Wurde 1941 mit ihnen bei der Flg.-Horst-Komp. Gutenfeld b. Kbg. (Ostpr.) zum Uffz. befördert. Nachr. erbittet Herbert Meyer, fr. Rimlack, Kr. Pr.-Eylau; jetzt: Stuttgart, Bad Cannstatt, Seilerstraße 5 II.

 

Hans Günther Fleischer, geb. 17.03.1917, Loye (Ostpr.), wohnhaft gewesen in Königsberg (Ostpr.), Samlandweg 31, zuletzt als Stabsgefreiter vor Stalingrad, vermisst seit 12.01.1943, Feldpostnummer 25 749, Panzer-Jäger 521, der 60. mot. Inf.-Div. angeschlossen, XIV. Panzerkorps unter General Paulus. Welcher Heimkehrer kann etwas berichten. Zuschriften erbeten an H. Günther, jetzt Braubach/Rh., Sonnengasse 1.

 

Ferner wird gesucht: Frl. Lisbeth Waschkau, Alter ungef. 70 Jahre, geb. 26. April, wohnhaft gewesen Königsberg (Ostpr.), Samlandweg Nr. 31, von H. Günther, Braufbach/ Rh., Sonnengasse 1

 

Ferner wird gesucht: Landw. Paul Karpa, Karwen, Kr. Sensbung (Ostpr.). Alter ungefähr 65 J., von H. Günther, Braubach/ Rh., Sonnengasse 1.

 

Wer kann mir Angaben über das Schicksal und den jetzigen Aufenthalt machen von Familie Willy Reuter und Frau Eva geb. Niemzik aus Kiöwen, Kr. Treuburg, fr. Gut Lehnarten, Krs. Treuburg, u. Sohn Karl Niemzik, Treckerführer auf Ziegelei Sedranken, Krs. Treuburg. Nachricht erbet, an Fritz Niemzik, Dachtmissen, Kreis Burgdorf über Lehrte (Hann.).

 

Wer weiß etwas über den Verbleib von Kaufmann Erich Wiersbitzi, Königsberg (Opr.) Beethovenstraße. Nähere Angaben bitte an Frau Else Schaefer, Wittingen, Lange Straße 47 (früher Königsberg, Vogelweide 10.

 

Gesucht werden Angehörige der ehem. Reit- u. Fahrschule Lyck (Ostpr.). Anschriften erb.: Leonhard Jegers. Essen - Kupferdreh Deilbachtal 37.

 

Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meines Sohnes Karl Hoepfner, geb. 10.08.1912. Letzte Feldpostnr. 00138. Vermisst in Russland im Januar 1943. Heimatanschrift: Böhmenhöfen, Kreis Braunsberg (Ostpr.). Nachricht erbittet: Frau Hertha Hoepfner, Goslar/Harz, Claustorwall 9 b.

 

Wer kann mir irgendwelche Auskunft über den möglichen Aufenthalt oder Verbleib meiner Mutter, Frau Anna Klose, geb. Senz, geben? Letzter bekannter Aufenthalt: Königsberg / Pr., Helferichstraße 1. Herbert Klose, (22a) Moers a. Rh., Homberger Straße 86.

 

Suche meinen Vater Johann Beckmann, geb. 02.05.1892 Riga; Oberw. d. Pol. d. Res., Feldpostnmmer 12321 D. Letzte Nachricht aus Posen Januar 1945. — Suche meinen Schwager Paul Bethke, geb. 01.01.1910, Tilsit/Ostpr., Feldw. Inf., Feldpost-Nr. 00783 d, vermisst seit 26. August 1943 in Donez. Beide aus Tilsit. Wer war mit ihnen zusammen? Für jeden kleinen Hinweis dankbar. Nachricht erbittet Frau Viktoria Papendick, (13a) Wicklesgreuth/Ansbach.

 

Achtung! Königsberger! Wer kennt die Adresse der Witwe, des am 11.03.1944 verstorbenen Ewald Weißschnur oder seiner Eltern oder ihrer Eltern oder sonstiger Verwandter oder guter Bekannter. Die Wohnung war Königsberg. Köttelstraße, vorher Mittelanger, davor Unterhaberberg. Nachricht erbittet: Frau Helene Rasch, (24b) Glückstadt/Elbe, Herzhorner Rhin.

