Ostpreußen-Warte, Folge 08 vom August 1952
Ostpreußen-Warte
Folge 08 vom August 1952
Seite 1 Foto: Erntezeit daheim …
Seite 1 Die Landsmannschaft „Deutschland“ über alles!
Ein Diskussionsbeitrag zur Frage einer „Gesamtdeutschen Volksbewegung“/Von C. J. Neumann, Pressereferent des BVD.
Auf der Delegationsversammlung der Deutsch-Baltischen Landsmannschaft am 8. Juni 1952 in Würzburg hat der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Kaiser, eine „Gesamtdeutsche Volksbewegung“ gefordert und die Vertriebenen als die berufenen Pioniere dieser Bewegung bezeichnet.
Sie sind es, richtiger gesagt: sie sollten es sein! Wir wissen nicht, ob der Minister mit Bedacht ausgerechnet eine der kleinsten Landsmannschaften, eine ehedem auslandsdeutsche Volksgruppe, als Forum für die Verkündung dieses großen Gedankens benutzt hat. Abgesehen davon, dass dieser Umstand übelwollendes Ausland dazu verführen könnte, seinen gesamtdeutschen Gedanken „großdeutsch" oder gar „imperialistisch" auszulegen, hätte es unseres Ermessens näher gelegen, ein breiteres Forum für dieses große Anliegen zu wählen.
Ein derart berufenes Forum wäre z. B. die Proklamationsversammlung des BVD im Herbst vorigen Jahres in Hannover gewesen. Wenn „ man nämlich den Gedanken einer gesamtdeutschen Bewegung und die Rolle, die die Vertriebenen dabei zu spielen berufen sind, sorgfältig abwägt, so muss man zu dem Schluss kommen, dass er von den Vertriebenen nur von der überlandsmannschaftlichen Ebene her mit konzentrierter Kraft vorangetrieben werden kann.
Das landsmannschaftliche Prinzip als Antrieb des gesamtdeutschen Gedankens benutzen, hieße das Pferd beim Schwanze aufzäumen, denn der landsmannschaftliche Gedanke ruht nicht im Ganzen, sondern im Teil, in Partikularismus und Autonomismus. Es strebt nach Begrenzung, nicht nach Weite. Das haben die Verhandlungen um den Aufbau einer überlandsmannschaftlichen Organisation der Vertriebenen geradezu tragisch deutlich gemacht.
Gesamtdeutsch heißt überlandsmannschaftlich
Die Vertriebenen aber werden nur wirklich wirksam für den gesamtdeutschen Gedanken eintreten können, wenn sie zunächst bei sich selber angefangen haben, gesamtdeutsch, d. h. überlandsmannschaftlich, zu denken. Wenn sie über den engeren Zweck den weiteren Zweck gesetzt haben. Wenn sich zumindest die ostdeutschen Landsmannschaften wieder auf ihren gemeinsamen Aufbruch aus dem preußischdeutschen Staatsgefüge besinnen. Wenn sie bedenken, dass jeder einzelne von ihnen zuerst und zuletzt der Landsmannschaft „Deutschland" zugehört. Erst dann werden sie den Grad der politischen Reife erreicht haben, der die Kraft hat, zu werben, zu überzeugen und zu wirken.
Es scheint uns, dass die Vertriebenen, landsmannschaftliche und überlandsmannschaftliche Organisationen, gerade zu diesem Zeitpunkt den Sinn und Zweck des landsmannschaftlichen Gedankens erneut gründlich überdenken sollten, gerade im Hinblick auf ihre Mission als Pioniere des gesamtdeutschen Gedankens. Es scheint uns ferner, dass auch der Minister gesamtdeutsche Fragen, wenn er sich gerade von den Vertriebenen Entscheidendes für die Beförderung dieses Zieles verspricht, seine vertriebenenpolitische Orientierung einer Revision unterwerfen sollte.
Auftrag „Ostpreußen"
Es scheint uns schließlich, um diese These nur an einem besonders beredten landsmannschaftlichen Beispiel klarzumachen, kein Zufall zu sein, dass sich gerade die Ostpreußische Landsmannschaft von dem Aufruf Kaisers angesprochen fühlte. Ihr Sprecher, Dr. Gillle, hat sich und seine Landsmannschaft dem Werk der gesamtdeutschen Wiedervereinigung in einem enthusiastischen Begrüßungsschreiben an Bundesminister Kaiser zur Verfügung gestellt. Wir möchten annehmen, dass es sich bei diesen Angebot nicht um sekundäre Zwecke handelt, sondern dass aus diesem Schreiben primär das Bewusstsein eines historischen Auftrages spricht: des Auftrags „Ostpreußen“,
das als Land und Provinz in der preußischdeutschen Geschichte ein hervorragendes Ferment der deutschen Einheit gewesen ist, und das auch in der Verbannung vom heimatlichen Grund und Boden als geistig-politischer Besitz in und aus dem Bewusstsein dieser seiner historischen Mission leben und wirken sollte!
Die Ostpreußische Landsmannschaft will, jener zitierten Verlautbarung ihres Sprechers zufolge, die Wiedervereinigung unterstützen, „wo und wie es ihr immer möglich ist". Wenn das in der Tat, wie in dem Sprecherbrief betont wird, „kein Lippenbekenntnis" ist, dann sollte die Landsmannschaft da beginnen, wo der Anfang ist: bei sich selber!
Bekanntlich spielt gerade die Ostpreußische Landsmannschaft bei den Einigungsbestrebungen der Vertriebenen, die gemäß einem ZvD-Vorstandsbeschluss nunmehr erneuten Auftrieb nehmen sollen, eine zwiespältige Rolle. In dem sachlichen Widerstreit der beiden in der Vertriebenenbewegung rührenden Ostpreußen, des Vorsitzenden des Vorläufigen Bundes der Vertriebenen, Dr. Kather, und des Sprechers der Ostpreußischen Landsmannschaft, Dr. Gille , wird dieser Zwiespalt besonders offenkundig. Dr. Kather kommt aus dem Kampf für die gemeinsamen innenpolitischen Anliegen der Vertriebenen zum Bund.
Über die gemeinsamen außenpolitischen, insbesondere die ostpolitischen Anliegen haben sich die Vertriebenen, abgesehen von ihrem Bekenntnis zur angestammten Heimat, im Einzelnen noch nicht verständigt. Ein konkreter und akuter Anlass dazu lag bisher noch nicht vor. Er kann aber täglich gegeben sein. Dann müsste der Bund der Vertriebenen auch außenpolitisch gerüstet sein. Wie aber soll das geschehen, wenn man, wie der Ostpreußensprecher, vor der Errichtung dieses Bundes die schier unüberwindliche Barriere eines überspitzten landsmannschaftlichen Autonomismus aufrichtet?
Die „heimatpolitische“ Autonomie staatsrechtlich verstanden, hat im Falle Ostpreußen lediglich historischen Charakter. Der autonome Status von Ostpreußen wurde mit seiner Einverleibung in den „Norddeutschen Bund" beendet. Seit 1848 war Ostpreußen nur noch ein Teil der allgemeinen preußischen Entwicklung und blieb es sehr zum Nutzen von Reich und Preußen, bis zur Auflösung Preußens im Jahre 1945.
Auf höherer Ebene
Das Herz des Volkes schlägt wie das Herz des Körpers, es dehnt sich aus und zieht sich zusammen. Es lebte in der Ausweitung der Völkerwanderung ebenso wie in der Ausweitung der Vertreibung, und es muss sich nach jeder Ausweitung wieder sammeln. Damals m der mittelalterlichen deutschen Staatenbildung und schließlich im Reich, heute in der landsmannschaftlichen Vereinigung, im überlandsmannschaftlichen Bund und in Zukunft im gesamten Deutschland.
Auch die Ostpreußen haben, wie die andern vertriebenen Landsmannschaften die einzelnen Etappen des Weges zur Sammlung durchschritten, von der Familie zur Gemeinde, zum Heimatkreis, zur Landsmannschaft. Nunmehr sollten sie, wie auch die andern ostdeutschen Landsmannschaften, nicht zögern, die nächst Höhere Ebene der Sammlung zu gewinnen die Vereinigung untereinander und gemeinsam im Bund der Vertriebenen.
Das Autonomieprinzip ist nicht organisch-dynamisch, sondern beharrend und derart der fortschreitenden Entwicklung widerstrebend. Die Geschichte gibt keinen absolut gültigen Maßstab für die landsmannschaftliche Zusammenfassung.
Wo hört Ostpreußen auf und wo fängt es an? Bei der Kulmer Handfeste 1233, beim Soldiner Vertrag, mit Danzig? In den Grenzen um 1500, als es von der Oder bis zur Narwa reichte, oder in den Grenzen des 2. Thorner Friedens, als Pommerellen und Ermland abgetrennt waren? Oder ist Ostpreußen etwa das Herzogtum Preußen, oder Brandenburg/Preußen unter dem ersten Preußenkönig? Bezieht es wiederum Danzig und Westpreußen mit ein, wie nach der ersten und zweiten Teilung Polens, oder ist es die „Provinz Preußen" des Wiener Kongresses?
Auch volkskundlich und siedlungsgeschichtlich gesehen sind dem landsmannschaftlichen Prinzip organisatorisch nur verhältnismäßig willkürliche Grenzen gesetzt. Sind etwa die katholischen Ermländer die eigentlichen Ostpreußen, die heute das Bestreben haben, sich als eigene Landsmannschaft von der Ostpreußischen Landsmannschaft abzusondern, etwa gar, um sich den Schlesiern zuzugesellen, deren Mundart sie zum Teil noch heute sprechen, weil Schlesien für einen Großteil von ihnen die gemeinsame Urheimat ist? Oder sind die Niederdeutschen aus dem Samland, die Litauer aus dem Memelgebiet, die zum Teil polnisch sprechende Bevölkerung Masurens oder gar die Salzburger oder die Philipponen die eigentlichen Ostpreußen?
Uns scheint, die eigentlichen Ostpreußen sind Deutsche. Immer und zuerst Deutsche. Im Geiste des Abstimmungsbekenntnisses von 1920. Allen Respekt vor folkloristischen und landsmannschaftlichen kulturellen Belangen. Ein jeder mag tanzen, singen, spielen, sich kleiden, Feste feiern und die Kulturwerte bevorzugt genießen, die sein Gemüt von Hause aus auf Grund des gemeinsamen Heimatbewusstseins ansprechen. Niemand will ihn hier in seiner Autonomie beschränken. Aber im Bereich der Politik darf es, zumindest bei den ostdeutschen Landsmannschaften, keine landsmannschaftlich absolut begrenzte Autonomie geben, wenn die historischen Errungenschaften des deutschen Sammlungsbewusstseins nicht verscherzt werden sollen. Es könnte anders eines Tages sehr unselig ausgehen, für die eine oder die andere Landsmannschaft und für uns alle, wenn der politische Gegner im Osten das Prinzip der landsmannschaftlichen Autonomie dazu benützte, tragischen Zwiespalt zu sähen unter die Vertriebenen und unter die Deutschen!
Der Weg zu Deutschland
Der landsmannschaftliche Gedanke als ein Prinzip der Sammlung hat unumstrittene Berechtigung. Er hat seine Mission nach der Vertreibung hervorragend erfüllt und er hat sie weiter zu erfüllen. Aber im politischen Bereich dürfen landsmannschaftliche Grenzen nicht absolut oder gar willkürlich gesetzt werden. Sie müssen da fallen, wo wir zum Ganzen fortschreiten wollen. Sie müssen den Weg zum größten Ziele offen lassen, den Weg zu Deutschland. Die Frage des Dichters: „Was ist des Deutschen Vaterland?" duldet heute, wie vor hundert Jahren keine andere Antwort als „Das ganze Deutschland!"
Das gilt erst recht für die Vertriebenen! Ihr erstes Gebot ist, sich selbst zu finden in den gemeinsamen innerpolitischen und außenpolitischen Zielen, über den Landsmannschaften, Konfessionen und Parteien. Erst wenn dieses Werk vollendet ist, können sie mit Erfolg ihrer Berufung nachgehen, dem ganzen Deutschland den Weg zu bahnen!
Seite 2 Lastenausgleichsgesetz tritt in Kraft.
60 Milliarden DM sollen bis 1979 ihren Besitzer wechseln – Die wichtigsten Bestimmungen – Auszug aus 400 Paragraphen.
In diesem Monat wird das (erste) Lastenausgleichsgesetz in Kraft treten, nachdem Bundestag und Bundesrat das Gesetz in der Fassung des Vermittlungsausschusses angenommen haben. Damit hat der Kampf um den „Lastenausgleich*, auf den die Vertriebenen seit mehr als fünf Jahren vergeblich gewartet haben, ein vorläufiges Ende gefunden. Man hat das Lastenausgleichskompromiss, wie er jetzt endgültig angenommen wurde, mit einem „gerupften Verglichen, dem erst die Flügel wachsen müssen, wenn er wirklich fliegen soll. So haben auch die Regierungsparteien das unzweideutige Versprechen abgelegt, alle Kräfte daran zu setzen, die durch den Vermittlungsausschuss hervorgerufenen Verschlechterungen in allernächster Zukunft zu beseitigen und weitere Verbesserungen zu erreichen.
Nach dem Gesetz sollen in einem Zeitraum von dreißig Jahren - rückwirkend ab 1949 - 60 Milliarden DM in der Bundesrepublik ihren Besitzer wechseln. Also ca. 2,5 Milliarden DM werden jährlich den Heimatvertriebenen zugutekommen, das sind rund eine Milliarde mehr als das bisherige Soforthilfeaufkommen. Jetzt wird es darauf ankommen, dass das Gesetz im rechten Geiste erfüllt und seine Verbesserungen mit Energie und Initiative betrieben werden. Unbedingte Voraussetzung dafür ist, dass die beiden Schlüsselpositionen für die Durchführung und Ergänzung des Gesetzes, das Präsidium des Bundesausgleichsamtes und die Leitung des Bundesvertriebenenministeriums in die Hand von Männern gelegt werden, die auf Grund bewährter Eigenschaften auch das volle Vertrauen der Vertriebenen haben. Nachstehend machen wir unsere Leser mit den wichtigsten Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes, das rund 400 Paragraphen enthält, bekannt und werden laufend über weitere Einzelheiten berichten.
Die Präambel
In Anerkennung des Anspruchs der durch den Krieg und seine Folgen besonders betroffenen Bevölkerungsteile auf einen den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit und den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechenden Ausgleich der Lasten und auf die zur Eingliederung der Geschädigten notwendige Hilfe sowie unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Gewährung und Annahme von Leistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückgabe des von den Vertriebenen zurückgelassenen Vermögens im Rahmen einer künftigen Friedensregelung bedeutet, hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats das nachstehende Gesetz beschlossen.
Als Ausgleichsleistungen mit Rechts-Anspruch werden gewährt:
1. Hauptentschädigung
2. Eingliederungsdarlehen
3. Arbeitsplatzdarlehen
4. Kriegsschadenrente
Der Rechtsanspruch entsteht mit Wirkung vom 1. April 1952.
Als Ausgleichsleistungen ohne Rechtsanspruch werden nach Maßgabe der verfügbaren Mittel gewährt:
5. Hausratsentschädigung
6. Wohnraumhilfe
7. Härtefonds
8. Währungsausgleich.
Ausgleichsleistungen werden nur gewährt, wenn der Schaden festgestellt ist. Bei Schäden im Sinne des Feststellungsgesetzes ist die Feststellung nach dem Feststellungsgesetz Voraussetzung für die Gewährung von Ausgleichsleistungen mit Rechtsanspruch. Diese Feststellung ist bindend. Zum Zwecke der Gewährung von Ausgleichsleistungen werden die für die Gewährung einer Ausgleichsleistung jeweils zu berücksichtigenden Schäden, die dem unmittelbar Geschädigten entstanden sind, zusammengefasst.
Welche Verluste werden entschädigt?
§ 9 Vertreibungsschäden
(1) Ein Vertreibungsschaden im Sinne dieses Gesetzes ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 ein Schaden, der einem Vertriebenen in Zusammenhang mit den gegen Personen deutscher Staatsangehörigkeit gerichteten Vertreibungsmaßnahmen in den deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie oder in Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937 entstanden ist.
1. an Wirtschaftsgütern, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes gehören,
2. an folgenden Wirtschaftsgütern, soweit sie nicht unter Nr. 1 fallen: a) an Gegenständen, die für die Berufsausübung oder für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind, b) an Hausrat, c) an Reichsmarkspareinlagen, d) an anderen privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen als Reichsmarkspareinlagen, e) an Anteilen an Kapitalgesellschaften sowie an Geschäftsguthaben bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
3. als Verlust von Wohnraum,
4. als Verlust der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage.
(2) Ein Schaden nach Absatz 1 ist nur dann ein Vertreibungsschaden, wenn im Zeitpunkt der Vertreibung
1. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2a und 2b das Wirtschaftsgut in dem Gebiet desjenigen Staates belegen war, aus dem der Vertriebene vertrieben worden ist (Vertreibungsgebiet); die Gesamtheit der in Abs. 1 genannten Gebiete, die am 1. Januar 1914 zum Deutschen Reich oder zur Österreich-Ungarischen Monarchie oder zu einem späteren Zeitpunkt zu Polen, zu Estland, zu Lettland oder zu Litauen gehört haben, gilt als einheitliches Vertreibungsgebiet;
2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2c und 2d der Schuldner und der Gläubiger den Wohnsitz oder den Sitz in demselben Vertreibungsgebiet (Nr. 1) hatten;
3. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2c sowohl die Gesellschaft oder die Genossenschaft als auch der Anteilseigner den Sitz oder den Wohnsitz in demselben Vertreibungsgebiet Nr. 1) hatten;
4. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 der Vertriebene den Wohnraum oder die berufliche oder sonstige Existenzgrundlage im Vertreibungsgebiet (Nr. 1) hatte.
(3) Verluste an Schiffen, die in ein Schiffsregister im Vertreibungsgebiet (Absatz 2 Nr. 1) eingetragen waren, gelten als in diesem Gebiet entstanden.
(4) Als Vertreibungsschaden gilt auch ein Kriegssachschaden (§ 10), der einem Vertriebenen im Vertreibungsgebiet (Absatz 2 Nr. 1) vor der Vertreibung entstanden war.
(5) Bei einer Person, die wegen politischer Verfolgung als Vertriebener gilt (§ 8 Ab. 2 Nr. 1), gilt als Vertreibungsschaden nur ein Schaden, der im Zusammenhang mit Vertreibungsmaßnahmen (Absatz 1) entstanden ist oder einem solchen nach Absatz 4 gleichgestellt ist.
(6) Bei einem Umsiedler (§ 8 Abs. 2 Nr. 2) gilt als Vertreibungsschaden nicht der Verlust des Vermögens, das ihm als Ersatz für das im Ursprungsland zurückgelassene Vermögen zugeteilt worden ist.
(7) Als Vertreibungsschaden gilt auch ein Schaden, der einem im Zuge von Vertreibungsmaßnahmen umgekommenen deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen im Vertreibungsgebiet (Absatz 2 Nr. 1) entstanden ist.
§ 10 Kriegssachschäden
(1) Ein Kriegssachschaden im Sinne dieses Gesetzes ist ein Schaden, der in der Zeit vom 26. August 1939 bis zum 31. Juli 1945 unmittelbar durch Kriegshandlungen entstanden ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2a und b, 3 und 4. (2) Kriegshandlungen im Sinne des Absatzes 1 sind:
1. die Einwirkung von Waffen oder sonstigen Kampfmitteln oder die hiermit unmittelbar zusammenhängenden militärischen Maßnahmen;
2. die mit kriegerischen Ereignissen zusammenhängende Beschädigung, Wegnahme oder Plünderung von Sachen in den vom Gegner unmittelbar angegriffenen, unmittelbar bedrohten Gebieten;
3. die Entziehung des Besitzes an einem Schiff durch feindliche Handlungen sowie dessen Selbstversenkung, wenn diese erfolgt ist um der feindlichen Aufbringung zu entgehen. (3) Als Kriegssachschaden gilt auch ein Schaden durch Beschädigung Zerstörung oder Wegnahme von Sachen auf Grund behördlicher Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen getroffen worden sind.
§ 11 Ostschäden
(1) Ein Ostschaden im Sinne dieses Gesetzes ist ein Schaden, der einer Person, die nicht Vertriebener ist und am 31. Dezember 1944 ihren Wohnsitz im Gebiet des Deutschen Reichs (Gebietsstand vom 31. Dezember 1937) hatte, im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges durch Vermögensentziehung oder als Kriegssachschaden (§ 10) an Wirtschaftsgütern der in § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4 bezeichneten Art in den Ostgebieten entstanden ist; Ostgebiete sind die östlich der Oder-Neiße-Linie gelegenen Gebiete des Deutschen Reichs nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937. Bei Schäden der in § 9 Abs. 1 Nr. 2c und, 2d bezeichneten Art muss der Schuldner, bei Schäden in § 9 Abs. 1 Nr. 2e bezeichneten Art die Kapitalgesellschaft oder die Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft zur Zeit der Vertreibungsmaßnahmen den Wohnsitz oder den Sitz in den Ostgebieten gehabt haben.
(2) Verluste an Schiffen die in ein Schiffsregister in den Ostgebieten eingetragen waren, gelten als in den Ostgebieten entstanden.
§ 12 Sparerschäden
(1) Ein Sparerschaden ist die Minderung des Nennbetrages von Sparanlagen, die dadurch eingetreten ist, dass die Sparanlagen bei der Neuordnung des Geldwesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes einschließlich Berlin (West) im Verhältnis 10 zu 1 oder in einem ungünstigeren Verhältnis auf Deutsche Mark umgestellt oder nach s 14 des Umstellungsgesetzes nicht auf Deutsche Mark umgestellt worden sind.
(2) Spareinlagen im Sinne des Abs. 1 sind: 1. Spareinlagen im Sinne des § 22 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 25. September 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1955) einschließlich der Bausparguthaben;
2. Pfandbriefe, Rentenbriefe. Kommunalschuldverschreibungen und anderer Schuldverschreibungen, die von Grundkreditanstalten, Kommunalkreditanstalten, Schiffsbeleihungsbanken und Ablösungsanstalten ausgegeben worden sind;
3. Schuldverschreibungen und verzinsliche Schatzanweisungen des Reichs, des Preußischen Staates, der Reichsbahn und der Reichspost, einschließlich der Schuldbuchforderungen und der Ansprüche auf Vorzugsrente;
4. Industrie- und gleichartige Schuldverschreibungen;
5. Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen;
6. durch die Bestellung von Grundpfanrireehten gesicherte privatrechtliche Ansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche aus laufender Rechnung handelt.
(3) Einem Sparerschaden wird die Einstellung der Zahlung von Reichszuschüssen an Kleinrentner sowie die Einstellung von Rentenzahlungen, die aus Reichsmitteln zum Ausgleich von im ersten Weltkrieg erlittenen Liquidations- und Gewaltschäden gewährt wurden, gleichgestellt
Seite 2 Die Ausgleichsleistungen
In § 251 werden noch einmal die vier Schadentatbestände lt. §§ 9-12 zusammengefasst mit dem Bemerken, dass Ausgleichsleistungen für Kriegssachschäden nur gewährt werden, wenn diese im Geltungsbereich des Grundgesetzes entstanden sind.
§ 252 Geschädigte und Erben
Als Geschädigte gelten der unmittelbar Geschädigte und, falls dieser vor dem 1. April 1952 verstorben ist, seine Erben:
1. der Ehegatte,
2. eheliche Kinder Stiefkinder, an Kindes statt angenommene Personen oder sonstige Personen, denen die rechtliche Stellung ehelicher Kinder zukommt, oder uneheliche Kinder,
3. Abkömmlinge der unter Nr. 2 genannten Kinder,
4. Eltern, Großeltern oder weitere Voreltern oder Stiefeltern,
5. voll- und halbbürtige Geschwister oder deren Abkömmlinge ersten Grades.
Hinsichtlich der an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grundvermögen oder Betriebsvermögen entstandenen Kriegssachschäden und hinsichtlich der an Betriebsvermögen entstandenen Vertreibungsschäden und Ostschäden steht der Erbfolge die Übernahme solchen Vermögens zu Lebzeiten des unmittelbar Geschädigten (vorweggenommene Erbfolge) gleich.
(2) Geschädigter kann nur eine natürliche Person sein.
§ 253 Der Stichtag
(1) Vertreibungsschäden (sinngemäß Ostschäden) kann der Geschädigte nur geltend machen, wenn er am 31. Dezember 1950 seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin (West) gehabt hat. Ferner nach Absatz 2 Nr. 1 - 4 Kinder von Geschädigten, die nach dem 31. Dezember 1950 geboren sind. Spätvertriebene, die ihren Wohnsitz spätestens sechs Monate nach der Vertreibung im Bundesgebiet genommen haben. Spätheimkehrer oder Zugezogene im Wege der Familienzusammenführung.
§§ 254 - 257 Der Rechtsanspruch
Nach § 255 werden als Ausgleichsleistungen mit Rechtsanspruch gewährt
1. Hauptentschädigung (§§ 266 bis 275),
2. Kriegsschadenrente (§§ 285 bis 315),
3. Hausratentschädigung (§§ 316 bis 324),
4. Entschädigung im Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener (§ 331).
(2) Der Rechtsanspruch gilt als mit dem 1. April 1952 in der Person des Geschädigten (§ 252) entstanden.
§ 256: Als Ausgleichsleistungen ohne Rechtsanspruch werden nach Maßgabe der verfügbaren Mittel gewährt
1. Eingliederungsdarlehen (§§ 276 bis 281)
2. Wohnraumhilfe (§§ 325 bis 327),
3. Leistungen aus dem Härtefonds (§ 328),
4. Leistungen auf Grund sonstiger Förderungsmaßnahmen (§§ 329, 330).
(2) Ausgleichsleistungen ohne Rechtsanspruch können an Erben von Geschädigten nur gewährt werden, soweit die Erben zum Personenkreis des § 252 Absatz 1 gehören.
Nach § 257 werden Ausgleichsleistungen nur auf Antrag gewährt.
§ 262 Schaden durch Existenzverlust
(1)Bei Feststellung des einem Vertriebenen Kriegssachgeschädigten oder Ostgeschädigten durch den Verlust der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage entstandenen Schadens ist von den Einkünften auszugehen, die der unmittelbar Geschädigte und sein Ehegatte im Durchschnitt der Jahre 1937, 1938 und 1939 bezogen und durch die Schädigung verloren haben; falls der unmittelbar Geschädigte und sein Ehegatte erst nach dem Jahre 1937 Einkünfte bezogen haben, treten an die Stelle der Jahre 1937, 1938 und 1939 die drei Jahre, die dem Jahr folgen in dem sie zuerst Einkünfte bezogen haben. Liegen Unterlagen über die nach Satz 1 maßgebenden Einkünfte nicht vor, so ist von dem Beruf des Geschädigten im Zeitpunkt der Schädigung auszugehen. Eine durch die Kriegsverhältnisse oder durch Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bedingte berufsfremde Verwendung bleibt bei der Schadensberechnung unberücksichtigt.
§ 263 Berechnung bei Sparerschäden
(1) Sparerschäden sind mit dem Reichsmarknennbetrag des durch die Umstellung betroffenen Anspruchs abzüglich des Umstellungsbetrages anzusetzen.
(2) Durch die Rechtsverordnung wird Näheres über die Ermittlung des Reichsmarknennbetrags solcher Ansprüche bestimmt, deren Reichsmarknennbetrag nicht ohne weiteres festliegt.
§ 266 Hauptentschädigung
Hauptentschädigung wird gewährt zur Abgeltung von
1. Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden an Wirtschaftsgütern, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen im Sinne des Bewertungsgesetztes , sowie an Gegenständen, die für die Berufsausübung oder für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind.
2. Vertreibungsschäden und Ostschäden an Reichsmarkspareinlagen, an anderen privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen sowie an Anteilen an Kapitalgesellschaften und an Geschäftsguthaben bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, soweit es sich nicht um Reichsmarkspareinlagen handelt, aus der Entschädigung im Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener gewährt wird.
Der Anspruch auf Hauptentschädigung nach § 267 vererblich und übertragbar; er unterliegt jedoch in der Person des Geschädigten nicht der Zwangsvollstreckung.
§ 268 Der Schadenbetrag
Für die Bemessung der Hauptentschädigung werden die dem unmittelbar Geschädigten entstandenen Schäden (§266) zu einem Schadensbetrag zusammengefasst. Hierbei sind
1. Von Vertreibungsschäden und Ostschäden land- und forstwirtschaftlichen Vermögen wie an Grundvermögen festgestellte langfristige Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Vertreibung mit diesem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang standen oder an ihm dinglich gesichert waren, ihrem halben Reichsmarknennbetrag abzusetzen,
2. von Kriegssachschäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen sowie an Grundvermögen festgestellte Verbindlichkeiten mit demjenigen Betrag abzusetzen, um den die auf Grund dieser Verbindlichkeiten entstandene Hypothekengewinnabgabe nach § 133 gemindert worden ist oder um den diese Verbindlichkeiten aus den in § 136 Abs. 2 Sätze 2 und 3 erwähnten Gründen herabgesetzt worden sind.
