Ostpreußen-Warte, Folge 09 vom September 1952

Ostpreußen-Warte

Folge 09 vom September 1952

 

Seite 1   Wir grüßen unsere Hauptstadt

Foto: Das Ordensschloß zu Königsberg. Aufn.: Fritz Krauskopf

Liebe Königsberger!

Nun sind wir wieder einmal in größerer Zahl beisammen und könnten uns - wenn wir die Augenlider zukneifen und für eine Weile nur mit dem Gehör leben wollten - einbilden, dass wir auf dem Königsgarten, auf dem Münzplatz oder an einer anderen vertrauten Stelle unserer unvergesslichen Heimatstadt stehen; denn um uns herum schweben vertraute, mundartliche Klänge. Dieser und jener Heimatvertriebene aus der alten, großen Pregelstadt  der ehemaligen Residenz preußischer Herzöge, der Krönungsstadt preußischer Könige, dem großen Kulturzentrum Ostdeutschlands, das wir im Gedenken seines bedeutendsten Sohnes auch Kantstadt oder schmunzelnd „die Stadt der reinen Vernunft" benannten wird heute vielleicht zum ersten Male Gelegenheit gefunden haben, endlich wieder mit seinesgleichen zusammen zu kommen. Viele leben nämlich noch in jener Vereinsamung, in welche sie ein schlimmes Schicksal verschlug, und haben daher auch noch allen Anlass, sich als Strandgut des grauenhaftesten aller bisherigen Kriege zu fühlen. Gewiss werden sie sich hie und da nicht mehr so ganz als völlig verwaiste und vom Winde verwehte Unglückskinder betrachten, aber das Empfinden, mit allen anderen Verstreuten Königsberger Herkunft endlich wieder so etwas ähnliches wie ein gemeinsames Dach erhalten zu haben, wird ihnen erst jetzt gekommen sein; jetzt, da sich die Stadtväter und Stadtkinder von Duisburg, der weltbekannten Industriestadt zwischen Rhein und Ruhr dazu entschlossen haben, die Patenschaft für Ostpreußens alte Hauptstadt und damit auch für deren Menschen zu übernehmen.

Hier in Duisburg empfinden wir wieder den kräftigen Atem eines von Lebensmut, Tatkraft und Zuversichtlichkeit erfüllten Wirtschaftskörpers, der uns umso mehr Vergleiche mit unserer früheren Königsberger Betriebsamkeit aufzwingt, als uns noch die feuchtigkeitsgesättigte Luft des größten Binnenhafens Europas und dessen verheißungsvoller Arbeitslärm umweht. So wird ein Erinnerungsbild das andere in uns ablösen können. Wir werden uns in Gedanken wieder daheim bei der Grünen Brücke vorfinden, den Blick zunächst die riesige Freitreppe zu den gewaltigen Säulen der Börsenvorhalle emporeilen und dann zum Pregel selber abschweifen lassen. Auf beiden Seiten des Flusses werden größere Dampfer gelöscht oder beladen, über die Laufplanken stapfen in endloser Kette Stauer und schleppen Säcke, Kisten, Ballen. Kräne heben und senken ihre stählernen Arme, Winden knirschen, Maschinen rumpeln und fauchen, schwere Lasten wuchten zu Boden und stoßen dumpf auf, Zwischen den Schiffen flitzen Barkassen und bringen viel Unruhe m die ölige Flut. Scharen von Möwen stoßen auf Bordabfälle nieder und kreischen beutegierig. Tiefgrauer Rauch und schneeweißer Dampf entquillt den Schornsteinen und Ventilen. Sirenen heulen. Solide Fachwerkspeicher bilden eine lange Zeile und Bergen ungeheure Werte. Sie stellen die charakteristischen Wahrzeichen der alten Hansestadt dar. Einige von ihnen, die das große Schadenfeuer zu Beginn des vorigen Jahrhunderts durchstehen konnten, tragen mehr als drei Jahrhunderte auch ihren immer noch festen Rücken. Weiter stromabwärts und umweht von einer frischen Brise, die vom Haff her kommt, ragen die Baukolosse modernster Speicheranlagen, der Zellulosefabrik, der Mühlenwerke, der „Spulchenfabrik", des Königsberger Kühlhauses und anderer industrieller und wirtschaftlicher Großbetriebe zu den munter dahinsegelnden Wolken empor. Zwischenein steilen die Riesenkräne der Schiffswerft F. Schichau und die Schornsteine der Waggonfabrik L. Steinfurt über die Masten verankerter Schiffe und den Transformatorenturm beim Hafenbecken IV hinweg.

Ja, das wollen wir jetzt noch mit unserm inneren Auge sehen und uns mal nicht vergegenwärtigen, wie es nach dem entsetzlichen Feuersturm jener Augustnacht des Jahres 1944, in der die feindlichen Bombergeschwader über Königsberg, hinweggebraust waren, an jenen Stätten ausschaute oder was noch durch die Belagerung während der ersten Monate des Jahres 1945 dort geschah!

Fragt man uns Königsberger, wie es uns an den Orten gefällt, an die uns die Kriegsfurie verschlug, so werden sich die meisten wohl zu einer indirekten Antwort bereitfinden, zu einer Antwort, die da lautet: to hus war to hus! ... Damit geben wir ganz willig zu, dass auch unsere neuen Aufenthaltsorte ihre besonderen Reize haben, doch in dieser Erwiderung schwingt gleichzeitig die Offenbarung mit, dass wir uns nirgends wieder so wohlfühlen können wie an der Stätte unseres früheren Lebens und Wirkens.

Selbst viele Königsberger, denen sich auf Reisen die halbe oder ganze Erdenwelt erschloss, mussten bei ihrer Rückkehr zum häuslichen Herd erklären: Gewiss, es gibt weit imposantere Städte und Landschaften als Königsberg und das umgebende Samland; gewiss, es gibt andernorts manches, was dem unbefangenen Betrachter schöner arscheinen mag; aber selten mal habe ich eine solch innige Verschmelzung von Gemütvollem einerseits und Zielstrebigkeit andererseits, von Idyll und zeitgemäßer Rührigkeit, von genießerischem Behagen und zielstrebiger Unrast, von humoriger Schau und tiefernster Spekulation, sowie von städtischem und ländlichem Gepräge angetroffen wie grad hier. Die grüne Natur schiebt sich bis zum Stadtherzen vor, und wenn uns die Sehnsucht nach einem von Gottes Meeren von den Büroschemeln, aus den Werkstätten und Fabrikhallen treibt, so sind wir im Handumdrehen am flachen Strand der Ostsee oder an der wuchtigen Barriere der samländischen Steilküste.

Ja, und hier wie dort umgibt uns große Tradition; denn wo wir rasten oder werken, rasteten und werkten einst Gestalter unvergesslicher Kulturen: die Wikinger, die Herren des Deutschen Ritterordens und die Hanseaten. Danach trug das Schaffen eines Immanuel Kant auch den Namen Königsberg durch alle Kulturländer der Erdenwelt. Als weitere hellstrahlende Sterne am Firmament der Wissenschaft, doch auch der Kunst verzeichnet die Königsberger Chronik: Herder, Herbart, Simon Dach, den Mystiker Hamann, den „Gespensterhoffmann", Lovis Corinth, die großen Schauspieler Matkowski und Wegener und die Balladenschöpferin Agnes Miegel, die gottlob noch unter den Lebenden weilt.

Alle diese waren gebürtige Königsberger oder durch längeres Wirken in der Pregelstadt zu echten Königsbergern geworden. Man könnte die Liste noch erheblich ergänzen, wenn man alle jene miterfassen möchte, die in Königsberg oder durch Königsberg zu Ruhm gelangten; und wenn man ganz gerecht sein wollte, so müsste auch jener Männer gedacht werden, die für das Aufblühen des Königsberger Handels und die Prägung zur Messestadt verantwortlich zeichneten. Auch manch ein Frauenname wäre anzuführen, falls es jetzt darum ginge, ein noch farbigeres Kulturbild von Königsberg zu vermitteln.

Kurzum: hat uns mit Pregelwasser Getauften oder Gewaschenen das Schicksal auch das materielle Gut aus den Händen geschlagen - zweierlei konnte es uns nicht nehmen, nämlich den Stolz auf eine große Vergangenheit und die Hoffnung, noch einmal dort Aufbauwerk zu treiben, wo jene Vergangenheit unsere Kräfte schon in Anspruch nahm.

Wir haben den plötzlichen Wandel zum Schlimmen kennenlernen müssen, doch Wandel ist nun mal ein Vorgang ohne Ende. Halten wir uns wieder mal an den kaum verwüstlichen ostpreußischen Humor und sagen wir uns: die Welt ist rund und muss sich drehn, was unten steht, wird auch mal wieder oben stehn!

Ganz entschieden wird das Duisburger Treffen dazu beitragen, die Zuversichtlichkeit zu stärken; denn viel Wenig machen bekanntlich ein Viel.

Ob wir Königsberger mal auf dem Steindamm, auf dem Sackheim, Roßgarten, Tragheim oder Haberberg, in Juditten oder Maraunenhof wohnten, alle fühlen wir uns zumal jetzt in Not und Heimatlosigkeit - als Mitglieder einer einzigen großen Familie.

Dies starke Empfinden wurzelt nicht allein im Bewusstsein der Schicksalsgemeinschaft als Heimatvertriebene oder im Erwägen regionaler Zusammengehörigkeit, sondern noch in tieferem Untergrund. Ihn aber schuf die deutsche Geschichte mit einer ihrer großartigsten Leistungen kultureller und kolonisatorischer Art, für die sie sich im 13. Jahrhundert des Deutschen Ritterordens bediente. Damals rief der polnische Teilfürst Herzog Konrad von Masovien den Deutschen Ritterorden um Hilfe gegen die heidnischen Prussen an, die immer wieder sein Land verheerten und es zu überwältigen drohten. Hermann von Salza - derzeit Hochmeister des Deutschordens - ging Kaiser und Papst um Rat an und erhielt von beiden Unterstützung, zugesichert. Während der Papst zu einem Kreuzzug gegen die heidnischen Prussen aufrief, erließ der Kaiser, Friedrich II., eine goldene Bulle, in der es u. a. hieß:

„Bruder Hermann hat uns in Ergebenheit vorgetragen, dass unser getreuer Konrad, Herzog von Masau und Kujau, für das Kulmer Land und für das Land zwischen seiner Mark und dem Gebiet der Preußen ihm und den Brüdern (vom Deutschen Orden) Vorsorge treffen will. Danach sollen die Brüder die Mühe auf sich nehmen und bei günstiger Gelegenheit zur Ehre und zum Ruhme des wahren Gottes in das Preußenland einziehen und es besetzen ... Wir erteilen diesem Meister Vollmacht, mit den Kräften seines Hauses in das Preußenland einzurücken ... Wir genehmigen und bestätigen diesem Meister, seinen Nachfolgern und seinem Hause für alle Zeit, dass sie das genannte Land, das sie vom Herzog Konrad nach dessen Versprechen erhalten werden, ferner jedes Gebiet, das sie mit Gottes Gnade in Preußen erobern, mit den Gerechtsamen ... wie ein altes Reichsrecht In Freiheit ohne Dienstleistung und Steuerpflicht ... innehaben und niemand für dieses Land Rechenschaft schuldig sind, dass sie die Obrigkeitsrechte haben und ausüben, wie sie dem mit den besten Rechten ausgestatteten Reichsfürsten in seinem Lande zukommen."

Als der Deutsche Ritterorden dann ins Prussenland zog, strömten ihm aus allen westdeutschen Gauen Menschen zu, die da bereit waren, am kolonisatorischen Aufbau der vom Orden eroberten und dem Orden zugesprochenen Gebiete mitzuwirken. Diese Siedler verschmolzen im Verlauf der Jahrhunderte zu einem festen Volkskörper des Typs, dessen hervorstechendste Repräsentanten auch wir Königsberger sind. Die späteren Zuwanderer gingen kaum minder innig in diesen Volkskörper ein und erhielten so auch das „Familiengesicht". Der Deutsche Ritterorden hat seinen geschichtlichen Auftrag erfüllt und wirkt schon lange nicht mehr. Was er aber geistig-seelisch gestaltete, ist in den Nachfahren seiner Siedler über Jahrhunderte hinweg verblieben. Wie dieses Erbe beschaffen ist, offenbaren auch wir Königsberger durch unser Wesen und unsere Gesinnung.

Das also ist der tiefere Untergrund, der unser Gemeinschaftsbewusstsein nährt!

Aber noch etwas anderes leitet sich daraus her, nämlich das Gefühl der Verbundenheit, das uns im Umgang mit vielen Menschen westdeutscher Lande überkommt. Stoßen doch wir wie sie in unseren Ahnenreihen auf Persönlichkeiten, in denen Blutslinien beider Teile noch miteinander liefen.

Auch aus dem Rheinland zogen einst Männer und Frauen den Ordensheeren nach, um in dem neuen deutschen Ostland bleibende Heimstätten zu finden. Vielleicht kann uns auch jener Duisburger Einwohner, neben dem wir heute bei den Kundgebungen anlässlich des Königsberger Treffens stehen, berichten, dass einer seiner Vorfahren in das Land östlich der Weichsel oder gar an das Pregelufer abwanderte.

Duisburg - Königsberg. Königsberg - Duisburg.

Was sich einst am Pregel dem Betrachter bot - die Wahrzeichen des Unternehmergeistes und allgemeiner Schaffenskraft - das zeigt sich ihm auch hier an der Rheinreede.

Ergriffen von diesem anheimelnden Bilde und aufs tiefste angesprochen von der Kameradschaftlichkeit der Duisburger Bevölkerung fassen wir die Hand des nächststehenden Einheimischen und sagen ihm: Wir Königsberger sind als aufgeschlossene Schüler unseres großen Lehrers Immanuel Kant nicht fürs Pathetische. Zu den markantesten Leitsprüchen, nach denen wir unser Leben einrichteten und heute noch einzurichten gewillt sind, gehört dieser:

Treue um Treue!

Indem ich dankbar Deine Hand drücke, denke ich an ihn. Sollte auch uns Königsberger die politische Einsicht aller maßgebender Staatsmänner und das Drängen ihres Gerechtigkeitsempfindens sowie der Humanität zurück in unser altes, liebes Königsberg führen, so wollen wir uns weitersprechen!

G. S.

 

 

Seite 2   Lastenausgleich gestartet!

Bonn. Am 18. August ist das Lastenausgleichsgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Es löst das Soforthilfegesetz ab und tritt am 1. September in Kraft. Bestimmte Teile des Lastenausgleichsgesetzes gelten rückwirkend vom 1. April 1952. Wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums mitteilte, können Anträge auf die ersten Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz, nämlich Eingliederungsdarlehen, Hausratshilfe sowie Zuschläge zu der auch nach dem Soforthilfegesetz gezahlten Unterhaltshilfe schon etwa Anfang Oktober gestellt werden.

Unabhängig davon, werden jetzt von den Gemeindebehörden Antragsformulare für die Feststellung der Kriegsvertreibungs- und Ostschäden ausgegeben, die die Geschädigten innerhalb eines Jahres ausfüllen müssen. Die Errechnung der Hauptentschädigung, die für diese Schäden gewährt wird, setzt nach Ansicht des Finanzministeriums eine erschöpfende Feststellung des Schadens voraus. Deshalb werde die Hauptentschädigung in den nächsten Jahren zwar zugesichert und verzinst, aber noch nicht ausgezahlt werden. Die Auszahlungen werden erst in etwa fünf Jahren beginnen. Dagegen können Anträge auf ein Eingliederungsdarlehen, das an die Stelle der Hauptentschädigung tritt, solange diese noch nicht errechnet worden ist, bereits Anfang Oktober gestellt werden.

Die im Lastenausgleich vorgesehene Hausratshilfe soll ebenfalls so schnell wie möglich als Vorauszahlung auf die eigentliche Hausratsentschädigung, doch höchstens in zwei Teilbeträgen, gezahlt werden. Ihre Höhe ist zunächst auf 800 DM für den Empfangsberechtigten, 200 DM für dessen Ehefrau, je 100 DM für das erste und zweite Kind und 200 DM für das dritte und mehr Kinder festgesetzt. Für frühere hohe Einkommensstufen sind höhere Beträge vorgesehen, die jedoch nicht ausgezahlt werden, bevor alle Empfangsberechtigten 800 DM erhalten haben.

Bei der Kriegsschadenrente wird es einen Übergang von der bisherigen nach dem Soforthilfegesetz gezahlten Unterhaltshilfe geben, der für die Empfangsberechtigten praktisch keine Bedeutung hat. Sie werden weiterhin 85 DM monatlich erhalten, müssen aber in einer bestimmten, noch nicht festgelegten Frist einen neuen Antrag stellen.

Die Entschädigungsrente, die es im Soforthilfegesetz nicht gegeben hat und die eine Erhöhung der 85-DM-Rente für diejenigen vorsieht, die hohe Vermögensverluste erlitten haben, muss neu beantragt werden. Sie setzt ebenfalls die Feststellung voraus. Wer von den Empfangsberechtigten jedoch glaubhaft machen kann - er braucht dies nicht nachzuweisen -, dass er mehr als 20 000 DM Vermögen verloren hat, erhält eine pauschale Erhöhung von 20 DM monatlich.

Eine Verordnung, die die nach dem Härtefonds, möglichen Hilfen im Einzelnen regelt, wird zurzeit ausgearbeitet. Aus diesem Fonds soll insbesondere den aus der Sowjetzone geflüchteten Personen geholfen werden.

 

 

Seite 2   Das Recht auf die Heimat

Der Beschluss der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes In Hannover zum Vertriebenenproblem gipfelte in der Feststellung, den lutherischen Flüchtlingsdienst fortzuführen und unterstreicht dabei die Notwendigkeit einer weltumspannenden Zusammenarbeit bei der Hilfe für die Heimatlosen in aller Welt sowie ihre umfassende finanzielle Unterstützung.

Die Vollversammlung ruft die Völker und Kirchen auf, nicht nur Ihre Bemühungen um gerechte Lösungen für die Heimatlosen zu verstärken, sondern auch mit allen Kräften darauf hinzuwirken, dass in aller Welt die Entwurzelung von Völkern und Volksschichten als Verbrechen gebrandmarkt wird und dass Vertriebenen die Rückkehr in ihre rechtmäßige Heimat offenstehen müsse.

Es wurde darin grundsätzlich festgelegt, dass alle Unterscheidung zwischen Flüchtlingen, namentlich solchen politischer Art, aufhören müsse. Flüchtlinge und Vertriebene müssen nicht nur das Asylrecht haben, sondern auch die Berechtigung zur ständigen Niederlassung, zur Ausübung von Arbeit und zur Inanspruchnahme des gleichen sozialen Schutzes, der allen Staatsbürgern zusteht. Die Wahrung der Menschenwürde und die Wiederherstellung einer gerechten Sozialordnung verlangen die Beschaffungen von Wohnraum, Land und Arbeit. Als besonders dringlich wurde die Vereinigung der getrennten Flüchtlingsfamilien bezeichnet, die mit allen Mitteln erreicht werden müsse.

 

Oder-Neiße-Linie - unhaltbar

Zu dem Problem der deutschen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie erklärte der britische Labour-Abgeordnete Crossmann, der deutsche Anspruch auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie dürfe unter keinen Umständen aufgegeben werden. Die gegenwärtige Grenze sei völlig unhaltbar. Sie müsse, was auch immer geschehen möge, berichtigt werden. Er selbst sei von Anfang gegen die Abkommen von Jalta gewesen und sehe keinen Grund, seine Stellungnahme zu ändern.

 

Neue Ostpreußen-Umsiedlung aus Litauen?

Wie die im Bundesgebiet erscheinende litauische Zeitschrift „Tremtis" berichtet, ist damit zu rechnen, dass demnächst ein neuer Transport von ostpreußischen Männern und Frauen zu erwarten ist, die auf der Flucht vor dem Hunger in den ersten Jahren nach 1945 nach Litauen gelangten und dort bis heute verblieben sind. Nach den dem litauischen Blatte zugegangenen brieflichen Berichten wurde in diesem Frühjahr die Registrierung der zurückgebliebenen Deutschen in der gleichen Weise durchgeführt wie im Vorjahre, wo auch ein Transport von Ostpreußen aus Litauen im Bundesgebiet ankam. Zur diesjährigen Registrierung meldeten sich daraufhin die Ostpreußen freiwillig, während sie sich im Vorjahre der Registrierung aus mancherlei Befürchtungen heraus entzogen. Denen, die damals krankheitshalber zurückbleiben mussten und den Neuregistrierten wurde bereits mitgeteilt, dass sie sich zum Transport nach Deutschland bereithalten sollten.

 

Mutter und Tochter fanden sich

Beim Treffen der Tilsiter in Pinneberg fand Frau Lembke aus Tilsit ihre Tochter, die sich 1945 beim Einmarsch der Russen beim Arbeitsdienst in Rastenburg befand, wieder. Alle Nachforschungen nach der Tochter waren bisher vergeblich gewesen, obwohl Mutter und Tochter in Süddeutschland, zeitweise nur wenige Kilometer voneinander getrennt wohnten.

 

 

Seite 2   Um den Einheitsverband

Bonn. Die Pressestelle des ZvD/BvD gibt bekannt:

Am 18 August 1952 haben sich die Sprecher aller Landsmannschaften in Bad Kissingen versammelt, um die Frage endgültigen Schaffung des Einheitsverbandes der Vertriebenen zu besprechen. Einer Presseverlautbarung der Landsmannschaften zufolge haben die Landsmannschaften eine Arbeitsgemeinschaft gegründet die das Einigungswerk vorantreiben soll. Bekanntlich hatte der Vorstand des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen mit Zustimmung der vier dem vorläufigen Präsidium des Bundes der vertriebenen Deutschen angehörigen landsmannschaftlichen Sprecher am 26. März 1952 in Bonn beschlossen, die Verhandlungen über die endgültige Konstituierung des Bundes der vertriebenen Deutschen bis zur Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes zurückzustellen. Die Delegierten des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen hatten am 29. Juni 1952 in Bad Godesberg gleichfalls beschlossen, nach Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes die Einigungsverhandlungen zum Abschluss zu bringen. Der Aufbau des Bundes der vertriebenen Deutschen auf der Orts-, Kreis- und Landesebene ist inzwischen weitgehend fortgeschritten. Der Vorstand des ZvD und das provisorische Präsidium des BvD werden sich daher am 31, August 1952 mit der endgültigen Formulierung der BvD-Satzung und mit der Frage der Verhandlungen mit den noch abseits stehenden Landsmannschaften befassen. Die ZvD/BvD-Pressestelle stellt dazu fest, dass dieses Gremium allein legitimiert ist, über die endgültige Konstituierung des Bundes der vertriebenen Deutschen Weiteres zu beschließen.

 

Das Memelland ist deutsch!

Zur 700-Jahr-Feier von Memel sandte Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer dem „Memeler Dampfboot" eine Grußbotschaft, in der es heißt:

„In herzlicher Verbundenheit begrüße ich die Memelländer zu ihrem Treffen in Hamburg. Wenn sie dabei den 700. Geburtstag ihrer Heimatstadt begehen, so erinnern sich mit ihnen alle Deutschen in Ost und West der ungebrochenen und unwandelbaren Treue, mit der Memel und das Memelland in ihrer wechselvollen Geschichte deutsch geblieben sind.

Für uns alle ist es heute schmerzlich, ihre Memeler Heimat vom deutschen Mutterlande losgerissen zu sehen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf und will mit allen Kräften dazu beitragen, dass ihnen eine bessere und friedliche Zukunft zu ihrem Recht auf das Land ihrer Väter wieder verhelfen möge.

Adenauer, Bundeskanzler."

 

Verbesserungsvorschläge zum Lastenausgleich

Das Präsidium des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen (ZvD) befasste sich einer Sitzung mit Verbesserungsvorschlägen BvD-Lastenausgleichs-Ausschusses zum Lastenausgleich, die nach eingehender Beratung voll gebilligt wurden. Die Vorschläge sehen für die nächsten fünf Jahre umfangreiche Verbesserungen für den Lastenausgleich vor. Es werden darin Maßnahmen zur Erhöhung des Aufkommens für die Hausratentschädigung, für die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern, Handwerker, Gewerbetreibenden und für die freien Berufe gefordert. Ferner soll der Einsatz von Wohnraumhilfsmitteln im Sinne einer echten Eingliederungshilfe nur für Entschädigungsberechtigte erfolgen. Um eine schnelle und wirksame Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes zu erreichen, sollen die Vertriebenenverbände zur Mitarbeit in der Verwaltung herangezogen werden. Die Vorschläge wurden dem Bundeskanzler, den zuständigen Bundesministerien und den Ministerpräsidenten der Länderregierungen zugeleitet.

 

 

Seite 2   Regierungsaufruf zur Schadensfeststellung

In einer öffentlichen Bekanntmachung hat die Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesrat zur Anmeldung von Vertreibungs- und Kriegsschäden aufgerufen, die nach dem im April dieses Jahres in Kraft getretenen „Gesetz zur Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden" als Grundlage für den Lastenausgleich festgestellt werden müssen.

Wie wir vom Bundesfinanzministerium erfahren, wird die Ausgabe der Formblätter für die Feststellung durch die Soforthilfeämter und Gemeindebehörden erfolgen.

Nachstehend veröffentlichen wir den Wortlaut der öffentlichen Bekanntmachung der Bundesregierung zur Anmeldung von Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden:

I.

Auf Grund des § 28 des Feststellungsgesetzes vom 21. April 1952 wird hiermit zur Einreichung der Anträge auf Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden aufgefordert. Das Gesetz bestimmt über diese Schäden im Wesentlichen folgendes:

1. Ein Vertreibungsschaden ist ein Schaden, der einem Vertriebenen in demjenigen Gebiet, aus dem er ausgewiesen worden oder geflüchtet ist, durch Vertreibungsmaßnahmen oder vorausgegangene Kriegshandlungen an land- und fortwirtschaftlichem Vermögen, an Grundvermögen, an Betriebsvermögen, an Gegenständen der Berufsausübung, an Hausrat, an Reichsmarkspareinlagen und an anderen privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen sowie an Anteilsrechten entstanden ist. Vertriebener ist, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger aus den deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie oder aus Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs (Gebietsstand vom 31. Dezember 1937) ausgewiesen worden oder geflüchtet ist. 2. Ein Kriegsschaden ist ein Schaden, der in der Zeit vom 26. August 1939 bis zum 31. Juli 1945 unmittelbar durch Kriegshandlungen an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, an Grundvermögen, an Betriebsvermögen, an Gegenständen der Berufsausübung oder an Hausrat im Bundesgebiet oder in Berlin (West) entstanden ist.