 

Russlandheimkehrer! Wer kann Auskunft geben über meinen Vetter, Gefr. Helmut Köhler, geb. 22.08.1924 in Richtenberg, Krs. Johannisburg, Beruf: Schneider, wohnhaft in Gehlenburg. Letzte Feldpostnummer 57 598. Er hat im Südabschnitt der Ostfront gestanden. Seine letzte Nachricht war vom 17.08.1944. — Wer weiß etwas über Frau Hedwig Lendzian, geb. Köhler, wohnhaft in Richtenberg, Kreis Johannisiburg. Sie wurde im Sommer 1945 in Gehlenburg, Kreis Johannisburg, gesehen. Angeblich von dort wurde sie von den Russen verschleppt. Nachricht erb. Artur Worgall, Krefeld-Oppum, Hinter der Flur 64.

 

 

Seite 16   Kindersuchdienst

Großes Foto:

Achtung! Königsberger, Osteroder! Wer kann mir über das Schicksal meines Sohnes Hans-Joachim Weiß, geb. an 13.02.1931 in Königsberg, wohnhaft gewesen in Königsberg (Pr.), Hammerweg 26. Mein Sohn befand sich am 20. Januar 1945, damals knapp 14-jährig, auf dem Wege von Osterode nach Königsberg. In der Nähe von Nickelshagen bei Liebemühl im Kreis Osterode suchte er Schutz vor den Russen. Seitdem keine Nachricht. Für jeden, auch den geringsten Hinweis, wäre ich dankbar. Unkosten werden erstattet. Frau Agathe Weiß, aus Königsberg (Pr.), Harnmerweg 26, jetzt: 13b) Essenbach 25, bei Landshut (Bayern).

 

Kindersuchdienst des DRK

Allenstein: Peter Forst,  geb. 30.01.1943 in Allenstein, von Franz Kunz.

 

Allenstein, Kleeberger Straße 38: Viktor Nagel, geb. 29.09.1938 in Allenstein, von Margarete Jurkschat, verheiratete Tietjens, geb. 05.09.1922.

 

Groß Karpauen, Kreis Angerapp: Siegfried Wischnewski, geb. 16.03.1936 in Groß Karpauen, von seiner Tante Marta Reutner, geb. 15.03.1903.

 

Klein Schrankheim, Kreis Rastenburg: Ursula Eritt, geb. am 16.01.1942 in Klein Schrankheim, von ihrer Mutter Anna Eritt, geb. 15.12.1901. Die Mutter befand sich mit ihren beiden Kindern Ursula und Udo am 9. März 1945 auf der Flucht und geriet bei Kolberg in einen Feuerüberfall. Hierbei wurde das Kind Udo getötet, die Mutter selbst schwer verwundet und verlor das Bewusstsein.

 

 

Seite 16   Traditionsverband der 121 ID

Der Traditionsvereband der 121. ID ist nunmehr soweit, in einigen größeren Orten Ortsverbände bilden zu können. Auch ein eigenei Mitteilungsblatt des Traditionsverbandes erscheint bereits. Es enthält wichtige Mitteilungen für die Angehörigen der ehemaligen 121. ID, wie Suchnachrichten, Mitteilungen der Regimenter. Auch eine Divisionsgeschichte ist im Entstehen begriffen. Die Anschrift des Traditionsverbandes lautet: Engehausen über Schwarmstedt (Fritz Gehrs).

 

 

Seite 16   Wir gratulieren

Die Fleischermeisterwitwe Anna Kussat, aus Königsberg/Pr., Rhesastr. 12/13, jetzt wohnhaft in Seesen a./H., Langestr. 3, vollendet am 29. Januar 1954, ihr 77. Lebensjahr.

 

Frau Anna Pikardi, geb. Preuß aus Fuchsberg, Kr. Königsberg/Ostpreußen, jetzt bei ihrem Schwiegersohn Kinobesitzer Riemann in Seesen a./H., Jakobsonstr. 40 wohnhaft, wurde am 31. Dezember 1954, 75 Jahre alt.

 

Zum 75. Geburtstag am 14.01.1954 dem Stadtobersekretär i. R., Feldinspektoor a. D. Albert Brix, aus Königsberg (Pr.), jetzt Weitnau, Hubstr. 237, Kr. Kempten (Allgäu).