3. Vertreibungsschäden und Ostschäden an Reichsmarkspareinlagen und an anderen privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen mit demjenigen Betrag anzusetzen, mit dem sie bei Anwendung der für den Geltungsbereich des Grundgesetzes geltenden Umstellungsvorschriften auf Deutsche Mark umzustellen gewesen wäre.
Seite 2 Die Schadensgruppen
§S 269 und 270 Grundbeträge
(1) Aufgrund der Schadensfeststellung werden die Geschädigten in eine der nachfolgenden Schadensgruppen eingestuft. Die Hauptentschädigung bemisst sich nach einem Grundbetrag, welcher der Schadensgruppe entspricht, in die der Entschädigungsberechtigte eingereiht worden ist.
(2) Es werden folgende Schadensgruppen gebildet und folgende Grundbeträge festgesetzt:
Gruppe | RM-Schadensbetrag | DM-Grundbetrag |
1 | 500 bis 1 500 | 800 |
2 | 1 501 bis 2 201 | 1 100 |
3 | 2 201 bis 3 000 | 1 400 |
4 | 3 001 bis 4 200 | 1 800 |
5 | 4 201 bis 6 000 | 2 300 |
6 | 6 201 bis 8 500 | 2 900 |
7 | 8 501 bis 12 000 | 3 600 |
8 | 12 001 bis 16 000 | 4 200 |
9 | 16 001 bis 20 000 | 5 000 |
10 | 20 001 bis 30 000 | 5 500 |
11 | 30 001 bis 40 000 | 7 000 |
12 | 40 001 bis 52 500 | 8 200 |
13 | 52 501 bis 70 000 | 9 800 |
14 | 70 001 bis 90 000 | 11 200 |
15 | 90 001 bis 125 000 | 13 000 |
16 | 125 001 bis 175 000 | 15 000 |
17 | 175 001 bis 225 000 | 18 000 |
18 | 225 001 bis 275 000 | 21 000 |
19 | 275 001 bis 325 000 | 24 000 |
20 | 325 001 bis 375 000 | 27 500 |
21 | 375 001 bis 425 000 | 30 500 |
22 | 425 001 bis 475 000 | 33 000 |
23 | 475 001 bis 550 000 | 36 000 |
24 | 550 001 bis 650 000 | 39 500 |
25 | 650 001 bis 750 000 | 42 500 |
26 | 750 001 bis 850 000 | 45 500 |
27 | 850 001 bis 1 000 000 | 50 000 |
Bei Schadensbeträgen über 1 000 000 RM beträgt der Grundbetrag 50 000 DM zuzüglich 3% des 1000000 RM und 2% des 2 000 000 RM übersteigenden Schadensbetrags. Ist in Schadensgruppe 1 der Schadensbetrag niedriger als der Grundbetrag, so ist als Grundbetrag der Schadensbetrag anzusetzen.
(3) Sobald hinreichende Unterlagen über die Höhe der verfügbaren Mittel und über den Umfang der zu berücksichtigenden Schäden vorliegen, spätestens bis zum 31. März 1957, wird durch Gesetz bestimmt, ob und in welchem Umfang die Grundbeträge erhöht werden.
Der Grundbetrag, der auf den für den unmittelbar Geschädigten errechneten Schadensbetrag entfällt, wird gemäß § 270, wenn der unmittelbar Geschädigte vor dem 1. April 1952 verstorben ist, auf die Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile aufgeteilt.
§§ 271 – 272 Zuschläge und Kürzungen zum Grundbetrag
Für Heimatvertriebene und Kriegssachgeschädigte, die bis zum 1. April 1952 in den Stadt- oder Landkreis, in dem sie zur Zeit der Schädigung wohnten, nicht zurückkehren konnten und bis zu diesem Zeitpunkt an ihrem neuen Wohnsitz eine angemessene Lebensgrundlage nicht haben finden können, erhöht sich nach § 271 der Grundbetrag um 10 Prozent.
Eine Kürzung erfährt der Grundbetrag nach § 272
1. insoweit, als sich durch seine Zurechnung zu dem Vermögen des Geschädigten am 21. Juni 1948 eine Summe ergeben würde, die 50 Prozent des Anfangsvermögens des Geschädigten übersteigt, wobei als Anfangsvermögen die Summe des Schadensbetrags und des Vermögens am Währungsstichtag gilt;
2. um 10 Prozent derjenigen Entschädigungszahlung in Reichsmark, die für den Verlust des bei der Berechnung des Schadensbetrags berücksichtigten Vermögens bereits nach der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940 oder nach dem Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 gewährt worden ist:
3. um denjenigen Betrag, um den wegen der bei der Bemessung des Schadensbetrags berücksichtigten Schäden Abgabeverpflichtungen des Geschädigten hinsichtlich der Vermögens-Abgabe nach den §§ 30 bis 38 gemindert worden sind;
4. um nicht rückzahlbare Leistungen, die nach dem 20. Juni 1948 zur Gründung oder Sicherung einer Existenz auf Grund des § 44 des Soforthilfegesetzes oder als Beihilfe nach dem Flüchtlingssiedlungsgesetz oder im Hinblick auf die Schädigung außerhalb der öffentlichen Fürsorge aus Haushaltsmitteln der Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeinde-Verbände gewährt worden sind, Leistungen aus Haushaltsmitteln jedoch nur, wenn sie den Betrag von 500 DM übersteigen.
§§ 273 - 275 Erfüllung der Ansprüche
Der Anspruch auf Hauptentschädigung wird in Höhe des dem Geschädigten zuerkannten Grundbetrags erfüllt; zu dem Grundbetrag tritt vom 1. Januar 1953 ab ein Zinszuschlag von 1% für jedes angefangene Vierteljahr (Auszahlungsbetrag).
Der Anspruch kann auch in Teilbeträgen erfüllt werden.
Die Reihenfolge der Erfüllung der Ansprüche auf Hauptentschädigung bestimmt sich unter Berücksichtigung sozialer und volkswirtschaftlicher Gesichtspunkte nach der Dringlichkeit.
Bis zum Inkrafttreten des in § 269 Abs. 3 vorbehaltenen Gesetzes wird der Anspruch auf Hauptentschädigung nur nach Maßgabe des § 281 erfüllt.
§ 276 Zweckbestimmung
(1) Bis zum Inkrafttreten des in § 269 Abs. 3 vorbehaltenen Gesetzes werden nach Maßgabe der verfügbaren Mittel Darlehen gewährt, um die Eingliederung von Vertriebenen oder Kriegssachgeschädigten zu ermöglichen (Eingliederungsdarlehen). Die Eingliederungsdarlehen werden entweder unmittelbar an die einzelnen Geschädigten oder unter Zusammenfassung von Mitteln zur Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen für Geschädigte gewährt.
§ 277 Aufbaudarlehen
(1) Ein Aufbaudarlehen kann Personen, die Vertreibungsschäden oder Kriegssachschäden geltend machen können, gewährt werden, wenn sie ein Vorhaben nachweisen, durch das sie instandgesetzt werden, an Stelle einer durch die Schädigung verlorenen Lebensgrundlage eine neue gesicherte Lebensgrundlage, für die sie die erforderlichen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfüllen, zu schaffen oder eine bereits wieder geschaffene, aber noch gefährdete Lebensgrundlage zu sichern.
(2) Ein Aufbaudarlehen kann Personen, die Vertreibungsschäden oder Kriegssachschäden geltend machen können, auch dann gewährt werden, wenn sie hierdurch instandgesetzt werden, ihren zerstörten oder beschädigten Grundbesitz wiederaufzubauen; dem Wiederaufbau steht ein Neubau an anderer Stelle dann gleich, wenn der Wiederaufbau unmöglich ist und der Neubau als angemessener Ersatzbau anzuerkennen ist.
(3) Als Vorhaben im Sinne des Absatzes 1 gilt auch der Bau einer Wohnung am Ort eines gesicherten Arbeitsplatzes, wenn die Wohnung nach Größe und Ausstattung den Voraussetzungen des sozialen Wohnungsbaues nach den §§ 1 und 17 des Ersten Wohnungsbaugesetzes entspricht.
§ 278 Höhe des Darlehens
(1) Die Höhe des Aufbaudarlehens bestimmt sich nach dem Umfang der zur Durchführung des beantragten Vorhabens erforderlichen Mittel; das Vorhaben soll dem Umfang der erlittenen Schädigung angemessen sein.
(2) Der Höchstbetrag, der darlehensweise nach § 277 Abs. 1 bis 3 an einen einzelnen Geschädigten gegeben werden kann, beträgt insgesamt 35 000 DM. Ist auf Grund rechtskräftiger Feststellung des Schadens ein Anspruch auf Hauptentschädigung mit einem höheren Grundbetrag (§ 273) zuerkannt worden, so kann ein Darlehen bis zur Höhe dieses Grundbetrages, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 50 000 DM gewährt werden.
§§ 279 - 280 Verzinsung und Tilgung
(1) Das Aufbaudarlehen ist mit 3 Prozent jährlich zu verzinsen. Es ist nach zwei Freijahren in acht gleichen Jahresraten zu tilgen; das erste Freijahr beginnt mit dem auf die Auszahlung folgenden Halbjahresersten.
(2) Für einzelne Arten von Vorhaben kann bestimmt werden, dass die Zins- und Tilgungsbedingungen abweichend festgesetzt werden.
Kriegsschadenrente §§ 285 - 315
Außer den Darlehen sollen auch Renten gewährt werden, und zwar Kriegsschadenrenten für Männer über 65 und Frauen über 60 Jahre und für Erwerbsunfähige. Kriegsschadenrente wird zur Abgeltung von Vertreibungs-, Kriegssach-, Ost- und Sparerschäden gewährt. Kriegsschadenrente erhält nur der unmittelbar Geschädigte.
Die Kriegsschadenrente wird gewährt als Unterhaltshilfe und als Entschädigungsrente. Unterhaltshilfe wird gewährt, wenn die Einkünfte 85 Mark monatlich nicht übersteigen. Dieser Betrag erhöht sich um monatlich 37,50 DM für den Ehegatten oder eine Pflegeperson und um 27,50 DM für jedes Kind. Kriegsbeschädigte, Kriegerwitwen erhalten Freibeträge in Höhe ihrer Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Personen, die durch einen Unfall oder infolge von Schäden, die sie als Verfolgte im Sinne des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts erlitten haben, erwerbsbeschränkt sind, erhalten Freibeträge von 10 bis 40 DM monatlich, je nach dem Grad ihrer Erwerbsbeschränkung. Wer Pflegegeld nach der Reichsversicherungsordnung bezieht, erhält einen Freibetrag von monatlich 75 DM, körperbehinderte Personen 20 DM, Witwen, die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beziehen, 20 DM monatlich.
20 DM Monatseinkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bleiben außer Ansatz. Übersteigen sie diesen Betrag, so werden sie bis zur Höhe der Sätze der Unterhaltsbeihilfe zur Hälfte mit dem Mehrbetrag zu 75 v. H. angesetzt.
Wenn das Vermögen des Berechtigten, seines Ehegatten oder seiner Kinder den Betrag von 500 DM übersteigt, wird die Unterhaltshilfe nicht gewährt. Die Unterhaltshilfe wird auf Lebenszeit oder auf Zeit gewährt. Durch die Gewährung von Unterhaltshilfe auf Lebenszeit gilt der Anspruch auf Hauptentschädigung, soweit er 5000 DM nicht übersteigt, als erfüllt.
Wenn die Hauptentschädigung 5000 DM übersteigt, so erhalten die Berechtigten vier Prozent der Hauptentschädigung als Zusatzrente zur Unterhaltshilfe. Dabei ist allerdings Voraussetzung, dass die sonstigen Einkünfte einschließt, der Unterhaltshilfe nicht höher sind als 200 DM. Für den Ehegatten oder eine Pflegeperson erhöht sich dieser Betrag um monatlich 50 DM und für jedes Kind um 20 DM.
Der Hundertsatz erhöht sich, wenn der Berechtigte am 1. Januar 1952 ein höheres als das 65. Lebensjahr vollendet hatte, um je ½ v. H. für jedes weitere am 1. Januar 1952 vollendete Lebensjahr. Der Hundertsatz beträgt jedoch mindestens 6 v. H. bei Personen, die infolge Körperbeschädigung 80 v. H. bei Pflegegeldempfängern.
Wenn neben den Voraussetzungen der Gewährung von Unterhaltshilfe die Voraussetzungen für die Gewährung der Entschädigungsrente vorliegen und dem Berechtigten ein Vermögensschaden von mehr als 20 000 RM entstanden ist, so können Vorauszahlungen auf die Entschädigungsrente von 20 DM monatlich gewährt werden. Diese Vorauszahlungen erhöhen sich um 2 DM monatlich für jedes Lebensjahr, das der Berechtigte am 1. Januar 1952 über das 70. Lebensjahr hinaus vollendet hatte.
Ist ein Schaden durch Verlust der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage festgestellt, so wird als Entschädigungsrente gewährt: monatlich 20 DM bei einem Durchschnittsjahreseinkommen von 4001 bis 6500 RM von 30 DM bei einem Jahreseinkommen von 6501 bis 9000 KM, von 40 DM bei einem Jahreseinkommen von 9001 bis 12000 RM, von 50 DM bei einem Jahreseinkommen über 12000 RM. Wenn der Berechtigte Unterhaltshilfe erhält, so ermäßigt sich die Entschädigungsrente um 20 DM.
Die Entschädigungsrente endet entweder mit dem Tode oder mit der vollen Tilgung des Grundbetrages. Kriegsschadenrente wird mit Wirkung vom 1. April 1952 gewährt, wenn der Antrag bis zum 31. Dezember 1952 gestellt wird, und zwar von dem Ersten des Monats ab, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung von Kriegsschadenrente vorliegen.
Wer nach dem Lastenausgleichsgesetz Anspruch auf Kriegsschadenrente und Aufbaudarlehen hat, kann wählen, ob ihm das eine oder das andere gewährt werden soll.
Die Hausratsentschädigung und Wohnraumhilfe
§ 316 Voraussetzungen
(1) Hausratsentschädigung wird gewährt zur Abgeltung von Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden und Ostschäden, die in dem Verlust von Hausrat bestehen.
(2) Als Geschädigte gelten, wenn der Hausratsverlust im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten entstanden ist, ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse beider Ehegatten. Die Hausratsentschädigung wird demjenigen der beiden Ehegatten gewährt, für den der Hausratsverlust festgestellt worden ist. Lebten die Ehegatten am 1. April 1952 getrennt oder waren sie geschieden, so kann jeder der Ehegatten die Hälfte der Hausratsentschädigung beanspruchen, es sei denn, dass einer der Ehegatten nachweist, dass er allein Eigentümer des verlorenen Hausrats war.
(3) Hausratsentschädigung wird nicht gewährt, wenn der Geschädigte im Durchschnitt der Jahre 1949, 1950 und 1951 ein Einkommen von mehr als 10 000 DM bezogen oder am 1. Januar 1949 ein Vermögen von mehr als 35 000 DM gehabt hat; der Einkommensbetrag erhöht sich für den nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten um 2000 DM und für jedes Kind im Sinne des § 289 Abs. 2 um 1000 DM. Bei der Einkommensberechnung wird das Einkommen des Geschädigten mit dem seines Ehegatten und seiner Kinder, soweit diese am 1. April 1952 zu seinem Haushalt gehörten und wirtschaftlich von ihm abhängig waren, zusammengerechnet.
§ 317. (1) Ist der Geschädigte nach dem 31.03.1952 verstorben, so geht der Anspruch auf Hausratsentschädigung auf die Erben gemäß § 252 nach Maßgabe ihrer Erbteile über.
(2)Der Anspruch auf Hausratsentschädigung kann verpfändet, jedoch nicht übertragen oder gepfändet werden.
§ 318 Höhe des Anspruchs
(1) Der Anspruch wird dem Geschädigten nach Maßgabe der Schadensberechnung nach § 16 des Feststellungsgesetzes zuerkannt. Die Hausratsentschädigung beträgt
bei einem Einkommen bis zu 4000 RM jährlich oder bei einem Vermögen bis zu 20 000 RM 800 DM, bei einem Einkommen bis zu 6500 DM jährlich oder bei einem Vermögen bis zu 40 000 RM 1200 DM, bei einem Einkommen über 6500 DM jährlich oder einem höheren Vermögen als 40 000 RM 1400 DM.
Führte ein unverheirateter Geschädigter keinen Haushalt mit überwiegend eigener Einrichtung, besaß er aber im Zeitpunkt der Schädigung mindestens die Möbel für einen Wohnraum, so ist ihm Hausratsentschädigung in halber Höhe des seinem Einkommen oder seinem Vermögen entsprechenden Betrags zuzuerkennen.
(2) Ist der unmittelbar Geschädigte verstorben, so gilt § 270 entsprechend.
(3) Zu den in den Absätzen 1 und 2 genannten Entschädigungsbeiträgen werden nach dem Familienstand des Geschädigten am 1. April 1952 die folgenden Zuschläge gewährt:
1. für den von dem Geschädigten nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten 200 DM,
2. für jeden weiteren, zum Haushalt des Geschädigten gehörenden und von ihm wirtschaftlich abhängigen Familienangehörigen, sofern dieser zu dem in § 317 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 genannten Personenkreis gehört und nicht selbst entschädigungsberechtigt ist 100 DM,
3. für das dritte und jedes weitere nach Nr. 2 berücksichtigte Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres weitere je 100 DM.
§ 319 Anrechnung
(1) Hat der Geschädigte für den Verlust seines Hausrats bereits Entschädigungszahlungen in Reichsmark erhalten, so werden diese in Höhe von 10 v. H. in Deutscher Mark auf den Anspruch auf Hausratsentschädigung angerechnet, es sei denn, dass der aus den Entschädigungszahlungen wiederbeschaffte Hausrat durch Kriegsereignisse erneut verlorengegangen ist.
(2) Leistungen an Hausratshilfe nach § 45 des Soforthilfegesetzes und nach dem Hausrathilfegesetz des Landes Berlin vom 22. November 1951 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin S. 1117) und den dazu ergangenen Ergänzungsvorschriften sowie entsprechende Leistungen aus sonstigen öffentlichen Mitteln, wenn diese letzteren Leistungen den Betrag von 200 DM übersteigen, werden auf den Anspruch auf Hausratsentschädigung nach diesem Gesetz voll angerechnet.
§ 320 Erfüllung des Anspruchs
(1) Die Reihenfolge der Erfüllung der Ansprüche bestimmt sich unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nach der Dringlichkeit.
(2) Die Leistungen auf Grund von Ansprüchen auf Hausratsentschädigung werden zunächst nach Maßgabe der verfügbaren Mittel bis zur Höhe von 800 DM zuzüglich des Familien-Zuschlags nach § 318 Abs. 3 bewirkt (Hausrathilfe). Die Hausrathilfe kann in höchstens 2 Teilbeträgen gewährt werden.
(3) Ansprüche auf Hausratsentschädigung werden mit dem die Leistungen nach Absatz 2 übersteigenden Teil erst erfüllt, wenn die Leistungen nach Absatz 2 bewirkt sind.
§§ 325—327 Wohnraumdarlehen
Wohnraumdarlehen kann Vertriebenen und Kriegssachbeschädigten gewährt werden, wenn sie nachweisen, dass sie 1. durch die Schädigung den notwendigen Wohnraum verloren haben, und 2. sich bis zum Zeitpunkt der Antragstellung ausreichende Wohnmöglichkeit überhaupt nicht oder nicht an dem Ort, an dem sie Arbeit finden konnten oder finden könnten, zu beschaffen in der Lage waren.
Wohnraumhilfe wird in der Weise gewährt, dass dem Geschädigten Gelegenheit zum Bezuge einer Wohnung beschafft wird, deren Bereitstellung durch Darlehen des Ausgleichsfonds ermöglicht worden ist.
Die Darlehen sollen bevorzugt zur Erstellung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Wohnungen in der Rechtsform des Wohnungseigentums oder des Dauerwohnrechts für Geschädigte gewährt werden.
Noch einmal: Zur Haltung Dr. Kathers
Die Haltung, die Dr. Kather während der Beratungen des Lastenausgleichsgesetzes im Bundestag eingenommen hatte, war in den letzten Monaten häufig Gegenstand lebhafter Erörterungen. Wir halten es für richtig, unseren Lesern nachstehende sachliche Aufklärung zu geben. In einer Presseveröffentlichung über eine Rede, die Dr. Gille auf einem Ostpreußentreffen in Neumünster gehalten hat, hieß es:
„Mit allem Nachdruck stellte Dr. Gille dann die Meldungen richtig, die über seine Teilnahme an der Entschließung des Vorstandes des BvD zum Lastenausgleich in Umlauf gesetzt wurden. „Meine Stellung zu dieser Entschließung ist völlig entstellt wiedergegeben worden", sagte er. „Behauptet wurde, der Gesamtvorstand des BvD habe einstimmig seine Zustimmung zu diesem Lastenausgleichsgesetz der Regierung gegeben. Es sieht also so aus, als hätte ich zu dem faulen Kompromissfrieden, den Dr. Kather geschlossen hat ein Ja gesagt. Wahr ist folgendes: Zwei Entschließungen wurden dem Bundesvorstand vorgelegt die eine von Herrn Dr. Kather, die andere von mir in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Landesverbandes der Vertriebenen in Schleswig-Holstein. Die beiden ersten Abschnitte der von mir verfassten Entschließung, die dann in der Minderheit blieb, mögen Ihnen zeigen, ob ich zu einer Zustimmung zu diesem Gesetz bereit war. Sie lauten:
„Der gegenwärtige Bundestag hat zu dem Entwurf eines Gesetzes über den Lastenausgleich seine Entscheidung getroffen. Mit bitterem Gefühl stehen die Heimatvertriebenen vor dem Ergebnis. Das Versprechen der Bundesregierung. einen gerechten Lastenausgleich durchzuführen ist unerfüllt geblieben. Ein echter Eingriff in die verschont gebliebene Substanz ist im Gesetz sorgfältig vermieden worden. Hortungs- und Kriegsgewinne bleiben unangetastet. Kirchenvermögen und Hausratsvermögen der Wohlhabenden sind von jeder Abgabe freigestellt. So bleiben auf der Verteilerseite für die produktive Eingliederung der Geschädigten nur bescheidene Mittel übrig, die lediglich durch eine Vorfinanzierung für die nächsten drei Jahre erhöht werden.“
Nun wissen Sie, meine Landsleute, niemand wird Ihrem Sprecher vorwerfen können, dass er zu diesem Kompromiss, den Dr. Kather mit der Bundesregierung geschlossen hat, ein Ja gesagt hat.“ Starker Beifall dankte Dr. Gille und zeigte ihm das Vertrauen seiner Landsleute.“
Nachstehend bringen wir den vollständigen Text der Entschließung, die Herr Dr. Gille in der Vorstandssitzung des BvD am 26. Mai 1952 zur Annahme vorgelegt hat.
Entschließung
„Der gegenwärtige Bundestag hat zu dem Entwurf eines Gesetzes über den Lastenausgleich seine Entscheidung getroffen. Mit bitterem Gefühl stehen die Heimatvertriebenen vor dem Ergebnis. Das Versprechen der Bundesregierung, einen gerechten Lastenausgleich durchzuführen, ist unerfüllt geblieben. Ein echter Eingriff in die verschont gebliebene Substanz ist im Gesetz sorgfältig vermieden worden. Hortungs- und Kriegsgewinne bleiben unangetastet. Kirchenvermögen und Hausratsvermögen sind von jeder Abgabe freigestellt. So bleiben auf der Verteilerseite für die produktive Eingliederung der Geschädigten nur bescheidene Mittel übrig, die lediglich durch eine Vorfinanzierung für die nächsten drei Jahre erhöht werden.
Der Bundesvorstand des BvD erkennt an, dass sein Vorsitzender, Dr. Kather, als Abgeordneter des Bundestages bei dem gegebenen Kräfteverhältnis im Parlament nicht mehr zur Verbesserung des Gesetzes erreichen konnte, als geschehen ist. Es ist bedauerlich, dass die geschlossene Unterstützung der heimatvertriebenen Abgeordneten gefehlt hat.
Der Bundesvorstand dankt Herrn Dr. Kather für seinen Einsatz im Bundestag und billigt seine Haltung.
Der Bundesvorstand betrachtet dieses Gesetz als eine verbesserte Soforthilfe und wird nichts unversucht lassen, einen wirklichen Ausgleich der Lasten des verlorenen Krieges im politischen Kampf durchzusetzen.“
Es ist danach festzustellen, dass Herr Dr. Gille die Sätze, in denen nach seinem Vorschlag die Haltung Dr. Kathers gewürdigt und gebilligt werden sollte, in Neumünster nicht vorgelesen hat.
Er hat weiter in Neumünster nicht gesagt, dass der Bundesvorstand des BvD am 26. Mai 1952 außer der Entschließung zur Sache, die mit 10 gegen 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen wurde, einstimmig einen Beschluss gefasst hat, und zwar gerade veranlasst durch Dr. Gille, durch den die persönliche Haltung Dr. Kathers in der Lastenausgleichsdebatte gebilligt wurde.
Seite 3 Memel 700 Jahre alt
Foto: Die Nordermole von Memel. Hier zerschellten die schweren Brecher der Ostsee und sicherten die Einfahrt zum Seehafen. Aufn.: A. O. Schmidt
Foto: Das Nationaldenkmal von Memel.
Zeichnung: Alte Darstellung Memels.
2 Fotos: Blick auf eine Partie am Festungsgraben. Bild rechts: Im Hintergrund links die Börse und rechts das Hochhaus. Aufn.: Archiv
Wo die Memel und die Dange sich ineinander schließen und zusammenfließen, wie die livländische Reimchronik sagt, fand Bernhard von Seyne, der stellvertretende Landmeister des Schwertbrüderordens, im Sommer 1252 - 15 Jahre nach dessen Anschluss an den Deutschen Ritterorden - den Platz für die erste Burganlage im späteren Ostpreußen. Sie war eine Gemeinschaftsgründung des Ordens und Bischofs von Kurland und sollte den kürzesten über die Kurische Nehrung führenden Weg zwischen den beiden Ordensteilen gegen die noch nicht unterworfenen Völkerschaften sichern.
Eine Urkunde vom 18.10.1252 sieht bereits für die um die Memelburg entstehende Stadt drei Kirchen vor. Ein Beweis für die ihr beigelegte Wichtigkeit ist dies ebenso, wie der Umfang des für sie ursprünglich vorgesehenen Stadtgebietes. Ihre späteren drei verschiedenartigen Türme zeigen wohl noch das älteste der erhaltenen Memeler Siegl des Komturs von 1409, aus dem wahrscheinlich anfangs des 18. Jahrhunderts das durch seine Einfachheit so schön wirkende und markante Wappen der Stadt Memel -Turm zwischen zwei Barken und Mauer über einem Boot, alles in gold-gelb auf dunkelrotem Grunde - entstanden ist. 1255 war die Burg fertig und die Anfänge der Stadtsiedlung vorhanden. 1255, während die preußischen Stämme der Sudauer, Nadrauer und Schadrauer die in diesem Jahre gegründete Burg Königsberg angriffen, hatte Memel die erste allerdings erfolglose Belagerung durch die über die Nehrung und zu Schiff herangezogenen Samländer auszuhalten. Ungleich schwieriger und mit blutigen Verlusten verbunden waren die Kämpfe der Memeler Ordensbrüder in den nächsten Jahren mit den Kuren, bis deren benachbarte Burgen zerstört waren, und dann vor allem die im 14. Jahrhundert beginnenden Auseinandersetzungen mit dem erstarkenden Litauen, in deren Verlauf die Stadt mehrfach, einmal auch die Burg zerstört wurden.
1328 ging Memel aus der Verwaltung des Inländischen Ordenszweiges in die des günstiger gelegenen preußischen über und teilte von nun an, besonders nachdem 1422 im Frieden am Melno-See die bis 1919 gültige Grenze gegen Zamaiten und Litauen festgelegt war, dessen Geschicke. Für diese waren Burg und Stadt Memel als Beherrscher des Kurischen Haffs und als Hauptstütze des Seeverkehrs zwischen Preußen und den Ostseegebieten wirtschaftlich und politisch von größter Bedeutung, vor allem, wenn die feindseligen Danziger das Frische Haff und damit Königsberg von der See absperrten. Von solchen nachbarlichen Konkurrenzmanövern blieb auch Memel nicht verschont, bis schließlich nach der Reformation seine Entwicklung unter den Hohenzollern in ruhigere Bahnen einlenkte. Allerdings: Schwedenkriege im 12. Jahrhundert, Russenbesetzung während des Siebenjährigen Krieges mussten ebenso wie im übrigen Ostpreußen überstanden werden.