3. Ein Ostschaden ist ein Schaden, der einer Person, die nicht Vertriebener ist und die am 31. Dezember 1944 ihren Wohnsitz im Gebiet des Deutschen Reichs (Stand 31 Dezember 1937) hatte, im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges durch Vermögensentziehung oder als Kriegssachschaden in den Ostgebieten an Wirtschaftsgütern der in Nr. 1 genannten Art entstanden ist; Ostgebiete sind die östlich der Oder-Neiße-Linie gelegenen Gebiete des Deutschen Reichs nach dem Gebietstand vom 31. Dezember 1937.

II.

Antragsberechtigt sind nur natürliche Personen, Kriegssachgeschädigte können nach dem Feststellungsgesetz die Freistellung von Kriegssachschäden nach I Nr. 2 beantragen, auch wenn sie nicht im Bundesgeiet oder in Berlin (West) ständigen Aufenthalt haben. Vertriebene und Ostgeschädigte können die Feststellung von Schäden nach I Nr. 1 und 3 beantragen, wenn sie am 31. Dezember 1950 im Bundesgebiet oder in Berlin (West) ständigen Aufenthalt gehabt haben und zwar auch dann, wenn sie zuvor außerhalb des Bundesgebiets, insbesondere in der sowjetischen Satzungszone, gewohnt haben.

III.

Zweck der Schadensfeststellung ist es, den Lastenausgleich vorzubereiten und den Geschädigten eine amtliche Bestätigung über ihren früheren Besitz zu schaffen. Die Schadensfeststellung begründet jedoch keinen Anspruch auf Berücksichtigung im Lastenausgleich. Ob und inwieweit festgestellte Schäden im Lastenausgleich zu berücksichtigen sind, wird durch das Lastenausgleichsgesetz bestimmt.

IV.

Die Anträge sind auf amtlichem Formblatt zu stellen, aus dem sich im Einzelnen ergibt, welche Angaben zu machen sind. Die: Antragsvordrucke werden durch die Gemeindebehörden ausgegeben.

V.

Für die Entgegennahme der Anträge ist in der Regel die Gemeindebehörde zuständig, in deren Bereich der Geschädigte seinen ständigen Aufenthalt hat.

VI.

Nach den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes kann Antrag auf Feststellung von Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden bis zum Ablauf eines Jahres nach Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes gestellt werden, so dass für die Antragstellung ein hinreichender Zeitraum zur Verfügung steht.

Das Nähere über die Ausgabe der Antragsvordrucke und die Entgegennahme der Anträge wird rechtzeitig örtlich besonders bekanntgegeben werden. Es wird gebeten, diese Bekanntgabe abzuwarten.

 

 

Seite 3   Würgegriff schließt sich um die Stadt.

Foto: Blick auf das Königsberger Schloß - vom Münzplatz aus gesehen

Stadtplan der Provinzial - Hauptstadt Ostpreußens

Infolge der rasenden Geschwindigkeit, mit der sich die am zwölften Tage des Jahres 1945 über die deutsche Ostfront hereingebrochene Katastrophe ausbreitete, hatten die Königsberger noch am 20. Januar keine Vorstellung von der Nähe der ihnen drohenden Gefahr. Zwar hatte die Nachricht von der Räumung der Hindenburggruft, der Fortschaffung der Sarkophage und der Sprengung des Tannenberg-Denkmals sie stark erregt. Sogar die Toten verließen Ostpreußen, da sollte man doch vielleicht … Bürger aus Memel, Tilsit, Gumbinnen mit Koffern und Kisten drängten sich auf den Bahnsteigen vor den Zügen nach dem Westen. Wüste Szenen spielten sich da auf dem Hauptbahnhof ab, während durch die nachtdunklen Straßen der Stadt die Kette der Bauerntrecks fast lautlos zog. Schneepolster auf den Fahrdämmen schluckten die Geräusche trappelnder Hufe todmüder Pferde vor Wagen, auf denen zwischen Hausrat und Proviantsäcken, schlafende Kinder, sorgende Mütter, fiebernde Kranke und stumpfe Greise hockten. Nur wenige Königsberger sahen diese nächtlichen Gespensterzüge - am Tage durften keine Trecks die Stadt durchfahren - und vernahmen die Warnung, die von ihnen ausging.

Immerhin, von einer ernsthaften Unruhe in der großen Masse der Königsberger Bevölkerung war nichts zu spüren. Diese Menschen, die tagsüber ihrer Beschäftigung in Werkstätten, Läden, Büros, Fabriken nachgingen, nachts sich in ihren Häusern und Kellern zu neuem Schaffen ausruhten, wollten an keine ernste Gefahr glauben. Die Russen waren 1914 viel tiefer nach Ostpreußen hereingekommen und hatten doch wieder hinausgemusst. Es würde auch diesmal schon wieder gut werden. Da ließ plötzlich ein Ereignis die Gefahr in hellem Licht erscheinen und die bisherige Ruhe in wilde Panikstimmung umschlagen. In der Nacht zum 21. Januar schickte die Gauleitung ihre Familienangehörigen in einem Sonderzug fort, vom Güterbahnhof Nord. Durch Eisenbahner wurde das Ereignis bekannt. Schon am Morgen wusste es die ganze Stadt. Ein ungeheurer Ansturm auf die Züge setzte ein. Aber nun war es zu spät. Als letzter kam der Morgen-D-Zug nach Danzig über Güldenboden hinaus. Dann war Schluss, die Russen besetzten die Strecke. Alle späteren Züge, die bis Braunsberg. Heiligenbeil, Ludwigsort gekommen waren, kehrten am 24. und 25. Januar nach Königsberg zurück. Was nun?

Am 25. Januar gelangten private Nachrichten von der Front diesseits Labiau, das die Russen genommen hatten, nach Königsberg; Die Russen sind über die Deime, wer sich in Sicherheit bringen will, soll sich beeilen! Am Abend dieses Tages saßen im Parkhotel noch die Stammgäste. Französische Kellner in elegantem Frack und blütenweißer Hemdbrust servierten das immer noch gute und reichliche Essen. Keiner von diesen Menschen hier ahnte, dass zwischen ihnen und dem Russen keine zu ernsthaftem Widerstand fähige Truppe mehr stand.

An diesem Abend hätten die Russen, die in der Dämmerung Neuhausen-Tiergarten besetzt hatten, ungehindert in Königsberg einrücken können. Aber das ahnten sie damals wohl ebenso wenig wie die Königsberger.

Hemmungslos fluteten Soldaten des Heeres und der Luftwaffe, die sich nicht einmal die Zeit nahmen, die auf dem Flugplatz Neuhausen gestapelte Munition zu sprengen, in die Stadt. Einzeln, in Haufen, auf mit Privatgepäck überladenen Kraftwagen nur wenige schwache Kompanien in geordneten Kolonnen, dazwischen Bauernwagen, Fußgänger, lose Pferde, Rinder, Schweine, alles durcheinander. Die Masse der Menschen versickerte in die Keller von Königsberg, um Ruhe und Schutz gegen die Kälte zu suchen.

Was sich in dieser Nacht nördlich des Pregels ereignete, setzte sich am folgenden Tage auf dem Südufer fort. Durch den langen Straßenzug zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof fluteten in beiden Richtungen endlose Kinderwagen, Greise und Halbwüchsige zogen Züge erregter Menschen. Frauen schoben Rodelschlitten mit Pyramiden von Gepäck. Es war bitterkalt, aber die Anstrengung trieb den Geängstigten, Bäche von Schweiß über das Gesicht. Es fuhren keine Züge mehr. Am Nachmittag brachten Wehrmachtkolonnen eine neue Note in das chaotische Bild. Von Norden, Osten, Süden eilten sie durch die Straßen, oft im Trab, und strebten in das westliche Samland. Dazwischen klingelten die Straßenbahren, die immer noch verkehrten. Und als der Tag in die Dämmerung sank, klang ein neuer Ton in das Konzert. Heulend zogen die ersten Granaten der russischen Artillerie ihre Bahn über die Ruinenfelder von Königsberg und barsten krachend in den Straßen, die im Norden in Richtung Pillau, im Süden zur Berliner Chaussee führen.

Hier in der Vorstadt, im Nassen Garten, in Ponarth bekam der Strom der Irrenden ein neues Ziel, das Frische Haff. Es begann der grausige Zug über das Eis nach der Nehrung hin, für ungezählte Tausende die Wanderung in den Tod.

Zehntausende stauten sich im Hafen, schutzlos auf den Kais der Kälte und dem Beschuss durch russische Flieger ausgeliefert. Nur ein winziger Bruchteil fand Platz auf den wenigen kleinen Schiffen, die von der hilfsbereiten Marine eingesetzt werden konnten. Einige Tausend kamen noch fort auf Kohlenschuten, die von Eisbrechern und Schleppdampfern durch den Seekanal nach Pillau gezogen wurden. Wilde Kämpfe brachen aus um die Schiffsplätze. Die Reisenden aber ahnten nicht, welchem neuen Elend sie entgegenfuhren.

Auch über die Straße nach Pillau hastete der Zug der Flüchtenden. Zu Fuß, auf Fahrrädern, in Pferdewagen und Autos strebte er nach der Küste. Aber die Straße wurde von der Wehrmacht freigehalten für Kolonnen, Batterien, Sankras. Wohl gelang es einmal einem Auto, sich in die Marschsäule einzufädeln. Wohl nahmen viele Militärfahrzeuge Mütter mit kleinen Kindern, alte Leute, auch junge Mädchen mit. Aber im Allgemeinen waren die Wanderer auf Feldwege neben der Straße angewiesen. Knietief lag der Schnee, tief, weich und weiß wie ein Bett. Und vielen Alten, Schwachen, Kranken wurde er zum Sterbebett. Viele versuchten nach Norden zu entkommen, an die Bernsteinküste. Sie fanden den Weg bereits versperrt. Am 26. und 27. Januar hatten die Russen die Bäderbahnen überschritten. Auf der Nordfront von Königsberg schob sich der Riegel nach Westen vor.

Am 26. Januar hatte das Generalkommando, das seit Ende August 1944 im Fort Quednau gelegen hatte, dieses geräumt und in Moditten Quartier bezogen. Viele Dienststellen der Wehrmacht hatten mit und ohne Befehl die Stadt verlassen. Die Anweisungen, die von den Armeekommandos im Lande und von Berlin kamen, waren widerspruchsvoll. Die Armee wollte die Bevölkerung retten, Berlin war bereit, sie Phantomen zum Opfer zu bringen. Das war auch die Meinung des Gauleiters Koch, der sich nach Pillau begeben hatte.

Am Sonntag, dem 28. Januar, saßen die Königsberger, die Pflichtgefühl oder Angst vor dem Galgen, Krankheit, Scheu vor der Flucht in ein ungewisses Schicksal, Hängen am Eigentum zurückgehalten hatten, in ihren Kellern. Niemand gab ihnen einen Überblick über Entwicklung und Stand des Geschehens. Es gab weder elektrischen Strom, noch Gas oder Wasser. Infolgedessen erschienen die Zeitungen nicht mehr, schwieg der Rundfunk. Ab und zu warf ein russischer Flieger Bomben ab oder schoss in die menschenleeren Straßen. Mitunter dröhnte die Erde von kurzen Feuerschlägen der Artillerie. In den Kellern wusste man nicht, ob es die eigene war oder die russische. Man schlief, man erwachte, fragte die Nachbarn, die auch nichts wussten. Man wartete voll Angst auf die Russen, aber sie kamen nicht.

Abends ging das Gerücht, dass vom Bahnhof Ratshof Züge nach Pillau fahren würden. Wieder machten sich Tausende auf, drängten sich zusammen in Viehwagen, die am 29. Januar sich in Bewegung setzten. Diese Züge wurden zwischen Methgeten und Seerappen von den Russen eingeholt, die ein entsetzliches Morden begannen.

Der Ring um Königsberg war geschlossen. Die Stadt war eine belagerte Festung, in der nun alle Befehlsbefugnis auf den Kommandanten überging. Noch einmal raffte sich die Wehrmacht auf zum Widerstand. Noch einmal, schöpften die Königsberger Hoffnung. Noch einmal wurde für einige Wochen der Ring nach Westen aufgebrochen. Aber das war nur ein Aufschub eines unabwendbaren Schicksals. M. W.

 

 

Seite 4   Preuß. Kammergerichtsrath und bayrische Oper

Musikdirektor Hoffmann wohnte, dichtete, komponierte und malte in einem Bamberger Turm

E. T. A. Hoffmann, geboren am 24. Januar 1776 in der alten Krönungsstadt Königsberg, war Kritiker, Dichter, Theatermaler, Musiker, Opernkomponist und tüchtiger Jurist zugleich, ein einmaliges Genie in einem fast unscheinbaren Körper, als hätte die Natur ein lebendes Paradoxum schaffen und Materie und Geist in Widerspruch setzen wollen. Vielleicht ist gerade in seiner Vielseitigkeit der Grund dafür zu suchen, dass er vielen heute nur als Verfasser der ,,Nachtstücke" oder der „Elixiere des Teufels" bekannt ist, anderen als feinsinniger Kritiker, den wenigsten als hochbegabter Komponist - allen aber wiederum als ,,trinkfreudiger" Freund des berühmten Schauspielers Devrient. Armer E. T. A. Hoffmann! Das Odium eines feuchtfröhlichen Zechers ist dir, dank der einst so vielverbreiteten „Literaturgeschichte" des Heidelberger Professors Gervinus geblieben und heute müssen wir Namen wie Balzac, Gautier, de Musset, Carlyle, Menzel, C. M. von Weber, Schumann, van Beethoven zu deiner Ehrenrettung beschwören!

Sie feierten in Hoffmann den feinsinnigen Komponisten wertvoller Kirchenmusik, den geistreichen Deuter eines Haydn, Mozart und Gluck, den Tonschöpfer der so erfolgreichen Oper ,,Undine".

Wie sehr ein Beethoven die geistige Verwandtschaft zwischen Hoffmann und sich selbst empfand, geht aus einem Briefe an Hoffmann vom 20. März 1820 eindeutig hervor:

„Ich ergreife die Gelegenheit, durch Herrn N. mich einem so geistreichen Manne, wie Sie sind, zu nähern. Auch über meine Wenigkeit haben Sie geschrieben. Auch unser Herr N. N. zeigte mir in seinem Stammbuche einige Zeilen von Ihnen über mich. Sie nehmen also, wie ich glauben muss, einigen Anteil an mir. Erlauben Sie mir zu sagen, dass dieses von einem mit so ausgezeichneten Eigenschaften begabten Manne Ihresgleichen mir sehr wohl tut. Ich wünsche Ihnen alles Schöne und Gute und bin Euer Hochwohlgeboren mit Hochachtung ergebenster Beethoven.

Eben diesen eigenwilligen ostpreußischen Kammergerichtsrath sehen wir am 1. September 1808 als Musikdirektor des Theaters in Bamberg: Der Unternehmer dieser Bühne, Reichsgraf Julius von Soden, hatte ihn dorthin in diese Stellung berufen, vielleicht auch, weil Hoffmann in der Zeit vom 23. Januar bis zum 27. Februar 1808 die Musik zu Sodens vieraktiger Oper „Der Trank der Unsterblichkeit" gesetzt hatte. So kam denn Hoffmann in die alte bayerische Bischofsstadt und wohnte mit seiner Frau zunächst beim Schönfärber Schneider, dann anschließend in einem kleinen, engbrüstigen Bau, genau dem Theater gegenüber, der zuvor dem pensionierten Hofmusikus Wahrmuth als Obdach gedient hatte. Die Wohnung bestand aus einer den zweiten Stock einnehmenden Stube und einer darüber gelegenen Dachstube.

Soden verkaufte sein Theater Heinrich Cuno, dem Verfasser zahlreicher Ritter- und Räuberstücke, die dem Komponisten Hoffmann nicht eben zusagten. So dirigierte er selten, komponierte aber zahlreiche Balletts und Gelegenheitsstücke. Freiherr von Stengel führte ihn in Bamberger Kreisen als Gesangslehrer ein und so fand der Dichterkomponist schließlich doch eine recht gemütliche Existenz. Er verkehrte viel im Hause des Grafen Rothan, allseits geschätzt und vor allem beliebt, denn Hoffmann sprühte vor Witz und Fantasie. Eine seiner Schülerinnen, Frau von Redwitz, äußerte: „Hoffmann verdiene, dass man ihm, neben dem Honorar für seine Lektionen ebenso viel für seine Unterhaltung bezahle."

Diesen klingenden Lohn hätte Hoffmann allerdings wohl gebrauchen können, denn gar zu bald blieb ihm von seiner ursprünglichen Stellung nicht viel mehr, als der Titel eines „Musikdirektors". War er wirklich in erster Linie liebenswürdiger Unterhalter? Seine Kirchenkompositionen sprechen allein für sich. Er beeinflusste nicht nur das Bamberger Musikleben - er wirkte weit nach Bayern und andere Gebiete Deutschlands hinaus. Hoffmann sang in herzoglichen Konzerten und in der Kirche Haydnsche Messen und als im Jahre 1810 Holbein mit vorzüglichem Personal nach Bamberg kam, da war der Dichter gefangen von der neuen Atmosphäre und arbeitete für 50 Gulden als Architekt, Bühnenbildner und Theaterkomponist.

Alle klassischen Opern wurden  vor allem die von Mozart - gegeben und Hoffmann bewog seinen Freund Holbein, die Dramen von Calderon in der Schlegelschen Übersetzung aufzuführen. Der Niederschlag dieser bedeutsamen und zielstrebigen Arbeit waren Berichte in der „Zeitung für die elegante Welt“ und in Foqués „Musen“.

In dieser Bamberger Zeit schuf der Novellist wunderschöne Dekorationsskizzen für das „Kätchen von Heilbronn" und für einen seiner besten Freunde, den Medizinaldirektor Marcus, Kartons zu Fresken für den Turm des Schlosses Altenburg. Diese wurden später leider von dem Maler Ruprecht übermalt, doch eine Inschrift an eben diesem genannten Turm war mehr, als nur eine ehrenvolle „Erinnerung“,

„Ernst Theodor Amadäus Hoffmann

Novellist 1808 – 13

Musikdirektor in Bamberg

wohnte, dichtete und malte in diesem Thume“

Hoffmann genoss diese Welt und lebte den. noch in seiner eigenen. Die Leihbücherei Kunz stand ihm zur Verfügung, deren Besitzer ihn auf den Undine-Stoff aufmerksam machte. Der Bamberger Weinhändler Kunz hat den hageren Freund mehrfach gezeichnet. Hoffmann trank gerne einen guten Tropfen, vornehmlich in guter Gesellschaft, aber niemals sah der biedere Weinhändler „einen Rausch", der den Dichter „seiner Vernunft beraubt hätte".

Hoffmann verzehrte sich selbst - er war schier unerschöpflich. Er zeichnete Gruppen Bamberger Bürgermilitärs, malte einen 17 Fuß hohen ägyptischen Tempel zur Verzierung des Kasinos und nebenbei auch einen Theatervorhang für das Theater in Würzburg. 1811 trifft er sich mit Carl Maria von Weber in Bamberg und mit Jean Paul in Bayreuth.

Zu Anfang des Jahres 1802 verlebte der Ostpreuße einen Tag im Bamberger Kapuzinerkloster, wo der greise Pater Cyrillus ihn in sein Herz schloss. Die Eindrücke dieses Verkehrs mit den Mönchen zeichnen sich unverkennbar ab in den „Elixieren des Teufels" und in der „Biographie Kreislers". Einer Reise nach Nürnberg verdanken die Erzählungen „Meister Martin" und „der letzte Feind" ihre erstaunliche Lebendigkeit und Frische. Hoffmann kannte sich ganz vorzüglich in der bayerischen Geschichte aus und verstand kleinste Einzelheiten liebevoll zu schildern. 1812 legte Holbein die Theaterleitung nieder. Er mühte sich vergeblich, Hoffmann für Würzburg zu gewinnen. Der war bereits ganz in Pläne zur „Undine" versponnen. Eine kleine Erbschaft behob ihn beginnender wirtschaftlicher Not. Kaum hatte er diesen Kummer überwunden, da verliebte er sich unsterblich in die 16-jährige Julia Mark - das Verhältnis blieb platonisch - dennoch kam Hoffmann nicht umhin, seinen tiefen Schmerz Ausdruck zu geben, als Julia einen Hamburger Senatorssohn heiratete. Die Geschichte dieser Liebe legte er in Form von Betrachtungen des „Hundes Berganza" nieder und dieser Berganza war eigentlich der Hund Pollux aus dem Stammlokal Hoffmanns, der Bamberger Wirtschaft „Zur Rose". –

Hoffmann ist in seiner ganzen Wesensart immer Ostpreuße geblieben - aber ohne Bamberg und ohne seine Liebe - zu Julia Marc wären - wie wir gesehen haben - einige seiner bedeutendsten Werke nicht entstanden. So hat er aus dem gastlichen Bayern wertvolle Eindrücke empfangen und umgekehrt sich sozusagen in das große Gästebuch dieses Landes mit goldenen Lettern eingetragen. - rog.

 

Neues Heft des Göttinger Arbeitskreises! Biographie E. T. A. Hoffmanns erschienen

Göttingen. Soeben erschien in der „Schriftenreihe des Göttinger Arbeitskreises" als Heft 23 eine Biographie des berühmten ostpreußischen Romantikers „Ernst Theodor Amadeus Hoffmann" von Erhard Krieger. Der aus Königsberg i. Pr. gebürtige geniale Dichter, Kritiker und Musiker, der als „Gespenster-Hoffmann" in die Weltliteratur eingegangen ist, gehört zu den geistvollsten Größen der Blütezeit deutscher Dichtung. Erhard Krieger schildert in fesselnder Weise den bewegten Lebenslauf dieses Mannes und versteht es, die menschliche Natur und die dichterischen und musikalischen Leistungen Hoffmanns zu verdeutlichen, der keineswegs ein den Sinnen verfallener Romantiker, sondern vielmehr ein überaus nüchterner Realist war.

 

 

Seite 4   Der Geist der Albertina lebt

Zum Erscheinen des Zweiten Bandes (1952) des „Jahrbuches der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr."

Es ist in letzter Zeit in der deutschen Öffentlichkeit lebhaft die Frage erörtert worden, wie am zweckmäßigsten die Tradition der ostdeutschen Universitäten Königsberg, Breslau und Prag wahrgenommen werden solle, jener Universitäten, die zugleich mit der Austreibung der deutschen Bevölkerung Ostpreußens, Schlesiens und Böhmen-Mährens ihre Tätigkeit einstellen mussten. Es wurde vorgeschlagen, dass eine „Ostdeutsche Universität" diese Aufgabe der Traditionswahrung und Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit übernehmen sollte, aber es erhoben sich Stimmen, die ein solches Vorhaben als undurchführbar bezeichneten angesichts der Tatsache, dass die drängenden Probleme des Tages in diesem unter den Kriegsfolgen leidenden Westdeutschland die Durchführung einer so umfassenden Planung nicht zuließen.

Da ist es denn umso bedeutsamer, dass sich eine Gruppe vertriebener Gelehrter, die sich zum „Göttinger Arbeitskreis" zusammengeschlossen hat, entschloss, wenigstens für eine der ostdeutschen Universitäten, und zwar für die Albertus-Universität zu Königsberg ein Mittel zu schaffen, mit dem diese altehrwürdige Hohe Schule als solche am Geistesgespräch der Gegenwart teilnehmen kann. Es geschah dies dadurch, dass in aller Stille ein „Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr." vorbereitet und herausgegeben wurde, dessen zweiter Band im stattlichen Umfange von über 340 Seiten soeben erschienen ist.

Es ist das Anliegen dieses vom letzten Kurator der Albertina, Dr. h. c. Friedrich Hoffmann, begründeten Jahrbuches, dass es ein Symbol sei für den Umfang und die Tiefe der seit mehr als vier Jahrhunderten an der Universität Kants geleisteten Arbeit. Und so beschränkt sich denn auch der Inhalt beider vorliegender Bände durchaus nicht auf eine Behandlung von Themen aus der ostdeutschen und insbesondere ostpreußischen Kultur- und Geistesgeschichte, auf Darstellungen der historischen Entwicklungen in jenem Raume oder auf Abrisse der Tätigkeit der einzelnen Fakultäten, Institute und Wissenschaftsdisziplinen an der Albertina im Laufe ihrer Geschichte. Es sind besonders auch die Aufsätze, in denen zu den brennenden wissenschaftlichen und allgemeinen Problemen unserer Zeit Stellung genommen wird, die eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, da sich in ihnen Aussagen finden, die im christlichen Geiste wie in dem Immanuel Kants einen Beitrag leisten sollen zur Überwindung der Not unserer Tage, die eine geistige Not vor allem ist.

Das war im ersten Bande der Fall bei den Ausführungen Prof. G. von Seile's - des Redaktors des zweiten Bandes - „Über den ostdeutschen Geist" und in den Untersuchungen des bekannten Völkerrechtlers Herbert Kraus über die Gedanken Kants „Von ehrlicher Kriegsführung und gerechtem Friedensschluss", und es wird fortgesetzt im zweiten Bande mit einer die tiefsten Fragen des christlichen Glaubens berührenden Abhandlung des früheren Königsberger Theologen Hans Rust über die „Abgründe Gottes", einer „dogmatisch-biblischen Studie" über „Gott und das Böse in der Regierung der Welt", sowie durch Gunther Ipsens Aufsatz über „Die Disziplin der reinen Vernunft", in dem erörtert wird, was der Ertrag der Kantischen Philosophie Naturwissenschaften kommen zum Wort. Hatte sich im ersten Bande Prof. F. A. Paneth jetzt Universität Durham, mit der Frage „Naturwissenschaft und Wunder" im Lichte der modernsten kernphysikalischen Erkenntnisse befasst, so enthält der zweite Band nicht nur eine Abhandlung von Karl Andrée über „Kants geologische Anschauungen", sondern auch eine Übersicht über die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Felde der „Entwicklungsmechanik und Vererbungslehre" aus der Feder von Walter Schultz.

Was die historischen Themen anbetrifft, so stehen dabei naturgemäß das ostpreußische Land und die Stadt Königsberg neben der Universität selbst im Vordergrund. Hatte Wolfgang Bargmann im ersten Bande die Geschichte der Medizinischen Fakultät dargestellt, so finden sich im zweiten Bande eine „Chronik des pharmakologischen Instituts" sowie Übersichten über die Geschichte des Instituts" für gerichtliche Medizin und der jungen Landwirtschaftlichen Fakultät der Albertina. Und enthält der erste Band einen gerade von der Grenzlandsituation Ostpreußens her hochbedeutsamen Aufsatz von Prof. Rothfels über Sprache, Nationalität und Völkergemeinschaft", so sind es im zweiten Bande Abhandlungen von Berhold Baustaedt über den Hochmeister Heinrich von Plauen von Helmut Motekat über das geistige Leben in Königsberg im frühen 19. Jahrhundert und von Joseph Müller-Blattau über „Ost- und westpreußische Musik“ und von Friedrich Neumann über Karl Lachmanns „Wolframreise die deutlich machen, dass das Jahrbuch wie vorher die alte Albertus-Universität selbst in der Erforschung und Darstellung der Geschichte Ostpreußens eine der wichtigsten Aufgaben sieht.