 

Mit einem schlichten Eichenkranz können wir Dir, lieber Turnbruder Reinhold Sadowski, nur zu Deinem 70. Geburtstage am 02.01.1954 für Deine Treue und liebenswürdigen Bemühungen um das Wohl des Männer-Turnvereins Lyck. in dem Du lange Jahre im Vorstande mitwirktest, danken. Nimm die Glückwünsche aller ostpreußischen Turner entgegen. Sie wünschen Dir und den Deinen noch recht viele frohe Stunden unter uns. Auch die alten Kameraden, des Instr. Reg. „Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg" rufen Dir ein „Gut Heil" zu.

 

Goldene Hochzeit

Der Ziegelbrenner Johann Braun und seine Ehefrau Johanne geb. Reiß, aus Nikolaiken, Krs. Sensburg (Ostpr.), begingen am 26. Dezember 1954, das Fest der goldenen Hochzeit. Sie wohnen jetzt mit ihrer Tochter, der Bäckermeisterwitwe Frieda Glogau, in Seesen a. H., Lange Straße 45.

 

Ihre Goldene Hochzeit konnten am 26. Dezember 1953 im Kreise ihrer Kinder und Enkelkinder Johann Wolzick und Frau Wilhelmine, geb. Chmielewski feiern, früher wohnhaft in Gehlenburg, Kreis Johannisburg, jetzt in Klenze, Schützenstraße 4, Kreis Lüchow-Dannenberg ansässig.

 

Diamantene Hochzeit

Am 2. Weihnachtsfeiertag 1953 konnte das aus Urfelde, Kreis Stallupönen, stammende Ehepaar, Schmiedemeister Eduard Lange und Frau Amalie, das Fest der diamantenen Hochzeit feiern. Der Oberbürgermeister der Stadt Flensburg gratulierte im Namen der Stadt und auch gleichzeitig im Auftrage der Landesregierung und überreichte dem Jubelpaar eine Glückwunschadresse und ein Geschenk. Für die Landsmannschaft Ostpreußen waren der 1. Vorsitzende und einige Vorstandsmitglieder erschienen und überbrachten die besten Glückwünsche dem noch sehr rüstigen Paar. Auch zu dieser kleinen schlichten Feier war der Ostpreußen/Pommernchor herbeigeeilt und erfreute das Jubelpaar mit einigen Liedern. Armoneit

 

 

Seite 16   Ein Kuss, der ihn nicht erreichte

Als Immanuel Kant 38 Jahre alt war, verkehrte er am liebsten im Hause des Geheimen Kommerzienrats Jakobi, dessen Gattin den Philosophen sehr verehrte. Wenn der zierlichelegante Gelehrte mit weißgepuderter Perücke, silbernen Schnallenschuhen und Degen der Jakobin gegenübertrat, ihr die Hand küßte und sich mit fröhlicher Munterkeit und herzlich lachenden Auges nach ihrem Befinden erkundigte, dann geriet sie leicht in Verlegenheit, denn ihr Herz und ihr Verstand stritten schon lange um die Vorherrschaft in ihren Beziehungen zu dem geistvollsten Manne Königsbergs, in dessen abgründig blaue Augen man sich so leicht verlor. Der Kommerzienrat lächelte zwischen Handel und Wandel über die Schwäche der ihm Angetrauten Frau, nur wenn er den großen Weisen und sein kleines törichtes Weib im Garten des Hauses lustwandeln sah, dann überkam ihn ein Gefühl, das er Eifersucht nannte. Denn die Neigung der Jakobin für den immer noch unbeweibten Philosophen wuchs zusehends wie ihr Wunsch, sich so oft wie möglich in dem weitläufigen Garten zu treffen. Und wenn sie auch dann und wann aus Scheu vor dem Außerordentlichen ihre Freundin mitbrachte, so sehnte sich ihr Herz doch danach, sich mit ihm ganz allein austauschen zu können. Aber die gesellschaftliche Beanspruchung des Philosophen war so groß, dass er ihr schon des Öfteren eine kleine Enttäuschung hatte bereiten müssen. So hatte sie am 11. Juni des Jahres 1762 vergebens auf ihn gewartet. Da bekam er am nächsten Tage diesen Brief:

 

Werter Freund!