Nach dem Zusammenbruch von 1807 war Memel mit dem nördlich des Memelflusses befindlichen Gebiet das einzige vom Feinde nicht besetzte preußische Territorium. Dass es damals dem Hof und der Staatsverwaltung als Zuflucht diente, ist ja nicht nur im Osten bekannt, doch sollte man auch sich erinnern, dass in jener dunkeln Zeit in Memel des Königs jüngster Bruder mit seiner Frau den - von Napoleon allerdings nicht angenommenen - Entschluss fasste, sich Frankreich als Geiseln für die Zahlung der auferlegten Kontributionen anzubieten. Auch dass der Freiherr vom Stein sein Wirken für Preußens Erneuerung, die Vorbedingung für seinen späteren Aufstieg, in Memel begonnen hat, sollte man nicht vergessen. An dieser Entwicklung hat Memel als Handelsstadt allerdings nicht so teilgenommen wie andere Städte des Ostens, auch nachdem die Folgen des großen Brandes von 1854 überwunden waren. Schwerer wog die Umstellung von der Segelschifffahrt auf die Dampfschifffahrt. Von 1822 bis 1868 war Memels Flotte von 26 auf 98 eigene Schiffe gestiegen; deren Entwertung in den folgenden Jahrzehnten des Dampfes ließ nicht nur manchen kleinen „Partikulier" verarmen. Immerhin auch diese Übergangszeit, in der viele ihre Heimat verlassen mussten, ging vorüber und Memel war wieder im Aufstieg begriffen, als der erste Weltkrieg ausbrach, der nach anderthalb Jahrhunderten wieder Russen als Feinde ins Land brachte. Für Memel bedeutete sein Ende: Abtrennung der Stadt mit dem Lande nördlich des Memelflusses von Deutschland, ohne dass die Bewohner befragt wurden. Dass dieser Krieg für die Welt noch ganz anderes bedeuten könnte, hat schon Graf Moltke, der von 1870 bis zu seinem Tode 1891 Memels Reichstagsabgeordneter war, in einer Rede prophezeit, in der er die Dauer eines zukünftigen Krieges u. U. auf sieben, ja dreißig Jahre schätzte. Er währt nun mit Unterbrechung bald vierzig Jahre und die Memeler und die Memelländer haben auch nach 1918 in einem dauernden Kampfe gestanden: gegen die Abtrennung, für eine Volksbefragung, gegen Anschluss an Litauen, gegen dauernde Verletzungen der ihnen gewährten Autonomie, für eine Rückgliederung an die deutsche Heimat, aus deren Urschoße vor 700 Jahren die, Gründer und ersten Bewohner Memels kamen, um sich an einer Stelle niederzulassen, um die sich damals die alten Preußen, Kuren, Letten, Zamaiten und Litauer wie die Teile eines Fächers im Halbkreis herumlegten.
Seit dem 15. Jahrhundert hat es dort mit diesen Baltenstämmen keine direkten kriegerischen Auseinandersetzungen gegeben; wohl aber spannen sich bis in die neueste Zeit hinein zu ihnen unendlich viele unsichtbare Bande verwandtschaftlicher und wirtschaftlicher Natur.
Sichtbarer waren die Handelsbeziehungen der Hafenstadt Memel mit dem In- und Ausland. Und wenn Memel auch niemals zur Hansa gehört hat, so haben doch die Verse recht, die vor 25 Jahren ein Vorstandsmitglied des damaligen Memellandbundes zur Bannerweihe sprach:
„Schwertes Brüder - deine Väter,
Hansa - Mutter dem Gesetz.
Höchste Blüte früh und später
Schuf dir Mastbaum, Pflug und Netz."
Denn sein Stadtrecht bezog Memel von den Hansestädten; zuerst wandte man sich nach Dortmund, wollte die Gründung Klein- oder Neudortmund nennen; dann aber erhielt die Stadt lübisches Recht. Von Jagd und Fischfang lebte wohl nach neueren Forschungen der größte Teil der Einheimischen in der Nachbarschaft der neuen Siedlung bei deren Gründung, bis durch die deutschen Zuzügler der Ackerbau wieder zunahm und dem Lande zum Rückgrat wurde. Memels Gesicht aber war stets dem Wasser zugewendet, das Jung und Alt in seinen Bann, viele auch auf seinen Grund zog. Haff und Meer lockten in nähere und weitere Ferne, so dass sich manche geistigen Fäden von Memel um die Erde, ja um den Kosmos verfolgen lassen: Der Dichter Simon Dach, der von sich sagen konnte: „Diese Kunst der deutschen Reime lernet Preußen erst von mir", wurde hier 1605, der berühmte Astronom Argelander 1799 geboren. Ein gebürtiger Memeler hat in Kapstadt im 18. Jahrhundert die erste lutherische Kirche Südafrikas aus eigenen Mitteln erbaut und ausgestattet, und das dortige Pfarrhaus heißt noch heute Martin-Melck-Haus; ein anderer Memeler war im Berlin der Birmarckzeit einer der gesuchtesten Porträtisten; aus der neueren, nun aber auch schon vergangenen Generation schrieb ein Historiker aus Memel dem Rheingau-Kreis, dem sonnigsten Gebiet der Rheinlande, seine Geschichte; ein Mediziner verfasste in den deutschen Kolonien Grammatiken für Eingeborenensprachen, und der langjährige Leiter des Memellandbundes in Berlin, Prof. Boerschmann, legte in mehreren umfangreichen Bänden seine Forschungen über „Die Baukunst und religiöse Kultur der Chinesen" nieder.
Die Memeler haben allen Grund, auf diese und andere Leistungen ihrer Heimat hinzuweisen. Erst recht jetzt, da diese mit ihren dortgebliebenen Landsleuten zur 16. Sowjetrepublik gehört; das bedeutet nicht nur körperliche Unfreiheit, sondern auch geistige Knebelung und seelisches Martyrium. Aber auch Memels 700-jährige Geschichte steht nicht still und seine ehemaligen Bewohner vertrauen mit unzähligen anderen Deutschen auf das alte Wort: „Nichts ist beständig als der Wechsel."
Seite 3 Karkelbeek und Nimersatt
Die Namenseigenheiten des Kreises Memel
Wenn man durch den alten Kiefernwald bei Memel entlang der Ostsee weiter wanderte, kam man zu dem idyllisch gelegenen Badeort Försterei. Vom Kurhaus führte der Weg zu schönen Aussichtspunkten der Küste mit eigenartigen Benennungen. So hieß z. B. die letzte Bergkuppe im Walde „Holländische Mütze". Die Mannschaft eines gestrandeten holländischen Seeräuberschiffes hatte sich einst dort gelagert und verschanzt und führte Raubzüge nach den nahe gelegenen Dörfern aus. Als schließlich Militär von Memel kam, waren die Seeleute ausgerückt und nur eine alte Mütze hatten sie zurückgelassen. Der Volksmund nannte deshalb die Höhe „Holländische Mütze". Anschließend lag das Fischerdorf Karkelbeek. Viele Wiesen, Flüsse, Birken- und Erlenwäldchen findet man dort, abends rufen die Rohrdommeln und die Mönchsgrasmücken, Kuckuck und Kiebitze schreien um die Wette - ein Vogelparadies im wahrsten Sinne des Wortes.
Das letzte Dorf vor der Grenze hieß Nimmersatt. Fischer und kleine Bauern wohnten dort, die sich redlich um ihr täglich Brot mühten. Der Deutsche Ritterorden hat wohl aus diesem Grunde dem Ort den Namen Nimmersatt verliehen. Als König Friedrich Wilhelm IV. einst eine Inspektionsreise nach der äußersten Spitze seines Landes machte, kam er auch nach Nimmersatt und wurde dort im Gasthaus, entgegen aller Erwartung, mit seinem ganzen Gefolge vortrefflich bewirtet. Der König verlieh daraufhin dem Gasthaus den Namen „Immersatt". Das spätere Kurhaus hieß ebenso und das alte königliche Privileg hing eingerahmt in der Vorhalle. Unmittelbar vor der litauischen Grenze grüßte die letzte Wegtafel mit den Worten: ,Immersat und Nimmersatt, wo das Deutsche Reich ein Ende hat!" Martha Pascherat.
Seite 4 Weg von Potsdam! Dr. Linus Kather zum Tag der Heimat
Bonn. Der 1. Vorsitzende des Bundes der vertriebenen Deutschen, MdB. Dr. Linus Kather hat zum „Tag der Heimat'' am 3. August 1952 folgenden Aufruf veröffentlicht:
„Der Tag von Potsdam, der sich zum siebenten Male jährt, ist ein Tag des Unheils für die vertriebenen Deutschen, für alle anderen Deutschen und darüber hinaus für Deutschland und die Welt. die Welt Diese Erkenntnis ist jedem Deutschen zutiefst bewusst und beginnt auch in der Welt zu wachsen. Solange indes das Unrecht an den Vertriebenen währt und Deutschland zerrissen ist, lebt Potsdam. Es lebt insbesondere in der Moskauer Parole: „Zurück zu Potsdam!"
Die Antwort bei den Vertriebenen und Westen auf dieses Schlagwort vom Osten kann nur lauten: „Weg von Potsdam! Nur unter dieser Parole kann ein friedlicher Weg in die Heimat gebahnt werden. Dieser Weg führt über Berlin und über Straßburg, über ein wiedervereinigtes West-Mitteldeutschland und über ein einiges Europa. Aber nicht Proklamationen bereiten ihn, sondern ein starker politischer Wille unter den Vertriebenen, in Deutschland und in der Welt des Westens. Der Osten hat den Weg der Vertriebenen in die Heimat schon an der Zonengrenze erst in jüngster Zeit erneut verbarrikadiert und mit Stacheldrahtverhauen versperrt. Das Schicksal der Vertriebenen bleibt somit weiter ungewiss. Deshalb erwarten sie von der Bundesrepublik und von der Welt Verständnis für ihre Lage und Hilfe und Unterstützung bei der Schaffung neuer Lebensgrundlagen in der Gastheimat im Westen."
Seite 5 Cadinen an der Weser
Kürzlich hatten wir Gelegenheit, die wiedererstandene berühmte Cadiner Majolika-Fabrik in Nienburg (Weser) kennenzulernen. Nach Überwindung großer Schwierigkeiten ist es der Tatkraft eines Elbingers, Walter Krüger, gelungen, die Cadiner Tradition wieder aufzunehmen, ähnlich der ehemaligen Bernsteinmanufaktur in Hamburg. Selbst schwerbeschädigt hat er einen kleinen Stamm alter Cadiner an sich gezogen, an ihrer Spitze den noch in Cadinen ausgebildeten Sohn des dortigen alten Werkmeisters Wilm , der im Kriege ein Auge verlor, trotzdem aber modelliert und formt. Zu dem jüngeren Stamm gehört der 20 jährige Sohn des früheren Administrators des Herrn von Oldenburg-Januschau.
In einer früheren Flüchtlingsbaracke wird geplant und gearbeitet: zwei Brennöfen sind bereits in Betrieb, Arbeiterinnen drehen die Formen und malen die Dekors. Die größte Schwierigkeit bestand darin, die rötliche Farbe herauszubringen. Neben dem alten wurden auch neue Formen gefunden. Besonders schön machen sich die tiefkobaltblauen Farben mit feuervergoldeter Verzierung, die besonders im Ausland begehrt sind, so in der Schweiz, in Schweden, USA und Australien. Die Aufträge auf der letzten Industriemesse in Hannover waren so zahlreich, dass jetzt mit einer Lieferung von zwei Monaten gerechnet werden muss. Nicht nur Vasen und Konfektschälchen werden gefertigt, alle mit dem Zeichen des Ordenskreuzes, sondern auch süddeutsches Porzellan wird im Veredlungsverkehr vergoldet, aber auch die bekannten Tierplastiken wie Hirsch, Elch und Pferd gehen in alle Länder. Wir wünschen unserem Elbinger Landsmann weiteren Erfolg für sein mühsames Werk und freuen uns über den Mut eines alten Ostpreußen.
Wie die „Cadiner Keramik“ entstand
Als Kaiser Wilhelm II. 1908 das heruntergewirtschaftete Rittergut Cadinen in hohenzollernschen Hausbesitz übernahm, ließ er an Stelle der baufälligen Leutewohnungen massive, geräumige Wohnhäuser bauen, für die die kleine Handstrichziegelei des Gutes die Steine liefern sollte. Aber auch diese musste erst modernisiert werden. Mit einem Ringofen, einer Schneckenpresse und neuen Maschinen wurde sie dank der Güte der Tonlager in der Nähe zum Ursprungswerk der Cadiner Keramik-Industrie. Auf Wunsch des kaiserlichen Gutsherrn wurden zuerst Terrakotten italienischer Art hergestellt. Der junge Keramikfachmann Dietrich, der damals die Leitung des Werkes übernahm, schenkte bald der Baukeramik besondere Aufmerksamkeit. Die mit Cadiner Keramik ausgebauten Untergrundbahnhöfe in Berlin, der Cadiner-Saal bei Kempinsky, das Kaiser-Friedrich-Bad in Wiesbaden machten Cadinen vor 1914 weitgehend bekannt. In den harten Nachkriegsjahren nahm Dietrich die Cadiner Kunstkeramik auf, die in der Farbenzusammenstellung Kobaltblau-Rot-Gold ebenso Aufsehen erregte, wie „Cadiner Rot“ zu einem Farbenbegriff wurde. Es folgten die weltberühmt gewordenen Cadiner Tonplastiken und zuletzt die viel beachteten blauen und violetten Cadiner Klinker. Aus einer verfallenen Gutsziegelei war in kaum drei Jahrzehnten am Ufer des Frischen Haffes ein weltbekanntes Werk entstanden.
Seite 5 „Jahrbuch der Albertus-Universität" Band II
Soeben erschien der zweite Band des vom Göttinger Arbeitskreis herausgegebenen „Jahrbuch der Albertus-Universität Königsberg/Pr.“. Der Band umfasst 343 Seiten und enthält eine Reihe bedeutungsvoller Aufsätze über theologische, philosophische, geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Themen, ferner Nachrufe und kleine Beiträge zur Geschichte Königsberger Institute sowie einen Tätigkeitsbericht des Göttinger Arbeitskreises. Den Abschluss bildet der erste Teil einer umfassenden Bibliographie des internationalen Schrifttums seit 1945 über die Heimatgebiete der deutschen Heimatvertriebenen, das deutsche Flüchtlingsproblem und mitteleuropäische Fragen.
Im Holzner-Verlag, Kitzingen/Main, erschien von Dr. Fritz Gause eine historische Darstellung
unter dem Titel „Deutsch-slawische Schicksalsgemeinschaft“. Auf 312 Seiten wird ein Abriss der Geschichte Ostdeutschlands im weitesten Sinne und seiner Nachbarländer geboten, wobei der Verfasser neue und beachtenswerte Gesichtspunkte herausarbeitet. Ein Literatur- sowie Personen- und Ortsverzeichnis vertiefen und erleichtern die Benutzung dieses inhaltsreichen Buches.
Seite 5 Ostpreußische Jugend zum polnischen Arbeitsdienst
„Die Polen halten uns hier immer noch fest, und wir kommen nicht heraus. Bis jetzt war es noch einigermaßen erträglich, aber nun fängt wieder das bittere Dasein an“, schreibt eine ostpreußische Mutter in einem kürzlich eingetroffenem Brief aus der Treuburger Gegend. Aus ihren Zeilen spricht die Sorge um den jüngsten Sohn, der ihr von vier Söhnen erhalten blieb, und der jetzt wie alle Deutschen in Ostpreußen zum polnischen staatlichen Arbeitsdienst eingezogen werden soll. Im weiteren Verlauf des Briefes schildert die Ostpreußin die auch dort herrschende Lebensmitteiknappheit und teilt mit, dass bei den meisten Wirtschaften nur die Hälfte des Bodens bestellt ist. Da die Entwässerungsgräben nicht gereinigt werden, sind auch die Wiesen überschwemmt. Außerdem konnten viele Straßen in der Frühjahrszeit nicht benutzt werden.
Seite 5 50-jähriges Berufsjubiläum
Am 15. Juli 1952 hatte der Uhrmachermeister Herr Ernst Nehrenheim, Landshut/Bayern, Innere Münchner Straße 46, sein 50-jähriges Berufsbestehen in seiner neuen Wohnung begehen können. Herr Nehrenheim, früher Königsberg, Mitteltragheim 12, hatte am 15. Juli 1902 seine Gehilfenprüfung mit „Sehr gut" bestanden. Als Teilnehmer des ersten Weltkrieges kehrte er 1918 zurück und trat sofort seine langjährige Gehilfenstelle bei der Firma Walter Bistrick, Königsberg, wieder an. Am 1. April 1919 machte sich Herr N. selbständig und eröffnete in Königsberg ein Uhrenfachgeschäft. Durch seine fachmännische Qualitätsarbeit bewies er sein meisterliches Können. Er erwarb sich einen immer größer werdenden zufriedenen Kundenkreis. Als er am 1. April 1944 sein 25-jähriges Geschäftsjubiläum feierte, wurden ihm wegen seiner Beliebtheit viele Ehrungen zuteil.
Aber fünf Monate später, am 30. August 1944, ereilte auch ihn das Schicksal, er wurde total ausgebombt.
Mit ungebrochener Energie eröffnete er am 1. November 1944 in Pobethen ein neues Uhrenfachgeschäft. Doch auch hier musste er alles verlassen. In der Nacht vom 27./28. Jan. 1945 stießen die Russen vor und er flüchtete mit seiner kranken Frau bei starker Kälte durchs Samland. In letzter Minute gelang von Pillau aus die Fahrt mit einem Minensuchboot bis Gotenhafen, dann über die Ostsee nach Saßnitz und weiter per Bahn nach Bautzen/Sachsen.
Auch nach Bautzen kamen die Russen. Am 4. März 1945 ging es weiter und die Flucht endete in Landshut.
Die Not zwang ihn zur Arbeit. Nach vielen Schwierigkeiten konnte er bereits am 10. Juli in Landshut eine Uhren-Reparaturwerkstätte eröffnen. Wegen seiner fachkundigen und sauberen Arbeit erfreut er sich auch in der neuen Heimat großer Beliebtheit. Dem am 3. Juli 1952, 68 Jahre alt gewordenen Meister, wünschen seine neuen und alten Freunde für die erlittenen schweren Schicksalsschläge einen gesunden ruhigen Lebensabend, den er bei seiner Rüstigkeit und Schaffensfreude in seinem neuen Heim noch lange erleben möge.
Seite 5 Deutsche Heimat im Osten
Aus Anlass der Jahrhundertfeiern für die Städte Memel (700 Jahre), Zinten (600 Jahre) und Tilsit (400 Jahre), zu denen an den August-Sonntagen viele tausende Heimatvertriebene aus den ostpreußischen Grenzgebieten nach Hamburg kommen werden, zeigt das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen in „Planten un Blomen" die Ausstellung „Deutsche Heimat im Osten". Dabei handelt es sich um eine, den gegebenen Räumlichkeiten angepasste gedrängte Fassung der zuerst in Berlin gezeigten großen Wanderausstellung gleichen Titels, die im Laufe des vorigen Jahres in mehreren Großstädten der Bundesrepublik zu sehen war.
Die Hamburger Ausstellung wird in Verbindung mit der Tagung der Memelländer eröffnet werden, die am 2. und 3. August unter der Schirmherrschaft des Ersten Bürgermeisters Max Brauer stattfindet. Die Ausstellung wird den ganzen August über kostenlos besichtigt werden können.
Seite 5 Kameraden, meldet Euch! Art.-Regiment 161
Die ehemaligen Angehörigen des Regiments treffen sich am 13./14. September 1952 auf der Jugendburg Oberwerries bei Hamm in Westf. Beginn: 13.09.1952, 14 Uhr. Traditionsgemeinschaft des A.-R. 161 (Hubertus Hencke) Düsseldorf, Kaiserswerther Str. 258
Seite 5 Das Pungelchen
Lausbubengeschichten aus einer kleinen ostpreußischen Stadt (Schluss aus Nr. 7)
Mein kindlicher Schmerz bereitete Marta mehr Kummer als ich ahnte. Ich sah, dass ihr die Augen nass wurden und hörte, dass sie etwas vom beißenden Herdrauch brummte, obwohl das Feuer im Küchenherd längst erloschen war. Aber sie blieb standhaft.
„Was zögerst - geh!" wiederholte sie noch einmal und hob selber das Pungelchen auf, um es mir über die Schulter zu legen. Aber ich schüttelte die unwillkommene Last mürrisch ab, dass sie vor meinen Füßen liegen blieb. Im plötzlichen Entschluss umklammerte ich darauf schluchzend Martas Rock, beteuerte laut, was ich vorhin innerlich gelobt hatte, und bat sie, sie möge doch zu meiner Mutter gehen und sie bitten, dass ich zu Hause bleiben dürfe - wenigstens bis morgen früh …
Doch Marta ließ sich nicht darauf ein. Sie fasste mich vielmehr bei der Hand, hob das Pungelchen auf und führte mich auf den Flur, wo sie mich und das Pungelchen einfach stehen ließ.
Alles war verloren! Ich sollte also heute noch in die Fremde! Nach einer Weile des Wartens hob ich zaghaft das Pungelchen auf und trappste langsam die Treppe hinunter, immer noch in der stillen Hoffnung, man werde mich zurückrufen. Vergeblich!
Unten setzte ich mich auf die letzte Treppenstufe und legte traurig meinen Kopf auf das weiche Pungelchen. In dieser Stellung schlief der unglückliche Fänke-Fänke vor lauter Kummer und Weltschmerz ein. Als er erwachte, lag er wie immer in seinem Gitterbettchen, und die Morgensonne lachte golden durch die nahe Fensterscheibe …
Dass sich in meinem Schicksalspungelchen an jenem Abend überhaupt keine Hemden, keine Strümpfe, Schuhe, kein Mäntelchen und kein Schal, sondern nach wie vor nur Stoffreste und Flicken befunden hatten, das erfuhr ich erst viele Jahre später als Erwachsener, als ich gelegentlich eines Urlaubs mit meiner Mutter auf einem Spaziergang am „Faulen Teich" vorüberkam und dort wie weiland vor Jahren die Karussells kreisten und dazu die Drehorgeln spielten. -
Seite 5 Sommerferien auf der Kurischen Nehrung. Ein Versbericht von Kurt Maeder
Im Juli 1938, also im letzten vollen Friedensjahr, waren meine Frau und ich als Badegäste in dem Fischerdörfchen Preil auf der Kurischen Nehrung, das damals noch zu dem von den Litauern beherrschten Memelland gehörte. Wir hatten uns im „Preiler Elch" einquartiert, wo sich eine frohe Schar von Badegästen versammelte, die bald zu einer großen Familie zusammenwuchs. Besonders gut standen wir uns mit einem jungen sächsischen Ehepaar, das die Nehrung zum ersten Mal erlebte. Es war eine herrlich-erholsame Ferienzeit voll Naturgenuss, Frohsinn und Unbeschwertheit. Am Ende dieser Zeit schrieb ich an zwei Regentagen für den ganzen lieben Ferienkreis einen heitern Bericht in Versen über die gemeinsam verlebten Erholungstage und las ihn am Abend vor unserm Auseinandergehen in der Veranda vor.
Glückliche Umstände haben die Zeilen mir gerettet. Vielleicht wird heute in unserer so ernst gewordenen Zeit hie und da einer an dem launig-übermütigen Ferienton der Darstellung Anstoß nehmen, vielen andern aber so hoffe ich, wird beim Lesen dieser Zeilen die Erinnerung an eigene Ferien- und Urlaubstage auf unserer schönen, einzigartigen, geliebten Nehrung wieder lebendig werden. Und deshalb wage ich, die Teile des Versberichtes, die ein allgemeines Interesse finden können hier zu veröffentlichen. Als ein kleines historisches Dokument für das letzte Friedensjahr, ehe die Welt so bald dunkel und düster wurde, mögen diese anspruchslosen Verse hier aufbewahrt werden.
Kennst du ein Dörfchen, Preil genannt?
Es liegt so still an Haffes Strand,
Und von der hohen Düne schaut
Man weit, so weit, der Himmel blaut,
Das dunkle Haff, die helle See, -
Im Dickicht hausen Elch und Reh,-
Geschaffen, dass von dem Getöse
Der Großstadt es uns recht erlöse.
Hier liegt ein Gasthof, einfach, schlicht
Noch ohne Gas, elektrisch Licht,
Ein Fischerhaus mit Scheun und Stall,
Wie man es findet überall.
Nur die Veranda, hell belichtet,
Von höherer Kultur berichtet.
Im Hause walten tüchtige Leute,
Die deutschen Sinnes selbst noch heute.
Der Opa Detzkeit ist ein Mann,
Der trotz der 70 alles kann.
Er spannt die Pferde an und aus,
Im Elchrevier ist er zu Haus
Und weiß die seltsamsten Geschichten
Mit schlauer Miene zu berichten.
Doch in der Küche da schaffen behende
Die schönsten Speisen die fleißigsten Hände.
Die Annchen und Bertchen sind Künstlerinnen
Wie selten man findet solche auch innen
Im Reiche selber. Die Kuchen und Torten
Sind immer die schönsten und besten Sorten.
Und alles mundet und schmecket so fein,
Dass der Magen immer noch mehr lässt ein
Und bald der Gäste rundlich Gesicht
Die Zunahme kündet an Fettgewicht.
So war es kein Wunder, dass hier her gekommen,
Die den Ruf des „Preiler Elches" vernommen.
Nun folgt eine Reihe von Zeilen, in denen versucht wird, die einzelnen Sommergäste zu beschreiben und sie dabei ein wenig durchzuhecheln. Diese Zeilen sind, da von keinem allgemeinen Interesse, hier weggelassen. Der Versbericht geht dann weiter:
Was diesen Kreis zusammenhielt,
Weswegen er sich einig fühlt
Das war der holde Müßiggang,
Ein Leben ohne Arbeitszwang.
Man spielte mit des Lebens Schaum
Und träumte einen Ferientraum.
Man schlief, man badete, man lachte.
Mit gar nichts man sich Mühe machte.
Die einzge Arbeit war das Essen,
Doch diese wurde nie vergessen.
Und doch verrann so schnell der Tag.
Man wusste nicht, woran das lag.
Man schlief bis acht, darauf man trank
Den Kaffee, und das dauert lang,
Weil man sogleich das Frühstück aß
So dass man eine Stunde saß.
Dann kam des Tages Höhezeit
Man ging zur See, die ziemlich weit.
Wie war es schön, sich so zu sonnen.
Man atmete die Luft mit Wonnen.
Man suchte Bernstein, trieb Gymnastik,
Man warf den Reifen oft zu hastig.
Und dann ging's in die kühle See.
Wie wurde da uns wohl und weh
Vielmehr erst weh, dann aber prächtig,
Wie ward die Freude übermächtig!
Der Körper wurd so leicht und frei,
Als ob's 'ne Lust zu leben sei.
Man wurde hier so recht zum Kinde
Im Wasserwellenspiel der Winde.
Wie war es schön im Wellentanze
Zu halten sich in der Balance
Und hurtig durch den Kamm der Wellen
Sich sausend-brausend durch zu schnellen.
Man lachte nur, wenn mit Gerassel
Die Flut sich stürzte auf den „Dassel".
Man ließ sich von den Wellen biegen
Und niederwärts und aufwärts wiegen.
Man sprang empor, tauchte zum Grunde
Und warf den Reifen in der Runde
Und schwamm und schwamm dahin, daher,
Als ob man ganz ein Fischlein wär.
Doch endlich rief Frau Hennemauer:
„Nun, meine Herrn, es ist zwar sauer
Schon jetzt zu gehn, doch es ist Zeit,
Die Uhr ist eins, der Weg ist weit,
Und Hunger hab ich wie für zwei.
O wär der Rückweg schon vorbei!"
Und nun durch Bremsen ging's und Mücken,
Bis man mit arg zerstochnem Rücken
Und vielen leiderfüllten Klagen
Und einem hungrig-leeren. Magen
Zu Hause war und bald geschniegelt,
In feschen Kleidern neu gebügelt,
Auf weiße, saubre Teller starrte
Und sehnsüchtig des Essens harrte, -
Das bald erschien. O welch ein Wunder
Ist so ne fett gebratne Flunder,
Wenn in der Pfanne ihr als Futter
Gedient zerschmolzne reine Butter!
Noch höhere Gefühle weckte
Manch Fleischgericht, so dass man leckte
Die Lippen sich, denn solche Sachen,
Zu Hause kann man sie nicht machen.
Und dann noch Nachtisch - Eis - das kühle!
Das war das höchste der Gefühle.
So war man wieder schlafbereit.
Kaum aufgewacht, war Kaffeezeit,
Und man sann nach, ob man dem Magen
Den Kuchen sollt zu bieten wagen.
Nur Mut - Es ging. O wie das schmeckte
Und neue Lust zum Leben weckte!