Wenn so das „Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr." in Wahrheit die Stimme der Albertina wieder zu Gehör bringt, so ist doch damit seine Zielsetzung noch nicht erschöpft. Es soll nach dem Willen der Herausgeber zugleich Zeugnis ablegen dafür, dass die Forschung über den deutschen Osten nach dem Zusammenbruch und in den Jahren der Erschöpfung wieder neu erstanden ist, ja dass heute mehr denn je eine Verpflichtung der Wissenschaft besteht, diesem Arbeitsfeld besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Aus diesem Grunde schildert ein Tätigkeitsbericht „Fünf Jahre Arbeit für den deutschen Osten“ von Joachim Freiherr von Braun, was hier wie überhaupt in der Vertretung des ostdeutschen Anliegens seit 1946 im Rahmen des „Göttinger Arbeitskreises" geschehen ist. Eine umfassende Bibliographie des in- und ausländischen Schrifttums der Jahre 1945 - 48 über Ostdeutschland und die Heimatgebiete der Vertriebenen von Herbert Marzian mit über 2000 Titeln stellt zugleich eine wertvolle Handreichung für alle die dar, die sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit diesen tragen und dem Vertriebenenproblem überhaupt befassen wollen. Diese nach einer umfassenden Sachordnung gegliederte Bibliographie wird in den kommenden Bänden fortgesetzt.

Es ist nur eine Auswahl der Titel aus dem reichen Inhalt der beiden Bände, die hier gegeben werden kann. Aber bereits aus dieser Übersicht geht hervor – auch die Nachrufe auf die Verstorbenen und Gefallenen, deren Name mit der Geschichte der Universität unlösbar verknüpft ist, beweisen das - dass jene t im Geiste zum Ausdruck findet, dass sie Zusammenbruch und Vertreibung überdauerte. So sind diese beiden Jahrbücher 1951 und 1952 der Albertus-Universität zugleich ein Zeugnis dafür, dass der Geist der Albertina lebt, der seit 1544 in die geistige Welt ausstrahlte und dazu beitrug, das zu formen, was wir das Abendland und seine Kultur nennen. Prof. Dr. K. O. Kurth

 

 

Seite 5   Das Wunderland der Kurischen Nehrung

Tiermaler Hans Kallmeyer erzählt von Elchen und Zugvögeln

Foto: Hans Kallmeyer

Foto: Schwäne an der Ostsee ziehend

Foto: Elche im Morgennebel

Foto: Seeadler auflockend. Alle Fotos von Hans Kallmeyer

Der in weiten Kreisen Ostpreußens bekannte Tiermaler Hans Kallmeyer wird am 1. September 1952, 70 Jahre alt. Obwohl am 01.09.1882 in Erfurt geboren, ist Kallmeyer seit 1894 Ostpreuße mit Leib und Seele. Er ging in Halle a. S., Godap, Gumbinnen und Königsberg zur Schule; Masuren, Kurische Nehrung und die Niederung am Kurischen Haff prägten seine künstlerische Entwicklung. Die Schulung genoss er ab 1907 bei Emmanuel Hegenbarth an der Akademie in Dresden. Von diesem Künstler und Schwiegersohn Heinrich von Zügels empfing Kallmeyer seine technische und künstlerische Ausbildung. Auch die Tiermalerei des berühmten Schweden Liljefors gab seinem Können und seinen Wünschen die Richtung, der er bis heute treu geblieben ist. Nach dem Ersten Weltkrieg kam Kallmeyer endgültig nach Ostpreußen zurück und blieb dort, bis der Zweite Weltkrieg und nach totalem Verlust der gesamten Habe seinem Wirken in Ostpreußen ein Ende bereitete. Das Schicksal vertrieb den Künstler in die Oberpfalz, wo er in dem kleinen Dorfe Ranzenthal eine äußerst bescheidene Unterkunft fand. Wünschen wir dem noch sehr rüstigen 70-jährigen, dass sein Wunsch, noch im Spätherbst Bürger von Bayreuth zu werden, in Erfüllung gehen möge. Nachstehend lassen wir den Künstler von seinen Erlebnissen im Wunderland der Kurischen Nehrung erzählen.

Man schrieb das Jahr 1905, als ich, ein junger Student der Rechtswissenschaft, zum ersten Male eine kleine Fahrt zur Kurischen Nehrung unternahm. Ich ahnte nicht, dass diese private Forschungsfahrt einmal ausschlaggebend für mein ganzes Leben werden sollte - wenigstens soweit es dies herrliche einsame Stückchen Land betrifft - bis wir schweren Herzens Abschied nahmen von tausend liebgewordenen Dingen, von Landschaft und Menschen.

Von Königsberg fuhr man mit der Bahn nach Cranz, dem beliebten größten Seebad Ostpreußens. Von dort nach Cransbeek, wo die Nehrungsdampfer lagen, mit denen man die seiner Zeit noch ziemlich unberührten Nehrungsorte Rossitten, Nidden.Preil und Schwarzort erreichen konnte. Ich fuhr bis Nidden, um eine Fußwanderung nach Schwarzort zu unternehmen. Man hatte mir etwas von Elchen erzählt, die man unterwegs antreffen könnte. Noch nie sah ich solch ein Riesentier und erwartete hinter jedem Gebüsch auf der Niddener Palve dies urige Geschöpf zu erblicken. Bei Hermann Blode in Nidden, dem berühmten Besitzer des gleichnamigen Hotels, hing ein vom Präparator Mörschler aus Rossitten hervorragend ausgestopfter Elchkopf eines Alttieres - später mein erstes Modell, als mir die Juristerei über wurde und der Tiermaler an die Reihe kam.

Über die mit Bergkiefern bepflanzte, festgelegte Wanderdüne ging es an die herrliche Ostsee zu erfrischendem Bad, dann aber nach Norden auf die 30 km lange Reise. 4 km hinter Nidden beginnt die sogenannte Palve, eine 3 km lange Weidefläche, auf der damals nur an einigen Wasserlöchern etwas Grünes wuchs. Die alte Palve war Sand, mit Moos und trockenen Flechten kümmerlich bestanden.

Ein paar Birkengehölzchen und einzelne Kiefern verschönten die Einsamkeit dieser mir anfangs trostlos erscheinenden Gegend. Einige Rehe sah ich unterwegs, sogar Meister Reinecke schnürte zum Haff herunter, um nach gestrandeten Fischen zu sehen. Graukrähen belebten die Luft. Nach 16 km Marsch, teils auf der Palve, teils am Seestrand, kam ich ins Perwelker Revier. Weidenbüsche überall an den verstreuten Wasserlöchern, starke, mir damals noch unbekannte Fährten und die z.T. kugelrunde Losung von Elchhirschen, oder die längere von Kälbern und weiblichen Stücken. Das lernte ich aber erst in späteren Zeiten.

Wie ich so durch Dick und Dünn pirschte in meterhohen Sumpfgräsern, steht mit einem Male ein Elchgabler auf 20 Meter vor mir. Ich erschrak ordentlich, dachte an Annehmen und dergleichen, sah mich vorsichtig nach einem Gebüsch um, hinter dem ich mich verdrücken konnte, aber die Neugier siegte und der Ehrgeiz eines angehenden Fotografen.

Ich hob also den Apparat bis zur Brusthöhe. Da ich von oben in den primitiven Sucher hineinsehen musste, glaubte ich das Objekt auf der winzigen Mattscheibe zu erkennen und drückte ab, zwei- bis dreimal zur Sicherheit. Meine erste Elchaufnahme! Die Enttäuschung, als ich später den Film entwickelte und nur scharfe Gräser und Weidengebüsche, aber keinen Elch entdeckte, war riesengroß. Damit begann meine private Fotolaufbahn und auch die des Tiermalers. Die erste „Erkrankung am Elch" war eingetreten. Später ergriff diese „Krankheit" sämtliche Nehrungsgäste, Männlein und Weiblein, und äußerte sich in täglichen Elchfahrten oder Suchen, wobei der, dem die meisten Elche begegneten, Sieger war, das heißt, den größten Elchklapps hatte. An sich eine ungefährliche Erkrankung, die aber für das Wild und seine Ruhe höchst unerfreulich war. Erfolg: das Wild wurde so vertraut, dass fünf bis sechs Wagen mit „Zweibeinern" besetzt, um einen Schaufler herumfuhren oder standen, um ihn anzustaunen oder zu knipsen. Dieses war mir ein Greul. Vor dem ersten Weltkriege konnte man zu Fuß kaum, mit Wagen leichter an das Elchwild herankommen. Es gab auch zu dieser Zeit nicht so viele Elche wie später, als man auf „Schauflerzüchtung" und geregelten Abschuss kam. Ich kann mich kaum entsinnen, vor dem Jahr 1914 einen ordentlichen Schaufler auf der Nehrung gesehen zu haben. Es wurden alle Jahre ein paar Elche geschossen. Der stärkste war ein ehemaliger Sechzehn-Ender-Stangler! Diesen hatte ich zwei Jahre vorher als Sechzehn-Ender fotografiert, wie gesagt als Stangler bei Perwelk. Er setzte in den zwei Jahren auf einen ungeraden Zehnender zurück, der auf der linken Seite nur einen langen Spieß und eine rechtwinklig hochgehende Augsprosse hatte. Dass ich als Tiermaler zu jeder Brunftzeit auf der Nehrung war, ist meine schönste Erinnerung. Dabei habe ich unendlich viel gelernt und glaube auf diesem Gebiet zu den besten Kennern zu gehören.

Jagdlich habe ich mich auf Elche nur selten betätigt, ein paar Alttiere, die mir zum Abschuss von lieben Freunden der grünen Farbe überlassen wurden und ein uralter Gabler standen auf meiner jagdlichen Schussliste. Auf Elchjagd bin ich oft gewesen, muss aber gestehen, dass der Schuss mit der Kamera für mich viel erfreulicher war, besonders mit der Filmkamera. Leider vernichtete der Krieg fast meine ganze Ausbeute, zuletzt noch beim Brand von Dresden einen herrlichen Elchfarbfilm, der für mich unersetzlich war.

Ich könnte noch stundenlang plaudern von den vielen Elchergebnissen auf der Kurischen Nehrung, in der Niederung bei Tawellningken, Gilge, Paith und Ibenhorst. Es würde zu weit führen. Doch ein paar Einzelheiten noch: Ein Brunfttag im Elchrevier! Ich gehe zu Fuß gegen Abend auf die Palve bei Nidden. Das bequeme Elchfuhrwerk ist in der Brunftzeit verboten! Gott sei Dank! Endlich Ruhe im Revier. - Ein kleines Bruch, eine halbe Stunde von Nidden, war Jahrzehnte mein nächster Studienplatz; ein freundlicher Fischer machte sich sogar das Vergnügen, diesen Platz mit einem Brettchen zu verzieren, worauf er die Worte „Das Kallmeyerelchbruch" gepinselt hatte. Liebe Kollegen beseitigten umgehend diese „ungehörige" Tafel, ehe ich es selbst tun konnte. Aber der Titel blieb in der Luft hängen.

Totenstille im Revier. Die Sonne versinkt langsam hinter der Ostsee, nur die Spitzen der Birken leuchten noch im herbstlichen Gold. Die Mücken plagen mich. Da, von weither ein sonderbarer Laut, als ob ein schwerbeladener Zecher durch die Gegend torkelt und vernehmlich rülpst und aufstößt. Was ist das, fragt der Neuling? Ein brunftiger Elchhirsch auf der Suche! Den wollen wir uns mal heranholen. Ein halblautes ea, ea, der Ruf des Tieres, von mir ausgestoßen, bringt mir den Hirsch näher und immer näher heran. Uoa, Uoa -, tönt sein Ruf durch die beginnende Dämmerung.

Er kommt! Leises Brechen im Walde, kaum hörbar, da sehe ich zwischen den Birken im Walde ein Paar Schaufeln aufleuchten. Aha, der mir schon bekannte Zwölfer erscheint. Ja, er ist es, der mit dem dicken rundlichen Bart, ein älteres Tier. Die Langbärtigen sind fast immer jüngere Tiere. Links von mir bricht es in den Kiefern. Ein brunftiges Tier erscheint, ein vorjähriges Kalb steht im Hintergrund, wohl zum Alttier gehörig. Dieses antwortet jetzt dem Freier, der nun in schärferer Gangart zu der Dame hinstrebt. Er hat den scharfen Brunftgeruch im Windfang, zieht ihn durch die „hochgekrempelte" Muffel ein, wobei er den massigen Schädel langsam seitlich hin und her bewegt. Plötzlich taucht das Brunftige wieder auf und die Jagd beginnt von neuem. Es ist langsam dunkel geworden. Still ziehe ich mich zurück, um heimzukehren und die neuen Eindrücke zu verarbeiten. …

Vogelzug, herrliche Zeit! Was gibt es da alles zu sehen! Zuerst kommen die Finken und Meisen, die Millionen Kleinvögel, dann die Spechte, die Bussarde - viele prachtvolle Rauhfußbussarde -, Falken aller Art. Dann nahen die Flüge der Wildtauben in rasender Fahrt, zum Schluss die Krähen und Adler.

Für die Nehrungsbewohner waren die Krähen die Hauptsache, für uns Flugschützen natürlich ebenfalls. Eine glänzende Schule im Schießen auf schnell ziehendes Geflügel. Hierbei war die Krähe noch die Langsamste, aber fabelhaft im Sehen. Sie hatte einen sofort erblickt, wenn man die Knarre hochnahm und nicht im dichten Kieferngebüsch stand. Die besten Tage waren die bei bedecktem Himmel und östlichen Winden. Bei blauem Himmel zogen sie in riesigen Höhen. Kamen sie tief an, so war es gut, sich reichlich mit Patronen zu versehen. Wie oft reichten fünfzig Patronen nicht aus, um 20 bis 30 Stück von den geschätzten Nebelkrähen zu erlegen. Gute Schützen haben bis zu hundert Stück geschossen. Am meisten geschätzt waren die Wildtauben, die vor den Krähen kamen.

Die Fischer benutzten die besten Zugtage zum Fang mit dem Schlagnetz bei klarem Ostwindwetter. Morgens um vier Uhr saßen sie in ihren Kiefernbuden. Das gerollte zwei bis drei Quadratmeter große Schlagnetz wurde vom Spannstock herumgeworfen und fiel über die Krähen, die sich an den angepflockten Fischen gütlich taten. Gute Fangtage brachten eine Beute von 80 bis 100 Stück. Sie wurden größtenteils für den Winter eingepökelt.

Nicht vergessen will ich die Waldschnepfe, die als letzter Zugvogel kam. Fast stets nur dann, wenn in der Nacht Ostwind herrschte, besonders in den frühen Morgenstunden. Dann hielt es keinen Jäger zu Hause. „Heute gibt es Schnepfen". Da musste Hektor heran und von morgens früh bis zum Einbruch der Dunkelheit wurde in den Buschrändern gestöbert. Meine Lehrer in dieser Jagdart waren Förster Woyke und später Otto Stockfisch. Letzterer ein überaus ausdauernder Weidmann, der selten einen Fehlschuss tat. Oft kam er von der Tagessuche mit 20 bis 25 Schnepfen nach Hause.

Für mich als Tiermaler waren von der Vogelwelt die Adler und Schwäne das Herrlichste in der Luft. Die Schwäne kamen sehr spät im Jahr und zogen nach dem „Schweinsrücken" bei Memel, einer Sand- oder Schlammbank im Kurischen Haff, wo sie reichlich Nahrung fanden. Gejagt wurden sie ja nicht. Wenn ein Flug Schwäne über See oder Vordüne zog, war das ein begeisternder Anblick.

Den größten Eindruck machten auf mich aber doch die herrlichen Seeadler, die an guten Zugtagen den Millionen Krähen folgten. Es war keine Seltenheit, fünf bis sechs Exemplare an einem Tage zu sehen. Dass sie den Krähen nachgingen, zeigte die gelegentliche Gefangennahme im Schlagnetz der Fischer beim Krähenziehen. Es waren fast ausschließlich Jungvögel, denn die Alten waren zu schlau. Die Fischer vertilgten auch die gefangenen Raubvögel und steckten sie in den Kochtopf. Im Frühjahr zogen Scharen Polartaucher über Ostpreußen nach ihren Brutplätzen im hohen Norden, öfter fand man Ermattete am Ufer der Ostsee. Auch ein herrlicher Vogel! Im Spätherbst fischten Lummen und Polartaucher in der Nähe des Ufers. Weiter hinten flogen Eisenten mit melodischem Aolick, Aolick!

Was blieb uns von diesen tausenden wundervollen Erlebnissen? Nur die Erinnerung, die so stark ist, dass ich noch immer in meiner künstlerischen Arbeit davon zehre.

 

 

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„Kameradschaft Artillerie-Regiment 21 - 57"

Vermissten-Suchliste Nr. 2

26) Adam, Cölestin, Kan. oder Gefr. (3/21), geb. 21.11.1916 in Mommenheim (Els.-Lothr.); letzte Nachricht aus Lettland 1944.

 

27) Appel, Albert, Ob.-Zahlmstr. (III/21), geb. 01.01.1911, aus Insterburg, verw. 20.03.1945 bei Pollendorf.

 

28) Bachnick, Kurt, Gefr. (E/21), geb. 29.03.1906 in Coswig/Anhalt, aus Scharfenwiese letztmalig an die Front zu Fp.-Nr. 36 388 C am 01.05.1944; letzte Nachricht an seine Frau am 15.06.1944 aus Raum Witebsk.

 

29) Bastian, Alfred, Stabswachtmeister (6/21), aus Elbing; verm. 13.04.1945 bei Vierbrüderkrug.

 

30) Banach, Paul, Oberleutnant (11/57), vermisst Februar 1945 Raum Radom.

 

31) Bath, Siegfried, Oberltn. und Battr.-Chef (4/21), geb. 20.11.1922 aus Danzig, verm. seit März 1945.

 

32) Becker, Leutnant (6/21), geb. 02.04.1920, aus Stargard, nach Verwundung bei Pleskau angeblich zur Infanterie versetzt.

 

33) Bodeux, Johannes, Leutnant (4/21), geb. 03.03.1919, vermisst seit Januar 1945.

 

34) Boie, Bernhard, Leutnant (RSt/21), geb. 15.02.1904, aus Danzig.

 

35) Bubat, Fritz, Oberwachtmstr. (2/21), verwundet März 1945 bei Heiligenbeil.

 

36) Eßlinger, Paul, Kan. (I/21), geb. 17.07.1913 in Masmünster (Els. Lothr.), vermisst 27.07.1944 bei Lipna/Russland.

 

37) Liedtke od. Lietke, Hubert, Hauptmann u. Bttr.-Chef (8/21), geb. 19.06.1919, aus Danzig, vermisst 13.04.1945 bei Neplecken.

 

38) Masuch, Walter, Oberschirrmeister (II/57), geb. 26.02.1912 in Upalten, Kr. Lötzen, zuletzt wohnhaft: Sommerfeld, Kr. Pr.-Holland, vor dem Kriege Art.-Regt. 57 in Elbing; letzte Nachricht Fp.Nr. 09 869 Bautzen, am 07.04.1945.

 

39) Halstrick, Paul, Leutnant, (8/21 oder 6/21), geb. 20.05.1918 aus Herne/W., vermisst 28.03.1945 bei Balga.

 

40) Hannappel, Werner, Ltn., (2/57), geb. 04.11.1922, aus Godesberg, vermisst seit März 1945.

 

41) Heintel, Bruno, Hauptm. und Bttr.-Chef (1/57), geb. 18.02.1917 aus Schmirtheim/Schippenbeil, vermisst 21.03.1945 bei Thomsdorf.

 

42) Heudobler, Eugen, Leutnant (3/21), geb. 16.05.1913, vermisst seit März 1945 bei 5/21.

 

43) Jeckstieß, Walter, Oberwachtmeister (5/21), aus Elbing.

 

44) Krauskopf, Stbsgefr. (RSt/21), von Beruf Kunstmaler, Kartenzeichner beim Vermessungstrupp des Rgt.-Stabes.

 

45) Pohle, Heinz, Leutnant (8/21), geb. 03.09.1919, vermisst seit März 1945.

 

46) Standt, Kurt, Stabsgefr. (4/57) geb. 26.07.1917 in Bartkamm (Elbing), letzter Wohnort: Elbing, Großer Wunderberg 13, letzte Post: Januar 1945 aus Ungern.

 

47) Steuer, Leutnant (3/21), geb. 01.04.1916, soll am 26. oder 27.03.1945 vor Balga verwundet worden sein.

 

48) Thoms, Erich, Oberleutnant u. Bttr.-Chef (I/21), aus Danzig-Langfuhr.

 

49) Wiedra, Hauptmann u. Abt.Kommandeur (II/21), geb. 24.01.1913, vermisst seit 16.04.1945 bei Fischhausen.

 

50) Wir suchen den Heimkehrer Menzel - angeblich aus Breslau - der in russ. Gefangenschaft angegeben haben soll, sein Batteriekamerad Obw. Kurt Adloff (siehe Verm.-Suchliste Nr. 1) sei im Februar 1945 gefallen.

Alle Nachrichten und Hinweise, die zur Aufklärung des Schicksals unserer vorgenannten Kameraden dienen könnten, werden erbeten, an den Leiter des Suchdienstes der „Kameradschaft A.-R 21 - 57)" Oberst a. D. Dr. F. E. Brechtel in Frankfurt am Main, Reuterweg 88,I, der die suchenden Angehörigen unmittelbar benachrichtigt. Bei Anfragen wird Rückporto erbeten!

 

Ernst Baumann und Frau Gertrud, wohnh. Koggen bei Fuchshöfen, Kr. Samland, Frau Anna Axel, geb. Baumann und Kinder Else, Brich und Erwin, wohnh. Siedlg. Lauth b. Königsberg, werden gesucht von Frau Marta Hoffmann, Bernkastel Kues (Mosel), Goethestraße 33

 

Erwin Zimmermann, geb. 06.05.1929, aus Königsberg, Nasser Garten 77, zuletzt bei einer Kampfgruppe der HJ., wird gesucht von August Zimmermann, 20a Hodenhagen 147, Kr. Fallingbostel.

 

Wer kann Auskunft geben über meinen Bruder Kurt Schwager, geb. 14.05.1922 in Grünhoff, Kreis Samland. Beruf Metzger, Gefreiter, 1. Inf.-Div., seit 29.01.1943 in Russland (Mittelabschnitt) vermisst. Ferner suche loh meine Mutter Marie Schwager, geb. Treppke, geb. Nov. 1889 In Alexwangen, wohnhaft Korschau, Post Pertellnicken, Kr. Samland. Sie soll beim Einzug der Russen erst nach Pobethen, Samland, später in den Kreis Wehlau gekommen sein. Nachr. erb. Werner Schwager, 22c Frielingsdorf, Alte Landstr. 6, Bez. Köln.

 

Familie Heinrich Wasserberg, letzte Wohng. Mansfeld, Kreis Kbg./Pr., Wilhelm Kinder u. Frau Marie geb. Kaiser, letzte Wohng. Waldpothen, Kr. Samland und Familie Eich, letzte Wohng. Bönkenwalde, Kr. Heiligenbeil, werden gesucht von Artur Duwe, 20a Hambühren b. Celle/Hann.

 

Wer kennt Frl. Wanda Klein, Alter Ende 50, wohnhaft Kbg./Pr., Weißgerberstr. 8, Süßwarenhandlung, total ausgebombt, vermutl. mit ihrer Schwester, Frau Frieda Schmidt, geb. Klein, geflüchtet. Nachricht erb. Paula Hartmann, Buchsachverständige, St. Andreasberg/Harz, Brauhausstraße 317 I.

 

Ernst Quednau, Uhrmachermstr., Kbg./Pr., Kneiph. Langg., geb. 30.11.1880 und Frau geb. Haack, sowie die Geschwister Kunstmaler Paul Quednau, geb. 24.09.1878, wohnhaft Neukuhren/Samland, Witwer mit zwei Stiefsöhnen, Frl. Gertrud Quednau, Kbg./Pr., Regentenstr., geb. 24.02.1883, Lehrerin Lisbeth Quednau, geb. Febr.1885, Frl. Frieda Quednau, geb. 27.05.1887, Frau Margarete Romeike, geb. Quednau, Kbg./Pr., Regentenstr., geb. 25.05.1889, ehem. Lehrerin. Wer kann Auskunft über die Gesuchten geben? Nachr. erb. Paula Hartmann, Buchsachverständige, St. Andreasberg/Harz, Brauhausstraße 317 I.

 

Eisenb.-Betriebwart Heinz Fritz Schmidt, geb. 31.03.1912 In Marienwerder, letzter Dienstort Garnsee, Kr. Marienwerder, 1943 zur Wehrmacht einberufen, Feldp.-Nr. 57 263 B. Letzte Nachricht 1944 aus dem Raum Agram-Wien. Nachr. erb. Max Schmidt, 22h Mörschied, Ortstraße 47, über Idar-Oberstein.

 

Bauer Rich. Pichler, geb. 31.12.1892, Schirrau, Kr. Wehlau, verw. und vermisst 1945 bei Kbg./Pr. Angeblich in Stablack in Gefangenschaft gewesen und Obergefr. Richard Bahlmann, geb. 26.10.1901, Neuwiese, Kr. Labiau; letzte Feldpost-Nr. 57 899, verm. seit 30.07.1944 bei Wirballen, angebl. von Flieger getroffen. Die Kameraden sollen zu einer anderen Einheit gekommen sein. Nachr. erb. Frau Friedel Blasczyk, geb. Wollmann, 22 Duisburg-Hamborn, Aug.-Bebel-Platz 6.

 

Es werden gesucht Ernst Kerwien, geb. 18.07.1900, zuletzt Im Fliegerhorst Gutenfeld im Jan. 1945 gesehen worden; ferner werden die Familie Aloys Lukowski aus Kbg., Cranzer Allee, Charlotte Nickel aus Kbg., Hansaring (Tochter des Tischlermeisters) und Fam. Schmidt aus Kbg., Pumpenstation Liep, gesucht. Nachr. erb. Frau Charlotte Half, geb. Leschowski, Berlin W. 30, Motzstraße 70.

 

Mauerhoff, Hans, geb. 22.10.1928  in Insterburg, zul. wohnh. Pr., Samitter-Allee 130, seit Januar 1945 Luftwaffenhelfer b. schw. Flak Batt. 204, Goldschmiede b. Kbg. Feldp.-Nr. L 61 955, nach Sprengung der Geschütze 29.01.1945 erneuter Einsatz bei einer Panz.Jäger-Abtlg. Metgethen Frauenschule, dort soll er in der Nacht vom 31.01.1945 zum 01.02.1945 durch Granatsplitter am Kopf verwundet worden sein und nach Angaben von Manfred Krupke mit Flugzeug ins Reich gekommen sein. Nachr. erb. Ernst Mauerhoff, 13b Markt-Oberdorf/Allg., Eberle-Köglstr. 15.