Wundern Sie sich nicht, dass ich mich unterfange, an Sie, als einen großen Philosophen zu schreiben? Ich glaubte Sie gestern in meinem Garten zu finden. Da aber meine Freundin mit mir alle Alleen durchgeschlichen und wir unseren Freund unter diesem Zirkel des Himmels nicht fanden, so beschäftigte ich mich mit der Verfertigung eines Degenbandes! dieses ist Ihnen gewidmet. Ich mache Ansprüche auf Ihre Gesellschaft morgen Nachmittag. „Ja, ja, ich werde kommen", höre ich Sie sagen. — Nun gut, wir erwarten Sie . . . Meine Freundin und ich, schicken Ihnen einen Kuß per Sympathie. Die Luft wird doch wohl im Kneiphof dieselbe sein, damit unser Kuß nicht die sympathetische Kraft verlieret. Leben Sie vergnügt und wohl!

Aus dem Garten, den 12. Juni 1762. Jakobin.

 

Kant, der im Kneiphof nahe der alten Universität wohnte, sah von dem Fenster seiner Studierstube gerade zum Pregelufer hinüber, als ihm sein Diener Lampe den Brief überreichte. Er hielt ihn lange in der Hand, ohne ihn zu öffnen. Vor einer Stunde noch hatte er seinen Studenten über das Verhältnis von Pflicht und Neigung vorgetragen. Er verharrte jetzt geraume Zeit in Gedanken bei diesem Thema, ehe er den Brief zu lesen begann. Bei der Stelle, die ihm den Kuss der Jakobin ankündigte, musste er lächeln. Er legte den Brief auf den Tisch und ging wieder ans Fenster. Der Tag war heiter. Auch sein Gemüt war es. Das Bild der Jakobin stand vor seinem Auge. Sie war sehr schön, diese Frau. Neulich hatte sie ihn an die Hand genommen und zu einem Rosenstrauch in ihrem Garten geführt, an dem die erste Knospe sich zu öffnen begann. Er hatte das Wunder der sich entfaltenden Blume angeschaut, danach hatte er zu seiner Freundin aufgeblickt und ihre Augen waren lange ineinander versunken. Ehe sie nach einer guten Weile ins Haus traten, wo der Kommerzienrat schon auf sie wartete, hatte Immanuel Kant zu ihr das tiefsinnige Wort gesprochen: „Der Weg zur Glückwürdigkeit ist länger als die Straße, die zur Unsterblichkeit führt“. Nach einer Weile trat Kant vom Fenster zurück. Er überflog den Brief der Jakobin noch einmal. Dann setzte er sich nieder und schrieb ihr dieses:

 

Werte Freundin!

Wie gerne käme ich nachmittags zu Ihnen, um mir das Degenband zu holen! Aber ich habe heute zu tief in das Blau des Juni-Himmels gesehen, um das ewig Gute mit dem irdisch Schönen vertauschen zu können. Die Luft Ihres Gartens und Ihrer Nähe ist angenehmer und besser als die meiner Studierstube. Und so hat Ihr Kuss per Sympathie nicht mein Jammertal erreicht, sondern ist schon an der Pforte des Blumenreichs, vielleicht dicht bei unserem Rosenstrauch, gestorben. Aber das wahrhaft Schöne ist ohne Zweck. Und so ist auch dieser scheinbar unglückliche Kuss wohl in sich geborgen. So soll er zwischen uns beiden erhalten bleiben. Auch in der Bläue des Himmels werde ich Ihr Bild, liebste Jakobin, heute und noch länger wiederfinden.

Königsberg, den 12. Juni 1762. Immanuel Kant

 

Der Philosoph überlas den Brief mehrmals, dann schloss er und Lampe bekam den Auftrag, das Billett der Frau Kommerzienrat zu überbringen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit ging Kant heute nicht zum Mittagessen ins Gasthaus. Er versank in Nachdenken über seine Forderung, um des Glückes willen glückwürdig zu werden. In dieser Stunde begann das ewige Sittengesetz in seinem Bewusstsein Gestalt anzunehmen.

Friedrich Heimburg

 

 

Seite 16   Onkel Boo / Ein ostpreußisches Original

Foto: Kreisstadt Labiau an der Deime

Jede Stadt und jedes Dorf hat unter ihren — oder seinen — Einwohnern Menschen nachzuweisen, die die Natur nur einmal erscheinen lässt. Es sind oft sonderbare Käuze, die auf Grund ihrer Eigenart sogar in die Geschichte eingegangen sind. Die meisten von ihnen leben nur im Munde ihrer Nachfahren weiter, bis sie dann mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Auch meine Heimat Siewken kann sich solcher Originale rühmen. Ja, es machte uns Kindern viel Spaß, wenn die Alten uns von einem oder dem andern erzählten. Den letzten aber, den ich gut kannte, der ist es wert, dass man ihn vor der Vergessenheit bewahrt, denn er hat uns manchen Spaß gebracht. Er ist derselbe, den ich in der Novemberausgabe der Ostpreußenwarte mit dem Eulenspiegel verglichen habe, unter seinem Pseudonym „Onkel Boo!" Wenn aber jemand wissen möchte, wie er zu diesem Pseudonym gekommen ist, dem will ich raten, einmal auf den Kuckuck oder auf den Kibitz zu achten, der immer seinen eignen Namen ruft.