Jetzt aber bat die Seele,
Dass man sie nicht zu schänden quäle
Mit all den Leibesleckerbissen
Sie strebt nach höheren Genüssen.
Man folgte ihr. O so ein Gang
Durch Wald, durch Heid, durch Vogelsang,
Durch Dünengrün, durch Dünensand!
O welch ein wunderherrlich Land!
Das Segel blitzt auf blauer Flut,
Alles ringsum in Sonnenglut,
In wunderbarer Farbenpracht
Der Himmel herrlich niederlacht.
Das Auge schaut und will vergehn,
Kann satt doch nimmermehr sich sehn,
O diese Stille, dieser Duft!
Du frische, reine herbe Luft,
Werd ich es glauben, dass einmal
Ich dich genoss? O welche Qual,
Wenn man nun bald in Staub und Ruß
Voll Sehnsucht dein Gedenken muss. –
Die Sonne sinkt. Das Abendrot
In Wechselfarben prächtig loht,
Und vor der Fülle der Gesichte
Wird alles Kleinliche zunichte.
Jedoch der Mensch? --? -- Das Abendrot
Ersetzt ihm nicht das Abendbrot,
Und wieder stopft man in den Magen,
Was immer er nur kann vertragen.
Zuletzt zu kühler Abendzeit
In angenehmer Müdigkeit
Man sich noch reizend unterhält,
Gespräche führt vom Lauf der Welt.
Dann setzt man sich zum Kartenspiel
Und noch so spät quält man sich viel,
Wie man aus Karten Wörter macht
Wie froh der, dem der „Bimbo" lacht!
Doch endlich fährt man in den Hafen
Des Betts, um selig einzuschlafen.
Ja, diese Zeit der Ferien war
Ein Märchentraum so ganz und gar,
So schön, so schön, dass kaum zu denken
Man wagt, den Schritt heimwärts zu lenken.
Jedoch, man muss! Die Arbeit ruft!
Wer ihr nicht folgt, der ist ein Schuft.
Doch alles was wir hier erlebt,
Noch lange in uns spinnt und webt
Und wird uns fest zusammenschließen.
Auch wenn wir es nicht mehr genießen,
Das Land, das Meer, das gute Essen,
Uns werden wir nicht mehr vergessen.
So leb denn wohl, du schöne Zeit,
Du liebes Land, du Seligkeit!
Lebt alle wohl! In voller Zahl
Sehn wir uns wieder wohl einmal - - -
Sind's gute Verse? Aber wo.
Das ist man alles bloß so so.
Seite 6 Der „Heimatbund Ostpreußen“/1919 bis 1933. Von P. Hundermarck – Wittgirren
Foto: Oberleutnant Karl von Plehwe-Dwarischken
Foto: Major von Weiss-Plauen
Foto: Landeshauptmann Dr. Graf von Brünneck-Bellschwitz, 1. Vorsitzender des Heimatbundes
Foto: Major Alfred Fletcher, Befehlshaber der baltischen Landwhr, dahinter Graf Heinrich zu Dohna-Tolksdorf und Oberleutnant Schönfeldt
Wer den von Universitätsprofessor Gunther Ipsen herausgegebenen Sammelband „Wir Ostpreußen" gelesen hat, wird aufrichtig bekunden, dass dies Buch sehr wohl geeignet ist, uns Ostpreußen mit dem Stolz und dem Bewusstsein innerer und eigener Kraft zu erfüllen, die in uns die Verbindung mit der fernen Heimat weiter wacherhalten soll. Besonders lesenswert sind darin die eigenen Betrachtungen des Herausgebers selbst: „Balten und Preußen", „Landnahme und Landesausbau", „Volkskraft im Osten", dann aber auch die vielen anderen sorgfältig ausgesuchten Beiträge, wie die des Prof. Josef Nadler, der mit seinem großen grundlegenden Gedankengut über das Abendland und unseren Jahrhunderte langen Kampf dafür im geraubten Osten auch heute noch unser kultur- und heimatpolitisches Fühlen und Denken beherrscht. Ebenso finden die herrlichen Ausführungen der Göttinger Professoren von Seile und Conze wie die von Paul Fechter u. a. unseren uneingeschränkten Beifall.
Nur der äußerst wichtige Aufsatz von Prof. Theodor Schieder „Die großen Momente der ostpreußischen Geschichte", dem alle Ostpreußen, die sich mit ostpreußischer Geschichte befasst haben, sicherlich ein ganz besonderes Interesse entgegenbringen werden, hätte vielleicht ausführlicher abgefasst werden müssen. Für die Älteren von uns, die wir seit der Jahrhundertwende alles bewusst im deutschen Osten miterlebt haben, ist das „Bekenntnis zu Europa" zum Schluss weder in der Überschrift prägnant noch dem Inhalt nach erschöpfend und volkstümlich genug dargestellt. Die reichen Erinnerungen nach 1914 bis 1933 bilden neben dem ersten Weltkrieg selbst ein solch gewaltiges Stück selbsterlebter Heimatgeschichte, dass man über kein Zeitereignis mit ein paar kurzen, wenn auch tiefgründigen Sätzen hinwegkommen darf. Diese in uns noch völlig unverwischte inhaltsschwere Zeit muss mit preußischem Herzen und innerem Feuer unserer nächsten Generation, in deren Händen ganz wesentlich die Entscheidung über die Zukunft des für uns alle unentbehrlichen deutschen Ostlandes liegt, und damit der Nachwelt übermittelt werden. Denn es handelt sich dabei nicht allein um die in diese Zeit fallende große Entscheidung der Abstimmung, die mit dem historischen Moment des 20.07.1920 einen gewaltigen Erfolg des amtlich geförderten „Ostpreußischen Heimatdienstes" darstellt, sondern auch um das gewaltige Aufbäumen der ostpreußischen Bevölkerung gegen die nach Kriegsbeendigung aus dem bolschewistischen Osten anstürmende rote Flut, dass einen überall sichtbaren dramatischen Ausdruck in dem im Herbst 1919 gegründeten „Heimatbund Ostpreußen" fand und das natürlich auch das Abstimmungsresultat im besten Sinne beeinflusst hat.
Als einer der Mitgründer und langjährigen Mitarbeiter dieses anti-bolschewistischen Schutz- und Trutzbundes glaube ich gut zu tun. nachdem bereits so viele Männer der damaligen Zeit das Zeitliche gesegnet haben, die Leistungen des Heimatbundes wie die seiner Führer und Mitglieder den heutigen Zeitgenossen mit allem, was ich darüber selbst in Erinnerung behalten habe, wieder ins Gedächtnis zu rufen. Dabei erfüllt mich die verständliche Herzenspflicht in meinen Ausführungen, der Heimatgenossen besonders ehrenvoll zu gedenken, die damals für die Rettung ihrer Heimat mit Leib und Seele eingetreten und gezeigt haben, dass ihnen die angestammte blutmäßige Heimat über alles ging.
Seite 6 Die Vorgeschichte des Heimatbundes
Zum Verständnis der Vorgeschichte des Bundes bitte ich, sich in die Zeit zurückzuversetzen, als die unglückliche Revolution alle geordneten Verhältnisse im Deutschen Reich über den Haufen geworfen und die im benachbarten Osten begonnenen bolschewistischen Umwälzungen leider auch bei uns manche Verwirrung angerichtet hatten. Überall hatten die Arbeiter- und Soldatenräte und die von ihnen geschaffenen „Roten Schutzwehren" die Herrschaft der politisch unfähigen Masse zu stabilisieren versucht, und in dem von ihnen hervorgerufenen Wirrwarr jegliche sachliche Arbeit hintertrieben.
Auch in unserer Provinzialhauptstadt Königsberg übte eine solche spartakistische Gruppe, die sich die „Rote Armee- und Marine-Volkswehr" nannte und sich mit ca. 3000 Mann im Schloß und seiner nächsten Umgebung eingenistet hatte, eine völlige Willkürherrschaft aus. Sie drangsalierte die Bevölkerung und betrieb mit ihrem Vollzugs-Rat einen unerträglichen Terror. Ihre Beseitigung und Niederkämpfung war die Vorbedingung für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung auch in der Provinz.
Es ist der reibungslosen Zusammenarbeit der damals im Vordergrund stehenden leitenden und willensstarken Persönlichkeiten der Provinzial-Regierung, dem Regierungskommissar für Ost- und Westpreußen und staatspolitisch sehr klar denkenden August Winnig , dem Oberpräsidenten v. Batocki und dem kommandierenden General v. Estorff zu danken, mit den Überresten der aktiven Truppen und vor allem mit Hilfe des am Jahresanfang 1919 ins Leben gerufenen 20 000 Mann starken „Ostpreußischen Freiwilligen-Korps" unter Verhängung des Belagerungszustandes durch scharfes Zupacken das gefährliche Unternehmen zu zerschlagen, und nach Beseitigung ähnlicher Zustände auch in Allenstein jeder weiteren inneren Gefährdung und Vergewaltigung Ostpreußens durch die Spartakisten vorzubeugen. Das war bis März 1919 in erster Linie dadurch geglückt, dass immer mehr ordnungsliebende Söhne der ostpreußischen Heimat aus allen Volksschichten sich in die Formationen des Freiwilligen-Korps einreihten und sich bereitfanden, gegen die unerträglichen chaotischen Zustände anzukämpfen.
Es scheint mir eine zwingende Pflicht zu sein, im Zusammenhang damit auch dem hervorragenden Organisator des Freiwilligen-Korps selbst, Major Otto v. Weiß-Plauen, der später im Heimatbund eine bedeutende Rolle spielte und nach Verlust der Heimat nach dem zweiten Weltkriege auf der Flucht einen besonders tragischen Tod durch Ertrinken gefunden hat, ein paar Worte des Dankes zur verdienten Ehrung nachzurufen. Er hat sich niemals, wie auch später, immer als hervorragendes Organisations-Genie erwiesen und ich gehe nicht zu weit, ihn bei seiner lebhaften Initiative und steter Aktivität, als einen der verdienstvollsten Ostpreußen seiner Zeit zu bezeichnen.
Bis zum Frühjahr und bis in die Mitte des Jahres 1919 hinein sah es auch außerhalb der Provinz trotz mancher wilden Gerüchte über die Gräueltaten der Bolschewiken in den russischen Randgebieten noch ganz beruhigend aus. Die Randstaaten hatten durch eigene Abwehrmaßnahmen diese gewaltige Gefahr bis dahin noch selbst leidlich zu meistern verstanden, wobei ihnen beherzte deutsche Offiziere und kriegsgewohnte zur Entlassung gekommene deutsche Soldaten ein erwünschtes Kontingent stellten. Jedenfalls gab es damals unter den Kriegserfahrenen, aus dem Krieg Heim gekehrten Ostpreußen viele, die die Sorge um die äußere Sicherung der Provinz für etwas Wichtigeres ansahen. Der unwiderstehliche Drang zum alten ehrenvollen Soldatentum trieb sie vielfach in die außerhalb der Provinz - vor allem im Baltenland - schnell entstehenden Freiwilligen-Verbände. Von den größeren Frei-Korps, die sich aus den bodenständischen Deutsch-Balten und deutschen Soldaten zusammensetzten, war es dort in erster Linie die baltische Landeswehr unter dem Kommando des als Soldat hervorragend veranlagten Feldartillerie-Majors Alfred Fletcher, der sich im Verlauf des ersten Weltkrieges auch in Ostpreußen einen guten Namen gemacht hatte, dann die „Eiserne Division" unter Kapitän z. S. Siewert, die nach seiner meuchlerischen Ermordung, in Major Bischoff, ihren neuen Führer fand und mit Beginn des Jahres 1919 als einzige geschlossene deutsche Truppe die 1. Garde-Res.-Division, von der aber nur das 2 Reserve Regiment als spätere Gruppe v. Plehwe länger im Baltikum verblieb und von unserem ebenfalls im Weltkriege hervorragend bewahrten und aus einer allen hochverdienten ostpreußischen Familie stammendem Landsmann, Oberstleutnant Carl v. Plehwe geführt wurde.
Aber auch die kleinen Verbände, wie das Korps des Douaumont-Stürmers Hauptmann v. Brandes und das Studenten-Kontingent, das als Artillerie-Zug unter Leutnant Gloger im Januar 1919 ins Baltikum gezogen war, sollen nicht unerwähnt bleiben. Alle diese Formationen haben bis in die Sommermonate des Jahres 1919 schwere Kämpfe gegen die das ganze Lettland überflutenden Bolschewiken unter der klugen und tatkräftigen Oberleitung des Generalmajors Graf v. d. Goltz geführt. Es gelang ihnen, die bolschewistischen Banden überall auseinanderzureißen und zu vertreiben. Dabei war es eine Waffentat ersten Ranges, dass es die glänzende Führung Major Fletchers verstand, am 22. Mai mit seiner baltischen Landeswehr, aber auch unter Mitwirkung des v. Plehweschen Regiments, die Hauptstadt des Landes Riga selbst von dem blutigsten Terror der Bolschewiken zu befreien. So schien für unsere Heimat Ostpreußen, für Lettland, für Litauen und Estland die erste akute bolschewistische Gefahr beseitigt zu sein. Das Blatt wendete sich, als der baltische Regierungschef Ulmanis, der sich durch deutsche Tatkraft und durch deutsches Blut vor dem bolschewistischen Druck gerettet hatte, zum Verrat griff und die ihm übermächtig und lästig gewordenen deutschen Verbände um die ihnen gegebenen Versprechungen auf Siedlungsland und Bürgerrecht zu prellen versuchte. Dabei bediente er sich der englischen Besatzungsbehörde, die ihn in seinem Bestreben, die fremden Soldaten möglichst bald aus dem Lande herauszubekommen, noch unterstützte.
Die Auswirkung dieser allgemein alarmierenden Nachricht und die dann in unserer ostpreußischen Heimat dadurch entstandene Erregung lassen sich nur unter gleichzeitiger Beleuchtung der im Hochsommer 1919 durch die Friedensunterzeichnung bereits allgemein entstandenen Beunruhigung erfassen.
Anfangs hatte es so ausgesehen, als ob auch die Berliner Regierung gegen Abtrennung deutschen Bodens im Osten eingestellt war und auch damit nicht ernstlich gerechnet hatte. Sie war selbst aufs äußerste überrascht, als ihr durch ihren Bevollmächtigten Graf Brockdorf-Rantzau das Friedensdiktat Anfang Mai bekanntgegeben wurde, in dem es hieß, dass im Osten Teile Ostpreußens, ganz Westpreußen, Posen und Teile Oberschlesiens an Polen, das deutsche Danzig und das deutsche Memelland an die alliierten Mächte abgetreten werden sollten. Das war unzweifelhaft krasser Vernichtungswille und ein Dokument der Rachgier. Teile ostpreußischen Bodens sollten polnisch und Ostpreußen wie eine Insel durch einen Korridor vom Reiche abgetrennt werden!
Das ging der damaligen Reichsregierung über jede annehmbare Möglichkeit hinaus. Man verlegte entschlossen die 1. Garde-Reserve-Division, von der das 1. Reserve-Regiment bisher nur vorübergehende Verwendung im Baltikum gefunden, aus dem Baltenland in westpreußische Garnisonen und ließ sie eine Bereitschaftsstellung im Raume Kulm-Graudenz einnehmen, um die Polen, die sich nicht schnell genug des ihnen zugedachten Raubes bemächtigen wollten, beim Einmarsch in Westpreußen und Posen zuvorzukommen. Der seiner verantwortungsvollen Stellung durchaus bewusste Regierungskommissar Winnig zögert daher auch nicht länger, die mit großer Freude begrüßte Regierungserklärung zu veröffentlichen, dass die Regierung fest entschlossen sei einen polnischen Einmarsch in die strittigen Gebiete des Ostens mit der Waffe in der Hand abzuwehren. Die Bevölkerung des Ostens solle wissen, dass sie sich auf die Regierung verlassen und dass diese niemals einen Frieden, der den Osten preisgibt, unterschreiben würde.
Das beruhigte! Der politische Gedanke, da Ost- und Westpreußen sich im Bunde mit Schlesien und Teilen von Pommern, falls die Regierung nicht fest bliebe, zu einem Staatengebilde zusammenschließen und dass man dann auf eigene Faust handeln müsste, verschafft sich schnell Durchbruch, und erfüllte die meisten Gemüter mit einer vorbildlichen opferbereiten Entschlussfreudigkeit. Aber am 28. Juni erfolgte dann doch trotz aller Zuversicht und aller Einsatzfreudigkeit für die Bewohner des alten deutschen Ostens das Furchtbare und Unabänderliche! Bei der aufgezwungene Unterzeichnung des Friedensdiktats verliert Berlin jede Festigkeit und jeden starken Willen. Es überlässt den äußersten deutschen Osten seinem unsicheren Schicksal. General v. Below, auf dessen befreiende Tat von Danzig und Westpreußen aus alle Kampfwilligen gerechnet hatten, erklärte zur bittersten allgemeinen Enttäuschung, dass die von vielen ersehnte Aufnahme des Kampfes zur Behauptung des im Friedensdiktat geforderten preußische Bodens ohne Unterstützung und ohne den Widerstand der Reichsregierung keine Aussicht auf Erfolg hätte. Aber auch eine wichtige militärische Stimme aus Ostpreußen selbst warnte vor der Zersplitterung des deutschen Volkes, das im Westen nicht zur Erhaltung der alten Reichsgrenze stände und sich in einem Freiheitskampf im Stich zu lassen.
Fortsetzung folgt
Seite 6 Prof. D. Dr. Leopold Zscharnack 75 Jahrs a!t
Am 22. August 1877 ist der langjährige Vertreter der Kirchengeschichte an der Königsberger Albertus-Universität in Berlin geboren. Er hatte sich in Berlin als Privatdozent habilitiert (1906), war auch dort bald Professor geworden und kam 1921 als ordentlicher Professor nach Breslau wo er aber nur vier Jahre blieb, um gen. (unvollständiger Satz). Dort hat er bis zum Ende der Universität 1925 einem Ruf nach Königsber zu fol??? gewirkt (dieser Satz ist auch fehlerhaft).
Zscharnack ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten unter den Theologen seines Zeitalters. Sein Hauptarbeitsgebiet die Zeit der Aufklärung, seine Arbeit über Lessing und Semler, die bereits 1905 erschien, erregte allgemeine Beachtung. Es ist nicht möglich, hier aller seiner gewichtigen Arbeiten zu gedenken. Erwähnt sei die Arbeit aus der Festschrift für Adolf Harnack über die patriotische Wirksamkeit der Geistliche im Zeitalter der Freiheitskriege und die Studie über Luthers Werk in der Mark Brandenburg. Allen Theologen und darüber hinaus allen geistig Interessierten ist Zscharnack durch die Herausgabe des großen fünfbändigen Werkes „Religion in Geschichte und Gegenwart“, das bisher zwei Auflagen erlebt hat, ein ganz unentbehrliches Hilfsmittel für die Geistes- und Religionsgeschichte.
In Ostpreußen stand Zscharnack der Vereinigung für ostpreußische Kirchengeschichte vor, er gab das Jahrbuch dieser Vereinigung heraus, wie er auch in der Redaktion verschiedener Kirchengeschichtlicher Zeitschriften tätig war. Heute lebt Professor Zscharnack in Kassel (Auerstraße 12 ½ ), wo er noch heute im Landeskirchenamt eine wichtige Stellung einnimmt auch ist er jetzt Honorarprofessor in der theologischen Fakultät der Universität Marburg, wo er regelmäßig Vorlesungen hält. G. v. Selle
Seite 6 Kein Heim für Agnes Miegel
Bad Nenndorf. In einem scharfen Protest nahm die Landsmannschaft der Ostpreuße zu den Vorgängen Stellung, denen die über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte greise ostpreußische Dichterin, Dr. h. c. Agnes Miegel, kürzlich in ihrem jetzigen Wohnort Bad Nenndorf ausgesetzt war. Der immer noch schaffensfrohen 72-jährigen Dichterin hatte das Kreiswohnungsamt nach langen Bemühungen eine angemessene Wohnung zuweisen können. Als die Dichterin ihren Umzug bewerkstelligen wollte, verwies der Hausbesitzer die Greisin aus der Wohnung und wurde ihr gegenüber vor aller Öffentlichkeit ausfällig.
Seite 7 An Agnes Miegel
Agnes Miegel, nun fehlts Dir an Haus und Gemach
Drum stehn unsre Herzen in Flammen.
Und wärs an der Ostsee, von Stroh ein Dach,
Wir trügen die Halme zusammen.
Wir holten die Balken wer weiß woher
Und Steine, Dein Haus zu bauen.
Hoch hinge die Krone ernteschwer
Mit Blumen, weißen und blauen.
Am First sollte bogig ein Fenster sein
Mit dem Fernblick auf Birken und Buchen,
Da käme von Osten der Sonnenschein
Dich alle Morgen besuchen.
Und schritten viel junge Mädchen durchs Tor
Um mit hellen Stimmen zu singen.
Eins schliche ganz leise die Stufen empor
Dir „Salz und Brot" zu bringen.
E. v. Olfers-Batocki, aus Tharau, Ostpreußen.
Seite 6 Flensburger Ostpreußenfamilie
Auf den Mitgliederversammlungen der beiden Gruppen Flensburg-Stadt und Flensburg-Mürwik im Monat Juli hielt Herr Rietenbach vom VvD. einen Vortrag über Fragen der Vertriebenen. Die beim Kreisverband der VvD. eingerichtete Ausfüllhilfe für die Anmeldung der Ostsparguthaben konnte in wenigen Wochen bei den 647 anmeldenden Personen ein Sparguthaben von 3,4 Millionen Reichsmark nachweisen. Nach der Ehrung der Verstorbenen durch Herrn Bocian sprach der 1. Vorsitzende, Schulrat a. D. Babbel. Am Sonntag, dem 14. Juli, nahmen die Landsmannschaften Pommern und Ostpreußen gemeinsam an dem Umzug des Sängerbundesfestes teil. Der von beiden Landsmannschaften gestellte Festwagen stand unter dem Motto des Liedes: „Ännchen von Tharau". Das Banner des Bundes der heimattreuen Ost- und Westpreußen von Flensburg und unser Ostpreußenbanner zogen dem Festwagen des „Ännchen" voraus. Immer wieder spendeten die Zuschauer Beifall.
Als letzte Veranstaltung im Monat Juli wäre noch das Kinderfest zu erwähnen. Während der Kaffeetafel begrüßte der 2. Vorsitzende, Herr Hiller, die Kinder und deren Eltern, die zahlreich erschienen waren. Die Kinder-Gymnastikgruppe unter der Leitung der Landsmännin Frau Lutzkat, erntete mit ihren Darbietungen reichen Beifall. Ebenfalls erlebten wir den Boxkampf einer Jugendstaffel. Alle Helfer, vor allem Landsmann Borm, gaben sich die größte Mühe, diesen Nachmittag zu einem wahren Volksfest zu gestalten. Eine Kinderpolonäse bildete den Abschluss des
Festes.
Königsberger in Flensburg
Die innerhalb der Landsmannschaft Ostpreußen bestehende Gruppe der Königsberger hatte kürzlich zu einem Treffen aufgefordert, das als kleiner Heimatabend mit Vorträgen ernster und heiterer Art, musikalischen Darbietungen und gemeinsamen Gesängen die Landsleute vereinte. Der Leiter der Gruppe, Herr Bocian, führte die Anwesenden in einem „Spaziergang durch Königsberg" durch alte vertraute Gegenden der schönen Stadt am Pregel. Er gab auch einen kurzen geschichtlichen Überblick über alte Kirchen und die Universität dieser Stadt. „Niemals wollen wir die Erinnerung an unsere schöne Heimatstadt und die Hoffnung auf eine Rückkehr aufgeben", rief er zum Schluss seines Vortrages aus. Herr Bocian gab dann bekannt, dass die Patenstadt Duisburg die von ihm inzwischen aufgenommene Verbindung dankbar begrüßt hätte. Von dort soll die Tradition der Stadt Königsberg gepflegt werden. Zu diesem Zweck werden Archivalien und Erinnerungsstücke gesammelt. Die Stadt Duisburg ist im Begriff, der Mittelpunkt aller wertvollen Bestrebungen zu werden, die sich mit der Stadt Königsberg und ihren ehemaligen Einwohnern befassen.
Alle Königsberger werden gebeten, soweit sie es noch nicht getan haben, ihre Personalangaben und Anschriften für eine Königsberger Heimatkartei mitzuteilen, entweder direkt an das Haupt-Organisationsamt der Stadt Duisburg oder im Büro des Kreisverbandes LvD., Friesische Straße 21 (Sanssouci), in dem eine Sammelliste ausliegt.
Seite 7 Flensburg
Folgende betagte Landsleute der Ostpreußenfamilie in Flensburg feiern im Monat August ihren Geburtstag:
02.08.1952 Ferdinand Schoettke, 76 Jahr, früher Gastwirt in Pillau, Breite Straße 8.
02.08.1952 Caroline Nikolaus, Hafendamm 17, 75 J.
05.08.1952 Hermann Beutler, Mathildenstraße 5, 78 Jahre, Lehrer i. R., früher Könlgsberg/Pr., am Bahnhofswall 9.
05.08.1952 Emil Berge. Bauer, Landstraße 44, 86 Jahre, früher Schanzkrug, Kr. Labiau.
06.08.1952 Martha Felsner, Lager Schützenheim, 73 Jahre, früher Insterburg, Göringstraße 13.
07.08.1952 Leo Schleicher, Wees, Kr. Flensburg, 77 Jahre, früher Memel.
09.08.1952 Fritz Böhnack, Heinz-Krey-Lager, E/28, 71 Jahre, Sattlermeister, früher Schippenbeil, Königsberger Straße 17.
13.08.1952 Hermann Fischer, Harrisleer Straße 23, 72 Jahre, Oberlandjäger i. R., früher Insterburg-Waldgarten.
18.08.1952 Helene Krause, Wees, Kr. Flensburg, 79 Jahre, früher Allenstein, Rathausstraße 4.
19.08.1952 Barbara Karpinski, Martinistift, 80 Jahre, früher Johannisburg, Abbau 8.
23.08.1952 Emma Wolff, Matthias-Claudius-Straße 15, 71 Jahre, Krankenschwester i. R., früher Bartenstein, Heilsberger Straße 34.
26.08.1952 August Rowlin, Mützelburglager, 77 Jahre, Bauer, früher Stradaunen, Kr. Lyck.
Die nachfolgenden Delegierten zum Hauptausschuss haben ebenfalls im Monat August ihren Geburtstag:
09.08.1952 Heinz Paugstadt, Lager Westerallee, Baracke 5, 30 Jahre.
12.08.1952 Erna Böge, Flurstraße 23, 55 Jahre.
26.08.1952 Fritz Koch, Apenrader Straße 95, 55 Jahre.
Der Vorstand der Landsmannschaft Ostpreußen gratuliert allen Geburtstagskindern aufs herzlichste und wünscht ihnen für das neue Lebensjahr alles Gute. Armoneit.
Treffen ostpreußischer Sportler Die Vereinigung ostpreußischer Rasensportler veranstaltet am 08./09. und 10. August 1952 in Hamburg ein großes Treffen, für das folgendes Programm vorgesehen ist: 8. Oktober 1952: Anreisetag nach Hamburg-Sülldorf, zu erreichen mit S-Bahn bis Sülldorf (4 Minuten vom Bahnhof).
9. Oktober 1952: Sportwettkämpfe ab Frühnachmittag in Hamburg-Blankenese - Sportplatz an der Schönefelder Landstraße. Die ASCO-Fußballelf, diesmal wieder geführt von Arnold Petereit, sucht einen Gegner. Die VfBer werden gebeten, sich mit Fußballschuhen und einem weißschwarzen Dress einzudecken. Ein Hans-Weinberg-Gedächtnisstaffellauf von 10 - 15 X eine ½ Runde. Auch für diesen Einsatz des VfB sind Lauf- oder Turnschuhe mitzubringen, es macht jeder mit, und wenn wir im VfB mit 2 Mannschaften laufen! Damenhandballspiel der ASCO-Damen gegen eine Blankeneser Elf; geplant ist ferner ein Landhockeyspiel. Abends 20 Uhr: Großer Festabend In Sülldorf - „Georg-Brenke-Ostpreußenheim". Festrede Dr. Schmidtke; es sprechen dann die Vereinsvertreter ihre Glückwünsche an den Jubilar ASCO aus: alsdann der Festball der Ostpreußensportler.
10. Oktober 1952: Fortsetzung der Sportkämpfe in Blankenese - Schönefelder Landstraße. Gemeinsames Mittagessen in Sülldorf. Abendfeiern der einzelnen Vereine. Einem allseits geäußerten Wunsche entsprechend wird der VfB - wie im Jahre 1950 - am Sonntagabend wieder im engeren Kreise beisammen sein. Für die Unterbringung in Hamburg-Sülldorf stehen Fremdenheime und Hotels kaum zur Verfügung, so dass eine Bettbestellung zweckmäßigerweise vorzeitig von jedem Anreisenden in Hamburg-Stadt selbst beschafft werden muss. Auskunft erteilt und Anmeldungen nimmt entgegen, die Geschäftsstelle des 1. FC Ostpreußen, A. Roesnick, Hamburg 39, Sierichstraße 121.