 

Gesucht werden Frau Hildegard Beutner, geb. Lukat und Familie Lukat-Marienburg, letztere hatten in Marienburg das Gesellschaftshaus. Wer kann Auskunft geben? Nachr. erb. an Frau R. Schwesig, 20a Oldenstadt 114, b. Uelzen.

 

Wer kann Auskunft geben über das Geschick des Volkssturmmannes Horst Passenheim, geb. 25.05.1888 in Waldau-Kbg./Pr.. Angestellter der KWS-Kbg. Zuletzt wohnh. Kbg./Pr., Domnauerstr.17. Nachricht erb. Anna Passenheim, Heilsbronn/Ansbach, Neudettels-Auerstraße 32, b. Böhm.

 

Landwirt Walter Bochert, geb. 08.10.1891 In Krockow, Kr. Putzig, Westpr., wohnh. zul. Dietrichsdorf (Straszewo), Kr. Stuhm/Wpr., verm. seit 26.01.1945 in Dietrichsdorf, nach Rückkehr von missglücktem Treck, am 24.01.1945 von den Russen überrascht, wird ges. von Frau Johanna Bochert, 20a Heersum 65 üb. Derneburg/Hann.

 

Gesucht wird Panzerjäger Eduard Grünwald, geb. 03.01.1925 In Charkow, 5. H. U. S. der Pz.-Tr. (Pz.Jg.) 4 Groß-Born-Linde,. War bis Januar 1945 Pz.-Jäger, wurde dann Infanterist, seit 20. Januar 1945 keine Nachricht mehr. Nachricht erb. Frau Marga Baltrusch, 13b Bad Reichenhall, Luitpoldstraße 12.

 

Achtung! Königsberg-Rothenstein-Zeugamt! Wer kann mir über den Verbleib meines Mannes Erich Schenk, geb. 03.06.1896 in Kbg./Pr., wohnh. Liep. Bozener Weg 48 und beim Zeugamt Rothenstein gewesen, Auskunft geben? Seit meiner Flucht am 29.01.1945 fehlt Jede Spur von ihm, er blieb in Kbg. Nachr. erb. Frau Anna Schenk, 24 Bage über Stade, bei Oltmann.

 

Vormwalder, Tulpeningker! Wer kann Auskunft geben über Landwirt Karl Funkat? Wo blieb der Treck, der bis Januar 1945 in Pahrnenen bei Wehlau evakuiert war? Nachr. erb. E. Frohwerk, Hilfarth, Kr. Erkelenz, Kleiststr. 53.

 

Zeugen gesucht! Wer kann Auskunft geben über den Verbleib des Kindes Dieter Küch, geb. am 23.09.1942 in Königsberg und seines Bruders Helmut Küch, sowie der Mutter der Kinder Frau Meta Küch aus Scharfenwiese. Von August bis November 1944 befanden sich die vorgenannten Personen mit dem Prediger Zache und dessen Ehefrau und Kinder in Kobeln, Post Kiwitten, Kreis Heilsberg. Von hier sind alle zu dem Bruder des Predigers Zache nach dem Westen weiter geflüchtet. Sachdienliche Angaben über das Schicksal obiger Personen erbittet das Amtsgericht Osnabrück zum Aktenzeichen 8 II III/50.

 

Karl Rudolf Priedigkeit, geb. 10.01.1932 in Gerdauen, ging auf die Flucht mit seinen Großeltern Julius und Johanna Priedigkeit. Der Großvater wurde im März 1945 in Bartenstein durch Bombensplitter getötet, die Großmutter starb im Juni 1945 in Althof bei Gerdauen an Hungertyphus. Karl Rudolf soll im Januar 1947 nach Litauen gegangen sein. Wer weiß etwas über ihn? Nachr. erb. die Mutter Johanna Priedigkeit, geb. Guttschus, 14 Hailtingen, Kreis Saulgau/Württ.

 

Landwirt Walter Stordel, geb. 08.06.1903. Letzter Wohnort Bussen, Kr. Sensburg/Ostpr., Fhj.-Fldw., Feldpostnr. N 04 088. Letzte Nachricht vom 06.02.1945 Engelswalde/ Mehlsack, Stab der 102. Inf.-Div. Am 24.03. in Laisunen/Rosenberg am Frischen Haff gesehen. Nachr. erb. Anna Stordel, 20a Eickeloh über Schwarmstedt/Hann.

 

Gesucht wird Johannes Trochim, geb. 01.07.1890 in Kbg./Pr. Zuletzt Volkssturmmann im Amtsgericht Kbg./Pr. Am 07.04.1945 ging er von der Berliner Straße zum Dienst und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Wer kann eine Auskunft geben? Nachr. erb. Frau A. Trochim, Rochlitz 1. Sachsen, Dr.-Wilh.-Külz-Straße 54.

 

Feldpostnummer 43 872. Erbitte Auskunft über Schicksal des Gren. Wilhelm Braun (Bauer), geb. 04.05.1911 in Rahden/Westfalen. War 1945 in einem Lazarett (Beinverletzung) und wird seitdem vermisst. Nachr. an Petereit, Landesoberinsp. i. R., Iserlohn, Heideweg 21.

 

Frau Emma Mattulat aus Insterburg, Spritzenstraße 15 (Ehemann Emil Mattulat, geb. 24.01.1900 zu Insterburg) wird gesucht von Fritz Rochelmeyer, 20a Eixe Nr. 41 über Peine.

 

Achtung Cranzer! Wer war mit Frau Berta Penk und Söhnen Siegfried und Gerhard in Schameitkehmen, Königsberger Str. 15 Kr. Pillkallen zusammen? Frau Penk und Siegfried sollen gestorben sein, wo ist Gerhard geblieben? Nachricht erb. Frau M. Marter, 22a Altenessen, Bolsterbaum 118.

 

 

Seite 7   Familienanzeigen

Die Geburt ihres Sohnes, Reinhard Christian Johannes, zeigen an: Dr. med. Karnuth und Frau Lore geb. Schloemer. Bochum, 6. August 1952, Schülerstraße 9, fr. Sensburg u. Königsberg

 

Fern Der Heimat entfchlief am 07.07.1952 zu früh und unerwartet, erlöst von seinem mit großer Geduld getragenem schwerem Leiden, mein geliebter, treusorgender Mann, mein herzensguter, unvergesslicher Vater, Stadtobersekretär i. R. Gustav Kösling, im Alter von 68 Jahren. In tiefem Schmerz: Marie Kösling, geb. Holstein. Erna Kösling, als Tochter. Tornesch/Holstein, früher: Königsberg Pr.-Maraunenhof, Rosenkranzallee 14

 

Am 30. Juli 1952 verstarb nach mehrmonatigem Krankenlager im Bernwardkrankenhaus zu Hildesheim im 88. Lebensjahr unser lieber Turnbruder und Ehrenmitglied des Königsberger Männer-Turnverein v. 1842 Gustav Kublun. Am 11. April 1884 wurde er Mitglied des Vereins, nachdem er schon vorher in der Zöglingsabteilung geturnt hatte. Während dieser rd. 70 Mitgliedsjahre hat er in den verschiedensten Ämtern unermüdlich für den Verein und die deutsche Turnerei gewirkt, wofür ihm u. a. der Ehrenbrief der DT zuteilwurde. Die letzten Jahrzehnte leitete er das Altersturnen und war doch ebenso sehr Freund und Gönner der Turnerjugend. Das 5. Wiedersehenstreffen in Flensburg hatte er mitgemacht. Begeistert freute er sich seit langem auf die diesjährige Fahrt nach Marburg, die ihm Freund Hein nicht mehr gegönnt hat. Für den KMTV und die Turnerfamilie Ost- und Westpreußen legten die Turnbrüder Dr. Kätelhön und Alm (KMTV) und Dr. Schurig (KTC) einen Kranz an seiner Gruft nieder. Dr. Kätelhön würdigte am Grabe seine Verdienste und rief ihm einen letzten Turnergruß nach. Als Vorbild wahren Turnertums wird er unter uns fortleben und dankerfüllt werden wir sein Andenken in Ehren halten. Turnerfamilie Ost- und Westpreußen Fritz Babbel, Wilhelm Alm

 

 

Seite 8   Der „Heimatbund Ostpreußen“/1919 bis 1933

Von P. Hundertmarck – Wittgirren. 1. Fortsetzung. Die Gründung und Betätigung des Schutz- und Trutzbundes

Foto: Geheimrat v. Hake-Bergfriede

Foto: Korvettenkapitän a. D. Hundertmarck-Wittgirren

Mit der Überlassung des größten Teils von Westpreußen an Polen und den dadurch geschaffenen Korridor war unsere Heimat vom Reiche abgeschnitten. Man hatte, was für viele unfassbar schien, deutsche Erde ohne Kampf abgetreten. Das weckte überall große Niedergeschlagenheit! Ein beklemmendes Gefühl über die weitere Zukunft erfasste die ganze Bevölkerung. Hand in Hand damit kamen weitere beunruhigende Nachrichten aus dem benachbarten Baltikum. Auf Anordnung der Entente hatte Major Fletcher den Oberbefehl über die baltische Landeswehr niederlegen und mit sämtlichen deutschen Offizieren und Mitkämpfern schon Mitte Juni das Baltenland verlassen müssen. Mit ihm waren aber auch glaubwürdige Augenzeugen und Kenner der bolschewistischen Pest in die Heimat zurückgekehrt. Damit war die Gefahr, die Ostpreußen von dort drohte, noch handgreiflicher geworden. Man brachte gleichzeitig auch die Kunde mit, dass die Bolschewiken mit dem beginnenden Abzug deutscher Truppen auch gleich wieder an Boden gewonnen und dass damit die rote Welle über Lettland, Litauen und Polen nunmehr in bedenklicher Weise an unsere eigene Grenze heranbranden müsse.

Als einzige und letzte Abwehr gegen diese unmittelbare Bedrohung hatte die Regierung jetzt nur noch die beschleunigte Zurückverlegung der Gruppe v. Plehwe aus dem westpreußischen in den Südteil des Baltikums in der Hand. Diese Truppe erfuhr wohl Anfang August noch durch Hinzutreten des Jägerbataillon Berding, durch eine Schwadron der 1. Garde-Ulanen unter Rittmeister v. Knesebeck (dem späteren Remonte-Kommissar), durch eine schwere und leichte Batterie eine kleine Verstärkung. Sie versuchte, durch Vereinigung mit den weißrussischen Kräften unter Fürst Awaroff den Druck auf die Bolschewiken zu verstärken und damit dem Eindringen bolschewistischer Banden in Ostpreußen selbst vorzubeugen.

Die Schwäche der Reichsregierung hatte zudem auch bereits durch Rückberufung des Generals Grafen v. d. Goltz im Oktober und vom November ab durch Sperrung jeder Löhnung und Verpflegung dem längeren Verbleiben von irgendwelchen Truppen den Boden abgegraben. Aber auch dieser von Mitte November ab sich in bester Disziplin vollziehende Rückmarsch der letzten „Baltikumer" machte Ostpreußen und vor allem die Provinzialhauptstadt erst recht zu einem weiteren Sammellager sofort bereitstehender Heimatkämpfer, die mit vielen sonstigen Soldaten des 1. Weltkrieges, die nach dem Zusammenbruch von Heer und Marine meistens in die ursprüngliche Heimat zurückgeströmt waren, eine starke Heimatfront bildeten. Es erscheint mir hier am Platze, an dieser Stelle der ruhmvollen Träger klangvoller ostpreußischer Familiennamen und damit ostpreußischer Landsleute zu gedenken, die im Baltikum ihre Treue zur Heimat, was für unerschrockene Männer ja immer das Höchste bleibt, mit der Waffe in der Hand bekundet haben. Fletchers Chef des Stabes, der für viele unvergessliche Heinrich Graf zu Dohna, der Schwarze Husar aus dem 1. Leibhusaren-Regiment, der später als General ein Opfer des 20. Juli 1944 wurde, der als Reichstagsabgeordneter später noch bekannter gewordene Botho Wend zu Eulenburg mit seinem Detachement „Eulenburg", Namensträger der Familien v. Dönhoff, v. Perbandt, v. Bassewitz, v. Below, v. Sperber und viele andere, die in der baltischen Landeswehr bzw. in der Gruppe v. Plehwe kämpften, haben der stolzen Tradition ihrer Familien „Einsatz für die Heimat bis zum letzten" volle Ehre gemacht und in der Zeit größter vaterländischer Not nicht versagt.

Mit dem Übertritt der zurückflutenden letzten deutschen Truppen über die Grenze, ihre

Unterbringung in den verschiedenen Grenzkreisen und mit der dadurch vollzogenen Berührung der gewesenen Baltikum-Kämpfer mit der ostpreußischen Landbevölkerung wuchs natürlich die Erregung über die akut gewordene bolschewistische Gefahr fast ins Maßlose. Die Wogen der Erregung gingen immer höher und äußerten sich spontan in lauten Kundgebungen auch in den kleinsten Provinzialstädten.

Es gehört zu den besonderen Erinnerungen des Verfassers, dass er und Korvettenkapitän v. Janson - Kalkeningken auf einer stürmischen Bauernversammlung in seinem Heimatkreis Insterburg, auf der die bolschewistischen Greultaten zur Sprache kamen, den Auftrag erhielten, beim Oberpräsidenten Winnig wegen der drohenden Gefahr vorstellig zu werden.

Auch die für den Oberpräsidenten persönlich bestimmte Resolution ließ an Deutlichkeit und Besorgnis nichts zu wünschen übrig. Dieser sehr ernste und dringende Besuch bei Winnig gehört zu den inhaltsreichsten heimatpolitischen Lebenserinnerungen des Verfassers. Winnig ließ uns als heimische Abgeordnete sein hohes Verantwortungsbewusstsein für Ostpreußen und seine Sicherung sehr deutlich erkennen. Er fühlte sich eins mit allen Teilen der Provinz in der jetzt mit allen Mitteln erforderlichen Abwehr dieser Gefahren auf Leben und Tod. So fanden sich in der Provinzialhauptstadt von Tag zu Tag immer zahlreicher bekannte Persönlichkeiten aus der Provinz ein, die mit ähnlichen Aufträgen dorthin kamen. Mit diesem immer lauter werdenden Ruf und Schrei nach stärkstem Selbstschutz kam es zur Geburtsstunde des ostpreußischen Heimatbundes.

Am 25.11. fand unter Wahrung strengster Vertraulichkeit eine dringende Versammlung von etwa 40 bekannten und entschlossenen Männern in der in der Kneipphöfschen Langgasse gelegenen Kommerz- und Privatbank statt. Sie wurden durch die einleitenden wirkungsvollen und zielbewussten Ausführungen der Majore Fletcher und v. Weiß tief beeindruckt und erkannten auch selbst in der sofortigen Selbsthilfe der Provinz den letzten und einzigen Ausweg aus der drohenden Gefahr. Sie verpflichteten sich zu weitestem persönlichen Einsatz und zu einer beispielgebenden Opferfreudigkeit. Das ist meines Wissens die eigentliche Gründer-Versammlung gewesen, an der auch ich mit verschiedenen Herren des Regierungsbezirks Gumbinnen teilgenommen habe. Mit der Wahl des 1. Vorsitzenden des Generallandschaftsdirektors Kapp, der auch Mitgründer war und der etwas späteren Ernennung von Vorstandsmitgliedern und dem Hinzutritt eines weiteren Beirats erhielt der Bund sein Äußeres Gefüge. Den stellvertretenden Vorsitz übernahm auf besonderen Wunsch der als besonnene Persönlichkeit bekannte Landeshauptmann von Brünneck.

Mit der schnell aufgenommenen Durchorganisation in der Provinz ging die weitere Aufrüttelung der Geister in der Bevölkerung schnell vorwärts. Mir will es scheinen, als ob dabei der 3. Dezember mit der von den Deutsch-Nationalen einberufenen öffentlichen Kundgebung in der Börse für die ganze Provinz besonders ausschlaggebend war.

Die einführenden Worte unseres hochverdienten Baltikum-Kämpfere Carl v. Plehwe über die Zustände im Baltikum kamen aus berufenstem Munde. Seine lebhafte Mahnung, dass nun auch für unser liebes Ostpreußen eine ernste Schicksalsstunde geschlagen habe und dass man dieser Tatsache fest ins Gesicht sehen müsste, war sehr eindrucksvoll. Nächstdem wusste auch der Chefredakteur der „Ostpreußischen Zeitung", Eduard Kenkel, scharf das Verhalten der Engländer im Baltikum zu geißeln und den Versammelten sehr gründlich vor Augen zu führen, dass Ostpreußen auf keinerlei Schutz von Seiten der Entente zu rechnen hätte. Es bliebe nur die Wahl, für die Heimat zu kämpfen oder mit ihr zu sterben. Sein Appell für eine große Sammlungspolitik unter Hintansetzung aller bisherigen Zwistigkeiten und parteibedingten Streitigkeiten war voll leidenschaftlicher Wärme und Liebe zur Heimat eingegeben und steigerte sich zum Schluss zu einem hinreißenden heimatlichen Bekenntnis. Aber auch der Oberpräsident Winnig, dem manche die laxe Einstellung der Berliner Regierung in den letzten Beschlüssen über den deutschen Osten verdacht und den man zunächst kaum zu Worte kommen lassen wollte, trug mit dazu bei, die Gemüter zum engsten Zusammenschluss aufzurütteln. Seine Auffassung, dass es Pflicht jedes heimatliebenden Ostpreußen wäre, alles vorzubereiten, und dass er selbst der Regierung immer wieder vorhielte, dass es hier oben in Ostpreußen ein Stück Deutschland zu verteidigen gäbe, fand zum Schluss stürmische Zustimmung. „Ostpreußens Zukunft - Deutschlands Schicksal" bewegte in dieser historischen Stunde Ostpreußens die Einigkeit aller Herzen.

Der neue Heimatbund Ostpreußen, der sich vorübergehend auch mit dem Zusatz „Ostpreußenschutz" nannte, war der ganzen politischen Situation entsprechend natürlich ein Kampfbund auf ausgesprochen militärischer Basis. Deshalb spielten unter den in der Provinz allgemein bekannten Beiratsmitgliedern, wie Wirkl. Geheimrat v. Berg - Markienen, Landwirtschaftspräsident Dr. Brandes, Kammerherr v. Oldenburg - Januschau, Handelskammer-Syndikus Simon, Professor Kirschner und einige andere, die unter dem Decknamen der „Fürsorgeabteilung" tätigen „Militärs" Major Fletcher und Major v. Weiß-Plauen, wohl auch die Hauptrolle. Ihnen ist es im Verein mit den Kreisorganisatoren des Heimatbundes in den vier Regierungsbezirken in erster Linie zu verdanken, dass die Provinz in kürzester Zeit wie ein gut disziplinierter Block zusammengeschlossen, gerüstet und schlagbereit dastand. Die dazu notwendige Verbindung mit der Reichswehr versah der in Verhandlungen besonders geschickte Graf Heinrich zu Dohna, Tolksdorf, und bewies durch seine große Befähigung, dass er dem stolzen Ruf der seit Jahrhunderten in Ostpreußen ansässigen und besonders verdienstvollen Familie der Grafen zu Dohna-Schlobitten weitgehend Rechnung zu tragen verstand. Die Leitung verstand es ausgezeichnet, das, was ängstliche Gemüter zunächst nicht zu wissen brauchten, auch zu tarnen. Sie gab aber sehr bald den Charakter als Geheimbund auf und kämpfte mit offenem Visier mit geistigen Waffen auf politischem Gebiet für Stärkung des Heimatgedankens gegen das drückende Versailles, gegen Kommunismus und Bolschewismus.

Ihre reale Macht schuf sie sich durch die Bezirks- und Kreisleiter, besonders ausgewählte, tatbereite und flinke Männer, die sich trotz feindlicher Schnüffelkommissionen und ständigen Argwohns der eigenen Regierung in ihrer Arbeit durch nichts zurückschrecken ließen.

Es scheint mir wertvoll zu sein, diese damals in den Kreisen führenden Persönlichkeiten der kommenden Generation und der preußischen Jugend im Gedächtnis zu erhalten, weil sie nach einem inneren preußischen Gesetz zum Schutz der Heimat beispielgebend wirkten.

Unter dem Bezirksleiter des Regierungsbezirks Allenstein, Geh. Regierungsrat Hans v. Hake- Bergfriede, waren es Anfang 1920 die Landwirte Funke - Daumen, Bludau-Przytullen, Kern- Korstein, und Regierungsbaumeister Baumgärtel - Allenstein, Direktor Bölke - Johannisburg, Hauptmann Dodillet - Sarken, Hauptmann Gaede - Neidenburg, Austen- Bischofsburg und Leppin - Sensburg.

Im Bezirk Gumbinnen unter dem Bezirksleiter Fregatten-Kapitän a. D. P. Hundertmarck - Wittgirren die Landwirte v. Wedel - Eszeririschken, Maul- Ballupönen, Käswurm - Puspern, Wohlgemut- Neuhof-Reatischken, Schulz-Trumpeiten, Frhr. v. Hoverbeck-Statzen, Hundsdörfer-Gr. Tullen, Mack-Althof-Ragnit, v. Lenski - Kattenau, Bender - Lenkonischken und Rittmeister Hahn - Tilsit und Rechtsanwalt Rohde - Tilsit.

Im Regierungsbezirk Königsberg fanden sich unter der Leitung des Grafen Lothar zu Dohna-Willkühnen folgende Männer zusammen: die Landwirte Contag - Wenzken, Frhr. v. Dörnberg-Nodems, Graf zu Eulenburg-Gallingen, v. Restorff-Lindenau, Blell - Maraunen, Graf v. d. Trenck - Schaukaulack, Quassowski - Bogazewen, Jeimke - Lodehnen, Strüvy - Powarschen, v. Kueneim - Spandau, Böhm - Glaubitten, v. Glasow - Parnehnen und Hauptmann Hantel - Frauenburg. Und schließlich der Bezirk Westpreußen unter der Bezirksleitung des Grafen Hermann zu Dohna-Finkenstein, die Heimatbundmitglieder v. Schack - Wengern und Volkmann - Dambitzen.

Die Stadt Königsberg stellte unter dem Bezirksleiter Stadtrat Ernst Hoffmann einen eigenen Bezirk. (Fortsetzung folgt.)

 

 

Seite 8   Eine hochverdiente Ostpreußin.

Foto: Irene Freiin von Gayl

Am 16. September 1952 begeht Freiin von Gayl in Obernkirchen (Grafschaft Schaunburg) ihren 70. Geburtstag

„… Erfüllte Arbeit trägt in sich den Lohn.

Ein Erntekranz, den eigene Mühe wand ..."

Alle, die 1942 an der großen Feier in Königsberg (Pr.) teilnahmen, die ostpreußische Landfrauen und landwirtschaftliche Lehrerinnen ausgestalteten, als Freiin von Gayl 60 Jahre alt wurde und in den Ruhestand trat, werden sich noch an die Verse von Agnes Miegel erinnern, die sie der Jubilarin zu dem Tag schenkte. Sie sind, wie so vieles, verloren gegangen, aber die beiden oben angeführten Strophen sind mir in Erinnerung geblieben, und sie begleiten mich, nun wir uns anschicken, des 70. Geburtstages zu gedenken.

Wenn wir das Lebenswerk von Freiin von Gayl zeichnen wollen, so können wir kein treffenderes Motto darüber setzen. Sie gehört zu den Menschen, die alle Arbeit um ihrer selbst willen tun, und die all ihr reiches Können und Wissen rückhaltlos zur Verfügung stellen, ohne nach Ruhm und Anerkennung zu fragen, wenn es um die Förderung des Guten im Menschen geht. So lebte sie uns ein Leben in echt preußischem Pflichtbewusstsein vor, das für viele zum Segen wurde.

In Memel stand ihre Wiege,- als Offizierskind kam sie jedoch in viele Garnisonen in Ost und West. Aber Heimat war und blieb Ostpreußen, im engeren Sinne Jaecknitz und der Kreis Heiligenbeil mit der zahlreichen Landverwandtschaft.

Nachdem sie die Ausbildung zur Lehrerin an höheren Schulen beendet hatte und zwei Jahre als Lehrerin tätig gewesen war, sattelte sie um, als Anfang dieses Jahrhunderts mit der Ausbildung von landwirtschaftlichen Lehrerinnen angefangen wurde. Ihre Berufslaufbahn in Ostpreußen begann dann 1912 als Direktorin der Landfrauenschule Metgethen, die in dem Jahr neu gegründet wurde.

Aus den Reihen der Schülerinnen gingen viele tüchtige Landfrauen und landwirtschaftliche Lehrerinnen hervor, die später Helfer und Mitarbeiterinnen von Freiin von Gayl wurden als sie 1923 als erste Referentin für „Ländliche Frauenarbeit" an die Landwirtschaftskammer Ostpreußen berufen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Belange der Landfrauen in an der Landwirtschaftskammer so gut wie unberücksichtigt geblieben, und es war vorwiegend dem unermüdlichen Streben und Wirken von Elisabeth Boehm zu verdanken, dass die Landwirtschaftskammer Ostpreußen die neue Abteilung „Ländliche Frauenarbeit“ einrichtete. An diese Stelle gehörte eine Persönlichkeit wie Freiin von Gayl mit ihrer großen Sachkenntnis, scharfem Verstand und Weitblick und einemwarmen Herzen und feinem Verständnis für die Welt der Landfrau.

Alles, was in den 21 Jahren ihrer Tätigkeit an der Landwirtschaftskammer, später Landesbauernschaft, geleistet wurde, war Pionierarbeit im wahrsten Sinne des Wortes. Die ländlich-hauswirtschaftliche Berufsausbildung nahm ihren Anfang. Lehrwirtschaften wurden anerkannt, die Lehrfrauen geschult, die Lehrlinge überwacht und gefördert und der Leistungsstand wesentlich gehoben. Diese praktische Berufsausbildung der Landfrauen wurde in den landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen untermauert und ergänzt, nachdem sie durch Freiin von Gayl aus den ersten Anfängen zu einer beachtlichen Höhe entwickelt waren. Über 30 Mädchenabteilungen entstanden in wenigen Jahren an den Landwirtschaftsschulen in Ostpreußen, und in vielen Kreisen wurde das landwirtschaftliche Berufsschulwesen die unentbehrliche Vorstufe für die ländlich-hauswirtschaftliche Ausbildung.

Alle diese Arbeit war untrennbar verbunden mit der in den Ländlichen Hausfrauenvereines (LHV), deren Provinzialgeschäftsstelle Freiin Irene Freiin von Gayl auch leitete bis dieses Arbeitsgebiet 1933 leider aufhören musste.

Wenn wir alle, mit denen und für die Freiin von Gayl drei Jahrzehnte hindurch in Ostpreußen wirkte, jetzt Rückschau halten und im Geiste zu ihr treten, um ihr zum 70. Geburtstag zu gratulieren, dann steht sie vor uns als die Frau, die uns in allen Lebenslagen Beispiel war, die unbestechlich in ihrem Urteil gerade ihren Weg ging und de unermüdlich bereit war, zu raten und zu helfen mit mütterlicher Liebe und Strenge.