 

Onkel Boo! war kein Mensch, der etwa sittlich oder moralisch gesunken war, sondern seines Standes, gemäß, ein wohlhabender Landarbeiter aus echtem ostpreußischem Kornschrot gebacken und mit gutem Mutterwitz reichlich ausgestattet. Berechenbarkeit in Arbeitsangelegenheiten (wenn es um seine eigene Vorteile ging), Schlagfertigkeit in Wort und Ausrede und ein dickes Fell, das waren seine Waffen, die ihn gegen jeden Feind siegen ließen. Er gebrauchte gerne gelehrte und fremdsprachige Wörter, ohne danach zu fragen, ob sie dort hingehören oder nicht. Auch konnte er türkisch beten, aber nur dann, wenn ihm die Jungens einen Quartierschen spendierten. Ja, unter den Lorbassen führte er ein strenges Regiment. „Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und die Alten ehren!" lautete sein Wahlspruch. Und wehe dem Lorbass, wenn er über seine Ausdrücke lachte, den setzte er bei nächster Gelegenheit, wenn er reiten wollte, nicht aufs Pferd, sondern übers Pferd hinweg. Er war sehr für die Vernichtung des Alkohols, hauptsächlich dann, wenn er ihn selbst nicht bezahlen brauchte. In solchen Fällen erzählte er viel von der Umdrehung der Erde und ihrer Anziehungskraft.

 

Wer aber unter andern Leuten einen großen Ton riskiert, der hat zu Hause nicht viel zu melden, und dieser Spruch hatte euch beim Onkel Boo! seine Gültigkeit Gegen seine Schwiegermutter, die bei ihm lebte und seine Karline konnte er nicht ankommen trotz seiner körperlichen Fülle. Wollte er einen trinken, dann musste er sich schon heimlich auf die Socken machen, sonst war Karline gleich mit dem Besen hinterher.

 

Er hasste jeden, der sich irgendwie bei seinem Arbeitgeber wichtigmachen wollte und nannte diesen Schmaus „Uwäles Krichium!“ Verbissen die Jungens das Lachen und fragten ihn mit ernster Mine, was das heißen solle, dann hielt er ihnen einen Vortrag über die Schlechtigkeit solcher Menschen und verglich sie mit dem Charakter eines Hundes und der Katze. Der Vortrag hatte ungefähr folgenden Wortlaut:

 

„Wenn unser Katz bei die Stinnt schmänngert, und Karline ihm mit dem Waschkodder verjakt, dann entflieht er unters Bett und denkt in seinem Katzenverstand: „Verflucht noch e mal, du Aas, das hab ich von dir doch nich gedacht!" Er huckt in der äußersten Ecke und kickt mit bänkrigen Augen nach Karline, was sie dort macht. Aber Karline ist ja bald wieder katzenfreundlich geworden, denn es tut ihr leid, dass sie dem Katz, der sonst wie e Kind im Hause ist, hat Unrecht getan. Sie nimmt den größten Stint am Zagel und will ihn rauslocken, aber denkt ihr er kommt?! Ach ja,! denn es ist ihm doch standesgemäß nicht gegeben, dass er die Schlechtigkeit im Handumdrehen vergessen kann.

 

Ein Katz hat ja bekanntlich nicht neunundneunzig Sinne wie der Fuchs, sondern bloß einen. Und er hat auch nicht solche trübe Augen wie der Hund, sondern Katzenaugen klar wie e' Schnaps-che im Glas, mit denen er alle Schlechtigkeiten seiner Nebenbuhler leicht erkennen kann. Soll er denn seinem Übeltäter noch dafür die Hand lecken, wie das sein vierbeiniger Feind macht? Nein! da müsste er ja Hundeaugen haben. Und so was ist also kein Uwäles Krichium!