Seite 7 Wi Lere Plattdietsch. Von Dr. Karl Bink
V.
„Ward“ ös möt t, „wurd“ möt d to spräke; v ver harte Laute (t, st) ös wie f, sonst wie w to spräke; ön levsd, haddsd, wurdsd mott dat sd, dat egentlich st ös, week oder stömmhaft gesproake ware, sonst klingt solk een Foarm oft möt de ön e Gegenwrt gliek. Dat fölt far „du levst“ (du liebst) on „du levst“-levsd (du liebtest). Da dat nich ömmer leicht to unterschede ös, sette de Lied dafer geern de Foarm möt „hebbe“ ön, also „du hest gelevt“ far „du levsd“.
Wi hebbe dadorch (o = u) gliek de Foarme von „hebbe“ (haben), „sön“ (sein); „ware“ (werden) kenne geleert. Eenfache Foarme gövt et je bloß far Gegenwart on Vergangenheit. Disse sette wi von disse der (e = ei) Helpdoonweerd (Hilfstätigkeitswörter) noach emoal hen.
Gegenwart | Vergangenheit | Eigenschftsfoarm |
Ök hebb – si – war | hadd – weer - wurd | von e Vergangenheit |
du hest – böst – warscht | haddst – weerscht - wurdsd | Gehatt |
he, se, et hevt – ös – ward | hadd – weer - wurd | Gewese |
wi, ju, se hebbe – sönd - ware | hadde – weere - wurde | Gewoarde |
„Haddsd' 'on „wurdsd" geit ok als „hattst" on „wurtst" to spräke, da dabi nuscht (nichts) verwechselt ware kann. De andere Tide (Zeiten) ward je woall nu jeder bilde könne. Fange wi se bloß moal an: ök war hebbe, ök hebb gehatt, ök hadd gehatt, ök war gehatt lebbe; ök war sön, ök si gewese, ök weer gewese, ök war gewese sön, ök war wäre, ök si gewoarde, ök weer gewoarde, ök war gewoarde sön. Endunge bruke wi also bloß von Gegenwart on Vergangenheit; far disse beide Tide (Zeilen) bringe wi noach emoal die Foarme on sene ons de Endunge an:
Gegenwart | Vergangenheit | Eigenschaftsfoarm (Partizp) |
Ök llev | ök leevd | Von e Vergangenheit |
du leevst | du leevsd(st), leevdsd | geleevt |
he, se et leevt | he, se, et leevd |
|
wi ju, se leve | wi, ju, se leevde |
|
Dat gövt de Äversöcht (Übersicht) äver de Endunge:
Gegenwart | Vergangenheit | Eigenschaftsfoarm |
Ök - | - | von e Vergangen- |
du st | st | heit |
he t | - | t |
wi, ju, se e | e |
|
Bloß bi „he“ ös een Underscheed (ee = ei) bi Gegenwart on Vergangenheit, sonst stömmt alles ön beide Tide. Wi moote oaver bi de Vergangenheit ver de Endung als Teken (Zeichen) een d sette; dat kann oaver bi leevdsd nich utgesproake ware; dös also gliek, ob wi et schrive oder nich. Bi de Egenschaftsfoarm von e Vergangenheit finde wi bim Hochdietsche een t, dat ok ömmer so klingt. Dafer also velleicht een d antosette, hevt gar keine Sönn; ok kömmt keinmoal een ed als Teken oder Endung bi de Egenschaftsfoarm ver, wie et sön kunn, wenn man ant Englische denkt. Dat Teken d finde wi ok bloß bi de schwache Doonweerd, nich bi de starke oder de möt Avlaut. Op disse motte wi gliek koame.
Damöt jeder, de eerscht (erst) plattdietsch spräke leert, ok all mötrede kann, sette wi e paar Redensarte far de Weerd hen, de wi nu all gehatt hebbe: Wer lang hevt, lett (lässt) lang (lank to spräke!) hänge (wer dazu in der Lage ist, zeigt, was er hat oder kann). He peerscht sök (bedeutet etwa dasselbe). Persche (dicktun). Verröckt on dree ös säve (sieben) (abfällige Geistesbeurteilung). Ut di ward (wird) nich emoal e Nestei (Mit dir ist nichts los). De ener leevt de Doachter, de andrer de Mutter (wat beditt (bedeutet) dat?
Seite 8 400 Jahre Tilsit
Foto: Blick auf die Deutsche Straße beim Jahrmarkt. Aufn.: H. Schumacher.
Foto: Der Weg nach Memel über die Luisenbrücke
Foto: Das Grenzlandtheater. Aufn.: Archiv
Herzog Albrecht, der letzte Hochmeister des Deutschen Ritterordens und erste Herzog in Preußen, gab Tilsit im Jahre 1552 Stadtrecht. Er verlieh aus diesem Anlass der jungen Stadt ein Wappen, das im silbernen Feld einen wehrhaften Festungsturm zeigt, der, mit dem Hohenzollernwappen geschmückt, von einem Fluss der Memel, umspült wird.
Der Flecken Tilse ist bereits 200 Jahre älter. Der Ritterorden errichtete im Vordringen ins altpreußische Land bis hinauf ins Baltikum feste Stützpunkte zum Schutze gegen die Litauer. So wurde der Flecken Tilse gegründet. Nachdem auch das Tilsiter Ordenshaus bei einem Litauereinfall zerstört worden war, wurde 1402 in Erweiterung und Festigung der Stützpunkte das Tilsiter Ordensschloß auf dem inselartigen Raume zwischen Memel und Tilseflüßchen erbaut.
Dem Andenken der Ritter vom schwarzen Kreuz im weißen Feld hatte die Stadt Tilsit eine Kirche geweiht und sie Deutsch-Ordenskirche benannt. In selten schönem Barock erbaut, stand sie am Strom und blickte als Wahrzeichen der Stadt weit in das urwüchsige Land hinein.
Von jeher war die Stadt Tilsit der Mittelpunkt des Memelgebietes und hatte darüber eine Anziehungskraft bis weit über die deutschen Grenzen hinaus in seinen historischen Erinnerungen. Kaiser und Könige hatten in der Stadt gewohnt, und dem Andenken der Königin Luise waren Denkmale gesetzt in der Königin-Luise-Brücke, die in drei gewaltigen Bogen den Strom überspannte, im Königin-Luisen-Denkmal im prächtigen Park von Jakobsruhe und im Luisenhäuschen, das in seiner Schlichtheit vom großen Leid einer edlen Frau erzählte.
Die Verbundenheit der Stadt mit der weiten Welt lag auch in seiner Eigenschaft als Umschlaghafen zwischen Ost und West begründet, nicht zum geringsten aber im unermüdlichen Schaffen der Zellstofffabrik Waldhof-Tilsit, die ihre Zellulosefabrikate über die ganze Erde versandte. Tag um Tag schwammen lange Holzflöße auf der Memel an den Türmen der Stadt vorüber, um die Zellstofffabrik und zahlreiche Sägewerke mit Holz zu beliefern. Das Holz kam aus tiefen Urwäldern einen weiten Weg und wurde von den landfremden Dschimken stromab geflößt. Die Dschimken waren fröhliche Urwaldmenschen, langhaarig, unbeschwert und trugen sommers und winters ihre kurzen Schafspelze. Ihre Füße waren mit sogenannten Pareezken bekleidet, einer Sandalenart, die mit langen Schnüren an den Beinen festgewickelt war. Von den Flößen glommen am Abend die Feuer, erklang eine lustige Geige oder Zieharmonika, nach deren krausen Melodien die Dschimken auf den Baumstämmen tanzten und Schnaps dazu tranken.
Vom Haff kamen die Kuren in ihren Keitelkähnen die Memel stromauf gesegelt, wenn der Wind günstig stand. Wenn das Segeln bei starkem Gegenwind unmöglich wurde, schleppten Mann und Frau gemeinsam die Boote, vollbeladen wie sie waren, an starken Seilen vom Damm auf stromauf. So „treidelten" sie meilenweit unermüdlich der Stadt entgegen, um hier Fische und Gemüse zu verkaufen, eine eigenartige Romantik von Haff und Ostsee kam mit ihnen in die vierhundertjährige Ordensstadt. Ganze Flottillen von Booten lagen wochenlang am Kai, während Männer und Frauen mit schmackhaften geräucherten Aalen, Flundern und Neunaugen auf den Märkten und in den Straßen Handel trieben. Die Gemüsefrauen aber saßen auf dem Schenkendorfplatz vor Bergen von Kohl und Zwiebeln zu Füßen eines Bronzedenkmals des Freiheitsdichters Max von Schenkendorf und hielten hier auf dem Marktplatz ihre Waren feil. Tagsüber wurde gehandelt und gearbeitet, nachts aber schliefen die Kurenfrauen auf den harten Steinplatten des Denkmals oder auf den Treppen der Kirche bei ihrem Gemüsekram einen gesunden Schlaf.
Es wehte ein Hauch unermesslicher weite über die Stadt am Memelstrom im herben Ruch des Wassers, im Zug von Wildgänsen und Wildschwänen, im sehnenden Schrei von Seemöwen, in der Unermesslichkeit weiter Ebenen und im stillen Frieden einer unberührten Landschaft. Es ist eine alte Weisheit, dass die Heimat erst dann zum kostbaren Schatz wird, wenn man fern von ihr weilt. Dann tauchen Erinnerungen empor und möchten die Seele nicht mehr freigeben. Dann erlebt man die Heimat zum andern Male, und aus vielen Einzelbildern formt sich ein Gemälde, das nun Heimat im Herzen geworden ist.
Seite 8 Fluss- und Strombauten der Stadt. Von Dr. Herbert Kirrinnis
Die Tilßele, ursprünglich ein kleines Bächlein, das zwischen Burg und Stadt am südlichen Brückenkopf der Luisenbrücke in die Memel mündete, hat beiden den Namen gegeben (Tylsat, Tylis, Tilse, Tilsit). Den Flussnamen liest man als Tilsete 1384, Tilß 1552, dann Tilse – lit. Tilßele. Die Meerwisch, teils verdeckt fließend, ist für die Anlagen von Jakobsruh bedeutsam. Sie mündet in die Tilßele.
Zu den einschneidensten Veränderungen im Stadtbild, den Tilsitern Freude und Erholung bedeutend, gehört nun als Folge der künstlich aufgestauten Tilßele die Anlage des Schloßmühlenteiches, der in späterer Zeit (17. Jahrhundert) als Schutz nach der Ostseite dienen sollte. In dem Haushaltungsbuch des Kaspar von Nostiz (1578) findet sich in einer Urkunde vom 21. Juli 1560 folgender Vermerk: „Nachdem der Herzog etliche Jahre bei sich beschlossen hätte, dass beim Hause (Schloß) das Fließ Tilse gestaut und darauf eine nutzbare Mühle angelegt werden sollte, solches jedoch wegen anderer notwendiger Bauten bisher nicht hatte geschehen können, so hatte er nunmehr diesen Bau .... auszuführen befohlen." Der damalige Tilsiter Amtshauptmann Kaspar von Nostiz, der bereits 34 Schäfereien, 35 Wassermühlen, 28 Höfe und über 80 Fischteiche eingerichtet haben soll, ging sofort ans Werk. Im Jahre 1562 ließ er die Tilßele aufstauen, und in einer Notiz vom Jahre 1567 sagt Nostiz selbst von dem Großen Teich zu Tilse: „Es ist ein gar herrlicher Teich, in die 30 - 40 Huben groß." Der Bau der Schloßmühle wurde dann in späteren Jahren durchgeführt. Der Teich war aber nicht nur ein Schutz nach der Ost- und Südseite für die Stadt, sondern er diente gleichzeitig dem Schloß selbst als Verteidigungsanlage, wobei neben dem großen Teich auch noch der kleine Schloßmühlenteich einzubeziehen ist. Das „Haus" Tilse lag nun auf einer Insel, die von den Tilßeleteichen und der Memel umflossen war. Der kleine Teich wurde im Jahre 1899 zugeschüttet; er befand sich an der Stelle des Ludendorffplatzes. - Für die Burg Splitter ist durch die Aufstauung der Schmalupp - noch bevor der Schloßmühlenteich geschaffen wurde - der Splitterer Mühlenteich entstanden dessen Wasserkraft dem Antrieb einer Mahlmühle diente.
Solche Eingriffe des Menschen in die natürlichen Verhältnisse musste sich bei immer größerer Zunahme des Verkehrs auch der Memelstrom selbst gefallen lassen. In majestätischer Breite von 220 - 300 m fließt er an der Stadt Tilsit vorbei. Doch hat er in den letzten 6 Jahrhunderten mancherlei weitgehende Änderungen seines Laufes durchmachen müssen, die nach endgültiger Festlegung eine streckenweise Befestigung des Ufers zum Ziel hatten. Im 13. Jahrhundert floss die Memel, vom Rombinus einen Bogen beschreibend, an Bardehnen, Schakeningken, Prussellen vorbei und erreichte erst bei Kampen die heutige Laufstrecke. Durch das Hochwasser drohte hier ein Durchbruch des Stromes zur Jäge. Daher wurde um 1670 der Durchstich Krakonischken-Kampen durchgeführt. Der Hauptstrom floss nun durch den „Neuen Graben". Die Laufstrecken zwischen Bardehnen und Prussellen führten nun den allgemeinen Namen Alte Memel. Von der Kummabucht ungefähr bis zum Engelsberg zog sich die große Insel Oberwerder, während die Zellstofffabrik auf der ehemaligen Insel Unterwerder steht, deren südlicher Arm, die „Stolbeck", versandete, obgleich sie breiter war als der nördliche Arm und auf ihr sich in früheren Zeiten der größere Teil der Schifffahrt anspielte. Der Name Stolbeck soll später auf die südlich gelegene Ortschaft übergegangen sein.
Die Bestrebungen, die Wassermassen dar Memel zu bändigen - am 13, April 1942 ist mit 7,31 m der höchste Wasserstand in Tilsit gemessen worden -, reichen schon 300 Jahre zurück. Man war im Allgemeinen darauf bedacht, neben Stromverlegungen planmäßig Ufereinfassungen und Uferschutzwerke anzulegen und besonders durch Buhnenbauten sog. „Spickdämmen", das Strombett einzuschnüren, damit es sich bei höheren Wasserständen durch die eigene Räumungskraft vertiefen konnte. Im 19. Jahrhundert wurden diese Arbeiten energisch in Angriff genommen. Im Jahre 1820 gab es am ungeteilten preußischen Memelstrom nur 8 „Spickdämme". Die Buhnenbauten (Kummabucht-Splitter 1875 - 1881, Splitter-Schillgallen 1881 - 1884, Schillgallen-Ußpirden 1884 - 1887, Ußpirden-Kallwenn 1882 - 1884) bewirkten zuerst, dass man mit Baggerungen aufhören konnte, da die Untiefen sich allmählich nach dem Haff verschoben. So erreichte man durch die Buhnen eine Vertiefung der Sohle und eine regelmäßigere Ausbildung der Wasserstraße. Die „Spickdämme“ wurden nach besonderen Vorschriften gebaut, ragten im Abstande von 50 -200 m, je nach der Stärke der Strömung, an den bestreffenden Uferstellen 20 bis 30 m in den Strom hinein und bestanden hauptsächlich aus Faschinenpackwerk, durch eingerammte Pfähle, durch Erdbewurf und Abpflasterung mit großen Steinen zusammengehalten wird. Dennoch riss der Strom und besonders das Niederschlagswasser in jedem Jahre große Massen von Grand, Sand, tonigem Schlick und Geschiebelehm von den Steilhängen des Südufers, ebenso von dem sagenumwobenen Rombinus mit, dass eine allmähliche Erniedrigung der Hänge und eine stärkere Versandung des Stroms zur Folge hatte. Dieser Versandung sollte wiederum durch die Buhnen vorgebeugt werden.
Man geht heute in der Annahme wohl nicht fehl, dass die Kulturarbeiten der Strombauverwaltung nicht fortgesetzt werden, die Memel sich also selbst überlassen bleibt und nun auch im Unterlauf verwildert. Für die Stadt Tilsit muss das natürlich besonders schwerwiegende Folgen nach sich führen.
Seite 8 Tilsit am … Missisippi!
Wenn wir an die Städte der ostdeutschen Heimat denken, wendet sich unser Geist gen Osten. Aber wir wissen auch, dass es Städte gleichen Namens gibt, die im Westen von uns liegen und die wir sogar betreten könnten, wenn wir nur Zeit und Reisegeld hätten. Ja, die Überschrift ist richtig: Tilsit liegt nicht nur an der Memel, sondern im Staate Missouri in den Vereinigten Staaten auch am Ufer des Missisippi, und Carlsbad finden wir in Neu-Mexiko, Elbing in Kansas, Danzig und Kulm in Nord-Dakota, Stettin in Wisconsin, Posen in Michigan, Karthaus in Pennsylvania usw. Es sind meist Städte mit weniger als 5000 Einwohnern, aber sie haben ihre hohe Bedeutung für uns, weil sie weiterhin ihren deutschen Namen tragen, während man diesen Namen in der Heimat auslöschen und vergessen machen will.
Die ostdeutschen Städtenamen in den Vereinigten Staaten verraten, dass Menschen der geraubten Heimat im Zuge der großen Auswanderung im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert nach den USA kamen und wesentlich bei den Städtegründungen mitwirkten. An einer Karte der USA finden wir mehr als ?? (Zahl unleserlich) deutsche Ortsnamen. An erster Stelle steht Berlin, an Zweiter Hannover mit etwa 70 Fälllen. Deutsche Städtenamen treffen wir ferne in Südafrika, Südamerika, Canada und Australien, wenngleich dort nur vereinzelt. Die Heimatvertriebenen sollten stolz darauf sein und ein wenig Trost darin erkennen, dass die Städte der fernen Heimat nicht nur im Osten Zeugen deutschen- und europäischen Geistes waren und bleiben, sondern Namenskinder von ihnen an der anderen Seite des großen Ozeans zugleich das Wissen um ihre Geschichte und ihre Bedeutung wach halten.
Seite 10 Union-Gießerei von 1828 – 1928. Ernst Lemmel.
Ein beachtliches Industrieunternehmen in Ostpreußen. (1. Fortsetzung)
Foto. Schwimmdock von 2800 Tonnen Tragfähigkeit, 90 m Länge, 20 m breit. Aufn.: Archiv
Foto: Ansicht der Fabrikanlage in Contienen
Foto: Die Grüne Brücke – 1907 von der Union-Gießerei erbaut
Ostendorff wurde älter und suchte nach einer Stütze und Vertretung. Im Jahre 1869 wurde er in Berlin von seinem Freund Geheimrat Borsig auf einen noch jungen, erst 28 Jahre alten Ingenieur aufmerksam gemacht, der sich durch ganz besonderen Fleiß, Interesse und Tüchtigkeit schon damals ausgezeichnet hatte. Ostendorff griff sofort zu und so kam Radok als Oberingenieur zur Union-Gießerei nach Königsberg. Mit dem Eintritt und dem Wirken dieses Mannes beginnt die neue, wohl die glanzvollste Entwicklung des Werkes, welche bis zu seinem Tode 1910 und darüber hinaus bis zum ersten Weltkrieg angedauert hatte. 1840 in Böhmen geboren, besuchte er die Deutsche Technische Hochschule in Prag, wo er Maschinenbau studierte. Sein erstes bedeutendes Werk war der Bau des ersten Schwimmdocks in Deutschland, mit dessen Ausführung er von der Firma A. Borsig, betraut wurde. In Swinemünde besichtigte der damalige Kronprinz Friedrich von Preußen das Dock und sprach seine Verwunderung über das jugendliche Alter des Bauleiters aus, der 27 Jahre zählte. Als im Herbst 1869 die letzten Abrechnungen und Verhandlungen über das Dock mit der Admiralität erledigt waren, kam Radok als Oberingenieur zur persönlichen Unterstützung und Vertretung von Ostendorff nach Königsberg. Im gleichen Jahr erhielt Ostendorff in Anbetracht seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete des Maschinenbaus den Charakter als Königlicher Kommerzienrat. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm ein Fackelzug gebracht. Damals beschäftigte die Fabrik 625 Arbeiter und 90 Lehrlinge. Das starke Emporblühen des Werkes erfolgte um die sechziger Jahre. Damals besaß die Union-Gießerei auch einige Jahre eine Abteilung für Geschossfabrikation und vor allem ging eine große Anzahl von Baggern aus dem Werk hervor. Als selbständiger Schiffsbaumeister fungierte damals schon Fechter, mit dem die Union Jahrzehnte hindurch freundschaftlich zusammengearbeitet hat. Seine Werft wurde im Jahre 1912 von der Union-Gießerei übernommen.
Ostendorff und seinem Werk wurde eine ganze Anzahl von Ehrungen zuteil. U. a. erhielt er selbst für seine Leistungen auf dem Gebiet des Maschinenbaufaches durch die allerhöchste Verleihung die Große Goldene Medaille mit seinem Namen, die Borsig nicht bekam, wohl aber sein erster Techniker Fleuringer, während dem Werk 1875 vom russischen Staate eine Medaille für gewerbliche Leistungen verliehen wurde. Die Betrachtungen der „Ostpreußischen Zeitung" vom 21.07.1874 anlässlich der Feier der 100. Lokomotive gaben ein Bild der damaligen Zeit in Königsberg: „Dieses Fest war nicht nur für die Fabrik, sondern auch für unsere Stadt und die ganze Provinz von hoher weittragender Bedeutung“. Ostendorff sorgte für seine Arbeiterschaft vorbildlich in jeder Weise und stand damals mit vielen Maßnahmen wie z. B. Einrichtung eines Speisesaales und einer eigenen Krankenkasse wohl noch vereinzelt da. Schließlich sorgte er auch noch für das Vergnügen seiner Arbeiter und Angestellten und beförderte sie alljährlich mit Extrazügen an die Küste nach Neuhäuser, wo er sich 1867 eine Strandvilla gebaut hatte, die noch bis 1945 im Besitz seiner Familie geblieben war, - eine Einrichtung, die sich bis kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges in der Union-Gießerei erhalten hatte.
Am 23.09.1876 starb Ostendorff. Das schönste Denkmal setzte ihm Radok in seine Festrede anlässlich der 1000 Lokomotive im Jahre 1899, indem er u. a. ausführte: „Wenn wir heute ein Fest feiern wie dieses, dann müssen wir aber in erster Reihe des Mannes gedenken, der das feste Fundament für die Größe der Fabrik gelegt hat, auf dem seine Nachfolger weiter zu bauen hatten, das ist der Kommerzienrat Ostendorff. Wie gewaltig sein Einfluss auf die Entwicklung gewesen, ersehen wir daraus, dass nach kaum 9 Jahren seiner Tätigkeit im Jahre 1855 bereits die erste Lokomotive die Fabrik verlassen konnte. Wie großartig diese Leistung gewesen ist, das versteht nur der, welcher weiß, wie gering die Hilfsmittel der Fabrik damals waren."
1881 erfolgte die Umwandlung der Union-Gießerei in eine Aktiengesellschaft. Die Vorbesprechungen über die Überführung der offenen Handelsgesellschaft in eine andere Gesellschaftsform hatten schon zu Lebzeiten Ostendorffs stattgefunden. Finanzielle Gründe hatten keineswegs vorgelegen, lediglich familiäre, also die Gründerfamilie selbst betreffende Gründe bezüglich der zukünftigen Nachfolge als Eigentümer. Zum Vorstand der Aktiengesellschaft wurden als technischer Direktor Radok und als kaufmännischer Direktor Arthur Ostendorff, der Sohn des Verstorbenen, bestellt, zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates wurde erstmalig Rudolf Laubmeyer gewählt. Die Aktien blieben im Familienbesitz, im Aufsichtsrat saßen nur Verwandte, meistens Königsberger Kaufleute. Nach dem frühzeitigen Tode von Arthur Ostendorff 1891 wurde Radok alleiniger Direktor der Union-Gießerei. Der damalige Oberingenieur Panck entwarf ein Kuppelungsverfahren, eine Anfahr- und Wechselvorrichtung für Lokomotiven, die konstruktiv dermaßen vervollkommt wurde und so günstige Ergebnisse in der Praxis lieferte, dass sie 1894 durch D. R. P. Nr. 83386 unter dem Namen „Dultz'sche Anfahrvorrichtung" bei den deutschen und auch bei sehr vielen auswärtigen Eisenbahnverwaltungen allgemein eingeführt wurde. Erst mit der Einführung des Heißdampfes wurde diese Vorrichtung entbehrlich. Die letzten Stücke wurden im Jahre 1912 geliefert. Die erste Heißdampflokomotive lieferte die Union-Gießerei schon im August 1902 ab und stand bei der Einführung des Heißdampfes weit mit an führender Stelle. In der Provinz Ostpreußen stammten etwa 60 Prozent aller Dampfkessel aus der Union-Gießerei, auch nach Kowno wurde eine ganze Anzahl Dampfmaschinen nebst Kessel geliefert. Alle Klappbrücken der Stadt Königsberg sowie die Hansabrücke in Stettin wurden von der Union-Gießerei konstruiert und gebaut, ebenso zahlreiche Eisenbahn- und Straßenbrücken in der Provinz. Diese Abteilung befasste sich auch mit der Herstellung von Behältern, Kühlschiffen und Lagertanks für Brauereien. Im Jahre 1910 starb Kommerzienrat Radok. Mit ihm ging der Mann dahin, der die größte Blüte der Union-Gießerei herbeigeführt hatte. Man kann wohl sagen, dass damals die Union-Gießerei als eines der bestfundierten Werke im ganzen Reich dastand. Diese überaus weitgetriebene Vorsorge wirkte sich nach seinem Tode erst richtig aus, als der Bau der neuen Fabrik in Continen immer weiter fortschritt.
Ohne Inanspruchnahme von Bankkrediten konnte die Neuanlage bei einer Investierung von etwa 14 000 000 Mark lediglich unter Zuhilfenahme der Erhöhung des Aktienkapitals um rund 2 Millionen Mark durchgeführt werden. Radok verband mit übermäßigem Fleiß und großer Gewissenhaftigkeit eine besondere Begabung für kaufmännische Fragen. Dass er in der Leitung des Werks stets eine besonders glückliche Hand gehabt hatte, zeigten seine ungewöhnlichen Erfolge. Er erfreute sich auch in den Kreisen seiner Mitarbeiter allgemeiner Wertschätzung. Das kam so recht bei seinem Begräbnis zum Ausdruck, an dem die Arbeiter und Angestellten vollzählig erschienen waren und sich daher ein Trauerzug von solcher Ausdehnung formierte, wie ihn Königsberg bis dahin und auch später nicht wieder gesehen hatte. Sein fast 40-jähriges Wirken in der Union-Gießerei, davon fast 34 Jahre an leitender Stelle, wird in der Geschichte des Unternehmens stets als die Glanzzeit bezeichnet werden müssen. Nach seinem Tode übernahmen die Oberingenieure Georg Panck den Lokomotivbau, Paul Fischer Eisenkonstruktionen und Brückenbau und Regierungsbaumeister a. D. Max Hartung, ein Schwiegersohn von Radok, den Neubau in Continen, die Leitung des Werks. 1920 trat Direktor Fischer aus Gesundheitsrücksichten von seinem Posten zurück und nach dem plötzlichen Tod von Direktor Panck zu Anfang des Jahre 1923 übernahm Direktor Hartung allein die Leitung des Unternehmens bis zum Eintritt des Direktors Dr. Ing. eh. Paul Brehm im November 1925. Den Vorsitz im Aufsichtsrat hatten bis 1900 Rudolf Laubmeyer, bis 1902 Adolph Hoffmann, bis 1916 Stadtrat Rudolph Dulz, bis 1921 Max Ruffmann, es folgten bis 1928 Landesrat Otto Küsel, Konsul Bankdirektor Max Schroeder und Bankdirektor Dr. Paul Rozumek.
Auf das neue Werk in Continen am Pregel sowie auf die dortige Schiffswerft und den Schiffsmaschinenbau kann nur noch kurz eingegangen werden. Schon Ende der 90-er Jahre sah sich die Leitung des Werks aus verschiedenen Gründen gezwungen, den Neubau desselben und damit eine Verlegung der gesamten Anlage zu erwägen. Sachverständige aus dem Westen und Mitteldeutschland, die zur Abnahme der fertigen Lokomotiven nach Königsberg kamen, drückten wiederholt ihr großes Erstaunen und ihre Überraschung darüber aus, wie es möglich war, dass die tadellosen Maschinen in so engen, kleinen und vorsintflutlichen Montagehallen hergestellt werden konnten. Eine Verlegung der Fabrik aus der Innenstadt heraus, möglichst an ein Pregelufer, kam immer dringender in Frage. Schließlich wurde auf dem südlichen Pregelufer stromabwärts ein größeres Gelände um Continen gefunden und erworben, auf dem die Fabrik 1910 bis 1914 bedeutend vergrößert einschließlich einer Schiffswerft neu entstand. Mit Beginn des Krieges war der Umzug beendet.