Für dieses Lebenswerk gibt es keinen schöneren Lohn als unser aller Streben, ihr und damit unserer Heimat Ostpreußen durch unsere Haltung und unser Tun Ehre zu machen. K. Lemke

 

 

Seite 9   Im Zeichen des Ordenslandes

Machtvolle Kundgebung der Ost- und Westpreußen in Bielefeld

Bielefeld. Das Bundestreffen der Westpreußen und das Landestreffen der Landsmannschaft Ostpreußen in Nordrhein-Westfalen, die am 17. August in Bielefeld stattfanden, gestalteten sich so einer eindrucksvollen Kundgebung von über 15 000 heimatlosen Landsleuten für die Rückkehr in die Heimat und für die Gerechtigkeit.

Die Straßen der Stadt Bielefeld standen an diesem Tage im Zeichen beider Treffen. Auf dem Bahnhofsvorplatz grüßte ein großes Transparent die Gäste. In den Hauptstraßen hatten die Geschäfte ihre Schaufenster mit Bildern aus Ost-und Westpreußen geschmückt. Die öffentlichen Gebäude hatten die Bundesfahne und Fahne der Stadt gehisst. Auch auf den Dächern der Straßenbahnen flatterten lustig die schwarzweißen Fähnchen des Ordenslandes.

Im Gebäude des Helmholtz-Gymnasiums war bereits seit dem 4. August die Ausstellung der Deutschen Jugend des Ostens, „Deutsches Land im Osten", aufgebaut, die wirkungsvoll ergänzt wurde durch die Ostdeutsche Bücherei der Stadt Herne und vom 10. August an durch eine kleine, aber eindrucksvolle Wirtschaftsschau ost- und westpreußischer Betriebe, die im Westen wieder neu aufgebaut haben. Während dieser Heimatwochen, die die Kreisgruppe Bielefeld aus Anlass ihres fünfjährigen Bestehens aufgezogen hatte, wurde eine Fülle kultureller Veranstaltungen geboten. Dichterabend (Dr. Willi Kramp, Hans Georg Buchholtz, Maria Kahle) wechselten in bunter Folge mit Lichtbildvorträgen (Otto Stork, Freiherr von Ungern-Sternberg) ab, die ausnahmslos Niveau hatten und einen ausgezeichneten Einblick in das kulturelle Schaffen dieser Landschaft seit Jahrhunderten gaben. Auch die „Altchen" kamen in einer Sonderveranstaltung zusammen, und für die Frauen fand ein Hausfrauenabend statt. Selbstverständlich hatte man auch die Jugend - trotz der Ferien - zu den Veranstaltungen herangezogen. Sie sahen in Sondervorstellungen die einzigartig-schönen Lichtbilder von Otto Stork und den Film „Jenseits der Weichsel", der an zwei Abenden vor vollbesetztem Haus auch vor den Erwachsenen abrollte.

Die Verbundenheit mit dem westfälischen Gastland kam besonders deutlich zum Ausdruck bei dem „Westfälisch-ostpreußischen Heimatabend", auf dem die westfälische Dichterin Maria Kahle über „Westfalens Anteil an der Ostkolonisation unter besonderer Hervorhebung Ost- und Westpreußens" sprach und der ostpreußische Dichter Hans Georg Buchholtz aus eigenen Werken las. Westfälische und ostdeutsche Chöre sangen Lieder heimischer Komponisten. Westfalens Bekenntnis zum deutschen Osten kleidete Maria Kahle in die Worte: „Wir wären nicht wert, auch nur ein Stück unserer eigenen Heimat zu besitzen, wenn wir auch nur einen Teil des deutschen Ostens preisgäbe. Dieser Osten ist auch unser Osten“. Und auch der Landeshauptmann von Westfalen, Dr. Salzmann, Münster, der als Schirmherr der Gesamtveranstaltungen das Landes- und Bundestreffen eröffnete, fand so offene und herzliche Worte der Verbundenheit, die alle Anwesenden aufhorchen ließen. Er mahnte nicht in der Erinnerung an die furchtbare Zeit der Austreibung zu leben, sondern stark im Glauben an das zu bleiben, was wir von den Vorfahren als Erbe übernommen haben an Kultur und altem Brauchtum an echter, edler deutscher Art und an geistigen Werten und Erkenntnissen. Auch Konsistorialrat Gülzow, Danzig, zeichnete den Weg, den der deutsche Mensch seit 700 Jahren gegangen ist. „Ein Lump, wer aus seinem Herzen entlassen wollte," sagte er u. a. „was ihm die Heimat mitgab. Man muss auch jetzt den Glauben haben, dass Gott einen Sinn in diese Not hineingelegt hat, der sich irgendwann einmal in der Geschichte auswirken wird!"

Und dann kam der Sonntag, der Tag, der großen Kundgebung und der Höhepunkt aller Veranstaltungen. Auch die Regenschauer, die ein frühherbstlicher Wind über den weiten Aufmarschplatz jagte, konnte die Menschenmassen nicht zerstreuen. Die Kundgebung war ein Schrei nach Gerechtigkeit und Rückgabe des geraubten Landes, es war aber auch ein Bekenntnis zum echten Preußentum, zu dem Preußentum des Dienens für die Gemeinschaft.

Mit einer sehr eindrucksvollen Totenehrung, in die auch das Gedenken an die Vermissten und noch im fremden Gewahrsam befindlichen Männer und Frauen einschloss, eröffnete der Vorsitzende der Landesgruppe, Erich Grimoni, Düsseldorf, die Kundgebung.

Ergreifende Wiedersehensszenen spielten sich dann bei den Treffen der einzelnen Heimatkreise ab. Fast alle Gaststätten der Stadt waren für diesen Zweck mit Beschlag belegt. Mit einem Blaskonzert auf dem Johannisberg, das von Obermusikmeister a. D. Chucholowski (Ostpreußen) geleitet wurde, klangen die vierzehntägigen Veranstaltungen aus.

Am Sonnabend vor der Kundgebung hatten sich die Deligierten beider Landsmannschaften zu getrennten Besprechungen versammelt. Es herrschte bei beiden Gruppen, völlige Übereinstimmung darin, dass die Ost- und Westpreußen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten werden. Man zog in Erwägung, die kulturellen und heimatpolitischen Interessen in einem gemeinsamen Landesverband in Nordrhein-Westfalen vertreten zu sehen.

 

 

Seite 9   Kameradschaft Artillerie-Regiment 21 - 57

Der Appell zur Sammlung, zur Wiederaufrichtung und Pflege der alten Kameradschaft und Freundschaft aus Frieden und Krieg in unseren Reihen und zu gegenseitiger kameradschaftlicher Hilfeleistung hat inzwischen schon schöne Erfolge gezeigt. Die Reihen schließen sich, an vielen Orten sind kameradschaftliche Kreise neu entstanden. Trotzdem mag noch mancher alte Kamerad den Weg zu uns noch nicht zurückgefunden haben, weil es sich noch nicht überall herumgesprochen hat, dass wir uns wieder zusammengefunden haben.

Was wir wollen - das habt Ihr in dem „Sammelruf an die Elbinger Artilleristen" in der August-Ausgabe der „Ostpreußen-Warte" gelesen oder könnt es noch nachholen. Wir möchten alle überlebenden Kameraden und alle Angehörigen unserer gefallenen und vermissten Kameraden in unserem Kreise vereinen. Drum helft alle mit! Die Anschriftenkartei wartet auf Eure Nachricht. Teilt auch die Anschriften von Kameraden und Angehörigen mit, die Euch bekannt sind!

Das neue Verzeichnis sämtlicher bisher bekanntgewordenen Anschriften der Kameraden unseres Artillerie-Regiments steht vor dem Abschluss. Wer zur Wiederaufnahme alter freundschaftlicher Beziehungen darin noch aufgenommen zu werden wünscht, der beeile sich mit seinen Angaben.

Unterstützt auch die Arbeit unseres eigenen Vermissten-Suchdienstes. Nichts lastet mehr auf Seele, Geist und Leben als das Nichtwissen um das Schicksal eines Lieben! Zahlreiche Anfragen von Ehefrauen, Eltern und sonstigen Angehörigen vermisster Regimentskameraden gaben Veranlassung, neben den schon bestehenden einen eigenen Suchdienst für die Regimentskameradschaft einzurichten, um durch Rückfragen in den Reihen der Kameraden Aufklärung zu schaffen. Wir werden zukünftig auch weiterhin fortlaufend in der „Ostpreußen-Warte" unsere Sucharbeit betreiben. Helft alle mit, den verzweifelten Eltern, Frauen und Kindern die bedrückende Ungewissheit um das Schicksal der gesuchten Kameraden zu nehmen. Jeder, der Hinweise geben kann, schreibe ohne längeren Aufschub an die suchenden Angehörigen oder über den Leiter unseres eigenen Suchdienstes.

Am 4. und 5. Oktober 1952 soll in Herford in Westfalen ein erstes Treffen unserer alten 21. Infanterie-Division nach dem Kriege stattfinden, welches zurzeit von einer Gruppe dortiger einstiger Divisionsangehöriger schon vorbereitet wird. In den Mauern der alten Werrestadt sind auch die Angehörigen unserer Schwesterdivision, der 11. J. D., Im Juni dieses Jahres zu ihrem ersten Wiedersehen zusammen gewesen. Im Vordergrund dieses Treffens steht auch wieder die Suchaktion nach den Vermissten 2500 Kameraden der 21. J. D., zur Unterstützung des Vermisstensuchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes an Ort und Stelle. Das große Treffen soll am Sonnabend stattfinden; am Sonntag folgen Gottesdienste und Gefallenenehrung durch die beiden ehemaligen Divisionspfarrer Dr. Surkau und Baumgartner.

Anmeldungen werden erbeten an Kamerad Heinz Kirchstein, Herford i. W., Clarenstraße 8. Auskünfte jeder Art erteilt gerne: Oberst a. D. Dr. F. E. Brechtel, Frankfurt am Main, Reuterweg 88 I. Bei Anfragen wird Rückporto erbeten!

 

 

Seite 9   Dr. Kuhnert 90 Jahre alt

Am 23. August konnte der frühere Bibliotheksdirektor Dr. Ernst Kuhnert das seltene Fest des neunzigjährigen Geburtstages in Göttingen, wo er seit Jahren im Ruhestand lebt, in voller Gesundheit begehen. Dr. Kuhnert wurde am 23. August 1862 in Rosenberg/Westpreußen geboren. Seine berufliche Laufbahn begann er an der Staats- und Universitätsbibliothek in Königsberg, an der er in den Jahren 1895 - 1905 gewirkt hat. Sodann wurde er an die Universitätsbibliothek in Greifswald in gleicher Eigenschaft versetzt, wurde aber bereits nach drei Jahren zum Direktor dieses ehrwürdigen Instituts ernannt. In dieser Stellung ist er bis zum Jahr 1921 geblieben. Er folgte dann einem ehrenvollen Ruf an die Preußische Staatsbibliothek nach Berlin, an der er von nun an den Posten eines Ersten Direktors bekleidete, gleichzeitig war er der Vertreter des Generaldirektors, damals sein alter preußischer Freund, Fritz Milkau. Im Jahr 1927 erreichte er die gesetzliche Altersgrenze. Seine Liebe aber galt stets seiner preußischen Heimat. Als Unterpfand dafür hat er die Geschichte der Königsberger Bibliothek in einem schönen Band beschrieben. Er hat in diesem umfangreichen Buch die Geschicke dieses Instituts von den Anfängen, die in der Zeit Herzog Albrechts liegen, bis zum Entstehen der großen ostpreußischen wissenschaftlichen Zentralbibliothek, die letztlich Wilhelm von Humboldt ihren Ursprung verdankt, in einer vollkommen erschöpfenden Weise zur Darstellung gebracht. G. v. S.

 

 

Seite 9   Ostpreußn – Heidekönigin

Auf dem traditionellen Schneverdinger Heideblütenfest wurde die 18-jährige Ostpreußin Charlotte Wittrin als das schönste und netteste Mädchen aus der Umgebung zur Heidekönigin 1952 gewählt.

 

 

Seite 10   Der Fröbelsche Kindergarten

Foto: Das Hundegatt. Von Walther Albrecht

Foto:

Am 21. Juni gedachte man überall in Deutschland des Pädagogen Fröbel, des Begründers der Kindergärten, der vor hundert Jahren gestorben war. Fröbel hatte als erster für die Kinder vor dem schulpflichtigen Alter Kindergärten eingerichtet, in denen unter der Leitung von Kindergärtnerinnen die Kinder mit Spiel und Gesang, aber auch mit kleinen Handarbeiten wie Basteln, Formkneten, Anfertigung von Papierketten für den Weihnachtsbaum und ähnlichem vormittags beschäftigt wurden. Auch in Königsberg bestanden einige Kindergärten, von denen der bekannteste im Hause der „Bürgerressource" untergebracht war. Diese Ressourcen - es gab noch die „Deutsche Ressource" in der Jäerhofstraße - waren in den Jahren nach dem unglücklichen Kriege 1806/07 entstanden als Gesellschaften zur Pflege vaterländischer Gesinnung und zur Vorbereitung der geistigen Volkserhebung aus der Niederlage Preußens. Ihr Einfluss auf die Wiedergeburt Preußens war nicht zu unterschätzen, wenn diese Gesellschaften auch später nur noch der Geselligkeit und Erholung dienten. Die Bürgerressource in der Burgstraße war wohl jedem Königsberger bekannt, zumal ihr schön gelegener Garten am Schlossteich. Wieviel schöne Feste sind in den Sälen gefeiert worden, deren größter auch über eine größere Bühne für Liebhabertheater verfügte. Aber so, wie sich tausende Königsberger gern an diese Feste der Erwachsenen erinnern werden, so sind es sicherlich auch viele Tausende gewesen, die im Laufe der Jahre den dort untergebrachten Fröbelschen Kindergarten besucht haben. Wieviel Frohsinn und Freude herrschte dort unter der Kinderschar an den Vormittagen, mit wieviel Liebe hingen wir an den Kindergärtnerinnen, an unsern „Fräuleins" und wie schwer wurde uns der Wechsel von dieser Spielschule zu dem ernsten Leben, das sich uns mit dem Betreten der Grundschule öffnete.

Viele werden sich noch gut an ihren Kindergarten erinnern, aber etwas Besonderes ist mir unvergesslich geblieben. Königsberg feierte am 18. Januar 1901 die zweihundertjährige Wiederkehr des stolzen Tages, an dem sich Friedrich I als König in Preußen die Krone in der Schlosskirche selbst aufs Haupt setzte. Nun, wir Kinder haben damals noch nicht, mitfeiern können, aber im Kindergarten wurde auch dieses historischen Tages gedacht. Wir alle, Jungen und Mädel saßen in einem großen Raum und lauschten mucksmäuschenstill auf das, was uns die Vorsteherin erzählte. Und wie interessant und farbenreich wusste sie das alles zu schildern, was sich vor 200 Jahren auf dem alten Königsberger Schlosshofe zugetragen hatte. Von dem historischen Geschehen, haben wir sicher nicht allzu viel begriffen, umso mehr aber beschäftigte sich unsere blühende Phantasie mit dem Volksfest. Da sei auf dem Schlosshof ein riesiger Ochse am Spieß gebraten worden und aus zwei Brunnen war unerschöpflich weißer und roter Wein geflossen, das Volk hatte geschmaust, getrunken. und getanzt, bei Fackelschein bis tief in die Nacht gefeiert.

Als die Schilderung beendet war, setzte ein vielfältiges Fragen ein; die Mädchen wollten wissen, was die Kinder und Frauen damals für Kleider und Schuhe getragen hätten, die Junges aber wollten genau ergründen, wie man einen Ochsen über offenem Feuer braten kann und warum man das nicht heute noch täte, obwohl der Wein aus den Brunnen aus dem Blutgericht herausgekommen wäre und vieles mehr. Unermüdlich beantwortete das gute Fräulein die vielen Fragen, dann aber gingen wir nach Hause und bestürmten die Eltern mit weiteren Fragen. Am Nachmittag aber ließ ich meinem Vater keine Ruhe, er musste mit mir nach dem alten Ordensschloss gehen, meinte ich doch nicht anders, als dass dort das ganze bunte Bild wenigstens teilweise an diesem Erinnerungstage noch einmal entstehen würde. Die Enttäuschung war groß; leer lag der große Schlothof vor unsern Augen, umgeben von den wuchtigen Wänden der Schlosskirche und den anderen Gebäuden, nichts erinnerte mehr an da festliche Treiben, von dem wir am Vormittag gehört hatten. Ich fragte und fragte, aber der gute Vater konnte mir nicht sagen, wo die Weinbrunnen gestanden hatten und wo der Ochse gebraten worden war. Dr. Paul

 

 

Seite 10   Zum 80. Geburtstag von Graf von Brünneck

Wenn am 1. September Graf von Brünneck-Bellschwitz in Baden-Baden, seinem derzeitigen Wohnsitz, seinen 80. Geburtstag feiert, so werden viele, viele Ostpreußen Gelegenheit nehmen, ihrem ehemaligen Landeshauptmann persönlich oder in Schreiben ihre Glückwunsche zu sagen, und ihm zeigen, dass man seiner Verdienste um unsere Heimatprovinz auch heute noch anerkennend und dankbar gedenkt.

Im Jahre 1916 wurde Dr. h. c. Manfred Graf von Brünneck-Bellschwitz vom ostpreußischen Landtag zum Landeshauptmann gewählt und trat so in einer für Deutschland schweren Zeit an verantwortliche Stelle in der Führung und Verwaltung der durch den Russeneinfall und später durch die Abtrennung vom übrigen Reich schwer geprüften Provinz Ostpreußen.

Graf von Brünneck ist Spross einer im Kreise Rosenberg eingesessenen Familie und hat, wie viele Mitglieder dieser Familie, sein Wissen und seine Schaffenskraft ganz in den Dienst Preußens gestellt. In seiner zwölfjährigen Amtszeit als Landeshauptmann ist Ostpreußen trotz Kriegsstürme, trotz Revolutionswirren und trotz Inflation! Schwierigkeiten doch vorangekommen und hat sich auf vielen Gebieten dem Stand des übrigen Reiches, das der Krieg nicht so hart getroffen hatte angleichen, ja in mancher Hinsicht beispielhaft werden können

 

 

Seite 10   Der Katzensteig.

Von der Tuchmacherstraße führte nach der Löbenicht‘schen Bergstraße eine schmale Gasse, der „Katzensteig", über diesen Katzensteig existiert folgende Sage, die kaum allen Königsbergern bekannt sein dürfte.

In der Löbenicht'sehen Bergstraße wohnte eine alte Frau, die eine Brauerei betrieb, aber nebenbei befasste sie sich mit der Hexerei. Sie und noch ein altes Weib verwandelten sich nachts in Katzen und gingen mit einem Braukessel die schmale Gasse, die dann später den Namen „Katzensteig" erhielt, hinunter zum Pregel und gondelten dort in dem Braukessel herum. Die Wache, die damals an der Holzbrücke stand, sah dieses nächtliche Treiben der beiden Katzen und so erfuhr es dann auch bald die ganze Stadt. Auch der Brauknecht der alten Hexe bekam von dieser Geschichte zu hören, er versteckte sich in der Brauerei und wurde so Augenzeuge von dem Treiben der beiden Katzen. Dadurch kam nun die Brauerin ins Gerede und sie schwor ihrem Knecht Rache. Eines Tages als der Brauknecht an dem Braukessel stand, kam eine große Katze, die ihn umschmeichelte und ihn in den Kessel werfen wollte. Der Brauknecht, der es aber merkte - und es war ihm hierbei keineswegs wohl zumute - bekreuzigte sich und warf die Katze in den Kessel mit kochendem Gebräu. Am anderen Tage fand man die Brauerin tot in dem Kessel. Text und Zeichnung: Kurt Kumpies.

 

 

Seite 10    Der Trauring Martin Luthers

Im Besitz des jetzt in Bad Pyrmont ansässigen Landsmanns Lilienthal befindet sich der Trauring D. Martin Luthers. Der aus schwerem Dukatengold gefertigte Ring trägt die Inschrift „D. Martino Luther, 13. Julius 1525" und ist mit kunstvollen Darstellungen der biblischen Geschichte verziert. Dass es sich tatsächlich um den Trauring des Reformators handelt, geht aus verschiedenen Dokumenten hervor, welche ebenso wie das Schmuckstück seit mehr als 100 Jahren im Besitz der Königsberger Familie Lilienthal sind. Diese hat ihn von Leipziger Kaufleuten erworben, welche ihn wiederum von einem Königsberger Kaufmann erhalten haben, der ihn im 16. Jahrhundert von Luthers Nachkommen angekauft hat. - Einer der Söhne Martin Luthers war in Königsberg als Seelsorger tätig, woran bis 1945 ein schlichter Gedenkstein auf der Rückseite des Kaiser-Wilhelmplatzes erinnerte.

 

 

Seite 10   Die Wälder schweigen

Ostpreußen - heute

Am 29. September überträgt der Nordwestdeutsche Rundfunk Köln auf der Mittelwelle in der Zeit von 21 bis 21.45 Uhr die Sendung „Die Wälder schweigen - Ostpreußen heute". Es handelt sich um eine Hörfolge, die nach gewissenhafter Auswertung authentischer Quellen zusammengestellt wurde. Ministerien, Landsmannschaften und Privatpersonen lieferten das Material dazu. In das Manuskript sind die Originalstimmen ostpreußischer Landsleute, die erst in jüngster Zeit aus Ostpreußen nach dem Westen kamen, eingeblendet. Wer sich ein Bild von den heutigen Zuständen in Ostpreußen machen will, schalte sich in diese interessante Sendung ein.

 

 

Seite 10  

Foto: Schlossteichbrücke mit Stadthalle im Hintergrund. Aufn.: Foto Pohle

Foto: Kaiser-Wilhelm-Platz – Kantstraße. Aufn.: Foto Pohle

 

 

Seite 11   Die Patenstadt Duisburg erwartet ihre Königsberger!

Empfang am Vorabend – Agnes Miegel liest – 400 Jahre Bäckerinnung Königsberg – Erster Beginn freundschaftlicher Bindungen. Von unserm Sonderkorrespondenten Hans Karp.

Duisburg ist oftmals im Jahre der Tagungsort von Kongressen und Konferenzen. Aber wohl keine Veranstaltung liegt den Menschen dieser westlichsten Hafenstadt Deutschlands so sehr am Herzen, wie das Treffen ihrer Patenkinder, der Königsberger, am 7. September. Vielleicht war es gerade der eigene Leidensweg der Stadt Duisburg, der die Herzen für die Königsberger Sache so aufgeschlossen machte. Denn Duisburg wurde während des Krieges und noch in den letzten Monaten des sinnlosen Kampfes schwer beschädigt. Eine unbeschreibliche Wohnungsnot und ein wüstes Trümmerfeld in Wohn- und Industrievierteln waren die schrecklichen Folgen. Viele Duisburger wurden in ihrer Stadt heimatlos, viele andere, die vor der Kriegswalze flüchteten, blieben es in fremden Landstrichen bis auf den heutigen Tag. So hat Duisburg selbst auch sein eigenes Flüchtlings- und Heimatlosenproblem ... so hat diese Stadt aber auch ein aufgeschlossenes Herz für andere, denen Heimat und Gut geraubt wurden. Und sie nimmt es ernst mit ihren Bemühungen, die Patenschaft über Königsberg wirklich mit Sinn und Leben zu erfüllen. Die im Hauptamt ihrer Verwaltung geschaffene Abteilung Königsberg besteht nicht nur auf dem Papier, sie ist mit lebendigem Tun erfüllt, sie ist wirklich ein Sachwalter der Königsberger Belange geworden und sie bemüht sich diese Arbeit weiter zu vervollkommnen.

Oberstadtdirektor Klimpel, dem die Übernahme der Duisburger Patenschaft für Königsberg besonders zu danken ist, und der amtierende Oberbürgermeister Seeling, sind mit dem Stadtparlament die Befürworter und Förderer einer intensiven Arbeit in Fragen Königsberg.

Seit Monaten vorbereitet

Verwundert es da, dss seit Monaten die Vorarbeiten für das Königsberger Treffen am 7. September in Duisburg laufen? Dieses Treffen soll ja nicht nur diejenigen Königsberger aus der Bundesrepublik zusammenführen, die durch den Krieg heimatlos wurden. Auf ihm werden sich neben ihnen die im Ruhrgebiet ansässigen und sesshaft gewordenen Königsberger mit der Duisburger Einwohnerschaft ein Stelldichein geben.

Seit Monaten wogt zwischen Duisburg und den Königsbergern in der Bundesrepublik ein Briefverkehr freundschaftlichster Art. Menschen, die einst in Königsberg an führender Stelle standen, unter ihnen auch der Oberbürgermeister Dr. Dr. h. c. und Dr. e. h. Hans Lohmeyer, Konsul Bieske, die Dichterin Agnes Miegel, die Obermeister der Innungen und viele andere, sie haben alle Verbindung aufgenommen zu der Patenstadt und auch ihr Erscheinen zugesagt. Daneben aber kommen täglich zahlreiche Briefe an, die das Eintreffen am 7. September in Aussicht stellen. In ihrem Ton schwingt etwas von der Sehnsucht mit, in Duisburg Gleichgesinnten, Landsleuten, Nachbarn, ja vielleicht sogar dem letzten Überlebenden aus dem Kreise der Freunde die Hand schütteln zu dürfen.

Keine Kundgebung, sondern Treffen

Darum wird dieser erste Beginn freundschaftlicher Bindungen zwischen Duisburg und Königsberg auch keine Kundgebung werden, sondern ein Treffen – ein Heimattreffen. Im Ehrenfriedhof auf dem Kaiserberg, mitten im Grün der Patin soll ein gemeinschaftlicher Gottesdienst den Sonntag einleiten. Sagen nicht die beiden Begriffe Ehrenfriedhof und Gottesdienst mehr als jede politische Willensäußerung? Schwingen nicht in diesen beiden Wörtern die Ergebenheit an das göttliche Schicksal und die stumme Ehrung für die Toten mit? Und auch die zweite Veranstaltung dieses Vormittags will keine Kundgebung sein. Sie nennt sich „Festliche Veranstaltung" und wird auf dem Lotharplatz (nahe dem Kaiserberg) durchgeführt. Auf ihr wird Duisburg durch seinen Bürgermeister Dr. Storm die Patenschaft in der Öffentlichkeit der Königsberger feierlich übernehmen. Hier werden auch der Kreisvertreter Königsberg-Stadt in der Landsmannschaff Ostpreußen, Konsul a. D. Bieske und Dr. Schreiber sprechen.

Nachdem zur Mittagszeit den Teilnehmern auf dem Festplatz durch das Rote Kreuz ein einfaches Essen gereicht worden ist, beginnt um 15 Uhr am gleichen Ort eine Ostpreußische Heimatstunde.