 

Ganz anders dagegen verhält sich da die Sache mit dem Schröders Julius seinem Karau. Wenn der Krät mal Frühlingsgedanken krigt, und er seinen Herrn mit seiner Rindviehherde allein auf weiter Flur lässt, dass er rumlaufen muss, dass ihm die Klumpen klappern, denn ist es ja auch noch kein Uwäles Krichium. Nein, ich denke da ganz anders drüber und Schröders Julius natürlich auch. Und wer seine Kaldaunes schon einmal voll Ärger gehabt hat, der wird es ihm auch nachfühlen, wie es ihm in diesem Falle zu Mute ist. Er wartet also auf den Momang, wo sein Karau von der Brautschau wiederkommt, damit er den ganzen Ärger über ihn ausschütten kann. Der Abend kommt. Und weil Karau nun weiß, dass er nun bald zu Hause Fressen kriegt, stellt er sich pünktlich bei der Herde ein ... Der Julius lässt sich aber nuschtnich merken, sondern kriegt ihm gleich beim Kripschkoll und verjakt ihn nach Strich und Faden. Der Karau schreit „Ach" und „Wehe" und läuft gleich in den nächsten Graben, um sich etwas zu erquicken. Auch dem Julius seine Kaldaunen sind nun abgekühlt und denkt nun darüber nach, was er Begangen hat. „Wir haben ja alle schon e' mal im Leben Frühlingsgedanken gehabt. So rechtfertigt er sich selbst, und warum soll denn e' Hund keine kriegen? Karau komm her!" Und siehe da, der Karau kommt! Erst mit dem gesenkten Haupte, dann mit wedelndem Zagel bis an seinem gestrengen Herrn heran und leckt ihm die Hand. Das ist Uwäls Krichium! Ganz gleich, ob es ein Hund mit vier Beinen macht oder ein Hund mit zwei. Mir liegt es ganz ferne, dem Hund für seine Nützlichkeit und Treue zum Menschen etwas Schlechtes nachzusagen, denn ich weiß, daß mancher Baum an der Landstraße schon längst vertrocknet wäre, wenn er ihn nicht jeden Morgen pünktlich begossen hätte, aber im Punkto Uwäles Krichium, da möchte ich doch lieber e' Kater sein. Werfen wir nun unsern Blick auf die Krone der Schöpfung. Hat da nicht am Ende unser Herrgott wie er am Sonnabend noch schnell vor Feierabenden Menschen schaffen wollte, aus Versehen dem einen Katzenaugen reingesetzt und dem andern Augen vom Hund? Ich z. B. habe Katzenaugen, denn ich kann durch em zolliges Brett „durchkiken", wenn da e' Ast rausgefallen ist. Und wenn Gefahr droht dann verkrauf ich mir hinter den dicksten Baum, denn ich habe mit dem Arbeitgeber nuschtnich im Sinn. Ich verachte auch und hasse jeden von euch Lorbassen, der da hinterhergelaufen kommt und verrät mir. Ich sage euch! Dem hunz ich aus, dass der Hund von ihm kein Stuck Brot nicht nimmt. Aber was nützt das? Die Kräten haben ja Augen vom Hund, verrazzen mich und wollen dann noch e' Schniefke von mir haben. Ich sage euch! Das ist Uwäles Krichium!“

W. Bienenfeld

 

 

Fährten- und Spurenkunde, von K. Brandt-H. Eiserhardt. Ein Hilfsbuch für den Jäger und Naturfreund, mit 97 Abbildungen, Verlag Paul Parey, Hamburg-Berlin.

 

Ein für den Jäger sowohl wie für den naturliebenden Laien gleichermaßen wertvolles Buch ist die Fährten- und Spurenkunde. Es zeigt genau und einprägsam mit sehr guten Abbildungen die wichtigsten Spuren und Fährten in der Wildbahn. Für den Jäger und Heger ist unbedingte Notwendigkeit, diese Zeichen in der Natur lesen und deuten zu können Aber auch der Laie wird Freude und Gewinn an der Kenntnis haben und das Leben in Wald und Feld wird sich ihm ganz anders erschließen. Das Buch beschränkt sich nicht nur auf die Spuren des Schalenwildes, sondern beschreibt auch die des niederen Haarwildes und des Raubwildes. Die Abbildungen sind meist in natürlicher Größe und zeigen nicht nur die Größe, sondern auch das Verhalten des Wildes. Es ist eine Freude, das geschmackvoll usgestattete Buch in die Hand z nehmen.

G. von Selle

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