Erst vom Jahre 1884 setzte eine lebhaftere Schiffsbautätigkeit ein. Die guten Königsberger Beziehungen zum russischen Getreidehandel führten zu langjährigen Lieferungen an Dampfern für die südrussischen Schiffe. Bis zum Eintreten des Zollkrieges im Jahre 1905 wurden insgesamt vierzig flachgehende Schlepp- und Passagierdampfer, insbesondere Seitenraddampfer, welche sich auf den südrussischen Flüssen Wolga, Dnjepre, Asow und Dnjestr gut bewährten, erbaut. Daneben wurden auch für die ostpreußischen und ostdeutschen Gewässer zahlreiche Neubauten ausgeführt, wobei einige schwere Hinterraddampfer für das Odergebiet besonders erwähnenswert sind. Im 1. Weltkrieg gab es gleich 1914 Aufträge auf Umbauten von Binnendampfern für Kriegszwecke, auf Schiffs- und Maschinenbaureparaturen für die Bootsabteilung „Oberost" und schließlich auch auf Neubauten, vor allem Minensuchboote, für die Kaiserliche Marine. In den 20-er Jahren wurden noch u. a. Schleppdampfer für den Rhein, Lotsenversetzdampfer für das Schifffahrtsamt Cuxhaven und Motorfrachtschiffe für Hamburg gebaut.
1928 konnte die Union-Gießerei ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Als die Wirtschaftslage in Ostpreußen immer schwieriger wurde, beteiligten sich neben der Provinz als Kreditgeber zum ersten Mal im Leben der Union die Deutsche Bank und die Diskontogesellschaft mit Krediten an dem bisherigen Familienunternehmen, wodurch auch zwei Bankdirektoren in den Aufsichtsrat gewählt werden mussten, die nicht den alten Familienkreisen angehörten. Im Jahre 1930 ging die Fabrik in Konkurs, da das Reich damals nur noch ein ähnliches großes Unternehmen in Ostpreußen mit den erforderlichen Krediten versehen konnte. Die Schiffswerft wurde mit Schichau in Elbing zusammengelegt. Bei der damaligen abgeschnürten Lage unserer Provinz konnte sich ein so großes Fabrikunternehmen, das von Kohlen und Eisen abhängig war, auf die Dauer nicht allein halten. Nach der Fabrik F. Schichau A. G., die sich inzwischen „als Flüchtling" am Südwestende des neuen Hafens in Bremerhaven neuetablierte, ist die Union-Gießerei A. G. die größte Maschinenfabrik in Ostpreußen gewesen.
Um an einigen bekannten Königsberger Familiennamen zu zeigen, in welchem Maße die drei Gründergeschlechter im 19. Jahrhundert und darüber hinaus in unserer ehemaligen Hauptstadt zusammengehangen haben, sei es gestattet, folgende verwandtschaftliche Beziehungen zu erwähnen: Eine Tochter von Gustav Schnell war mit Landgerichtsrat Ruffmann verheiratet, aus dieser Ehe sind u. a. Max Ruffmann, Inhaber des Getreidekommissionsgeschäfts C. L. Willert auf der Klapperwiese hervorgegangen, ferner Richard Ruffmann, Inhaber der Holzgroßhandlung R. Sandmann auf dem Weidendamm und Reichsgerichtsrat Eduard Ruffmann, der mit einer Cousine aus der Laubemeyerschen Familie verheiratet war, während sein Bruder Max eine Cousine Schnell aus Quednau zur Frau hatte. Eine andere Tochter von Gustav Schnell war mit Karl Steimmig verehelicht, deren Tochter mit Gerichtsrat Assmann in Danzig verheiratet war, aus deren Ehe der weit über unsere deutschen Grenzen bekannte, 1950 in Oldenburg verstorbene, letzte Universitätsprofessor der inneren Medizin an der Albertina, Dr. Herbert Assmann, entsprossen war, der wieder eine rechte Cousine Steimmig zur Frau hatte. Gustav Hoffmann, der oben schon einmal erwähnt wurde, war verheiratet mit einer Tochter vom alten Kommerzienrat Heumann, dem Fabrikbesitzer der Waggonfabrik Steinfurth, während seine Schwester mit Professor Dr. Hilbert, dem langjährigen Internisten am Städtischen Krankenhaus verbunden war. Schließlich, die jüngste Tochter von Gustav Schnell war mit Buchhändler Gräfe von der Buchhandlung Gräfe und Unzer verheiratet. Der jüngste Sohn von Kommerzienrat Ostendorff lebte in den 20-er Jahren als Regierungsvizepräsident in Königsberg. Justizrat Dr. Krahmer und Max Steinfurt hatten beide geborene Laubmeyers zur Frau. Georg Laubmeyer gehörte Schreitlaken im Samland, Benno Dultz Fabiansfelde bei Pr.-Eylau, dessen Schwager Rauschning das Gut Taukitten im Samland gehörte. Kommerzienrat Ostendorff wurde im Jahre 1863 Witwer und heiratete 1866 in zweiter Ehe die jüngste Tochter des Fabrikbesitzers Julius Negenborn von der Eisengießerei „Vulcan" und seiner Ehefrau geborene Douglas. Der Vater dieser Douglas, Karl Douglas, war derjenige, welcher sich als erster in Neuhäuser festgesetzt hatte. Der Grund dazu war: Er pachtete 1802 das „Bernsteinregal" von Danzig bis Memel, d. h. er hatte in diesem ganzen Küstenstreifen die Nutznießung des gefundenen und gefischten Bernsteins. An verschiedenen Stellen der Küste ließ er Häuser für Aufseher bauen, die teilweise noch bis 1945 erhalten waren. So stand ein solches Haus - sie waren einander baulich alle sehr ähnlich - unmittelbar im Gut Alt-Neuhäuser. Ein anderes in der Nähe von Groß-Dirschkeim. Das Bernsteinwerk in Palmnicken ist erst in den 40-er Jahren in Angriff genommen. Negenborns ältester Sohn wurde Besitzer des Gutes Schäferei bei Neuhäuser und regte seinen Schwager Ostendorff an, sich im Sommer in Neuhäuser niederzulassen, wo sich damals nach Eröffnung der Eisenbahn nach Pillau viele angesehene Königsberger Bürger ihre Sommerhäuser bauten. Die älteste Tochter von Julius Negenborn heiratete den Königsberger Sanitätsrat Dr. Sotteck, dessen älteste Tochter später den ältesten Sohn von Gottfried Ostendorff, Arthur, heiratete, während seine zweite Tochter die Ehe mit dem Besitzer des Blutgerichts David Schindelmeisser einging. Diese alten Königsberger Familien, die alle mit der Union-Gießerei sich verwandtschaftlich verbunden fühlten und waren, lebten ebenso einfach und bescheiden wie die meisten Ostpreußen, und pflegten ihre verwandtschaftliche Geselligkeit im Winter in der Stadt und im Sommer an der See. Ihre Einfachheit und Bescheidenheit trugen dazu bei, dass das Kapital der Gesellschafter der Fabrik, was sich mit den Jahren wesentlich vergrößert hatte, immer in ihrem Besitz blieb und sehr selten und auch dann nur wieder in andere verwandtschaftliche Hände kam zum Segen der Union-Gießerei.
Seite 10 Wir gratulieren
Vermessungsingenieur Georg Arnemann, der fast 40 Jahre in Königsberg ansässig und Inhaber des größten ostdeutschen Vermessungsbüros war, begeht am 16. August 1952, getrennt von allen früheren Freunden und Mitarbeitern in einer primitiven Behausung in der hessischen Kleinstadt Wolfhagen, seinen 70. Geburtstag. Herr Arnemann ist durch sein Wirken - er war wesentlich an den ostpreußischen Besiedlungsarbeiten nach dem ersten Weltkriege beteiligt und hat auch große Strecken der Autobahn Königsberg - Danzig trassiert - in weiten Kreisen in Ostpreußen bekannt. Wir wünschen ihm alles Gute zu seinem Ehrentage!
Seite 10 Der Brand des Königsberger Stadttheaters
Wenn vor hundert und mehr Jahren ein Theater einmal Feuer fing, pflegte es bis auf die Grundmauern niederzubrennen. So erging es auch dem „Neuen Schauspielhaus“, wie unser Königsberger Stadttheater hieß, als es auf dem Königsgarten errichtet wurde. Das geschah, nachdem sein Vorgänger, das erste feststehende Theater, dessen Königsberg sich erfreuen durfte, zweimal kurz hintereinander ein Opfer der Flammen geworden war. Dieses Theater hatte an der Gabelung der Post- und Tragheimer Kirchenstraße, auf dem sogenannten Kreytzenplatz, gestanden, wo später dann die Altstädtische Kirche errichtet wurde. 1755 war es als eins der ersten festen Bühnenhäuser Deutschlands eröffnet worden, am 27.10.1797 vernichtete ein Großfeuer das hölzerne Bauwerk und noch drei andere Häuser. 1800 wurde es neu aufgebaut, aber noch in demselben Jahre brannte es wieder ab. In der theaterlosen Zeit spielte man im Altstädtischen Gemeingarten und im Exerzierhaus auf dem Paradeplatz. Damals entstand der Wunsch nach einem massiven Theatergebäude, das gegen ähnliche Katastrophen eher gefeit und außerdem besser sein sollte als das alte, das in der Öffentlichkeit oft genug als Musenstall oder Kunstscheune bezeichnet worden war.
Angesehene Königsberger Bürger taten sich zusammen und forderten am 18.11.1804 zur Gründung einer Theatergesellschaft unter dem Namen „Comité der Actionärs des Neuen Schauspielhauses" auf. Von den vorgesehenen 100 000 Talern Kapital wurden 65 000 sofort eingezahlt. Der Baugrund wurde durch Königl. Kabinettsordre vom 21.04.1805 geschenkt. Es war ein wahrhaft königliches Geschenk, denn der Wert des Grundstücks war bei seiner schönen Lage am Königsgarten damals schon eigentlich unschätzbar. Zu den Gründern der Gesellschaft gehörte auch der Oberbaudirektor Müller,
unter dessen tatkräftiger Leitung, der Bau dann errichtet wurde. Am 16.07.1806 legte Staatsminister Freiherr von Schrötter den Grundstein, und in einer Sondervorstellung im Beisein der königlichen Familie wurde das Theater am 09.03.1808 mit Mozarts Oper „Titus" eingeweiht. Die eigentliche Spielzeit begann am 29.04.1808.
Bereits ein Vierteljahr später, am 01.07.1808, brannte das nicht nur für seine Zeit bemerkenswert großartige und weiträumige Gebäude nieder. Auch der gesamte Fundus wurde eine Beute der Flammen.
Gerüchte wollten etwas von Brandstiftung wissen, aber bei der damals primitiven Beleuchtungstechnik und dem nach unseren Begriffen unzureichenden Brandschutz kann auch ein unglücklicher Zufall die Ursache des Feuers gewesen sein. Die „Königl. Preusz. Staats-, Krieges- und Friedens-Zeitung" vom 02.07.1808 schrieb darüber: „Gestern Mittags nach zwei Uhr kam in unserm neuen Schauspielhaus Feuer aus, ohne dasz man bis jetzt recht weis, wie? Bei dem frischen Nordwinde, der eben wehte, griff es schnell um sich, und in wenig Stunden waren von dem schönen Gebäude nichts als die Mauern übrig. Erst seit kurzem war der auf Actien unternommene Bau beendigt worden, und die innere Einrichtung, wie das Aeußere, ganz vorzüglich ausgefallen, dasz mithin dies neue Unglück doppelt empfunden wird, da in gegenwärtiger Zeit an eine baldige Wiederherstellung nicht zu denken ist“.
Es wurde aber nicht nur alsbald daran gedacht, sondern der Neubau unter der bisherigen Leitung unverzüglich in Angriff genommen, allen Kriegswirren und Lasten zum Trotz, unter denen gerade auch Ostpreußen schwer zu leiden hatte. Der erste Bau war mit rund 120 000 Reichstalern veranschlagt gewesen. Davon hatte man nur 105 000 ausgegeben, weil man auf eine hinter dem Bühnenhaus vorgesehenen Saalbau, der bei dem Mangel an großen Versammlungsräumen sicher lebhaft begrüßt worden wäre, schließlich doch verzichtet hatte. Der Neubau kostete rund 75 000 Rthlr., von denen 50 000 durch die Aktionäre aufgebracht wurden, so dass das Theater schon am 09.12.1809 wieder eröffnet werden konnte. Die Einrichtung war noch nicht ganz fertig, aber man beeilte sich mit der festlichen ersten Vorstellung, um dadurch dem königlichen Hof, der Königsberg am 15.12.1809 verlassen wollte, den Dank für die Unterstützung auch dieses Baues – u. a. wurde die Hälfte des Bauholzes kostenlos aus Staatsforsten geliefert – abzustatten. Die spätere „Hartungsche Zeitung“ vom 10.12.1809 würdigte dieses Ereignis mit etwa folgender Betrachtung:
Gestern wurde unser neues Schauspielhaus (das vor 1 ½ Jahren abbrannte) eröffnet und eingeweiht. Das Innere desselben war noch nicht zur Aufführung groszer Vorstellungen vollendet, und nur der allgemeine Wunsch, Ihre Majestäten in diesem neuen Hause zu erblicken, und Ihnen vor der bevorstehenden Abreise die altgemeine Verehrung und Liebe bezeigen zu können, veranlaßte die frühere Eröffnung. Das Königliche Paar wurde mit lautem Jubel von den Anwesenden, und mit einigen, nach der Melodie „God sav the King" von dem Theater-Personale gesungenen Versen bewillkommnet. Ein zu dieser Gelegenheit gedichteter, sehr gut executirter Prolog mit Chören (die Weihe), dem der Puls von Babo folgte, that die erwünschte Wirkung, und die von den bereits bewährten Talenten des Erbauers erregte Erwartung, ward durch zweckmäßige Einrichtung und geschmackvolle Dekoration des Innern völlig befriedigt“.
Die erste Oper, die am 12. Dezember 1809 herauskam, war „Fanchon, das Leiermädchen", von Himmel, ein Werk, das in Königsberg zum ersten Mal im November 1805 zu Ehren der Königin Luise aufgeführt worden war.
Dieses „Neue Schauspielhaus" des Oberbaudirektors Müller blieb der Kern des Königsbergers Stadttheaters auf dem Paradeplatz, wie wir alle es noch lebhaft in Erinnerung haben. Vieles wurde im Laufe der fast 1 ½ Jahrhunderte verbessert, manches um- und angebaut, aber man konnte sich auf diese Erweiterungen und Vervollkommnungen beschränken, weil der erste Bau weit über die Verhältnisse seiner Zeit hinaus großzügig und auch konstruktiv gediegen angelegt worden war. Der vollen Bedeutung dieses Werkes wird man jedoch erst gerecht, wenn man bedenkt, in welcher Zeit, mit wieviel Opfern und mit welchem unerschütterlichen Glauben an eine glücklichere Zukunft es geplant und errichtet wurde. Auch daran sollen wir uns heute erinnern! ey.
Seite 10 Landsleute, bitte herhören!
Von jetzt ab sind auch alle Suchanträge an die Königsberger Patenstelle in Duisburg, Bunker Oberstraße, zu stellen. Wer irgendetwas zu beantragen hat, leitet seine Gesuche dorthin. Inwieweit wir ehrenamtlich mitzuwirken haben, entscheidet die Duisburger Stelle.
Am 7. September dieses Jahres findet in Duisburg das erste Königsberger Treffen statt. Mit diesem Tage beginnt auch unser viertes Magistratsferientreffen. Rechtzeitige Anmeldung über das Kommen ist Pflicht eines jeden Arbeitskameraden, damit für gute Unterkunft und Verpflegung bestens gesorgt wird. Die Stadt Duisburg wird bemüht sein, allen Königsbergern etwas zu bieten, und dazu ist die Anmeldung von großer Wichtigkeit. Geplant ist auch die Bereitstellung von Extrazügen usw. Kameraden, seid daher nicht saumselig. Ihr erschwert sonst nur die Arbeit unserer dort tätigen Landsleute. Helft alle mit, damit wir unsere Patenstadt nicht enttäuschen. Sie will doch nur das Beste aller Königsberger.
Und nun, auf nach Duisburg, die Stadt des größten Binnenhafens Europas. Überzeugt Euch durch die hier erscheinenden Artikel über Duisburgs Lage. Wer nicht kommt, der hat bestimmt vieles versäumt. Sie alle finden dort einen guten Kollegen oder Landsmann anwesend. Denkt an unsere früheren Magistratsferientreffen! Noch nie waren wir so eine Familie wie auf diesem Treffen. Denkt auch daran, je früher wir beisammen sind, desto schöner wird uns die Zukunft erscheinen. Manch nette Erinnerung nehmen wir dann nach Beendigung des Treffens mit nach Hause. Immer mehr Landsleute stellen sich uns als Ortsgruppenwerbeleiter zur Verfügung. Der Tag der intensiven ehrenamtlichen Arbeit wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben. Wer diese Tat im Interesse aller Königsberger selbstlos vollbringt wird in unsren Reihen stets aufgenommen. Wir brauchen in jedem Ort einen Werbeleiter, der imstande ist, seine Königsberger Landsleute auch richtig zu betreuen. Namhafte Königsberger haben bereits ihre Mitarbeit im Vorstand zugesagt. Arbeitskameradinnen und -kameraden sollen in erster Linie ihre Arbeitskraft in den Dienst der Sache stellen. Meldet Euch bitte an.
Am 7. April 1952 verstarb in Eddelak im Alter von 77 Jahrenn unser lieber Arbeitskamerad St.O.-Inspektor i. R. Paul Rogowski. Als Mitbegründer des Königsberger Stenographenvereins war er vielen Königsbergern kein Unbekannter Wir werden sein Andenken in Ehren halten.
Nachdem wir die Anschrift von Rudolf v. Lojewski (früher Metgethen) in Mettmann (Rhld.), Gartenstr. 4, ausfindig gemacht haben, grüßt ihn die Arbeitsgemeinschaft Drummstr. 6 und der „Verein für modernen Baumschnitt" in Metgethen.
Dringend sucht das Rote Kreuz die Anschrift der Ehefrau des Stadtoberinsp. Bruno Schulz.
Wer weiß etwas über das Schicksal des techn. Reichsbahninpektors Karl Franz zuletzt wohnhaft Barbarastraße, zu berichten? Nach den vorliegenden Briefen soll Franz 1945 im Zentralkrankenhaus Roßgarten gelegen haben.
Auf die Anfrage hin teilen wir mit, dass die Anschrift des Pfarrers Simonowski, zuletzt Hauptmann bei der Stadtkommandantur Königsberg, noch nicht gefunden worden ist. Wer hilft durch Berichterstattung den Interessenten?
Folgenden Landsleuten danken wir für die Berichterstattung:
M. Laßwitz,
Thea Lange,
Ernst Bulck,
Otto Szidat,
Maria Klein,
Paul Schönberg,
Bruno Götz,
Meta Kaufmann,
Emma Torgler,
Frau E. Heß, geb. Borowski
Und wieder beweist uns eine Suchangelegenheit, dass fast jeder Fall sich klären lässt, wenn jeder Landsmann das Seinige durch Berichterstattung dazu beiträgt. In erster Linie sei der Ostpreußen-Warte B gedankt, die unsere Suchartikel immer wieder veröffentlicht hat. Arbeitskameraden, sorgt dafür, dass dieses Heimatblatt von allen Landsleuten gelesen wird, nur dann werden wir alle Vermisstenfälle klären können. Auch wenn wir nun die Suchangelegenheit an unsere Patenstadt Duisburg abgeben, so sind wir alle daran interessiert, dass diese Arbeit auf ganz Königsberg ausgedehnt wird.
Allen suchenden Magistratsarbeitskameraden und auch den übrigen Königsbergern zur Kenntnis, dass Stadtrat Borowski und seine Ehefrau Cläre geb. Naujoks, nicht mehr unter den Lebenden weilen. Auf Grund seiner demokratischen Einstellung wurde er am 13. März 1933 seines Postens enthoben. Um Ruhe zu finden, hatte sich Borowski nach Rudau, Kreis Samland, zurückgezogen. Durch die Kriegsereignisse 1945 fand er nicht mehr die Kraft, sein liebgewordenes ländliches Heim zu verlassen. Kurz nach der Besetzung Rudaus fand er, sowie seine Gattin, ein tragisches Ende.
Wir werden das Andenken an ihn und seine Ehefrau in Ehren halten.
Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten. Angestellten und Arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1
Seite 10
Wie von mehreren Seiten bestätigt wird, weilen Konditormeister Gehlhaar und Frau aus Königsberg, Junkerstraße, nicht mehr unter den Lebenden. Beide sind von den Russen in Königsberg ermordet worden.
Seite 11 50 Jahre Sportvereinigung ASCO.
Asco 14 Mal Frauenhandballmeister von Nordostdeutschland – Deutscher Jugendhandballmeister
(Fortsetzung und Schluss)
Foto: Der Vorstand des ASCO vom Oktober 1933: Sitzend von links nach rechts: Ruhnau, Klugkist, Prof. Dr. Fink, Vorsitzender, Bellgart. Stehend: Widder, Schemionek, der die ASCO-Familie im Exil hervorragend betreut, Plaschke, Biesen, Aland, Dannehl und Balla.
Foto: Teilnehmer des Staffellaufes „Quer durch Königsberg" am 10.08.1930.
Foto: Arthur Waldheyer, der einzige noch lebende Begründer des SCO, heute in Greifswald
Foto: V. Bobeth, Brasat, Fechner. Mit Gilde waren es die vier besten Langstreckler Ostpreußens in den Jahren 1931/1934
Foto: Gustav Adolf Sembill, der Gründer des ASC und Mitbegründer des Baltischen und Wintersportverbandes.
2 Fotos: Asco-Leitung eines Staffellaufes. Sitzend von links: Bob Franke, Brzezinski, Dr. Schmidtke, Dr. Seeger, Ehnimb, Jäger. Stehend von links. Losch, Schemionek, Nikolai, Unbekannt, Kl??? (unlesbar), Rump, Unbekannt, Schultz, Unbekannt, Will. – Pokalspiel in Rauschen 1927: sitzend die beiden Torhüter Gehlhaar und Orisch, stehend von links: Kohn, Schiedrichter Jebsen, ein Zivilist, dann Tommescheit, Gutschendies mit dem Pokal, Kehlbacher, VfB-Betreuer Bohmeyer, Gurtsch, Winter, Dr. Geede, Batzkus, Schories und die Ascoten Fischer, Prätzel, Hellwig (verstorben), Stolzenwald (verstorben), Baumann (verstorben), Bellgart und Link. Sämtliche Aufnahmen: Archiv.
Die umfassendste LA Vereinsprüfung aber waren die alljährlichen Großstaffelläufe in Königsberg, die mit dem Wargen-Königsberg-Lauf von Paul Reicke (VfB) begründet wurden. Später wurde dieses Rennen durch die Großläufe Cranz - Königsberg, Rund um Königsberg, Quer durch Königsberg ergänzt.
Je 50 Läufer in der Haupt- und Jugendklasse gehörten zu einer Vereinsmannschaft. Später wurden die Läufe auch auf Frauen mit kleineren Mannschaften ausgedehnt. Wochenlang wurde eisern trainiert, die Streckeneinteilung der taktische Einsatz der Läufer besprochen und ein Stab von Helfern mobil gemacht. Das waren Groß-Tage im ostpreußischen Rasensport, an denen die Bevölkerung auf den Chausseen und Straßen und Tausende am Ziel auf dem Walter-Simonplatz standen, um die Schlussläufer zu erwarten. Asco gewann solche Staffeln viele Male, oft in allen Klassen, und nur selten bezwang ihn der VfK, der immer sein großer und härtester Gegner war.
Ein ungewöhnlicher Erfolg war 1924 Reise der Asco-Jugend nach Hamburg, die vom Havestehuder T. und H. C. zu einem LA und Hockey-Mannschaftskampf eingeladen wurde. Gegen 10 Mannschaften aus Berlin, Mittel- und Westdeutschland gelang es Asco, in restlosem Einsatz den LA Mannschaftssieg an sich zu reißen. Auch im Hockey-Turnier nahmen wir einen guten Mittelplatz ein. Ein unvergessliches Erlebnis für alle! Gerade der Asco-Nachwuchs war ein unerschöpflicher Quell großer Talente. Von 1926 ab stand die Jugend unter der Führung von Pussert und Balla. Nicht nur in der LA gab es zahlreiche Meisterschaftserfolge, Groß-Staffelsiege und Erfolge bei Interclubkämpfen. Jahrelang waren wir Jugend-Handballmeister und schnitten auch in allen Fußballklassen günstig ab. Und die talentierten jungen Hockeyspieler wuchsen rasch in die erfolgreiche Seniorenklasse hinein. Über die Leistungen im Handball, Hockey und Schlagball, vor allem aber über die außerordentlichen Erfolge der Frauen in Handball und LA wird noch in einem zweiten Artikel zu sprechen sein.
Nach dem ersten Weltkriege hatte die Asco-Leichtathletik den deutschen Osten erobert. In den Wurfkonkurrenzen blieb zunächst noch Dr. Stock unbestrittener Baltenmeister im Diskus und Hammerwurf und konnte bei den deutschen Kampfspielen in Berlin Zweiter werden, bis ihn der jüngst verstorbene Hans Thiele entthronte, der den Diskus-Baltenrekord auf 41,30 m steigerte und sich auch einmal in der deutschen Meisterschaft platzierte. Dann kam die große Aera der ostpreußischen Speerwerfer mit Bruno Mäser (Asco), Molles (VfK) und Schlokat (Pr. Insterburg). Mäser, ein Naturtalent, der schon mit 15 Jahren Weiten von 40 m erreichte, war vielfacher Baltenmeister, 1930 und 1931 sogar deutscher Meister im Speerwurf und siegte im Länderkampf gegen Frankreich zweimal, 1930 mit dem Meisterwurf von 65,07 m. Im Hoch- und Weitsprung war der Club durch Klugkist II, im Stabhochsprung durch Böhm in der Spitzenklasse vertreten. Letzterer hielt jahrelang den Baltenrekord mit 3,45 m.
Die umfassendsten Vereinsprüfungen aber waren die alljährlichen Groß-Staffelläufe, deren erster von Wargen nach Königsberg zu Ehren des Begründers, Paul Reicke-Lauf genannt wurde. Später wurde dieser durch die Staffelläufe von Cranz nach Königsberg, „Rund um Königsberg" und „Quer durch Königsberg", ergänzt. 25 Läufer oder auch mehr gehörten in der Haupt- und Jugendklasse zu einer Vereinsmannschaft. Nach einigen Jahren kam auch die Frauenklasse über kürzere Strecken hinzu. Fieberhaft waren die Vorbereitungen. Vom ersten schönen Frühjahrstag wurde nun in allen Vereinen wochenlang eisern trainiert, eine strengste Wahl der Besten getroffen, die Streckeneinteilung und der taktische Einsatz der Läufer besprochen, ein Stab von Helfern mobil gemacht. Das waren die Glanztage ostpreußischer Leichtathletik, an denen die Bevölkerung auf den Landstraßen und in den Straßen der Stadt, Tausende aber am Ziel auf dem Walter-Simon-Platz standen, um die Schlussläufer zu erwarten. Asco gewann diese Staffeln viele Jahre, manchmal in allen Klassen, und nur selten bezwang ihn der VfK, der immer sein großer und härtester Gegner war. Berühmt war auch die Abstimmungsstaffel in Allenstein und die Ostpreußenstaffel, bei der Janert einmal als letzter 800-m-Mann des Asco gegen VfK über 70 m Verlust wettmachte, und so seinem Verein den Sieg sicher stellte. Von den vielen siegreichen Interclubkämpfen sei der zwischen Preußen Danzig, Elbinger SV und Asco erwähnt, den letzterer stets gewann.