Die 73-jährige Dichterin Agnes Miegel, deren tiefbedauerliche Wohnungsgeschichte kürzlich noch aus Bad Nenndorf am Deister durch alle Blätter ging, liest vor ihren Landsleuten aus eigenen und aus Walter Schefflers Werken. In den Rahmen dieses Treffens gliedert sich auch der Suchdienst ein, der hoffentlich viele alte Bekannte zusammenführen wird.

Berufsgruppen treffen sich.

Das berühmte Beckersche Bildnis Immanuel Kants in der Buchhandlung Gräfe und Unzer, jetzt Bad Wiessee

Bei der Abteilung Königsberg im Duisburger Verwaltungsbunker sind in den Monaten ihrer Wirksamkeit viele Adressen und ganze Innungsverzeichnisse eingegangen. Sie haben es ermöglicht, am 7. September Sondertreffen der Berufsgruppen durchzuführen. So treffen sich Beamte, Angestellte und Arbeiter der Stadtverwaltung Königsberg, die Belegschaft der Königsberger Werke und Straßenbahn (KWS), die Malerinnung, die Schornsteinfegerinnung (allerdings in Zivil). Krönung dieser Treffen wird aber das 400-jährige Jubiläum der Königsberger Bäckerinnung sein, für die die Bäckerinnung Duisburg Gastgeber ist. Um 18 Uhr soll im Rathaus-Sitzungssaal von Duisburg aus Anlass dieses Jubiläums ein besonderer Festakt stattfinden.

Die Stadt Duisburg erwartet ihre Patenkinder und sie tut das mit Freuden, denn ihr ist die Königsberger Frage eine wirkliche Herzensangelegenheit. Das dürfte auch zum Ausdruck kommen bei dem Empfang, den Duisburg am Samstagabend (6. September) den Ehrengästen aus Königsberg gibt, das wird sich in dem reichen Flaggenschmuck der Rhein-Ruhr-Stadt ausdrücken, und das finden die Teilnehmer dieses Treffens gewiss auch bestätigt in allen Veranstaltungen dieses Tages. Duisburg hat die Königsberger Sache zu seiner eigenen gemacht, es vertritt dessen wirtschaftliche und verfassungsmäßige Rechte; es will aber auch den verwaisten Königsbergern Mutter sein, an deren Brust sie immer gern zurückkehren dürfen.

 

Foto: Der Rhein mit Esso-Anlage bei Duisburg Aufn.: Rotgans

 

 

Seite 11   Achtung! Ostpreußische Bäckermeister!

Anlässlich des Königsberger Treffens in Duisburg am 7. September bitten wir Euch, recht zahlreich daselbst zu einem Kollegentreffen mit Frauen zu erscheinen. Der Treffpunkt wird auf der Kundgebung bekannt gemacht. Obermeister Popp, Kreishandwerksmeister Berg, Arthur Tobias

 

Seite 11   Mit offenem Herzen und ehrlicher Freude

Nur wenige Tage wird es noch dauern, bis in Duisburg die Königsberger Fahne hochgeht.

Duisburg, das die Patenschaft für die alte ostpreußische Metropole übernommen hat, lädt die in die Bundesrepublik verschlagenen Königsberger zum ersten Treffen in seinen Mauern ein.

Mit offenem Herzen werden die Bürger der westdeutschen Hafen- und Industriestadt ihre Landsleute aus dem Osten des alten Reiches aufnehmen. Selber vom Kriege hart betroffen, werden sie nichts unterlassen, um in ihren aus der Heimat verdrängten Volksgenossen das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu stärken.

Viele von ihnen haben hier bereits Wohnung und Arbeit gefunden, und mit großer Hochachtung sieht der Alt-Ansässige auf die durch Fleiß und Leistung sich bewährenden Neubürger. Freundschaft und Familienbande haben die Menschen aus Ost und West einander nahe gebracht.

Wir sind gewiss, dass das anfängliche Gefühl landschaftlicher Verschiedenheit mehr und mehr überwunden wird, und wollen alle, jeder einzelne so gut wie die Verwaltung, tun, was dazu getan werden kann.

Mit all dem wird freilich im Herzen der Vertriebenen die Sehnsucht nach der lieben, alten Heimat nicht ausgelöscht. Die Wunde bleibt offen.

Wenn sich nun die Königsberger am 7. September 1952 in Duisburg treffen, einander wiedersehen, über altes Leid und Ansätze zu neuem Glücksempfinden ihre Gedanken austauschen, dann sollen sie sich von dem Mitgefühl der Duisburger getragen fühlen. Wir werden sie mit ehrlicher Freude begrüßen. Seeling Oberbürgermeister. Klimpel Oberstadtdirektor 

 

 

Seite 12   Zehntausende Königsberger sind schon erfasst. Schicksale von Betonmauern umhüllt. Zimmer 682: Aktenschrank spricht Bände / Allen Königsberger Landsleuten soll geholfen werden

Der Duisburger General-Anzeiger berichtete über die Arbeit des Amtes Königsberg der Patenstadt Duisburg:

Höher gehts nimmer. Wo Stadtinspektor Reinhold Neiss im Bunker an der Oberstraße sitzt, ist die Welt einfach mit Betonmauern zu Ende. Im Zimmer 682 darf der Blick sich noch durch einen Schacht auf die hellblauen Wolken dieser Tage richten . . . mehr aber auch nicht. Und doch gehen von diesem Raume so viele frohe Lichtblicke aus, oft genug aber auch überschattet von Nachrichten, die von tiefem Leid zu berichten wissen.

 

Seit Ostern sind diese zunächst zwei von drei Räumen bezogen: von Stadtinspektor Neiss und einer Angestellten. Beide Königsberger Bürger, jetzt schon in Duisburg heimisch geworden und mit einem ganz speziellen Auftrag bedacht. Hier wird nämlich die Erinnerung an Königsberg wachgehalten, hier ist eigentlich die Patenstube der ehemaligen Provinzhauptstadt, die die Stadt Duisburg für ihr Patenkind eingerichtet hat. Reinhold Neiss und seine Sekretärin sind die Sachwalter der Patenschaft, denn sie kennen das Patenkind besser - sind selber Kinder seiner Heimat.

Ein Aktenschrank . . .

Wer unvermittelt in diese Räume tritt, der mag vielleicht aus den Karteikarten, die eben auf der Maschine geschrieben werden, Schlüsse zu ziehen versuchen. Sonst ist dieses Büro eins wie viele andere, mit einem Aktenschrank, einem Schreibtisch und der erwähnten Maschine. Nur der Aktenschrank ist mit vielfältigem Leben gefüllt . . . mit Freuden und mit Sorgen. Er gibt einen Querschnitt einer ganzen Stadt, er erzählt von 370 000 Menschen, die einst in dieser Stadt lebten, und er enthält alle jene rührenden Zeichen aufrichtiger Heimatliebe, die von den Königsbergern in der Bundesrepublik zusammengetragen und nach Duisburg geschickt worden sind. Hier wird der Grundstein gelegt zu einem Königsberger Stadtarchiv, das in den Zeiten der Einnahme trotz aller Vorsichtsmaßnahmen verloren ging.

Zwischen 1945 und 1948

In dem zweiten Raum stehen auf einem langen Tisch Blechkästen und in ihnen sind zehntausende Karteiblätter nebeneinander gestapelt: Behelfsmäßig wurden schon vor dem Währungsschnitt auf Papier und alten Karten Namen, Berufe und Adressen verzeichnet. Die Landsmannschaft Ostpreußen und verschiedene Privatpersonen haben einstmals den Grund zu dieser Kartei gelegt, in der heute schätzungsweise die Hälfte aller noch lebenden Königsberger erfasst ist.

In dieser Kartei stehen neben den Karten der Lebenden auch die der Toten. Bei den Verstorbenen stehen Vermerke, die von tiefer Tragik sprechen: Freitod! Verhungert! Erschlagen! Beim Hungertyphus 1946 gestorben. Der Königsberger Pfarrer Linck, der noch bis 1948 drüben war, schätzt die Zahl der von 1945 bis 1948 Umgekommenen auf 100 000. Außerdem haben bereits im Jahre 1944 zwei schwere Bombenangriffe in Königsberg eine traurige Ernte gehalten.

Die Kartei lebt

Hier gehen täglich neue Anfragen nach Verwandten, Freunden und Kollegen ein. Und seit die Stadt Duisburg offiziell die Patenschaft übernommen hat, kommen noch täglich Berichte über Schicksale, die mit unendlich großer Liebe und Sorgfalt zusammengetragen worden sind.

Eine der Hauptaufgaben dieses Büros ist die Wiederherstellung oder Beschaffung verlorengegangener amtlicher Unterlagen. Da fragt eine Witwe nach den Pensionsansprüchen ihres verstorbenen Mannes. Ein Mann will wissen, ob noch Unterlägen über seine Ersparnisse bei der Stadtsparkasse Königsberg vorhanden sind. Ein anderer fragt nach Kollegen aus seinem Betriebe. Alle diese Fragen haben soziale Hintergründe und allen soll nach Möglichkeit geholfen werden.

„Bis zum 30. September sind alle Ansprüche aus Sparguthaben auch dann anzumelden“, sagt Stadtinspektor Neiss, „wenn die Beweismittel noch nicht vollzählig sind. Das ist wichtig und wir werden alles tun, um allen Königsbergern zu helfen“.

So soll auch neben der namentlichen Kartei eine Betriebskartei errichtet werden. Ebenso sind Unterlagen darüber vorhanden, wo sich noch Königsberger befinden. Diese Kartei lebt, denn sie wird täglich um hunderte Namen ergänzt und sie soll – nach dem Namen ihres Sachwalters, so vervollkommnet werden, dass sie in allen Fragen möglichst erschöpfend Auskunft geben kann.

Uns dünkt, dass gerade die Betonmauern des Bunkers an der  Oberstraße symbolisch sind für die Arbeiten der Königsberger Patenabteilung: Sie legen sich schützend um das Wenige, was an Erinnerungen aus dieser Stadt geborgen wurde. Sie umschließen die vielen traurigen und erfüllten Schicksale dieser Stadt mit Schweigen. Sie mahnen aber auch, fest zu sein in dem Entschluss, alles zu tun, um auch das letzte Dunkel aufzuhellen, das heute noch über manchem Namen lastet!

 

 

Seite 12   Ein herzlich Willkommen

Der Kreisverband Duisburg im Bund der vertriebenen Deutschen grüßt alle ostdeutschen Landsleute, die aus Anlass des Königsberger Treffens in den Mauern unserer Stadt weilen. Wir alle, die wir aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern oder sonst welchen Gauen unseres geliebten deutschen Vaterlandes vertrieben hier eine zweite Heimat gefunden haben, gedenken mit ihnen in Ehrfurcht und Liebe dieser stolzen und schönen deutschen Stadt und sind und bleiben unlöslich mit ihr verbunden.

Möchte dieses Treffen in der Patenstadt Duisburg unsere Schicksalsgemeinschaft noch mehr vertiefen und festigen und alle deutschen Menschen miteinbeziehen und mit dem Bewusstsein durchdringen, dass nichts verloren ist, was wir nicht selbst aufgeben. Möchten alle deutschen Menschen, denen Freiheit und Menschenwürde höchstes Lebensgut bedeuten und denen das Recht auf Heimat ein heiliges Und ungeteiltes ist, durch solche Treffen aufgerüttelt werden und mit uns eintreten in den Kampf um die Rückgabe der uns geraubten deutschen Heimat, den wir mit friedlichen Mitteln aber mit heißem Herzen bis zur Erreichung des Zieles führen werden.

Dieses Treffen sollte aber auch ein Treuebekenntnis nicht nur in unserer Heimat, sondern ein solches zu unserem gemeinsamen Vaterlande sein, welches Deutschland heißt.

Unser Wunsch aber ist es auch, dass alle Königsberger hier in der Patenstadt Duisburg ein Stückchen Heimat finden mögen so wie es uns vorschwebte, als wir den Rat der Stadt Duisburg baten, die Patenschaft über eine ostdeutsche Stadt zu übernehmen. Einstimmig hat der Rat unserer Stadt diesem Wunsche entsprochen und die Stadt Königsberg dafür ausgewählt. Dass sich die KP-Fraktion hiervon ausschloss, ist für uns bedeutungslos und war auch zu erwarten.

Sehr viele Königsberger Landsleute aus unserem Kreisverband stellen sich den Gästen unserer Stadt am Tage des Treffens zu Führungen, Auskünften und sonstigen Diensten mit der freudigen Erwartung zur Verfügung, ihren lieben Landsleuten auch wirkliche Dienste leisten zu können. Diese und wir alle wünschen der Veranstaltung von Herzen einen recht glücklichen, würdigen und eindrucksvollen Verlauf!

Bund der vertriebenen Deutschen Kreisverband Duisburg gez. Nikoleizik Vorsitzender

 

 

Seite 12   Königsberger Typen

Dö Lorbas

Göwt irgendwo moal een Skandoal,

Wat bi ons värkömmt ok manchmoal,

Protestversammlung, Schlägerie,

Dann eß so'n Lorbas ok doabie.

 

Dö Bowke

Dat scheenste Läwe ön dö Stadt

So'n Keenigsbarger Bowke hat.

He dusselt on dammelt hän on her,

Als wenn alle Doag man bloß Fierdoag wör.

Wiel äm dä Oarbiet eß nich löw,

Geiht löwer he als Doagedöw.

On geiht äm ok koddrig to mancher Tied,

Denn deiht he örschrecht nuscht, geroad noch möt Fliet.

 

Dö Gnon

Väl Verdruß on, nuscht als Arger

Moakt dem brave Keenigsbarger

Ömmerfort on ömmer, bloß

So een kleener lus'ger Gnoß!

 

Ohle Wiewer on Margelle

Könne wat von äm vertälle,

Denn et lätt dö kleene Krät

Keene eenzige tofräd!

 

Alles argert so 'n Romdriewer,

Hunde, Katt on Kuppelwiewer,

Sälwst dä Pogge op dä Wäs.

So‘ schuschtnutziger Schnoddernäs!

schuschtnutziger Schnoddernäsl

(Text und Holzschnitte aus „Dorch Keenigsbarg" von Daniel Staschus)

 

Uniongießerei von 1828 - 1928 Wir weisen darauf hin, dass die Artikelserie „Uniongießerei von 1828 - 1928" von Herrn Oberst a. D. Erich Lemmel Wiesbaden verfasst worden ist.

 

 

Seite 12   Ein Grußwort Dr. Lohmeyers

Allen Königsbergern entbiete Ich anlässlich des ersten Treffens der Königsberger in der Patenstadt Duisburg herzliche Heimatgrüße. Wir sind der Stadt Duisburg zu großem Dank verpflichtet, dass sie die Patenschaft über unsere alte Stadt Königsberg übernommen hat. Die Beziehungen der beiden Städte seit ihrem Bestehen habe ich in einem Aufsatz für die Duisburger Festschrift unter dem Titel „Duisburg und Königsberg" dargelegt.

Die schwere Not, in die viele von uns aus der Heimat Vertriebenen gekommen sind, wird hoffentlich bald gelindert werden können, nachdem soeben das Lastenausgleichgesetz in Kraft gesetzt worden ist. Aber nichts kann uns über den Schmerz hinweghelfen, den wir durch den Verlust der Heimat erlitten haben. Möge bald unserem schwer geprüften Vaterland im Sinne des großen Königsberger Philosophen Immanuel Kant der „ewige Frieden" beschert werden und in Ihm unsere alte Heimatstadt Königsberg zu neuem Leben erblühen.

Dies wünscht von Herzen Königsbergs ehemaliger Oberbürgermeister Dr. Dr. h. c. Dr. e. h. Lohmeyer

 

 

Seite 13   Duisburger Bedeutung und Aufgabe

Von Stadtarchivar Dr. Walter Ring, Duisburg

Die Sage hat die Anfänge unserer Stadt mit mancherlei mythischen Erzählungen und pseudo-geschichtlichen Berichten umkleidet, die die Bedeutung des Ortes hervorheben sollen. Unkritische Autoren haben die darin beschriebenen Ereignisse lange für Wahrheit gehalten, und viele alte Chroniken der Stadt machen davon ausgiebig Gebrauch.

So soll ein Urenkel Noahs mit Namen Tuisko hier seine Burg errichtet haben, die „Tuisko-Burg“. Denn bei seinen Zügen landauf, landab habe ihm keine Gegend so gut gefallen wie die an  der Mündung der Ruhr in den Rhein. Eine andere Mär weiß davon zu melden, dass die Vernichtung der Römer durch die Germanen unter Arminius im Teutoburger Walde sich hierzulande zugetragen habe. Die Ähnlichkeit der Namen „Teutoburg“ und „Duisburg“ hat zu solcher Glorifizierung unserer Heimat wohl den Anlass gegeben. Ein großes frühgeschichtliches Gräberfeld, das kilometerweit den Rand des Duisburger Waldes begleitet, schien die Echtheit des Berichtes z bestätigen. Mit der bei einem fränkischen Geschichtsschreiber überlieferten Nachricht, dass der Frankenkönig Clodio im Jahre 431 hier in „Diuspargum“ seine Residenz gegründet habe, näherte man sich in etwa der geschichtlichen Wahrheit, wenn man auch unbekümmert einige Jahrhunderte in der Zeit vorgriff.

Um den Hergang recht zu erkennen, müssen wir die militärische Lage an der Ostgrenze des von starken rücksichtlosen Herrscherpersönlichkeiten gegründeten fränkischen Reiches zu Beginn des 8. Jahrhunderts betrachten. In unserer Gegend war diese Grenze nur wenige Kilometer auf das rechte Rheinufer vorgeschoben, östlich davon, im Westfälischen und weiterhin, wohnten die noch unabhängigen Niedersachsen, die das fränkische Hoheitsgebiet oftmals durch kriegerische Einfälle bedrängten. Es war daher eine wichtige Aufgabe der fränkischen Politik, hier Sicherungen zu schaffen. Diese Aufgabe erfüllte Karl Martell, der um 730/40 die Sachsen bis zur Weser zurücktrieb. Ihre Unterwerfung wurde wenig später durch opferreiche Kriegszüge Karls des Großen vollendet.

Zur Unterstützung dieser Militärpolitik hat Karl Martell an der vom Niederrhein ins Sachsenland führenden Heerstraße eine Reihe von Stützpunkten angelegt, darunter auch Duisburg. Diese festen Plätze wurden im Laufe der Zeit ausgebaut, so dass sie auch den König und sein Gefolge für längere oder kürzere Zeit aufnehmen konnten, so oft die Aufgaben der Reichsverwaltung ihn hierher führten. So entstand an der Stelle der Duisburger Altstadt, die noch heute „die Burg" heißt, um die Mitte des 8. Jahrhunderts der fränkische Königshof Duisburg.

Die günstige Verkehrslage dieses Platzes am Rhein, der damals noch bis unmittelbar an das zur Gründung der Feste ausgesuchte Gelände herantrat, und zugleich am westlichen Ausgangspunkt der nach Westfalen und weiter nach Norddeutschland führenden Fahrstraße, genannt „der Hellweg" wurde von den Händlern jener Zeit erkannt. Daher entstand vor den Wällen der schützenden „Burg" auf hochwasserfreiem Gelände alsbald eine Siedlung der Kaufleute. Die ältesten Großhändler, von denen wir in Duisburg hören, waren Friesen. Auch in Köln, Straßburg und anderswo am Rhein hatten sie ihre reichen Niederlassungen. Wie wir aus anderen Städten wissen, waren diese Fernkaufleute gildeartig zusammengeschlossen und übten auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einen erheblichen Einfluss auf Entstehung und Entwicklung des beginnenden städtischen Lebens aus.

Pelzwerk, Fische und vor allem Wolltuche waren ihre Haupteinfuhrwaren, und es ist als eher anzunehmen, dass Duisburg schon damals n besuchter Handelsplatz für ein größeres Hinterland und ein Mittelpunkt des Warenaustausches war. Als Anlegestelle der Schiffe diente das Rheinufer unmittelbar vor der Stadt. Im 12. Jahrhundert entstand eine zehn Meter hohe Stadtmauer mit vier großen und mehreren kleinen Toren und mit 20 Türmen rings um die inzwischen herangewachsene Bürgersiedlung. Von diesen ansehnlichen Befestigungen sind leider nur noch geringe Reste zu sehen.

Die Lage Duisburgs am Schnittpunkt zweier bedeutender Verkehrswege ließ die Stadt wie vorherbestimmt dazu erscheinen, sich zum Handelsplatz von hohem Ruf zu entwickeln. Der Verkehr Duisburger Schiffer, der schon damals rheinabwärts und über die See bis nach England ging, rheinaufwärts bis Straßburg reichte, wurde vor allem von den staufischen Kaisern durch die Verleihung von Privilegien gefördert. Barbarossa befreite sie von mancherlei Zöllen, und 1173 ließ er zwei vierzehntägige Messen in Duisburg einrichten, deren reiche Beschickung durch drastische Maßnahmen noch gesteigert wurde. Da verkehrten mit den Tuchfabrikanten aus Flandern die deutschen Kaufleute aus dem Westen des Reiches.

Damals wurde Duisburg freie Reichsstadt, ausgestattet mit den gleichen Rechten wie Aachen. Über die ausdrückliche Verleihung eines Stadtrechtes, wie wir sie bei anderen Städten kennen, ist in Duisburg nichts überliefert. Eine glückliche Zukunft schien dem Gemeinwesen gesichert.

Da fielen in den letzten Dezennien des 13. Jahrhunderts mehrere Entscheidungen, die der Entwicklung eine ganz neue Richtung gaben.

Um 1275 suchte sich der Rhein bei Duisburg für seine Gewässer eine neue Stromrinne, 2000 Meter weiter nach Westen. Die Stadt verlor damit ihre bisherige direkte Uferlage, die wesentliche Vorbedingung für ihre frühmittelalterliche Wirtschaftsblüte. Der ehemalige Hauptarm blieb noch einige Zeit befahrbar. 1306/07 haben noch über 400 Duisburger Schiffe, deren Eigentümer namentlich genannt sind, die Lobither Zollstelle passiert. Der Rückgang war allmählich, aber er war unaufhaltsam. Endlich versandete das alte Rheinbett völlig. Der Beitritt zum Hansabund konnte der Stadt nach dem Verlust des wichtigsten Verkehrsweges den alten Wohlstand auch nicht sichern. Die Mehrzahl der Bürger musste sich damit abfinden als Handwerker und Ackerbauer ein bescheidenes Auskommen zu suchen.

Kurz darauf verlor Duisburg seine bisherige Reichsunmittelbarkeit. König Rudolf von Habsburg, für dessen weitreichende Pläne das Geschick der niederrheinischen Reichsstadt uninteressant war, verpfändete Duisburg im Jahre 1290 an den Grafen Dietrich von Klaue, als dieser mit des Königs Nichte Margarete von Kiburg Hochzeit hielt. So wurde Duisburg vom Reiche fortgegeben, als Pfand für die 2000 Mark, die Rudolf der Braut als Mitgift versprochen hatte. Das Reich hat diese Verpfändung nie wieder eingelöst und Duisburg wurde klevisch, wenn auch seine Bürger sich noch jahrhundertelang auf ihre Rechte als Glieder einer freien Reichsstadt zu berufen pflegten.

Zur gleichen Zeit, als der Rhein die Stadt im Stiche ließ, gewann Duisburg das Recht zur Selbstverwaltung durch einen Kreis von Ratsherren und zwei aus ihrer Mitte hervorgegangene Bürgermeister. Diese Bürgervertretung, zunächst beschränkt auf Angehörige der führenden Familien, hatte das Recht, selbständig Steuern auszuschreiben und innerhalb des örtlichen Rahmens Gesetze zu erlassen. Diese Selbständigkeit blieb auch unter klevischer Landeshoheit erhalten.

In der wirtschaftlich stillen Zeit, die dem Rückgang des Handels folgt, gewann Duisburg als Stätte gelehrter Studien eine neue Bedeutung. Das Gymnasium Duisburgense zog von weit her die Scholaren an. Seit 1552 lebte Gerhard Mercator in den Mauern der Stadt. Seine wissenschaftlich-kartographischen Arbeiten wurden epochemachend, sein Gradnetz für die Darstellung von See- und Weltkarten wird heute noch in der Nautik ebenso benutzt wie im Flugverkehr. Im Jahre 1665 wurde von der Regierung des Großen Kurfürsten von Brandenburg, dessen Haus 1609 die Erbfolge in Kleve angetreten hatte, in Duisburg eine Universität eröffnet. Ihre Geschichte nennt zwar nur wenig Namen, die als helle Sterne am Himmel der Wissenschaft bekannt sind. Aber trotz ihres von vornherein zu engen Wirkungskreises hatte die Duisburger Hochschule doch lange den Mittelpunkt des kulturellen Lebens am Niederrhein gebildet. Im Jahre 1818 wurde sie nach Bonn verlegt, wo sie unter ganz andersartigen günstigeren Umständen einen glänzenden Aufschwung genommen hat.

Fast gleichzeitig mit der Universitätsgründung ergriffen einige Bürger die Initiative zu einem neuen Vorstoß auf wirtschaftlichem Gebiet. Obwohl die Stadt nicht mehr unmittelbar am Rhein lag, brachten sie eine regelmäßige Schiffsverbindung zwischen Duisburg und einer Anzahl holländischer Rheinstädte zustande. Durch die fahrplanmäßige Regelmäßigkeit dieser „Börtfahrten" wurden die Speditionsgüter von weit her nach Duisburg gezogen. Fabrikate aus dem Bergischen, aus der Mark, dem Siegerlande und von anderen Orten wurden mit Karren nach Duisburg geliefert und kamen von hier aus in den Welthandel. Die von Holland als Rückfracht eingeführten Kolonialwaren nahmen von Duisburg aus den umgekehrten Weg. Erst die Napolionische Kontinentalsperre richtete die Duisburger Börtschifffahrt und die von ihr befruchteten örtlichen Gewerbe - Tabakbearbeitung und Tuchfabrikation zugrunde. Durch das Aufkommen der Dampfschifffahrt verlor die Börtfahrt jede Wettbewerbsfähigkeit.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde durch den Bau eines Hafens der ??? wieder an die Stadt herangeführt. Der moderne wirtschaftliche Aufstieg Duisburgs begann und setzte sich in raschem Tempo fort. Chemische Fabriken und Schiffswerften machten den Anfang. Es folgte die Maschinenbauindustrie. Hochöfen und Walzwerke erwuchsen seit der Jahrhundertmitte an der Rheinfront. Erzlager, Kohlenkipper, Holzlager und Getreidespeicher, um nur das Wichtigste zu nennen, entstanden an den Kais der Hafenbecken.

Es wird an anderer Stelle über die wirtschaftliche Bedeutung der Großstadt Duisburg berichtet werden, die dank den naturgegebenen wirtschaftsgeographischen Grundlagen und dank dem Fleiß ihrer Bürgerschaft im Begriffe steht, die durch den zweiten Weltkrieg verursachten furchtbaren Verluste an Gut und Blut zu überwinden.

Nicht vergessen werden darf aber die Nennung bedeutender Gemeindeteile, die nach der letzten Jahrhundertwende mit dem alten Duisburg verbunden worden sind.

Das, aus einer mittelalterlichen Rheinzollstätte, erwachsene Ruhrort liegt unmittelbar an der Ruhrmündung. Seine Bürger waren lange Zeit fast ausschließlich Schiffbauer und Frachtschiffer. Die neuzeitliche Entwicklung nahm hier einen ähnlichen Verlauf wie in Duisburg. Im Vordergrund des gewaltigen Hafenverkehrs stand die Kohleverfrachtung. Auf dem nördlich anschließenden Boden der alten Bauerschaften Laar, Stockum und Beeck entwickelten sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Hüttenindustrie und Bergbau zu Anlagen von Weltruf.

Meiderich, schon in fränkischer Zeit als Bauernsiedlung bekannt, verlor erst vor zwei bis drei Menschenaltern den Charakter einer vom Strom der Zeit unberührt gebliebenen rein ländlichen Ortschaft. Dann erst hielten auch hier Häfen, Bergbau, Eisenhütten und chemische Großindustrie ihren Einzug.

Ruhrort und Meiderich wurden 1905 mit Duisburg vereinigt, um den volkswirtschaftlich nicht länger zu verantwortenden Wettbewerb auf dem Gebiet des Hafenbaus zu beendigen. Eine nochmalige kommunale Zusammenlegung wurde 1929 durchgeführt. In diesem Jahre erfolgte die Vereinigung mit Hamborn.

 Hamborn war wie Meiderich bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts hinein rein agrarisch geblieben, verschont vom lärmenden Getriebe der Industrie. Dann aber gewannen neben anderen Anlagen die „Gewerkschaft Deutscher Kaiser" und die „August-Thyssen-Hütte" eine so schnelle und für deutsche Verhältnisse einzigartige Ausdehnung, dass Hamborn heute mehr als andere Teile Duisburgs das Bild einer reinen Industrie-Großstadt zeigt.

Im Süden der Stadt wurden gleichzeitig mehrere Gemeinden des ehemaligen Landkreises Düsseldorf angegliedert, die nur zum Teil industrialisiert sind. Der Gesamteindruck dieses Gebietes ist der eines noch vorwiegend land- und forstwirtschaftlich genutzten Geländes. Diese Eigenart macht die Gemeinden des Südens zu einem bevorzugten Erholungs- und Wohngebiet.

Es ist fast unnötig zu sagen, dass in der modernen Großstadt auch Kunst und Leibesübungen ihre Pflegestätten erhielten. Die bis ins benachbarte Ausland rühmlich bekannte Duisburger Oper eröffnet ihr durch den Krieg zerstörtes Haus in diesem Herbst nach völliger Wiederherstellung von neuem. Das Duisburger Orchester ist seit Jahren ebenso rühmlich bekannt wie die Sammlung von Plastiken des in Duisburg-Meiderich geborenen Bildhauers Wilhelm Lehmbruck im städtischen Kunstmuseum. Die Sportanlagen der Wedau mit ihrer einzigartigen Regattabahn üben auf die interessierten Kreise eine große Anziehungskraft aus.

Die Hauptaufgabe der Stadt in der Gegenwart aber ist die, im deutschen Wirtschaftsleben weiter ihren Platz zu behaupten als eine der wichtigsten Gewinnungsstätten von Kohle und Stahl und ihre führende Stellung unter den Birnenschifffahrtshäfen Europas von neuem zu festigen.

Zu unseren Bildern: Oben: Die Salvatorkirche am Burgplatz. Vom Turm dieser Kirche werden die alten Choräle, wie in Königsberg vom Schlossturm, geblasen werden. Unten: Blick vom Duisburger Hof auf das Stadttheater.

 

 

Seite 13   Ein Haus für Agnes Miegel

Die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel, die jetzt noch mit einer Begleiterin in einem Zimmer in Bad Nenndorf lebt, wird in wenigen Monaten ein eigenes Haus besitzen. Das Land Niedersachsen, Kreis und Stadt Nenndorf werden Mittel zum Bau eines „Agnes-Miegel-Heims" zur Verfügung stellen.

 

 

Seite 14   Europas größter Binnenhafen. Von Dr. Erich Schwoerbel

Für die wirtschaftliche Schichtung und den ökonomischen Aufbau einer Stadt ist in beherrschendem Maße ihre natürliche Lage bestimmend und richtunggebend. Seinen hervorragenden Platz im deutschen Wirtschafts- und Verkehrsleben verdankt Duisburg zweifellos seiner vorteilhaften Lage an Rhein und Ruhr sowie am Berührungspunkt der mitteldeutschen Gebirge mit der niederrheinischen Tiefebene. Zu der Gunst des Rheinstroms, der sich seit jeher für Duisburg als eine Kraftquelle besonderer Art erwies, gesellte sich die unmittelbare Nähe reicher Kohlenschätze, auf denen sich eine machtvolle Industrie aufbauen konnte.

Einen Hauptanstoß zu neuer Entwicklung erfuhr der nördliche Teil des heutigen Groß-Duisburgs durch das Aufkommen des Bergbaues und die Schifffahrt auf der Ruhr. Auf der Ruhr wurden Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Kohlen zum Rhein hin verfrachtet und hier aus den Ruhrnachen in Rheinkähne umgeschlagen. An der Mündung der Ruhr, in Ruhrort, entstanden so die ersten Niederlassungen des Kohlenhandels, der sich auch jetzt noch zum großen Teile dort konzentriert. Aus den Abgaben, die der preußische Staat von der Ruhrschifffahrt erhob, wurde ein besonderer Ruhrschifffahrtsfonds gebildet, dessen Erträgnissen auch der erste Ruhrorter Hafen seine Entstehung verdankt. Mit dem Niedergang der Ruhrschifffahrt, die namentlich infolge der ungleichmäßigen Wasserführung dieses Flusses dem aufstrebenden Schienenweg gegenüber nicht mehr wettbewerbsfähig war, ging die Bedeutung Duisburgs und Ruhrorts als Kohlenumschlagsplätze nicht zurück.

Wurde bisher von Schiff zu Schiff umgeschlagen, so vollzog sich der Umschlag nunmehr vom Eisenbahnwaggon in das Rheinschiff. Zwischen den Zechen und den Häfen entstand ein immer engmaschigeres Schienennetz. Auch die Ruhrorter Hafenanlagen selbst gewannen mit den wachsenden Förderziffern im Kohlenbergbau immer mehr an Ausdehnung. War und blieb für die Ruhrorter Häfen der Massenumschlag in Kohle charakteristisch, so wuchsen sich die Duisburger Häfen mehr zu reinen Industrie- und Handelshäfen aus. Die ersten Duisburger Hafenanlagen wurden durch private Initiative geschaffen. Durch eine weitsichtige Politik gegenüber den sich hier niederlassenden Firmen gelang es zunächst, bedeutende Betriebe des Holzhandels heranzuziehen. Ihnen folgten der Getreidehandel mit angesehenen Firmen, ferner große Speditionsfirmen, Mühlen, Schiffswerften und sonstige industrielle Werke. Erst im Jahre 1889 wurden die Duisburger Hafenanlagen durch die Stadt Duisburg übernommen, die den bisherigen Innenhafen beträchtlich erweiterte und sodann den Bau des Parallelhafens durchführte. Die Besiedlung dieser Häfen machte auch weiterhin erfreuliche Fortschritte.

Zur Vermeidung eines unwirtschaftlichen Nebeneinanderarbeitens wurden die Duisburger und Ruhrorter Häfen 1905 zu einer Betriebs- und Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Die vereinigten Häfen wurden fortan von einer besonderen „Verwaltung der Duisburg-Ruhrorter Häfen", die dem Ruhrfiskus unterstand, für gemeinsame Rechnung bewirtschaftet. Im Jahre 1926 wurde diese staatliche Verwaltung, um die künftigen Aufgaben elastischer meistern zu können, in eine Aktiengesellschaft, die heutige Duisburg-Ruhrorter –Häfen AG., umgewandelt. Um den steigenden Massenverkehr des Ruhrorter Hafens bewältigen zu können, wurden noch im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts drei gewaltige Hafenbecken A, B und C geschaffen, die durch den Hafenkanal eine unmittelbare Verbindung zum Rhein hin erhielten.

Die Bedeutung der Rhein-Ruhr-Häfen verminderte sich auch nicht, als im Jahre 1914 der Rhein-Herne-Kanal in Betrieb genommen wurde, das erste Teilstück des Mittellandkanals, der das industrielle Herz Deutschlands mit dem mehr agrarischen Osten in organische Verbindung bringen sollte. Mit der Eröffnung des Rhein-Herne-Kanals wanderte allerdings ein Teil des Kohlenumschlagsverkehrs, der sich bislang über die Duisburg-Ruhrorter Häfen abwickelte, zum Rhein-Herne-Kanal, in dessen Zuge zahlreiche neue Zechenhäfen entstanden. Um den Rhein-Herne-Kanal und damit auch den Mittellandkanal leistungsfähiger zu gestalten, hat man dem Kanal, der zunächst nur in das Hafenbecken C des Ruhrorter Hafens einmündete, eine zweite Mündung zur Ruhr hin gegeben, wodurch auch der Unterlauf der Ruhr wieder dem Schifffahrtsverkehr erschlossen wurde.

Dass Duisburg sowohl wie Duisburg-Ruhrort sich durch diesen starken Umschlagsverkehr zu Hauptbrennpunkten des Schifffahrtsverkehrs entwickelte, liegt auf der Hand. Heute ist Duisburg der Haupt sitz der großen Rheinreedereien und bedeutender Speditionsfirmen. In enger Verbindung mit der Schifffahrt und dem Kohlenumschlag entfalteten sich auch zahlreiche andere Unternehmungen zu kraftvoller Entwicklung, so mehrere leistungsfähige Schiffswerften, Reparaturwerkstätten, Handelsunternehmen für Schiffsmaterialien aller Art und Kohlenhandelsgesellschaften. In den Rhein-Ruhr-Häfen spielen bei den Umschlagsmengen nach wie vor Kohlen die Hauptrolle, wenn auch in den öffentlichen Duisburg-Ruhrorter-Häfen der Kohlenumschlag in den letzten Jahren wesentlich zurückgegangen ist. Von den weiteren Umschlagsgütern stehen weiterhin an hervorragender Stelle Erze, Roheisen und verarbeitetes Eisen jeder Art, Steine und Erden, Getreide und Holz, sowohl Grubenholz wie Bauholz. Die Zunahme des Bergbaus sowie die ins Riesenhafte gehende Besiedlung des Industriegebiets gaben dieser Einfuhr stets frischen Antrieb. In den letzten Jahren ist der Umschlag, sowie die Lagerung von Rohöl, stark in den Vordergrund getreten. Die großen Vorteile, die der Wasserweg namentlich in den vergangenen Jahrzehnten für die Zufuhr von Rohstoffen und den Versand von Massengütern bot, hat auch das Entstehen hervorragender Industriewerke in Duisburg wesentlich gefördert. Wegen des günstigen Bezugs von Erzen, und weil vor allem die Rheinwasserstraße den besten Abfuhrweg nach den großen Rheinmündungshäfen Rotterdam und Amsterdam sowie auch nach Antwerpen darstellt, haben sich schon früh Hüttenwerke, die sowohl der Eisen- und Stahlherstellung wie der Herstellung sonstiger Metalle (Zinn, Zink, Kupfer) dienen, in der Nähe des Duisburger Rheinufers niedergelassen. Von den Stahl- und Walzwerken seien hier genannt die August Thyssen Hütte AG, DuisburgHamborn, das Hüttenwerk Ruhrort-Meiderich, die Mannesmann-Hüttenwerke in Duisburg-Huckingen, die Niederrheinische Hütte, Duisburg, und die Hahnsche Werke Aktiengesellschaft, Duisburg-Großenbaum. Eine Kombination von Metall- und Eisenhütte und chemischer Fabrik ist die Duisburger Kupferhütte, das größte Kupferextraktionswerk Europas.

Von den Metallhütten und Metallwalzwerken verdienen außer der Duisburger Kupferhütte Erwähnung die AG für Zinkindustrie vorm. Wilhelm Grillo, Duisburg-Hamborn, die Berzelius Metallhütten GmbH, sowie die VDM-Halbzeugwerke in Duisburg. Daneben birgt Duisburg auch hochstehende Werke der Eisen weiterverarbeitenden und veredelnden Industrie. Darüber hinaus ist Duisburg unstreitig ein Mittelpunkt der deutschen Maschinenindustrie. In erster Reihe steht hier die Demag, die zugleich eines der ältesten Unternehmen der Duisburger Maschinenindustrie ist. Besonders zu nennen ist außerdem der Brückenbau. Dazu ist eine große Reihe von Spezialindustrien in Duisburg vertreten mit zum Teil weltbekannten Namen. Durch die Ferngasversorgung sind die Thyssenschen Gas- und Wasserwerke in Duisburg-Hamborn über die Grenzen des Landes hinaus von Bedeutung.

 

Die Werke der chemischen Großindustrie, die Duisburg aufweist, gehören gleichfalls zu den bestgestalteten Werken dieser Art in Deutschland. Einige dieser Betriebe wie die Gesellschaft für Teerverwertung in Duisburg-Meiderich, leisten in der Verarbeitung der aus dem Verkokungsprozess gewonnenen Nebenprodukte und in der Herstellung der verschiedensten Teererzeugnisse Hervorragendes. Eine alte Duisburger Industrie ist die Tabakindustrie, deren Erzeugnisse bei den Rauchern in gutem Ruf stehen. Die größte Vertreterin dieser Industrie ist. die Firma Arnold Böninger. Vorteilhaft beeinflusst durch die Nähe des Rhein-Stroms wurde auch die Entwicklung der Duisburger Mühlenindustrie, die einen Teil des eingeführten Getreides über die Rheinstraße heranholt. Aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie sei schließlich noch die größte Duisburger Brauerei, die König Brauerei in Duisburg-Beeck aufgeführt.

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle Industrien hervorzuheben, die einer Darstellung wert sind. Das gewerbliche Leben Duisburgs ist von einer solch seltenen Vielseitigkeit und Mannigfaltigkeit, dass sich allein in dieser Tatsache der wirtschaftliche Hochstand dieser Stadt widerspiegelt. Die Stadt Duisburg umfasst allein 17 industrielle Betriebe mit zusammen rund zweiundfünfzigtausend Beschäftigten. Auf den Stadtbezirk Duisburg entfällt ein ründes Drittel der westdeutschen Roheisenproduktion, ein Viertel der Rohstahl- und Walzwerkerzeugung, 21 Hochöfen sind zurzeit im Duisburger Stadtbereich in Betrieb.

Die Duisburg-Ruhrorter Häfen haben 230 ha Wasserfläche, 44 km Uferlänge und rund 455 km Gleislänge. Rund 130 betriebliche Kräne befinden sich in den Duisburg-Ruhrorter Häfen, ebenso ist dort die einzige und modernste Kohlenmischanlage des gesamten Rheinstromgebiets. In den letzten Jahren hatten die Duisburg-Ruhrorter Häfen einen Gesamtgüterumschlag von rd. 10 Millionen t. An der Spitze stehen hinsichtlich der Umschlagsmengen Kohlen und Erze, daneben gewinnt in den letzten Jahren der Ölumschlag wachsende Bedeutung, der schon mehrere 100 000 t jährlich beträgt. Neben den öffentlichen Duisburg-Ruhrorter Häfen haben im Duisburger Stadtgebiet die privaten Werkshäfen einen jährlichen Umschlag von insgesamt rund 17 Millionen t, so dass die gesamten Häfen im Duisburger Stadtgebiet zurzeit einen Jahresumschlag von rund 17 Millionen t aufweisen. Über 50 000 Schiffe haben beispielsweise in Jahre 1950 die Duisburg-Ruhrorter Häfen angelaufen. Neben deutschen Fahrzeugen sind auch wesentlich ausländisch Flaggen, und zwar die Niederlande, Belgien, Frankreich und die Schweiz beteiligt.

 

 

Seite 17   Wi lere Plattdietsch. Von Dr. Karl Bink.

VI. Fortsetzung

Wi sette nu von enem starke Doonwoart, dat (glaubt), röchtig Plattdietsch to könne, kunn je heet von eenem möt Avlaut, wedder bloß dedem Satz: De Hölterblöß findt e höltere Doaler. Eenfache Tide hen, neme (nehmen) oaver de De höltere Doaler ward vom Hölterblöß gefunde Wunschforme oder de Mäglichkeisfoarme dorchgoane; dat moakt (oak = ach) vleicht (letiensch Konjunktiv) dato. Wer all gloovtmeer Spoaß (oa = a).

Dat Kind singt dat Leed. Dat Leed wurd vom Kind gesunge.

Ök wönsch (ö = ü), dat dat Kind dat Leed singt, sing, singe micht. Ök wönsch, dat dat Leed vom Kind gesunge ward, gesunge ware micht.

Ök wönschd, dat dat Kind dat Leed sung, gesunge, hadd, gesunge hebbe micht. Ök wönschd, dat dat Leed vom Kind gesunge wurde, weer, gesunge sön micht.

 

De Kinder singe de Leder. De Leder ware von e Kinder gesunge.

De Kinder sunge de Leder. De Leder wurde von e Kinder gesunge.

Ök wönsch, dat de Kinder de Leder singe, singe michte. Ök wönsch, dat de Leder von e Kinder gesunge ware, gesunge ware michte.

Ök wönschd, dat de Kinder de Leder sunge, gesunge, hadde, gesunge habbe michte. Ök wönschd, dat de Leder von de Kinder gesunge wurde, were, gesunge sön michte.

 

Kind, du singst dat Leed. Leed, du warscht vom Kind gesunge.

Kind, du sungst dat Leed. Leed, du wurdst vom Kind gesunge.

Kind, ök wönsch, dat du dat Leed singst, singe michst. Leed, ök wönsch, dat du vom Kind gesunge warscht, gesunge ware michst

Kind, ök wönsch, dat du dat dat Leed sungst, gesunge haddst, gesunge hebbe michst. Leed, ök wönschd, dat du vom Kind gesunge wurdst, gesunge werrscht, gesunge sön micht.

 

Kinder, ju singe de Leder. Leder, ju ware von e Kinder gesunge.

Kinder, ju sunge de Leder. Leder, ju wurde von e Kinder gesunge.

Kinder, ök wönsch, dat ju de Leder singe, singe michte. Leder, ök wönsch, dat ju von e Kinder gesunge ware, gesunge ware michte.

Kinder, ök wönschd, dat ju dat Leed sunge, gesunge hadde, gesunge hebbe michte. Leder, ök wönschd, dat ju von e Kinder gesunge wurde, gesunge were, gesunge sön michte.

 

Dat Kind seggt: ök sing dat Leed. Dat Leeds eggt: ök war vom Kind gesunge.

Dat Kind seggt: ök sung dat Leed. Dat Leed seggt: ök wurd vom Kind gesunge.

Dat Kind seggt: he wönscht, dat ök dat Leed sing, singe micht. Dat Leeds eggt: he wönscht, dat ök vom Kind gesunge war, gesunge ware micht.

Dat Kind seggt, he wönschd, dat ök dat Leed sung, gesunge hadd, gesunge hebbe micht. Dat Leeds eggt: he wönschd, dat ök vom Kind gesunge wurd, gesunge weer, gesunge sön micht,

De Kinder segge: wi singe de Leder. De Leder segge: wi ware von de Kinder gesunge.

De Kinder segge: wi sunge de Leder. De Leder segge: wi wurde von e Kinder gesunge.

De Kinder segge: se wönsche, dat wi de Leder singe, singe michte. De Leder segge: se wönsche, dat wi von e Kinder gesunge ware, gesunge ware michte.

De Kinder segge, se wönschde, dat wi de Leder sunge, gesunge hadde, gesunge hebbe michte. De Leder segge: se wönschde, dat wi von e Kinder gesunge wurde, gesunge were, gesunge sön michte.

Fortsetzung folgt

 

 

Seite 17   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen

Geburtstagskinder des September:

02.09.1952 Eva Thrun-Probst (TC Danzig), 21a Bad Pyrmont. Waisenhof 8

03.09.1952 Irma Jagusch-Martin (Elbing), 20a Hameln, Sedemünder Straße 10

04.09.1952 Eduard Quitsch (KMTV), 1 Berlin NW 21, Pritzwalkerstraße 14, Vorderhaus hpt. r.  

06.09.1952 Hugo Hoff (KMTV), 24b Flensburg, Marienhölzungsweg 17

07.09.1952  Martin Chall (KTC), 23 Bremen-Arsten, Im Pohl 11

07.09.1952 Herbert Noack (TuF Danzig/Zoppot/Kulm), 24b Kiel, Düppelstraße 60

08.09.1952 Christa Bader (Allenstein), 24a Schwarzenbek, Kollowerstraße 1

09.09.1952 Emil von Damaros (TC Danzig), 21a Weibeck 16 über Rinteln (Weser)

09.09.1952 Eugen Schütt jun. (TuF Danzig), 24a Hamburg Gr.-Borstel, Borsteler Chaussee 253

09.09.1952 Otto Zipplies (Insterburg), 14a Künzelsau (Württemberg), Hauptstraße 17

10.09.1952 Arthur Friedrich (Gumbinnen), 24b Kosel über Eckernförde

10.09.1952 Dr. Wolfgang Kallinich, 24a Stade, Thunerstr. 102

11.09.1952 Gertrud Aust (KMTV), 22b Dickenschied 6, Post Kirchberg (Hunsrück)

11.09.1952 Georg Bending (KSTV), Hb Gadeland über Neumü

11.09.1952 Christliebe Mirau--Schaarschmidt (TuF Danzig), 20a Hannover, Bödeckerstraße 67 I 12.09.1952 Toni Assmus-Nawottka (KMTV), 20a Schmedenstedt 120 über Peine

12.09.1952 Else Bader (Tgm. Danzig/Allenst.), 24a Schwarzenbek, Kollower Straße 1

12.09.1952 Gertrud Callwitz-Werth (Tgm. Danzig), 20a Deckbergen 48 über Rinteln (Weser)

12.09.1952 Dr. Erich Zwickel (Zoppot), 16 Watzenborn-Steinberg über Gießen, Steinstraße 52

13.09.1952 Ellen Thrun (TC Danzig). 21a Bad Pyrmont. Waisenhof 8

13.09.1952 Adam Lojewski (Lyck), 21a Neubeckum (Westf.), Parkstraße 7

14.09.1952 Otto Drewing (Zoppot), 16 Marburg (Lahn). Hirschberg 12

14.09.1952 Fritz Neumann (KTC), 24a Lübeck, Attendornstraße 14 I

14.09.1952 Ernst Kaltwang (Insterburg), Saarland Elm-Saar, Hauptstraße 199

14.09.1952 Else Huwe-Urban (Treuburg), 20a Hannover, Simrockstraße 25 pt.

14.09.1952 Liselotte Milz-Reuser (KTC), 24a Cuxhaven, Wilhelm-Heidsiek-Straße 36

15.09.1952  Hans Budnik (Danzig), 20a Hannover-Linden, Göttinger Chaussee 165 (Perogen-Bodenbelag)

16.09.1952 Marianne Maßling-Ogrzwalla, 22a Mühlhelm (Ruhr), im Oppspring 58

17.09.1952 Dr. Kurt Reicke (KTC), 24b Flensburg-Mürwik, Zollschule

17.09.1952 Lotte Schmidt-Lau (KMTV), 13a Regensburg, Karthäuser Straße 19 I

17.09.1952 Siegfried Schwartzkopff (Pr.-Eylau), 20a Hannover, Herrenhauser Straße 55

19.09.1952 Hermann Geisendorf (Elbing), 21a Ibbenbüren, Unterer Markt 8 II

19.09.1952 Margarete Slogsnat-Hungerecker (Tilsit), 20a Burgdorf (Hann.), Neustadt 34

21.09.1952 Helene Hoffmann-Donat (Zoppot), 24a Hamburg-Harburg, Heimfelder Straße 34 II 21.09.1952 Gerhard Prohl (Dzg-Nfw.), 24a Schwarzenbek, Erfstraße 10 II

22.09.1952 Dr. Oswald Boethke (Dt.-Eylau), 17a Weinheim Bergstr., Prankelstraße 60  

23.09.1952 Elisabeth Hübner-Kanitz (KMTV), 1 Berlin-Lichtenberg, Spittastraße 11 I

25.09.1952 Franz Lau (KMTV), 3a Güstrow, Weinbergstr. 32

25.09.1952 Erich Gnech (Tgm. Danzig), 24b Neumünster, Klinke 5

26.09.1952 Dr. Walter Sand (Lyck), 24b Schönberg (Holst.), Gorch-Fock-Straße 5

26.09.1952 Elfriede König-Döge (Zoppot), 20b Göttingen, Münchhausenstraße 23

26.09.1952 Olga Ewert-Schwiderek (Lyck), 21b Dortmund-Kruckel, Brunebeckweg 15

27.09.1952 Wilhelm Ewert (Lyck) ebenda

29.09.1952 Theo Brodersen (KMTV 1844, Kiel), 24b Kie-lGaarden, Elisabethstraße 10

30.09.1952 Max Buttler (KTC), 24b Russee über Kiel, Dorfstraße 91

30.09.1952 Charlotte Stutz-Hartwig (Fr. TV Labiau), 24b Kiel, Fockstraße 25/29

Allen Geburtstagskindern, besonders aber

Ernst Kaltwang zum 30.,

Wilhelm Ewert zum 50. und

Gertrud Callwitz zum 70. Wiegenfest herzlichste Glückwünsche und ein kräftiges Gut Heil! Onkel Wilhelm.

 

 

Seite 17   Schnellste Durchführung

VK. - Im Hinblick auf das Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes vom 1. September hat Dr. Kather folgende Erklärung abgegeben:

„Das Lastenausgleichsgesetz tritt am 1. September in Kraft. Wenn vom Bundesfinanzminister vor übereilten Erwartungen gewarnt wird, so ist das verständlich. Aber der Hinweis, dass schon die Schadensfeststellung ein Jahr oder länger dauern wird, kann nicht ohne Widerspruch hingenommen werden. Gewiss wird die Feststellung aller Schäden eine solche Zeitspanne beanspruchen. Aber es darf kein Zweifel darüber aufkommen, dass die dringlichsten Fälle in kürzester Frist bearbeitet und erledigt werden müssen.

Das ist bei der Hausratsentschädigung, die pauschal vorgenommen wird, also 70% aller Fälle, durchaus möglich. Das muss auch gelten für die Kriegsschadenrente und die Eingliederungshilfe. Nur wenn eine schnelle und unbürokratische Durchführung des Gesetzes sichergestellt wird, kann verhindert werden, dass statt des erstrebten Erfolges Rückschläge eintreten.