Der Asco-Nachwuchs war ein unerschöpflicher Quell großer Talente. Er war die erfolgreichste Sportjugend im deutschen Osten. Seine Einzel- und Mannschaftserfolge waren gleich groß. Bei Großstaffel-, Clubkämpfen und Vereinsmeisterschaften stellte der Verein bis 1932 fast stets den Sieger. Oft war Asco Königsberger Jugend-Handball- und Hockeymeister und schnitt auch in den Fußballklassen befriedigend ab. Der größte Erfolg aber war die Reise der AscoJugcnd 1924 nach Hamburg. Sie war vom Havestehuder THC zu einem Tennis-, Leichtathletik- und Hockeymannschaftskampf eingeladen worden. Gegen 11 Mannschaften aus Berlin, Mittel- und Westdeutschland gelang Asco nach dramatischem Kampf der L.-A. - Mannschaftssieg mit 283:280 Punkten vor Hannover, ein unvergessliches Erlebnis für alle! Im Jugendstädtekampf 1928 Königsberg gegen Berlin stellten wir weitaus die meisten Teilnehmer. Die Siege von Bobeth über 1500 m, Schulz, Kellmereit und Rigamer zeigten uns der Reichshauptstadt gleichwertig. Nur ganz knapp verlor Königsberg 63:65. Der Rückkampf in Berlin, auf den sich beide Teile besonders intensiv vorbereitet hatten, endete sogar unentschieden. Das war eine Sensation. Vorher hatte bereits die Asco-Jugend als Vertretung Königsbergs im Handballspiel Berlin mit 9:2 geschlagen!
Der Land-Hockeysport nahm 1920 mit der Gründung des ostdeutschen Hockey-Verbandes durch stud. phil. Henrad-Asco einen neuen Aufschwung, und wurde durch Dr. Becker und Dr. Alexewicz auf sportlich hohe Stufe geführt. 1922 blieb Asco Hockey-Pokalmeister, übrigens auch Eishockey-Meister. Das Jahr 1924 sieht uns gegen eine Danziger Städtemannschaft 6:2 siegreich. Eintracht Hannover wird nach Königsberg eingeladen und schafft durch sein vorbildliches Spiel und den 4:1-Sieg einen großen Propaganda-Erfolg. In den nächsten Jahren spielen Geede, Berger und Baumann für den Baltenverband repräsentativ. Das Jubiläumsturnier 1927 mit VfB-Jena, dem mitteldeutschen Meister, SV Marienwerder, dem nord-ostdeutschen Meister, den besten Danziger und Königsberger Vereinen stand auf sportlich hoher Stufe und bewies die enge Verbindung zwischen den führenden Hockeymannschaften im Reich und uns. Der Danziger Hockeyclub musste auf den traditionellen Pfingstturnieren mehrfach gegen uns die Waffen strecken. Die Asco-Jugend wurde vielfach Königsberger Meister.
Das Männerhandballspiel wurde 1922 durch Dr. Becker in die Rasensportvereine eingeführt. Es fand außerordentlichen Anklang, vornehmlich bei den Reichswehr- und Polizeimannschaften, so dass diese durch ihr härteres Training vielfach zu Meisterehren kamen. Trotzdem kann Asco nicht nur auf eine Reihe von Jugendmeisterschaften zurückblicken, sondern errang auch 1928 bis 1931 bei den Senioren unter Führung von Zarth, Plaschke und Friedrich Spitzenerfolge. Drei Jahre lang waren wir Ostpreußenmeister, 1928 ging die Baltenmeisterschaft gegen Komet-Stettin knapp 0:1 verloren. Das erste Hallen-Handballturnier 1931 sah uns als Sieger, und die Junioren standen in Königsberg bereits von 1926 an jahrelang mit wenig Unterbrechung an der Spitze.
Auch das Schlagballspiel wurde in den 20-er Jahren noch eifrig gepflegt. Insbesondere 1920 bis 1924 war der Club Königsberger Meister und verlor die Ostpreußenmeisterschaft 1924 nur knapp gegen Polizei Allenstein nach Verlängerung.
ASCO-Frauen mit einzigartigem Rekord
Wenn an dieser Stelle besonders der Handballfrauen gedacht wird, dann das nicht ohne Grund. Ein Rekord, wie ihn kaum ein anderer deutscher Verein aufzuweisen haben wird, sei hier besonders hervorgehoben und anerkennend vermerkt. Von 1929 bis 1943 fiel der Gaumeistertitel an die ASCO-Handballerinnen, mit Ausnahme der Jahre 1935 und 1938. Unermüdlich in allen diesen Jahren und auch noch in den Jahren des Exils, und damit an dem Erfolg maßgeblich beteiligt, unsere Gretel Friedrich. Sie war nicht nur in Königsberg und ganz Ostpreußen als die Stütze des ostpreußischen Frauenhandballs bekannt, auch westlich des damaligen Korridors war ihr Name zu einem Begriff geworden. Wer von ASCO sprach, dachte an Gretel Friedrich, und wer von Gretel Friedrich sprach, dachte an ASCO.
Immer wieder wurde der Anlauf zur Deutschen Meisterschaft unternommen, aber die weiten Reisen, die mangelnde Spielmöglichkeit mit anderen deutschen gleichwertigen Spitzenmannschaften bewirkte immer wieder, dass die Vorrundenspiele verloren gingen, wenn auch nur mit höchstens ein oder zwei Toren Unterschied, aber sie wurden doch verloren, obwohl man in allen Kritiken die Gleichwertigkeit von ASCO gegenüber den siegreichen Mannschaften anerkannte. Und die Gegner waren schon Mannschaften, die in Deutschland führend waren, z. B. SC Charlottenburg, Victoria Hamburg, Fortuna Leipzig, Breslau, Forst, die auch immer wieder in den Endrunden zu finden waren.
1939 wurde in jeder Hinsicht ein stürmisches Jahr. Auch für die Handballfrauen. War am 9. April nach monatelangen harten Punktkämpfen gegen Prussia Samland schließlich der Bezirksmeister errungen, ging es eine Woche später schon nach Insterburg zum Ausscheidungsspiel der Gaumeisterschaft, das glatt 6:0 gewonnen wurde. Wieder eine Woche später Gaumeisterschaftsspiel in Danzig gegen TV Ohra. Schon am Sonnabend waren die ASCO-Frauen nach Ohra gefahren, um gut ausgeruht in den entscheidenden Kampf gehen zu können. Aber es schien diesmal alles gegen den ASCO-Adler zu stehen. Der Chronist weiß es noch wie heute, als die Spielerinnen unter Anführung von Frau Friedrich bleich und durchgefroren auf den Platz kamen. Ein eisiger Nordwest fegte über den zum Teil noch leicht gefrorenen Boden. Das legte sich auf die Stimmung der ASCO-Frauen, hatten sie doch schon eine mehr als unruhige Nacht hinter sich in der ungeheizten Jugendherberge, in der sie untergebracht waren. Gegenseitig sprachen sich vor dem Anwurf die Friedrich, Kenneweg, Haagner, Arendt, v. Kosing, Stenkat, Meyhöfer, Koppenhagen, Rimke, Würminghausen und Linner Mut zu. Aber die Frauen von Ohra waren die erste Halbzeit überlegen. 3:1 führten sie beim Wechsel. „Nicht aufgeben, jetzt alles auf eine Karte setzen, wir müssen es noch schaffen, denn wir sind doch besser!" Diese aufmunternden Worte Gretel Friedrichs in der Pause wirkten ein Wunder. Bis zum Umfallen wurde in der zweiten Halbzeit gekämpft. Drei Minuten stand es nur noch 4:3 für Ohra, und fast mit dem Schlusspfiff fiel der Ausgleich. Von diesem 4:4 sprach man in Danziger Handballkreisen noch lange mit Hochachtung. - 14 Tage später dann das Entscheidungsspiel in Königsberg unter besseren Bedingungen. Klar war der 3:1-Sieg für ASCO, der Gaumeistertitel war wieder einmal errungen.
Aber nur eine Woche Verschnaufpause, dann kam das Vorrundenspiel um die „Deutsche" in Königsberg gegen Kolberg. Darüber ist nichts zu sagen, wenn man das Ergebnis von 10:0 für ASCO kennt. Sechs Tage später musste die damals immerhin noch umständliche Reise nach Berlin angetreten werden. Gegner der Frauenhandballmeister Tib Turngemeinde Berlin. Erbittert wurde wieder gekämpft. Pech für ASCO. Glück für Tib. Die fleißige Dorle zog sich bereits in der ersten Halbzeit eine schmerzhafte Handverletzung zu, machte aber tapfer bis zum Schluss mit, blieb dennoch mehr oder weniger eine „einhändige" Statistin. Die knappe 3:5-Niederlage gegen die beste deutsche Mannschaft war unter diesen Umständen zu verstehen. Übrigens holten sich die Berlinerinnen im Endspiel wieder den Titel. 1943 endlich wurde das Streben nach der Meisterschaftskrone insofern belohnt, als es gelang, in der Endrunde gegen den KTV Kiel mit 4:3 den dritten Platz der Deutschen Meisterschaft für ASCO zu erringen. In der ASCO-Mannschaft standen neben Frau Friedrich die bewährten Spielerinnen Mignon Linner, Hilde Treinat, Heinza Pluschke, Käte Szepanski, Dorle Heinrici, Judith Wagner, Edith Klagge, Inge Schröder, Gerda Lingenau und Edith Eisenblätter.
Wer von den ostpreußischen Handballern gedenkt nicht Hanne Plaschkes, dessen Stolz die Handball-Mädels waren, und der aus dem Russlandkrieg nicht mehr zurückkehrte. Er hatte sich in der Zeit seines Königsberger Wehrdienstes des Nachwuchses besonders angenommen. Er sorgte dafür, dass sich alle Königsberger Jugendmannschaften um den wertvollen ASCO-Pokal bewarben, ihm war es in der Hauptsache zuzuschreiben, dass allein sieben ASCO-Mädels in der Königsberger Jugendmannschaft standen, die 1940 den Titel des Deutschen Jugend-Handballmeisters errang, die zu Hallenhandball-Städtespielen nach Prag und Brünn eingeladen wurde und mit Siegen wieder nach Königsberg zurückkehrte.
Dass ASCO-Fußballer nicht gar so sehr in Erscheinung traten wie die VfBer oder Prussia Samländer hatte besondere Gründe. Dennoch hielt sich ASCO in der Reihe der großen Rivalen stets beachtlich. Und die Namen Boegel, Krumm, Belgard, Geschwandtner, Biesen, Aland, Brilatus, oder Franueschina, Petereit, Linde, Wosylus, Musanke, Skibbe, Gebr. Richert, Kurt Richert, Kurt Neumann, Krause sind den Königsberger Fußballern, die die Punktkämpfe erlebten, noch gut im Gedächtnis. Abgesehen von Paul und Fritz Bouillon, den Gebr. Koppenhagen, Erwin Hochwald, die für nötigen Schwung sorgten, von Arno Petereits Wintertraining in der Friedrich-Ebert-Schule.
Karl Jankowski, Paul Machowius und Kurt Boegel waren 1934 von „Tute“ Lehmann, dem Gautrainer, zu einem Lehrgang einberufen, der auf dem Prussia-Samland-Platz an der Steffeckstraße durchgeführt wurde, sie vertraten Ostpreußens Farben dann auch in dem Spiel gegen den Niederrhein auf dem Palästraplatz.
Mit Kriegsausbruch drohte zunächst bei den Männer-Abteilungen alles zu erlahmen. ASCO stellte damals von allen Königsberger Vereinen den größten Prozentsatz zum Wehrdienst ab. Aber auch bei den Fußballern sorgte dann der Nachwuchs für regen Spielbetrieb. Arnold Petereit brachte 1940 die 1. Jugend über manche Klippen hinweg erst zur Stadtmeisterschaft und anschließend sogar zur Gaumeisterschaft, während die Männermannschaft in der Liga einen guten Mittelplatz in der Tabelle einnahm.
In der Leichtathletik wurde auch nach 1932 die große Tradition der Block, Flick Kurtzahn, Kallmeyer, Stock Thiele, Krieger, Lukas, Dorka, Klugkist, Mäser u. v. a. fortgesetzt. Und bei den Leichtathleten war es wieder ein Mann, dem man besonders dankbar sein muss: Dr. Herbert Schmidtke. Wir wissen es, dass er beim Lesen dieser Zeilen sich sehr unbehaglich fühlen wird, denn er liebt es nicht, besonders in den Vordergrund zu treten oder dass seine Verdienste besonders hervorgehoben werden. Und doch hat ihm ASCO viel, viel zu verdanken. Er war es, der Jahrzehntelang die Jugendabteilung der ASCO-Leichtathleten leitete, er war es, der den jungen Wettkämpfern die Kampfbegeisterung und den Willen zum Siege „einimpfte", der als Organisator jede Minute seiner Freizeit dem Verein widmete und auch heute noch widmet. Und nicht nur für seinen ASCO arbeitete er unermüdlich, die gesamte ostpreußische Leichtathletik hat ihm viel zu danken. Die Ehrennadel der DSB für Leichtathletik war nur ein äußeres Zeichen seiner Verdienste. Wer mit ihm zusammenarbeiten durfte, der weiß, welch eine Kraft von ihm ausstrahlte, wie er alle Mitarbeiter und die Aktiven zu intensiver Arbeit und Leistung mitreißen konnte.
Seite 12 Marburg ruft die ostdeutschen Turner
Wieder einmal rüsten die ost - und westpreußischen Turner und Turnerinnen zu einem Wiedersehenstreffen. Die schöne Universitätsstadt Marburg a. d. Lahn ist diesmal der Treffpunkt. Zeitlich ist das Treffen eingebaut in das Alterstreffen des Deutschen Turnerbundes, und so wird es nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl der heimatvertriebenen Turner erneut bekräftigen, sondern auch ihren Eingliederungswillen in die Turnvereine ihrer neuen Heimat unterstreichen. Nach den Voranmeldungen werden etwa 150 ost- und westpreußische Turner und Turnerinnen aus rd. 25 verschiedenen Turnvereinen unserer Heimat, vor allem aus Danzig und Königsberg erwartet. Bei der Eröffnungsfeier am 15.08.1952 abends auf dem Marktplatz in Marburg werden die Ost- und Westpreußen als besondere Gruppe neben den westdeutschen Landsmannschaften antreten und begrüßt werden. Am 16. (Sonnabend) findet nachmittags in der Aula der Philipps-Universität ein besonderer Festakt der Turnerfamilie mit einer Festrede des letzten Kreisvertreters des Turnkreises I Nordost Schulrat a. D. Fritz Babbel statt. Der dann folgende allgemeine Festabend mit Vorführungen auf der Freilichtbühne und vor allem am Sonntagvormittag die Jahnfeier und Totenehrung im Schülerpark werden besondere Höhepunkte des Bundesalterstreffens werden, bei denen die Herzen der Ost- und Westpreußen begeistert mitschwingen werden. Nach dem allgemeinen Schauturnen am Sonntagnachmittag treffen sich die Mitglieder der Turnerfamilie Ost- und Westpreußen im Hause der Akademischen Turnverbindung am Kaffweg Nr. 11 zu einem besinnlichen und fröhlichen Heimatabend. Der Montagvormittag bringt dann als Ausklang eine Wanderung unter ortskundiger Führung in die herrliche Umgebung von Marburg.
Die Anmeldung für die Teilnahme muss unmittelbar an die Geschäftsstelle für das Bundesalterstreffen des DTB in Marburg (Lahn), Wettergasse 2, gerichtet werden. Wer sich gemeldet hat und wer - trotz förmlichen Meldeschlusses - noch nachmelden will, teile dies umgehend an Wilhelm Alm in Oldenburg (Oldb), Bloherfelderstraße 20 mit.
Für die Vorführungen auf der Freilichtbühne (u. a. Deutschlandriege) sollen im Voraus Karten sichergestellt werden. Auch die Vorbereitungen für die Sonderveranstaltungen der Turnerfamilie erfordern möglichst genaue Zahlen.
Auf nach Marburg! Die Festtage sollen wiederum wie schon in den fünf Vorjahren Freundschaften erneuern, die alte Kameradschaft festigen und uns allen im Gefühl turnerischer treuer Verbundenheit
Seite 12 Turnerfamilie Ost- und Westpreußen
Herzlichste Geburtstagsglückwünsche und –grüße allen August-Geborenen:
01.08.1952 Eduard Grigoleit (KMTV), 1 Berlin-Lichterfelde-West,Roonstralie 8.
01.08.1952 Joachim Imlau (Zoppot), 14a Waiblingen, Holderlinstraße 4
01.08.1952 Werner Imlau (Zoppot), 24a Hamburg-Bahrenfeld, Lutherhöhe 9.
01.08.1952 Barbara Ponsel (KTC), 13a Coburg, Lossaustr . 1
02.08.1952 Werner Witt (KTC/KMTV/VfB Kbg.), 24b Elmshorn, Königstraße 53.
04.08.1952 Eberhard Benkmann (Zoppot), 14a Stuttgart-O. Gänsheidestraße 19.
04.08.1952 Erna Frowerk-Marschewsky, (Lgf./Zoppot), Gersfeld (Rhön), Ebersbergerplatz 6
04.08.1952 Elisabeth Kieburg-Thienert (KMTV), 19a Salzwedel, Fuchsberg, Block 20
04.08.1952 Reinhold Jecubzig (KTC), 13b Bad Reichenhall, Nonnerstraße 18.
05.08.1952 Gertrud Timnik-Richter (Allenstein), 10a B?? Kösen oder Kosen, Karl-Marx-Straße 9
06.08.1952 Gertrud Falsehr-Hoffmann (Tgm. Dzg.), Hamburg-Nienstädten, Georg-Brune-Straße ??
06.08.1952 Gerhard Knuth (KTC), 24b Neumünster, Ge??? Straße 10 I.
06.08.1952 Hermann Moeck (Mühlhausen/Opr.), 24b Leetzen?, Holstein über Bad Segeberg.
07.08.1952 Elisabeth Wichert-Classen (Elbing), 22c Niederdollendorg, Weberstraße 1.
09.08.1952 Emil Jochem (Marienburg), 24b Schleswig, K?lonnenweg 20.
09.08.1952 Horst Kubawitz (Tgm. Dzg.), 22a Mülheim (Ruhr), Hermannstraße 30.
09.08.1952 Ernst Loyal (KMTV), 24b Itzehoe, Llndenstr. ??
09.08.1952 Margarete Zegke (Elbing), 20b Goslar, Wilhelm-Busch-Straße 14.
09.08.1952 Paul Schmidt (Marienwerder), 21a Häger 11 über Bielefeld.
10.08.1952 Hildegard Schmidt, 24a Tornesch (Holstein), Wilhelmstraße 7.
10.08.1952 Dr. Ernst Remppis (Zoppot), 14a Stuttgart-?? Pfaffenweg 45b.
11.08.1952 Fritz Pankrath (Elbing), 24a Lübeck, Schwartauer Allee 8a.
12.08.1952 Klaus Pietsch (Tgm. Dzg.), 13a Schweinfurt, Mai?berger Straße 8.
12.08.1952 Gerda Scheffke (Zoppot), 14a Göppingen, Klinik Christophsbad.
13.08.1952 Kurt Augustin (Wehlau), 21a Linderhofe, Post FaFrmbeck.
13.08.1952 Herbert Milkuhn (KMTV), 24b Kiel, Knooperw??
14.08.1952 Paul Krause (KMTV/Tilsit), 24b Glückstad (Elbe), Ballhausstraße 31.
15.08.1952 Kurt Kleist (KMTV/TuF Dzg.)', 24b Eckernförde, Kattsund 5.
16.08.1952 Willi Marcinski (Bartenstein), 21b Bielefeld, Detmolder Straße 215.
16.08.1952 Karl Wetzker (KMTV), 21b Herdecke (Ruhr), Bahnhofstraße 28.
16.08.1952 Margarete Wosegien (VfK Kbg.), 24b Kiel-Wik, Elendsredder 12.
16.08.1952 Ruth Kramp-Stange (Insterburg), 20a Kirchboitzen 59 über Walsrode (Hann.)
19.08.1952 Erwin Zielke (Goldap), 20a Gronau (Hann.), Südstraße 15.
20.08.1952 Gertrud Schneider-Düsterhöft (Insterburg), Verden (Aller), Brückstraße 16.
20.08.1952 Erich Schwan (KTC), 20a Wispenstein bei Alfeld (Leine).
22.08.1952 Hans Gehlauf (TC Dzg.), 23 Verden (Aller), Am Bürgerpark 20.
22.08.1952 Albert Jagusch (Elbg./Sensbg./Osterode/KMTV), 20a Hameln, Sedemünder Straße 10. 22.08.1952 Herbert Wohlgemuth (Tgm Dzg.), 3a Röbel (Müritz), Altstätterstraße 40.
22.08.1952 Erna Unruh (KTC), 24b Rendsburg, Nobiskrüger Allee 40.
23.08.1952 Lonny Buchtal (Zoppot) 24b Kirchbarkau über Preetz (Holstein).
25.08.1952 Waltraut Semkat (KMTV), 23 Rotenburg (Hann.), Burworthplatz 17.
25.08.1952 Dr. Kurt Stahr (KMTV/Ebenrode), 16 Cappel 217 über Marburg (Lahn).
26.08.1952 Hilda Ruth-Hoffmann (Tgm Dzg.), 20a Celle, Breite Straße 24.
27.08.1952 Alma Langheim-Müller (Zoppot), 20a Hasede 40 Kreis Hildesheim.
27.08.1952 Meta Loyal-Wirsing (KMTV), 16 Offenbach, Birkenlohrstraße 25.
27.08.1952 Leo Paetsch (KMTV), 24a Hamburg-Ohlstedt, Rootbergskamp 2.
27.08.1952 Käte Senger-Steck (Marienburg), 24b Kiel, Esmarchstraße 68 III.
28.08.1952 Wilhelm Fiedler (Gumbinnen), 20a Hannover-Döhren, Helenenstraße 2 A.
28.08.1952 Dr. Martin Kob (KMTV), 24b Fensburg, Wrangegstraße 4.
28.08.1952 Christel Hencker (Lyck), 16 Wiesbaden .Bahnhofstraße 15.
30.08.1952 Erwin Aßmus (KMTV), 20a Schmedenstedt 1?? über Peine.
30.08.1952 Dr. Lilo Remppis-Wagner (Zoppot), 14a Stuttgart-S., Pfaffenwedg 45b.
31.08.1952 Edwin Paetsch (KMTV), 24b Kiel, Dreieckplatz ?.
Ein besonders kräftiges Gut Heil! den Jubilaren:
Gertrud Timnik (40),
Hildegard Schmidt (50)
Leo Paetsch (60)
Paul Krause (75) und
Max Tribukait (77 Jahre). Onkel Wilhelm
Auftrieb geben für die Arbeit des Alltags und für unsern Einsatz zur friedlichen Wiedergewinnung der deutschen Einheit in Recht und Freiheit. Unserm Volk und unserm Vaterland gilt unser alter Turnergruß: Gut Heil! Onkel Wilhelm
Seite 12 Suchanzeigen
Stabsgefr. Rudolf Ablaß, geb. 17.10.1916 In Reinek, Kr. Ebenrode, Feldp.-Nr. 08 058 F. Einheit Groß-Deutschland. vermisst seit 12.02.1945 in Brandenburg/Ostpr. und SS-Soldat Bernhard Krause, geb. 24.01.1926 in Danzig-Lauental, war zuletzt in Breslau, Waterlooschule, vermisst seit 12.12.1944, werden gesucht von Frau Klara Ablaß geb. Krause, 20a Springe/Deister, Echternstraße 33.
Frau Hostmann, Käthe Hostmann, Anni Hostmann und Frau Adele Jenereit (geb. 1909 oder 1910), alle aus Ackerau, Post Fuchsberg, Samland: Kurt Schmidt, Kbg./Pr.. Sternwartstr. (geb. 1902), Alfred Schmidt, Kbg./Pr., Alter Garten (geb. 1898), Elsa Schmidt, Allenstein (geb. Kbg./Pr., Alter Garten 83, 1900) und Helga Benndorff, Kbg./Pr., Unterhaberberg, Ecke Hoffmannstraße, Friseurgeschäft, werden gesucht von Frau Margarete Schmuck, 20a Eilvese 147, Kr. Neustadt a. Rübenberge.
Ernestine Staschewski, geb. 05.06.1883?, Maria Staschewski, Kurt Staschewski, zuletzt wohnhaft Seerappen, Kr. Samland, letzte Nachricht Januar 1945; werden gesucht v. Gerda Timm, geb. Staschewski. (20a) Essel 12 über Schwarmstedt/Hann.
Ich suche meinen Vater Franz Neumann, geh. am 20.01.1881 in Gr.-Lindenau/Ostpreußen, meine Mutter Lina Neumann, geb. Mai, geb. am 02.10.1887 in Peyse-Samland; meine Schwester Ruth Neumann, geb. am 01.01.1924 in Göritten, Ostpreußen, alle zuletzt wohnhaft Kbg./Pr., Schrötterstraße 149. Ferner suche Ich meine Brüder Kurt, Bruno, Robert, Paul Neumann, zuletzt alle Soldat, Anschrift unbekannt. Nachricht erb. Franz Neumann, Langenhagen/Hann., Am Pferdemarkt 38, früher wohnhaft Königsberg/Pr., Neuendorfer Straße 249.
Herta Kratel, geb. 27.09.1925 in Landskron, Kr. Bartenstein, zul. in Schippenbeil, Willi Kratel, geb. 16.06.1927 In Landskron, als Soldat in Marienwerder, Feldp.-Nr. unbekannt, beide werden gesucht von Franz Kratel, (20a) Hohenhameln, Kr. Peine. Markt 128.
Gerhard Wulf, geb. 05.06.1923 in Kronsnest, Kr. Marienburg Westpreußen, Feldp.-Nr. 16 360 E, letzte Nachricht vom 25.10.1942 von Stalingrad. Nachr. erb. Walter Wulf, Süthen-Naulitz. Kr. Lüchow/Hannover
Frau Olga Fischer, geb. Tolksdorf, geb. am 16.02.1880. deren Sohn Kurt Fischer und seine Ehefrau Christel, geb. Graap. alle zuletzt wohnhaft In Eisenberg. Kr. Heiligenbeil, werden gesucht v. Erich Tolksdorf. (14a) Dettingen/Teck. Lerchenweg 3 (Württemberg).
Hermann Schirrmacher, Uffz. der Inf., geb. 11.02.1911 Gr.-Allendorf. Kr. Wehlau, war 1944 im Lazarett Schwarsbeck bei Hamburg, 16.01.1945 kam er zum Inf.-Ers.-Batl. nach Leitmeritz Sudeten, seit dem fehlt jede Nachricht. Ein Bekannter will ihn April 1945 wieder bei Hamburg im Lazarett gesehen haben. Nachr. erb. Frau Elisabeth Lobeschuck. Hambühren 16, Kr. Celle.
Königsberger! Wer kann Auskunft geben über den Verbleib meines Vaters, Dachdecker Herm. Krüger, geb. 10.11.1868 zu Königsberg, Artilleriestraße 36 und meine Schwester Erna Großmann, geb. 17.08.1905. Sie war Januar 1945 noch bei der Feldpost Roonschule tätig, wohnhaft Roonstraße. Nachr. erb. Willy Krüger. Essen/Überruhr. Dellmannsweg 40, fr. Kbg., Alter Garten 14.
Familie Bruno Kirsch, Danzig/Westpr., Bastian-Ochsstraße 7 und Familie Bichert, Danzig/Westpr. Langgarten-Wall 7, werden ges. von Fam. Emil Buch. (20a) Oegenbostel über Schwarmstedt/Hann.
Wwe. Käte Vogel, geb. Korth aus Kbg. Pr., 1944 letzter Wohnort Zinten, Am Markt 8, bei Schmidt Wer kann Auskunft über ihren Verbleib geben? Nachr. erb. Frau Lydia Kuhn, 23 Bramsche, Moltkestraße 21.
Gesucht werden Otto u. Auguste Kleinfeld, letzter Wohnort Kbg./ Pr., Buddestr. 6, und Gustav und Meta Keibel, letzter Wohnort Metgethen bei Kbg./Pr. von Frau Schernewski. geb. Gilke. (20a) Heinde 83, Post Gr.-Düngen.
Spätheimkehrer! Wer kann Auskunft geben über meinen Bruder Dr. Heinz Behrendt, geb. 05.11.1904, Landgerichtsrat in Lyck, Danziger Straße 44, Uffz., Feldpostnummer 56 499 C, Sich.-Rgt. 75, III. Btl.. 10. Komp. Am 07.07.1944 hei der Bahnstation Kenia im Raum von Wilna in russ. Gefangenschaft geraten. War im Lager Czenstochau in Polen und dann im Lager 73 222/10 bei Czernowitz in der Bukowina. Ist Dezember 1947 im Lager 254 500 nördlich von Bukarest gewesen. Seit dem, fehlen weitere Feststellungen. Nachr. erb. Alfred Behrendt, Mittelschullehrer, (24a) Stade, Köslinerstr. 6.
Ich suche meinen Vater Franz Schmidtke, geb. am 9. Juli 1902 in Karalene, Kr. Insterburg, letzter Wohnort Dittlacken, Kr. Insterburg. Er war im Januar 1945 auf Heimaturlaub und hat uns auf der Flucht bis Heiligenbeil begleitet. Da am 31. Januar 1945 sein Urlaub zu Ende war, hat er dann seine Einheit gesucht, seitdem sind wir ohne Nachricht von ihm. Seine letzte Feldp.-Nr. lautete 16 449. Wer weiß etwas von ihm? Nachr. erb. an Herta Schmidtke. (20a) Beutow Nr. 24, Kreis Lüchow/Hannover oder an Gerhard Schmidtke, (20a) Seerau I/L., Kreis Lüchow bei Gastwirt Hildebrand., (20a) Seerau I/L., Kr. Lüchow bei Gastwirt Hildebrand.