Die Kräfte, die sich bis zuletzt gegen die Vorziehung des Feststellungsgesetzes gesträubt haben, dürften allerdings kaum dazu berufen sein, dieser Arbeit die notwendigen Impulse zu geben. Die Schaffung geeigneter personeller Voraussetzungen und die verantwortliche Einschaltung der Geschädigten-Organisationen sind deshalb erstes und dringendstes Gebot. Es darf auch bei dieser Gelegenheit nicht versäumt werden, auf die von den Regierungsparteien angekündigte Novellengesetzgebung hinzuweisen. Sie muss unmittelbar nach den Ferien in Angriff genommen werden."

 

 

Seite 17   Längere Anmeldefrist für Ostsparer?

Die Durchführung des Währungsausgleichsgesetzes hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die einer Klärung bedürfen. Voran steht hier in Frage der Anmeldefrist, die bis zum 01.10.1952 bemessen ist. Inzwischen ist durch das Lastenausgleichsgesetz eine Erweiterung der Antragsberechtigung herbeigeführt worden. Hierdurch wird eine größere Anzahl von Vertriebenen nunmehr in die Lage versetzt, die Konten anzumelden. Die bis zum 01.10.1952 gesetzte Frist erweist sich daher allgemein als zu knapp.

Hierzu kann mitgeteilt werden, dass eine Verlängerung der Anmeldefrist bis zum 31.12.1952 beabsichtigt wird. Die erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen werden demnächst eingeleitet. Es besteht also Gewähr dafür, dass jeder seine Ansprüche geltend machen kann. Trotzdem wird empfohlen, die Anmeldung nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Nach § 7 Abs. 3 des WAG sind die zur Entgegennahme der Anträge bestimmten Stellen, nämlich Geldinstitute und Postanstalten, verpflichtet, die Anträge auch dann entgegenzunehmen, wenn Beweisunterlagen noch nicht vorhanden sind. In diesem Falle genügt es, dass das Vorhandensein des Sparkontos schlüssig behauptet und die Nachreichung der Unterlagen versichert wird. Damit gilt die Frist als gewahrt. Kreditinstitute und Postanstalten, die die Entgegennahme derartiger Anträge verweigern, machen sich im Übrigen schadenersatzpflichtig.

 

 

Seite 18   Das Geheimnis des Neuroßgärter Turmknopfs.

Enthüllung durch die grauenvolle Brandnacht vor acht Jahren

Foto: In der Neuroßgärter Kirche. Aufn.: Fr. Wiemers

Als die vom britischen Luftmarschall Arthur Harris nach Königsberg entsandten Bombengeschwader in der Nacht vom 29. zum 30. August 1944 ihre verderbenbringende Last über der Stadt abgeworfen hatten, ging auch die Neuroßgärter Kirche in Flammen auf und brannte aus. Wertvolle Kunstwerke gingen verloren, so die hölzerne Tonne der Decke mit schönen Tempera-Malereien aus dem 17. Jahrhundert, ferner das kunstvolle Deckengehänge, das Christian Otter, der bekannte Festungsbaumeister des Großen Kurfürsten, angefertigt hatte. Ebenso wurde die schöne Orgel, ein Meisterwerk deutscher Orgelbaukunst, ein Raub der Flammen.

Auch der Turmhelm, der in seiner Bauart an das Zeitalter des Barock erinnerte, stürzte, seiner Stützen beraubt, in die Tiefe. Durch den Aufprall wurde der Turmknopf auseinandergeschlagen. Dabei fiel eine stabförmige Röhre heraus, die zunächst einiges Aufsehen erregte, weil man sie für einen Blindgänger einer Stabbrandbombe hielt. Bei näherem Betrachten stellte es sich heraus, dass es sich um eine ganz harmlose Kupferröhre handelte. Man öffnete sie und erkannte sofort, dass man einen wertvollen Fund gemacht hatte.

Die Kupferbüchse enthielt eine völlig unversehrte Leinentuchrolle und darin eingerollt eine auf Pergament geschriebene Urkunde vom 7. Mai 1695. Sie berichtete vom Bau der Neuroßgärter Kirche und begann mit den Worten:

 „Im Namen Gottes des AllerhöchsteniIst

Anno 1644. Im Monat Majo

diese Neu-Roß-gartsche Kirche angeleget

Im Vierten Jahr der beglückten Regierung

Sr. Churturstl. Durchl. zu Brandenburg

etc. etc. etc.

dieses Herzogthumbs Preußen

damahligen allergnädigsten Landes

Herrn

Herrn Friedrich Wilhelmen des Großen

zu welcher Zeit

In E. E. Rath d. Altenstad

folgende Herren gelebet."

Nun folgten die Namen ehrenhafter Königsberger Bürger, zu deren Lebzeiten der Bau dieser Kirche begonnen wurde. Es wurden genannt: Albrecht Jonas, Präsidirender Bürger-Meister, Johann Koye, Pro-Consul (Stellvertretender Bürgermeister), Heinrich Göbel, Scholarch (Schulvorsteher), Christoff Frentzel, Vogt zu Neuendorff, Andreas Lölhöfel, Burggraf und Vogt auffm Steintham, Bartholomaeus Drachstädt, Ober-Cämmerer, Reinhold Lubenau, Unter-Cämmerer, Casper Rohdeman, Vogt zu Dahlheim, Jochim Löbel, Ober-Kirchen-Vorsteher und Bau-Herr dieser Neu-Roß-Gartschen Kirchen, Jacob Hoffmeister, Krahn- und Wage-Herr, Paul Freyling, Lastadien-Herr, Hansz Rabe, Wach-Herr, Daniel Kenckel, Secretarius; Martin Wolderus ist zu selbiger Zeit Pfarrer in der Alten-Stadt gewesen, Über den Verlauf des Baues, der sich über 50 Jahre hinzog, erwähnte diese Urkunde nichts. So fehlten z. B. Angaben über die an dem Bau beteiligten Handwerker und Bauunternehmer; auch Christian Otter, einer der bedeutendsten Architekten, wird namentlich nicht erwähnt. Wahrscheinlich wusste der Schreiber dieses Dokuments, der Theologie-Student Friedrich Kersten, auch nichts Näheres über die lange Bauperiode zu berichten.

Auf den nächsten Seiten des Pergaments stand geschrieben:

„Anno 1695 gleichfalls im Monat Majo, ist durch göttliche Gnade und Beystand das Letzte, als die auserliche Zierde dieser Kirchen, nehmlich der Thurm-Bau geendigt. Knopff und Fahn aufgesetzet, und also das Werck mit der Krohne des Wapens E. E. (eines Ehrbaren) Raths der Alten-Stadt gekröhnet worden, und zwar im Achten Jahr der höchstlöblichen Regierung Sr. Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg, Unsers itzigen Allergnädigsten Landes-Herren Friedrich des Dritten etc. etc. etc. Da In E. E Rath der Alten Stadt, welcher Patronus dieser Kirchen ist, folgende Herrn gelebet“.

Es werden nun aufgeführt: „Friedrich von Derschau, Churfürstl. Br. (Brandenburgischer) Ober Appelation- und Hoff-Rath, Praesidierender Burgermeister, Heinrich Bartsch Senior, Pro-Consul, Puppilaris und Scholarch, Andres Brock, Ober-Cämmerer und Vogt zu Dahlheim, Georg Dittmer, Burggraf d. Freyheit, Steintham, und Vogt zu Neuendorff, Johann Willemsen, Lstadien Herr, Georg Wilhelm Mühlkümtzel, voritzo Richter und Unter-Cämmerer, auch Ober-Kirchen-Vater dieser Neu-Roßgartschen Kirchen, Peter Schwenner, Ober-Wett-Herr (das Wett-Gericht war ein Kaufmannsgericht), und Vogt zu Steinbeck, Christoff von Kohlen, Ober-Vorsteher des Hospitals S Georgen, Unter Richter u. Unter Wett-Herr, Johann Kantel, Kriegs Commissarius Unter Wett-Herr und Bau-Herr, Georg Werner, Wach-Herr und Bau-Herr, Heinrich Bartsch, Junior, Secretarius.

„Itzo Anno 1695 ist Herr M. Bartholomaeus Goldbach, Pfarrer in der Alten-Stadt. Bey dieser Kirchen aber ist itzo der dritte Prediger, und zwar der Erste ist gewesen Hr. M Iohannes Sieglerus, welcher im Ambt gelebet 22 Jahr. Der Andere Herr Bartholomaeus Bredelo, hatt im Ambt gelebet 6 Jahr, und der Dritte ist  itzo Herr M. Andreas Meyer, welcher nunmehro 18 Jahr das Ambt geführet. Nun auch mit müglichstem annahmen u. Befordern viel zu diesem Bau geholffen.

 

Was in gegenwärtiger Zeit gangbahre Müntze gewesen, wird hiebey zu befinden seyn."

Die der Urkunde beigelegten Münzen trugen zum größten Teil das Münzzeichen E, das Signum der Königsberger Münze. Um die Nachwelt über die Münzen aufzuklären, hatte der Schreiber der Urkunde noch ein Verzeichnis angelegt. Unter den 29 Silbermünzen waren: ein doppelter Gulden, ein Gulden, 2 Achtzehngroscher, 4 Sechsgroscher, 3 „Düttken" oder Dreigroscher und 18 Schillinge. Die lateinische Umschrift auf  der Kopfseite des Doppelguldenstücks lautete: Frider: III. D. G. M. B. S. R. I A - C & Elect. (Zu Deutsch kurz: Friedrich III. durch Gottes Gnade Markgraf von Brandenburg und Kurfürst), auf der Wappenseite: Brandenb. 1693 MONETA NOVA, d. h. Neue Münze. Dann gedachte der Chronist der Bürger, die den Bau der Kirche gefördert haben: „Im Übrigen, ist annoch sonderlich und im besten zu gedenken, dass sich unterschiedliche, Christliche Hertzen, so wol auss der Erb. Bürgerschafft, als auch sonsten gefunden, die zu Beförderung und Fortsetzung dieses Baues, Ihre Mildigkeit Gott zu Ehren reichlich haben spühren lassen.

Das Letztere aber, nehmlich den Knopff, die Fahn, und die Krohne dieses Thums zu vergulden und die Helm-Stange zu zieren, welches alles nicht wenig gekostet, hat der Praesidierende Herr Burger-Meister dieser Alten Stadt Königsberg Tit: Herr Friedrich von Derschau, Churfürstl. Br. Ober Appellation Gerichts- und Hoff-Rath, geschenket, und dargegeben.

Auch hat eben dieses Jahr Sr. Churfürstl. Durchl. zu Br. Hoch-verordneter Ober Appellation Gerichts-Rath, Herr Johann Philip Tau einen gutten Anfang gemachet, zu Stifftung eines großen Schlage-Uhres auf diesen Kirchen-Thurn."

Die Urkunde schließt dann mit den wortreichen Sätzen:

„Solches alles wolle der Allerhöchste Gott Ihnen allerseits mit Himmlischer Gnade und göttlichem Seegen ersetzen, auch Sie nebst allen Ihrigen, hie zeitlich und dort Ewig mit alle Vergnügung und großer Freude beseeligen und überschütten.

Dieses Kirchen Gebäu aber bewahre Gott für allem Unheyl und Schaden, und erhalte es zu Seinen Göttlichen Ehren, und zu Verbreitung seines Heyligen Nahmens bey der unverenderten Augspurgischen Confession in guttem Zustande bis an das Ende der Welt, Amen!

Alten-Stadt Königsberg, den 7. Maji Anno 1695“.

Solches setzet und wünschet Georg Wilheim Mühlküntzel Itziger Zeit, bey dieser Neu-Roß-gartschen Kirchen Ober Kirchen Vater undt Bauführer, den 17. Maji 1695 da Fahn und Knopff aufgebracht wird", so hieß es in einer abschließenden Bemerkung. Aus einem Post-Scriptum zu dieser Urkunde ging hervor dass bei einem Gewitter am Nachmittag des 9. Mai 1695 ein Blitzstrahl durch den Turm fuhr, der zum Glück nicht zündete. So blieb der gerade vollendete Bau vor Feuer verschont. Ein diesem Post-Scriptum beigefügtes Gedicht, von dem damaligen Altstädtischen Bürgermeister Friedrich von Derschau verfasst, hielt jenes bedeutsame Ereignis in Versen fest:

„Was soll man, großer Gott! von deiner Allmacht sagen?

Was Wunder haben wir an deinem Haus gesehn?

Es hat ein Donner-Strahl in seine Spitze geschlagen,

und dennoch ist kein Leid, und Schaden Ihm geschehn.

O' wunderbahres Werk! Gott schmältzet Stahl und Eisen,

doch bleibt das weiche Holtz vom Feur und Brande frey:

Was wil uns dieser Schlag, O' Höchster! anders weisen

als dies, daß Deine Macht nicht zu ergründen sey

Und daß wir Deine Gnad und Gültigkeit erkennen?

es bricht Dein Himmels Feur, bald Hier bald dort Herein,

es sengt zwar Hin und Her, doch muß es nirgends brennen.

O' sollt Hierunter auch nicht was verbognes seyn,

Wann Gott mit einem Slag in Zweene Thürm schlaget *),

den einen gar verbrennt, den andern aber schont,

Wann seines Grimmes Hand auch solchen O?? beweget

da seines Nahmens Ehr und sein Gedächtnis wohnt."

Georg Wilhelm Mühlküntzel, der Schreiber des Post-Scriptums, konnte dann abschließend feststellen, dass nach diesem aufregenden Ereignis wenige Tage später, am 17. Mai 1695, Knopf und Fahne glücklich auf den Neuroßgärter Kirchenturm gebracht worden sind.

Fast 250 Jahre ruhten diese bedeutsamen Dokumente wohlgeborgen auf dem Turm, Kriegsnot und andere böse Zeiten überdauerte, den des „Himmels Feur“ verschonte, bis der Zerstörungswahn unserer Zeit, der selbst vor Gotteshäusern nicht haltmachte, ihn im Feuersturm einer schaurigen Brandnacht vernichtet. E. P. ?

*) Am gleichen Tage traf ein weiterer Blitzschlag den damals noch fünfspitzigen Turm der Löbenichtschen Kirche und setzte ihn in Brand;

 

 

Seite 20   70 Jahre Segel-Club Baltic

Foto: Jetziger Yachthafen in Kiel

Am 2. September 1952 jährt sich zum 70. Mal der Tag, an dem auf Einladung des Königsberger Fabrikanten Louis Halffter in der historischen Gaststätte „Kettenbrunnen" sieben Königsberger Yachteigner zusammenkamen und als einen der ältesten deutschen Segelvereine den „Segel-Club Baltic" gründeten. Aus diesen unscheinbaren Anfängen heraus entwickelte sich im Laufe der Jahre ein Segelsportverein, dessen große sportliche Erfolge im gesamten Osten aufhorchen ließen und der schließlich im Jahre 1945 eine Mitgliederzahl von rund 300 Mitgliedern, von über 40 Eigneryachten und sechs Clubbooten, zahlreichen Eissegelschlitten, Motorbooten usw. aufweisen konnte. Nachdem ursprünglich der erste Clubhafen an dem alten Fort Friedrichsburg, an der alten Eisenbahnbrücke gelegen, und ein schwimmendes Clubhaus den ersten Anforderungen genügt hatte, siedelte der Segel-Club Baltic Ende des Weltkrieges nach Contienen in die dortige Beek über. Hier entstanden im Laufe der Jahre eine große Steganlage für etwa 50 Boote, ein großes Clubhaus mit Festsaal, Bootsmannswohnung usw., ein 15 mal 70 Meter großer Bootsschuppen mit eigener Schlippanlage, Mastausheber, Werkstätten, Umkleide- und Waschräume usw. Daneben wurde im „Börsenkeller" ein großes Clubzimmer mit eigener Einrichtung unterhalten, welches den allwöchentlichen Zusammenkünften in der Stadt diente.

Seit der Gründung hat der S.C.B, auf fast allen Regattabahnen der Ostsee über 500 Preise allein auf Clubbooten ersegeln können, die zum größten Teil in den Clubräumen Aufstellung gefunden hatten, soweit sie nicht als besondere sportliche Anerkennung den Gewinnern zu Eigentum verliehen wurden. Die Zahl der Preise, welche auf Eignerbooten unter dem Stande des S.C.B, ersegelt wurden, lässt sich nicht übersehen. Nur so viel sei noch erwähnt, dass der im Alter von 84 Jahren 1945 in Königsberg den Hungertod gestorbene überall bekannte Gottlieb Karlhorn in 110 Wettfahrten allein 108 Preise mit der Pinne in der Hand ersegelt hat. Nach schweren Verlusten in der Mitgliederzahl durch den ersten Weltkrieg gelang es dem Ehrenvorsitzenden des S.C.B., dem bekannten Königsberger Rechtsanwalt Ernst Immanuel in unermüdlicher Aufbauarbeit, dem seit 22 ??? unter seinem Vorsitz stehenden Club zu einer ungeahnten Blüte zu bringen, welche sich in einem Mitgliederbestand von 170 Clubkameraden und fast 50 Mitgliedern der Jugendabteilung ausdrückte.

Nach dem Umschwung 1933 und Wechsel in der Vereinsführung hat der S.C.B, zunächst schwere Krisen durchmachen müssen, um schließlich Mitte der 30-er Jahre unter dem Vorsitz von Dr. Perrey seine Blütezeit zu erreichen. In wenigen Jahren wurden die großen Clubanlagen völlig neu überholt, der Saal im Clubhaus neu ausgestaltet und mit neuer Bestuhlung versehen, Waschräume und sonstige Umkleideanlagen neu geschaffen, die Schlippanlage und die sonstigen Baulichkeiten gründlich überholt, besonders auch das Clubleben intensiviert und die Beziehungen zu den befreundeten auswärtigen Segelvereinen vertieft. Der Pflege des Regattasportes wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Daneben brachten aber auch ausgedehnte Ostseereisen zu den befreundeten Nachbarvölkern des Baltischen Meeres schöne Erfolge, -die ihren Niederschlag in goldenen Plaketten des Deutschen Seglerverbandes für Langfahrten und sonstigen Preisen fanden.

Sehr befruchtend wirkte später auch die neue Nachbarschaft der Baltischen Segelkameraden, welche in Gotenhafen eine neue Heimat gefunden hatten und welche die schwersten Gegner der „Balticer" bei den Wettfahrten wurden. So konnte der S.C.B, im Jahre 1942 in vollster Blüte trotz des Krieges mit einer Jubiläumsregatta, welche allerdings wegen Flaute Pfingsten in Pillau wiederholt werden musste, sein 60-jähriges Bestehen feiern und bei den Wettfahrten ein Meldungsergebnis erzielen, wie es bisher im Osten kaum vorhanden gewesen war. Kaum jemand dachte damals daran, dass zwei Jahre später von all dem in so mühsamer Arbeit unter größten Opfern Geschaffenen nichts mehr vorhanden sein würde. Sämtliche Vermögenswerte des S.C.B., wie Clubhaus, Yachtschuppen, Stege usw. einschließlich der sechs Clubyachten und fünf Eissegelschlitten, über 40 Eigneryachten, zirka zehn Motoryachten, etwa zehn Eissegelschlitten und das viele tausend Mark betragende Barvermögen gingen verloren. Eine einzige unter dem Baltic Standort segelnde Yacht ist den grauenhaften Ereignissen entrönnen,  die „Karin III". In der Nacht vom 8. zum 9. April 1945 verließ sie auf dienstlichen Befehl unter der Reichskriegsflagge den Hafen von Pillau und erreichte trotz schwierigster Umstände und zahlloser Angriffe vor Hela wohlbehalten nach zwei Tagen den dänischen Hafen Friedericia. Der nur aus Soldaten bestehenden Besatzung von fünf Mann gehörten vier Balticer an, die heute im Westen leben, wie auch das Boot erhalten geblieben ist, welches der Eigner nach Kriegsende zwar ausgeraubt, aber sonst erhalten wiederfand.

Als sich nach dem Zusammenbruch die Wogen etwas geglättet hatten, fanden sich einige der wenigen überlebenden Clubmitglieder in Hamburg zusammen und ließen dort im Februar 1946 den Segel Club Baltic wieder aufleben. Zeitbedingte Notwendigkeiten veranlassten schließlich die Verlegung des Clubsitzes nach Kiel, wo der S.C.B, am „Signalturm" seinen Clubhafen und in der „Seeburg" sein Clublokal gefunden hat. Neun Eignerboote segeln heute bereits wieder unter dem Stander des S.C.B, und zeigen das rote Kreuz im weißen Feld auf der Ostsee und den benachbarten Gewässern, während etwa 90 Mitglieder sich bisher bei ihren alten Vereinen wieder gemeldet haben. Trotz schwerster Verluste ist die Lebenskraft des Segel-Club Baltic aber ungebrochen und eifrig wird an seinem Wiederaufbau weitergearbeitet, so dass auch heute noch das Wort des Clubdichters Geltung hat:

Der Balticstander soll noch lang

Sein rotes Kreuz entfalten;

 Wir stehen zu ihm Mann für Mann

Trotz Wind und Sturmgewalten!

 

 

Seite 20   Der Schauspieler Max Weber tot

Foto: Das Königsberger Schauspielhaus

Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze? . . . O doch, Herr Friedrich v. Schiller; sie tut es schon - jedenfalls in unserer Zeit. Allerdings muss sich der Mime zuvor in unser aller Herz hineingespielt haben.

Als solch einen Kranz auf das frische Grab eines einst wirklich beliebten Schauspielers muss man auch folgende Notiz einer westdeutschen Zeitung betrachten

Am Samstag ist im Luftkurort Schömberg der Schauspieler Max Weber bei einem Gastspiel des Jungen Theaters an einem Gehirnschlag gestorben. Er spielte den Narren Probstein in Shakespeares „Wie es euch gefällt." Einer der Besten des einstigen Kollektivs ist mit Max Weber dahingegangen. Ein Chargenspieler von hohen Graden, verstand er es, jeder Figur, auch der unbedeutendsten, ihr eigenes Gesicht und Gewicht zu geben. Unvergesslich sein Feldprediger in Brechts „Mutter Courage", sein Wurm in „Kabale und Liebe" und vor allem seine Shakespearischen Narren. Burschen von trockenem, oft galligem Humor und echter Weisheit des Herzens. Der stille, bescheidene Mann, der früher zwanzig Jahre Oberspielleiter in Königsberg gewesen war, ist nur 56 Jahre alt geworden. Er ist, gleich Moliere von der Rampe weg in den Tod abgegangen….

Schon einmal stand Max Weber, den die alten Königsberger liebend Maxe Weber nannten, dicht am Rande des Grabes. Das war vor annähernd dreiundzwanzig Jahren, als ihn eine Gehirnblutung in ein Königsberger Krankenhaus brachte. Damals machte sich der große Freundeskreis dieses liebenswürdigen Menschen und ansprechenden Künstlers große Sorgen, doch es ging diesmal noch gut ab, so dass man eines schönen Abends Maxe wieder auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sehen und bewundern konnte. Das Königsberger Neue Schauspielhaus hat im Verlauf der Jahrzehnte eine beachtliche Anzahl von Darstellern über seine Bretter laufen lassen, die später weit über die Provinz hinaus bekannt wurden, weil sie zu den Erwählten gehörten. Doch selbst im Kreise dieser weithin Beachteten machte sich Max Weber als besonderer Typ geltend. Dies bezog sich auch aufs Stimmliche; denn unverkennbar war Max Webers herzlich raues Organ und der mundartliche Einschlag, der allen ostpreußischen Zeitgenossen einging wie süßer Grog. Wie haben wir uns jetzt - in der erzwungenen Losgelöstheit von der lieben alten Heimat - immer wieder gefreut, wenn Maxes Stimme aus dem Rundfunk zu uns drang! Dann baute sich vor unserm inneren Auge das Verlorene und das Zerstörte plastisch auf und unsere Gedanken durchwanderten die Stätten eines glückhafteren Daseins in solcher Freude und Gemächlichkeit, als wären wir auch körperlich dabei.

Auch hierfür lass Dir heute noch danken, lieber, alter Maxe Weber! Vielleicht gibt Dir jetzt der himmlische Vater den Auftrag, alle - Dir schon vorangegangenen - Kollegen des alten „Neuen Schauspielhaus" zu einem englischen Ensemble zusammenzufassen, damit wir anderen dereinst jenseits des großen schwarzen Striches wieder an Euch Herzensfreude haben können. Wie sagte Goethe doch? …  Ach Gott! Die Kunst ist lang, und kurz ist unser Leben. G.S.

 

 

Seite 20   Wir gratulieren

Am 21. August vollendete die aus Königsberg/Pr. vertriebene Witwe Marie Dorin, geb. Brandenburg, wohnhaft Hannover-Linden, Röttgerstraße 24, ihr 85. Lebensjahr. Die in Richtenberg, Kreis Franzburg/Vorpommern geborene „Großmutti" ihrer Tochter, Enkel und Urenkel verlor bei Kriegsende Sohn und Schwiegersohn und verbrachte die ersten Jahre nach dem Zusammenbruch mit ihren Angehörigen in einem Dorf im Weserbergland. In erstaunlicher geistiger und körperlicher Frische wirkt sie noch unermüdlich zum Segen ihrer Lieben. Herzliche Glückwünsche für den weiteren Lebensabend!

 

Am 31. August vollendete Frau Auguste Gaidies, aus Angerburg bei guter Gesundheit ihr 80. Lebensjahr. Die Jubilarin wohnt heute mit ihrem Mann, der von 1907 bis 1931 beim Betriebswerk in Lyck als Vorschlosser der Reichsbahn tätig war, in Westercelle bei Celle Von Mohrungen ist das betagte Ehepaar das 1947 das Fest der goldenen Hochzeit feiern konnte nach Rügen und von dort nach Westercelle geflüchtet. Die einzige Tochter wohnt in der Sowjetzone. Wir wünschen der Jubilarin noch nachträglich alles Gute und einen gesegneten Lebensabend.

 

 

Seite 20   12 000 Hauseinheiten mit 26 000 Wohnungen

Die GDP Wüstenrot hat nach dem neuesten Stand seit der Währungsreform bis zum 30. Juni 1952 rund 230 Millionen DM Bausparsumme zugeteilt. Damit wurden im Bundesgebiet 12 000 Häuser mit 26 000 Wohnungen erstellt. Rechnet man pro Wohnung vier Personen, so hat die GDF 104 000 Personen untergebracht und damit erheblich zur Bekämpfung der Wohnungsnot beigetragen. Wenn berücksichtigt, dass diese Leistung zum größten Teil durch Privatinitiative entstanden ist, so muss man die Gemeinschaftsleistung der Bausparkasse umso höher anerkennen. Ein Bausparvertrag verbindet neben den steuerlichen Vorteilen den Rechtsanspruch auf Gewährung eines niederverzinzlichen Tilgungsdarlehens.

 

 

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