Stadtsekretär Enstipp und Fürsorgerin Frl. Casimir vom Stadtjugendamt Tilsit werden in einer dringenden Rentenangelegenheit ges. von Kreisjugendamt, Amtsvormundschaft. (13b) Rottenburg-Laaber.
„Kameradschaft Artillerie-Regiment 21 - 57" Vermissten-Suchliste Nr.1
1) Adloff, Kurt, Oberwachtmeister (4/57), geb. 09.01.1916 in Neumark, Kreis Pr.-Holland, vermisst seit 09.01.1945 im Brückenkopf Radom-Baranow.
2) Bachnik, aus Coswig in Anhalt (?/21).
3) Blank, Manfred, Oberleutnant und Battr.-Chef (2/57), geb. 16.08.1921, soll am 16.04.1945 auf dem Wege zum Rgt.-Gef.-Stand bei Fischhausen mit Hauptmann Wiedra, Ltn. Teuwen und Lt. Aresin und 3 Meldern in einen schweren Bombenangriff hineingekommen sein und wird seither vermisst trotz Nachsuche.
4) Fröhlich, Kurt, Wachtmeister, (1/21), seit 1943 bei Ssinjawino vermisst.
5) Geerdts, Gustav, Unteroffizier und Bttr.-Schreiber (1/21), geb. etwa 1911, wohnhaft zuletzt Dresden.
6) Giszas, Kurt, Wachtmeister. Nachr.-Staffel II/57, geb. 06.02.1920 aus Goldap, Mauerstraße 8, vermisst seit Januar 1945
7) Gronebaum, Walter, Unteroffizier, Feldkoch (1/21), geb. 27.03.1910, Fleischer aus Gütersloh/Westf. Nach dem Fall von Pillau als Gruppenführer einer Inf.-Komp. auf der Nehrung gesehen; angeblich beim Inf.-Einsatz gefallen.
8) Heidenreich, Hans, Oberstleutnant i. G. (RAdj. AR 21), vermisst im Osten
9) Heyden, Werner, Wachtmeister (7/21) vermisst seit Februar 1944.
10) Hinz, Wilhelm, San.-Stabsgefr. (2/57), geb. 10.01.1913, vermisst seit 09.01.1945 Brückenkopf Varka, nördl. Radom
11) Knopf, Gerhard, Unteroffizier (RSt. u. E/21), geb. 21.05.1917 in Neukirch-Höhe, vermisst seit August 1944 bei Feldpostnummer 30 030 in Beßarabien
12) Lusch, Werner, Obergefreiter (St. II/57), vermisst seit 10.01.1945 im Raum Radom.
13) Malinowski, Gerhard, Wachtmeister (1/21), schwer verwundet am 16.04.1945 in Neplecken, Halbinsel Peyse/Samland
14) Netter, Emanuel, Unteroffizier (1/21), aus Burgsteinfurt, vor Heiligenbeil schwer verwundet.
15) Radvan, Herbert, Leutnant (3/21), aus Mohrungen
16) Recker, Erich, Unteroffizier, (Stab II/21), vermisst im Samland März 1945
17) Rosengart, Herbert (21) geb. 22.01.1914 in Essen, aus Wicken bei Schönbruch, Kreis Bartenstein
18) Roßler, Gustav (8/21), geb. 28.04.1922 in Ferschweiler, Kreis Bitburg/Eifel, letzte Nachricht vom 24.12.1944 aus der Nähe von Gumbinnen
19) Ruhnke, Hans Martin, Leutnant (III/21), vermisst seit Oktober 1944
20) Schmeier, Paul, Obergefreiter (1/21), Tischler aus Königsberg, am 17.04.1945 im Marine-Arsenal Fischhausen in russ. Kriegsgefangenschaft geraten.
21) Schröder, Götz, (5/57), Anfang 1944 in Russland vermisst.
22) Schwering, Bernhard, Obergefreiter (2/21), aus Ochtrup, Bauernschaft Weine
23) Staudt, Kurt, Stabsgefreiter (4/57), geb. 25.06.1917 in Bartkamm (Elbing), Gr. Wunderberg 13, angeblich zuletzt Fahrer bei Obwm. Jarisch oder Offizier in Ungarn; letzte Post aus Januar 1945
24) Storost, Hans, Wachtmeister (1/21), vermisst seit 14.03.1945 bei Vierbrüderkrug vor Königsberg
25) Wir suchen Angehörige des Obergefreiten Adomeit (1/21), der angeblich noch in russischer Kriegsgefangenschaft zurückgehalten wird.
Alle Nachrichten und Hinweise, die zur Aufklärung des Schicksals unserer vorgenannten Kameraden dienen könnten, werden erbeten an den Leiter des Suchdienstes der „Kameradschaft Art.-Rgt. 21 – 57“, Oberst a. D. Dr. Franz-Eugen Brechtel i. Frankfurt a. M., Reuterweg 88 I, der die suchenden Angehörigen unmittelbar benachrichtigt. Bei Anfragen wird Rückporto erbeten!
Seite 13 Neuaufstellung von Kirchenbüchern
Aufruf des Evangelischen Kirchenbuchamtes
Bei dem Archivamt der Evang. Kirche in Deutschland, Hannover, Militärstraße 9, besteht ein Kirchenbuchamt für den Osten. Seine Tätigkeit besteht in der Hauptsache in zwei großen Aufgaben: 1. Es bucht den Verbleib aller evang. Kirchenbücher aus den ehemaligen deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie festzustellen und führt über diese Ermittlungen eine örtliche Nachweiskartei, sowohl Positiv- wie Negativnachrichten.
2. Es sammelt alle erreichbaren kirchlichen Urkunden aus evang. Kirchenbüchern (in beglaubigten Abschriften. Originalen oder als Fotokopie), soweit sie sich noch im Besitz von Ostvertriebenen befinden, um auf diese Weise für die kommenden Generationen einen Ersatz für die heute nicht mehr greifbaren Kirchenbücher zu schaffen.
Das Kirchenbuchamt für den Osten hat bereits durch eine Reihe von Standesämtern eine größere Anzahl von solchen Kirchenbuchabschriften erhalten, die anlässlich von Personenstandsfällen (Heirat und Tod) den Standesamtsbeamten vorgelegt wurden. Um aber diese Sammlung weiter auszubauen und um möglichst vielen Vertriebenen, die nicht mehr im Besitz der für sie notwendigen Urkunden sind, zu helfen, werden alle einzelnen Kirchenglieder aus dem Osten gebeten, dieses Werk durch eine freiwillige Unterstützung zu fördern. Es ergeht daher die Bitte an jeden einzelnen, einerlei ob Mann oder Frau, jung oder alt, bei sich nachzusehen, ob er noch im Besitz solcher kirchlicher Urkunden ist (Tauf-. Konfirmations- und Trauschein, auch Sterbeurkunden von Eltern und sonstigen Angehörigen, ebenso auch ältere Urkunden und Scheine für weitere zurückliegende Zeiten, Ahnenpässe und dgl. sind erwünscht). Falls solche Urkunden vorhanden sind, wird gebeten, dem Kirchenbuchamt für den Osten eine Abschrift (möglichst durch das zuständige Pfarr- bzw. Kirchenbuchamt oder Standesamt beglaubigt) einzusenden. Notfalls können Originalurkunden zwecks Fotokopierung unter Rückgabe oder auch, falls auf ein Behalten des Scheines kein Wert mehr gelegt wird, unmittelbar im Original dem Kirchenbuchamt zugesandt werden. Es kommt auf jede noch verfügbare Urkunde an, gleich welcher Zeit, da die Verluste ungeheuerlich sind und nur so ein Wiederaufbau verlorengegangenen Schriftgutes zu ermöglichen ist.
Zur Mithilfe an dieser Sammlung wird hierdurch ein jedes evangelisches Kirchenglied aufgerufen. Es hilft damit sich, seiner Heimat, seiner Kirche und seinen Brüdern und Schwestern. Es wird gebeten, nicht zu zögern, sondern in Taschen und Ecken nachzusehen und die Zusendung zu veranlassen an das Kirchenbuchamt für den Osten, Hannover, Militärstraße 9.
Auskünfte über vorhandene Einzelurkunden und aus geretteten Kirchenbüchern werden bei genauer Angabe der Personalien sowie des Pfarramtes (bei größeren Gemeinden ist die Kirche anzugeben) gern erteilt.
Um Beifügung von Rückporto wird gebeten. In Standesamtsfragen kann oft das Hauptstandesamt in Hamburg, Johanniswall 4 und für Kirchenbücher katholischer Gemeinden das nächste bischöfliche Generalvikariat helfen.
Seite 13 Dem Gedenken an Heribert Kühnapfel
Dem Tod nah, setzte Heribert Kühnapfel den Spruch Heinrich von Husens „Ih muos werden ein lebendic man" - („Ich muss werden ein lebendiger Mann") über die Sammlung seiner Gedichte, die er auf dem Sterbebett noch zusammenstellte. Am 1. August 1933 ist er in das „Leben" eingegangen, noch nicht 28 Jahre alt. Der Spruch über der Sammlung zeugt von seinem Glauben: Heribert Kühnapfel war Christ und als solcher Dichter, dem die Welt Abglanz des „Lichtes von oben" war.
Es ist nur wenig, was von seinen Werken und Versuchen vor uns liegt: 27 Jahre lassen die drängende Fülle eines jungen Lebens nicht zur Reife kommen. Aber seine Gedichte, die in einem schmalen Band vor uns liegen, zeigen die Behutsamkeit eines Menschen, dem die kleinen Dinge wichtig genug sind, sie zu zeichnen und die Kraft einer Sprache, die in Bild und Klang den Zauber dieser Welt enthüllt. Selten, so meine ich, ist es einem wie ihm geglückt, die Landschaft unserer Heimat so getreu und doch so zeitlos einzufangen! Haff, Moor und Ebene stehen da in greifbarer Nähe: das Unnennbare aber, dass jene Landschaften in sich tragen, wohnt in den Versen und singt in ihnen mit:
„Blass überflogen / dämmert das Haff und schweigt. / Aber im Bogen / Flach aus den Dünen steigt / Hastig ein Flug / Lärmender Wachteln und fällt / Kreisend im Zug / in die Gestade, frühlichterhellt. / Das ist die eine Seite, der sich sein Empfinden zuwandte: die Heimat, die wir auf Erden haben und die uns alle bindet, und die ihm ihr stilles Lied auf die Lippen legte: nicht Gedichte über das Land der Väter, sondern Gedichte des Landes selbst, wie dieses „Östlicher Herbst". Und das andere ist „die Blume in dem Herzen dieses Landes"; „Gott geht auf!" Herz und Geist sind gebannt von dem Bild des Schöpfers; der Mensch ist wie ein Turm: „Du zur Erde geneigt und zu fernsten Zielen gerichtet!" Aber dieser klare Geist, der die Wissenschaft ebenso redlich „handhabte" wie er die Kunst liebte, weiß um das Geheimnis des Kreuzes: „Denn wir sind dem gebannten Geschlecht nur eine Torheit, und im Mittagsgesicht über dem drängenden Markt höhnen sie unseres sternenden Halts!"
Man wird Kühnapfel nur richtig verstehen, wenn man ihn als Christen begreift: alles ordnet sich in diesen „Kosmos" ein, die Erde, der Mensch, seine Wünsche und das dunkle Vorgefühl des Todes, das ihn ergreift: „Schlafengel mit der dunklen Gambe / Du von hinterwärts zu mir geneigt! / Meines Tages Bangen, siehe, ist nur noch ein Intervall!" Dieser Kosmos, in dessen Mitte das Kreuz steht geht der Vollendung entgegen; die ewige Heimat kommt näher, „wenn alle Sinne ihren Reiz vertauschen", und noch für den Tod selbst gilt das Wort, das am Anfang steht: ,,Ih muos werden ein lebendic man."
Der Zugang zu der kleinen Welt Kühnapfels ist nicht leicht; er mag leichter fallen bei den Landschaftsgedichten; schwerer wird es sein, den Bildern und Gedanken zu folgen, die das Heil zu deuten wagen. Der Eintritt aber in diese Welt - so bruchstückhaft sie vor uns liegt - lohnt. Ein Stück unseres eigenen Herzens wird sichtbar. Und das scheint der beste Beweis für die Echtheit einer Kunst zu sein. Dieses Herz wird sichtbar, wie es an der Heimat hängt und um das „Licht von oben" weiß. Jochen Schmauch.
Seite 14 Die Ordenskirche Arnau. Von Carla v. Bassewitz
Foto: Ordenskirche Arnau bei Königsberg
Unter den unzähligen, bei der Eroberung des deutschen Ostens zerstörten Kulturwerten aus früheren Jahrhunderten ist auch eine alte Dorfkirche im Kreis Königsberg Land (Samland) wert, nicht der Vergessenheit anheimzufallen. Nachdem der deutsche Ritterorden von 1231 bis 1283 das Land der Prussen jenseits der Weichsel planmäßig kolonisiert hatte und seine Burgen - in dieser Gegend erstmalig, als Steinbauten - überall errichtet waren, ging er daran, auch außerhalb der Stadtsiedlungen das freie Land mit einem Netz von Kirchen und Kapellen zu überziehen. Dies entsprach der Aufgabe des Ordens: der Christianisierung, die in praktischer und wohl durchdachter Weise mit der wirtschaftlichen Erschließung des Landes verbunden wurde.
So entstand auf den Uferhügeln des Pregels, der als große Wasserstraße das Kurische Haff mit der Ordensburg Königsberg verband, zunächst eine bescheidene, der heiligen Katharina geweihte Wallfahrtskapelle bei der Siedlung Arnau. Die Bauart weist auf die Wende des 13. Jahrhunderts hin: dicke Feldsteinmauern mit dicht beieinander liegenden Spitzbogenfenstern. Es ist auch möglich, dass die Kapelle erst zur Zeit Siegfrieds von Feuchtwangen entstand, des ersten Hochmeisters, der 1309 selbst nach Ostpreußen zog und in der Marienburg residierte.
Mit der fortschreitenden Besiedlung durch westdeutsche Bauern und der Zusammenfassung der eingeborenen Prussen (später Preußen) in größeren Dörfern - wurden die Kapellen, und so auch die Arnauer, wohl für die Schar der Gläubigen zu klein. Um 1400 baute der Orden das heutige Hauptschiff an, aus Backstein und etwas höher als die bisherige Kapelle, die nun zum Altarraum oder Chorraum wurde - und einem wiederum nur um weniges höheren Turm - siehe die beigegebene Außenansicht.
Im Turm befand sich das Hauptportal mit einem kleinen, steinplattenbelegten Vorraum, und einer schweren, reich geschnitzten Eichentür, auf welcher auf althochdeutsch zu lesen stand:
„Sunte Katharine, bitt Gott vor uns!"
Innen führte unter der Orgelempore hinweg der Mittelgang durch zwei Bankreihen auf den etwas erhöhten Altarraum zu. Die Wände des Hauptschiffs trugen in kunstvoller Freskenmalerei Szenen aus der Bibel. Unter je einem Bild aus dem Neuen Testament waren drei Bilder aus dem Alten Testament angeordnet, wie auf beifolgender Skizze:
N N N
AAA AAA AAA
Diese Fresken müssen wohl zur Zeit des kalvinistischen Einflusses in Ostpreußen übertüncht worden sein, denn sie wurden erst 1911 bei der Renovierung der Kirche durch den Provinzialkonservator gefunden und wieder freigelegt. Wie wundervoll waren diese uralten Farben aufeinander abgestimmt - wie warm und lebendig konnten sie im Kerzenschein leuchten!
Rechts von den beiden Stufen, die zum Altarraum führten, befanden sich der wuchtige Taufstein und die Kanzel. Ihr barockes bemaltes Schnitzwerk ruhte auf einem freundlich lächelnden, vergoldeten Engelsköpfchen. Es war schier unglaublich, wie dieses die ganze Last tragen sollte! Jedoch war die Arbeit offensichtlich die eines Künstlers, so dass wir uns dabei Gedankenlosigkeit oder Naivität nicht vorstellen konnten. Vielmehr muss der nunmehr an 200 Jahre Verstorbene ein tief gläubiges Gemüt - vielleicht Franckescher oder Spener'scher Richtung gewesen sein, und mag an eine der Bibelstellen gedacht haben, die besagen, dass „Gott dem auch hilft, dein er eine Last auferleget". Vielleicht wollte er das bildlich darstellen …
Oben auf der bejahrten, schon etwas abgewetzten Samtdecke der Kanzelbalustrade stand ein uraltes Stundenglas - eine Sanduhr. Ob wohl alle die „hochgelahrten Gottesmänner", die hier oben sprachen, sich nach ihrem unbarmherzigen Ablauf gerichtet und in ihrer Rede beschränkt haben, auf dass auch keins ihrer Schäflein aus der hart arbeitenden Landbevölkerung etwa dabei einschlafe?!
Der Kanzel gegenüber links von den beiden Stufen zum Altarraum stand das Gestühl des ersten urkundlich nachweisbaren weltlichen Patrons der Kirche, Paul Freiherr von Fuchs auf Fuchshöfen, mit seinem Wappen und der Jahreszahl 1685. Aber um der Behaglichkeit der Andächtigen willen siedelte der letzte Patron in einen anderen, zu der Zeit herrenlosen Kirchenstuhl mit schön geschnitzten Säulen links neben dem Altar über. Der alte Fuchssche Stand war nämlich der einzig mögliche Platz zum Einbau einer Heizung - und auf den Höhen über dem Pregeltal pfiff ein eisiger Wind! Wenn der neue Ofen dann prasselnd seine Hitze zu der Wölbung der Kirchendecke emporsandte - wehte darüber leise ein Luftzug hin und her die schwarze, etwas zerfetzte Fahne des Ritters Kalau vom Hofe aus dem dreißigjährigen Kriege. So wie wir Tafeln mit den Namen unserer Gefallenen in den Kirchen aufhängen - so brachten früher am Ende eines Krieges die Ritter ihre Fähnlein und Standarten zur Ruhe ins Gotteshaus. Aber auch Männer unserer Tage haben das noch getan. Im Altarraum auf den geschnitzten Ständen, den Plätzen der kleinen und größeren Grundbesitzer der Gegend - ja und nicht zu vergessen: jenen mit einem einzigen Platz, den die Witwe Schmuck, eine Altsitzerin, gestiftet hatte - da standen die Fahnen des „Stahlhelm", Bund der Frontsoldaten, aus dem Landkreis Königsberg. Der letzte Patron, zugleich stellvertretender Kreisführer, brachte sie 1933 mit seinen Männern dorthin. Innerhalb einer ergreifenden Feier, während jeder Führer einer Ortsgruppe einen Weihespruch über seine Fahne sprach, wurden sie einzeln heraufgereicht, und in vorher eingemauerte Eisenringe gesteckt. Dort haben sie - unberührt von den politischen Kämpfen der Außenwelt, bis zur Zerstörung der Kirche 1945 gestanden, über ihnen leuchteten in herrlichen roten und blauen Tönen die zierlichen Ornamente der Wandpfeiler, die auf der beigegebenen Innenansicht deutlich erkennbar sind.
Wie eng ist das Schicksal der Landfamilien mit ihrer Kirche verknüpft! Da waren die Taufen und Konfirmationen der Kinder, die Trauungen der Familienmitglieder vor dem hohen, herrlich geschnitzten Altar mit dem nachgedunkelten Gemälde von der Kreuzigung - im Licht der Sonne, das durch die bunten Bogenfenster hereinflutete! Manchmal verflog sich eine Schwalbe und strich mitten in der Liturgie, die wir immer stehend anhörten und mitsangen - fröhlich zwitschernd durch den Chorraum dicht über unsere Köpfe. Da waren die Christmetten und Altjahrsabende beim Schein der Kerzen auf den harzduftenden Fichten aus dem Fuchshöfer Wald am Altar, auf den Messingleuchtern, auf den Banklehnen im Hauptschiff und zwischen dem Gitterwerk der Gestühle - alles wie es schon im Mittelalter unter dem Orden gewesen war. Sogar der „Klingelbeutel" ging noch herum - diese uralte Einrichtung des vom Glöckner an einer langen Stange die Bänke entlang gereichten Brokatsäckchens, mit kleinen Glöckchen benäht - damit auch ja jeder sein „Dittchen" bereit hielt, um es hineinzulegen. Solche Sitten unserer Altvordern hatten immer einen tiefen Sinn: mancher, der sich an der Opferbüchse und dem Träger des „Opfertellers" am Ausgang vorbeidrückte, schämte sich, den Beutel an sich vorübergehen zu lassen - und gab!
Der Friedhof mit seinen mächtigen alten Bäumen umgibt die Kirche von allen Seiten und zieht sich den Abhang zum Pregel hinunter. Zu seinem höchsten Punkt in der Mitte führt eine schnurgerade Lindenallee. Da steht auf einem runden, mit Feldsteinen eingefassten Hügel ein schmiedeeisernes Kreuz, das die Aufschrift trägt: Anna Louise Sophie Baronesse von Fuchs, geboren 1703, gestorben 1773. Sie war als Besitzerin von Fuchshöfen zugleich Patronin der Kirche, deshalb ist dies älteste Grab des Friedhofs wohl auch nie eingeebnet. So ruht sie - mit dem Angesicht ihrem Haus und Hof zugewendet, die an einer erhöhten Baumgruppe, dem alten Park, in der Ferne hoch über dem Pregel zu erkennen sind, nun schon fast 200 Jahre. Hier sei - so sagen die Arnauer - der schönste Blick der ganzen Gegend über das Pregeltal. Der Fluss mit seinen schilfbestandenen Ufern gleitet tief unten zwischen Erlenbrüchen und weiten grünen Weideflächen dahin - Schlepper und Frachtkähne mit sich führend. Störche schweben in Scharen darüber, und Wildenten fallen an den Rändern ein. Am Horizont entlang ziehen sich die dunklen Bänder der großen Forsten - und über allem wie ein Wahrzeichen die golden Kugel auf der Turmspitze der Kirche – weit ins Land hinein sichtbar.
In diese Kugel wurde 1911 eine Denkschrift über die bei der Renovierung der Kirche entdeckten und wieder hergestellten Kunstwerke verschlossen. Der letzte Besitzer von Fuchshöfen und Patron der Kirche, Friedrich von Bassewitz, war zu der Zeit noch unmündig und seine Mutter verhandelte für ihn mit den Behörden. Nur seine Unterschrift unter die Denkschrift musste er selbst leisten, wobei seine Lehrerin den Dreizehnjährigen gescholten haben soll, dass er „so schlecht“ geschrieben habe! Als 34 Jahre später die Russen sein Erbe und die Kirche verwüsteten, erlebten einige erst 1948 ausgewiesenen Arnauer, dass ein russischer Soldat das Dach teilweise abdeckte und hinauf kletterte, um die Kugel herunterzuholen. Er stürzte ab und blieb zerschmettert vor der Kirchentür liegen …
In das schwere Eichenholz des Seiteneinganges, der auf der Außenansicht an der Überdachung kenntlich ist, war eingeschnitzt:
„Sunte Katharine, stah uns by,
Und lat uns nit verderwe!
Make uns von alle Sünde frie,
Wenn wi beginne to sterwe!“
Im Jahr 1400 hatten die Ordensritter, auf der Höhe ihrer Macht und ihres Wohlstandes, in von Hochmut und Sicherheit der Törichten – diese ehrfurchtsvollen Worte dahinsetzen lassen. Die Erfahrung, dass Ehrfurcht zu großen Dingen befähigt, gilt noch heute.
Die Kirche hat 545 Jahre alle Kriege überdauert, und das immer wiederkehrende Aufblühen Ostpreußens erlebt. 1945 ist sie bis auf das leere Mauerwerk zerstört worden, und hat ihre eine Glocke dazu hergeben müssen, auf der nunmehrigen Kolchose Fuchshöfen zur Arbeit zu läuten.
Wenn wir sie eines Tages wieder ausbauen – dann bewahre uns Gott vor der Überheblichkeit des Besitzenden und helfe uns zu ehrfürchtigen Herzen!
Seite 14 Am Dom. Von Walter Scheffler
Spitz, über Dachhügel bunt und dicht,
verkrochen halb, dass ihm das Heut nichts raube,
ein alter Kirchturm lugt mit roter Haube
und einem guten, goldenen Uhrgesicht.
Das ist der Dom voll buntem Dämmerlicht,
burgstark und wehrhaft wie der Väter Glaube
Rings träumt die Stille gleich, der reifen Trauben
Draus die Erinnerung süße Beeren bricht.
An roten Mauern raunt manch Epitaph. –
Der Kinder spielen unter blühenden Linden
Klingt Fraun und Rittern in den ewgen Schlaf.
Der alte Hochschulbau am Pregelstrand
Hört Simon Dach sein neustes Lied verkünden
Und übern Domplatz kommt Professor Kant.
Seite 14 Kammersänger Heinrich Schlusnus gestorben
AM 18. Juni 1952 in Frankfurt/Main
Wieder hat der Tod uns einen fortgenommen, an dem so vieles hängt von dem idealen, das uns als Glanz von der Vergangenheit geblieben ist und einen gleichen reinen Schimmer warf auf die Hoffnung unserer Zukunft. Erschien es uns doch als ein gutes Zeichen, dass Heinrich Schlusnus, der Sänger Deutschlands, wieder in deutschen Landen sang und den Ruhm des deutschen Liedes in die Welt trug. - Gab es einen unter den „Meistern des Gesanges"-, der diesen Namen mit Würde durch alle hohen und schlimmen Zeiten zu tragen berufen war und ohne Fehl sein Leben lang trug, so war es Schlusnus. Und es kommt einen, der gleichen Namens ist, schwer an, etwas über den Mann zu sagen, der durch seine Kunst und den Dienst an ihr solch reinen Glanz und wahren Ruhm auf diesen Namen gebracht hat. Aber es mag uns der Versuch verziehen sein; denn er trug unsern guten ostpreußischen Namen mit Stolz auf die Herkunft seiner Vorfahren und hob ihn als Vertreter dieser ostpreußischen Familie hoch empor.
Schon sein Vater August, Bruder des Grundbesitzers Friedrich Schlusnus - beide Söhne des mit biblischem Alter gesegneten und weisen Simon Schlusnus - nahm den in der neuen Umgebung fremden Namen mit ins ferne Rheinland, als er den väterlichen Hof in Kulsen bei Benkheim im Kreise Angerburg verließ und nach dem Westen ging. In Braubach am Rhein fand er seine Existenz und seine Frau, und seinem jüngsten Sohne Heinrich war es in die Wiege gelegt, aus der amorphen Schicht des Lebens emporzusteigen zu höchstem Ruhm.
Wohl auf allen Erdteilen und in zahlreichen Ländern hat er gesungen und das deutsche Lied durch seinen Vortrag in zahllosen Konzertsälen zu einem beglückenden Erlebnis gemacht. Sein Name ist in der Welt mit dem guten Namen Deutschlands aufs engste verbunden. Wer die Berichte über die begeisterte Aufnahme in der Südafrikanischen Union und in Süd-West-Afrika gelegentlich seiner Konzertreise im Winter 1949/50 las, weiß es. Es ist auch nicht schwer, dies zu begreifen, wenn man sich der vielen großartigen Konzerte in den deutschen Städten, der Liederabende in der Königsberger Stadthalle und in Tilsit erinnert. Und immer fanden sich Gelegenheiten, nach der Vergangenheit des Vorvätergeschlechtes zu forschen den väterlichen Hof im Kreise Angerburg zu besuchen, Sippenmitglieder zu begrüßen und mit ihnen Verbindungen anzuknüpfen. Denn der Plan, im Kurhause zu Nieden in Masuren einmal einen großen Sippentag zu veranstalten, sollte noch vor dem Kriege ausgeführt werden. Die Familiengeschichte war im Entstehen.
Noch sehe ich ihn – Onkel Heinrich – vor mir im Königsberger Parkhotel über diese Pläne plaudernd, in seinem Berliner Heim vor kommendem Unheil warnend, in Icking Vertrauen zum Neuaufbau und zur Zukunft mitteilend. Die menschlichen Werte dieses Mannes waren nicht geringer als seine hohe Kunst. Sie befähigten ihn – Güte und Bescheidenheit – in seiner Lied-Interpretation dem Liede Töne abzugewinnen, wie es keiner sonst konnte. Erschütterung vor Schmerz und Begeisterung vor Freude, das war immer der lautlose oder brausende Widerhall der Menschen in seinen Konzerten. Kaum ein Liederabend ging zu Ende, ohne dass der Sänger sich seinen Abschied durch immer neue und immer bessere Zugaben erkämpfen musste. Und das Geschick seinem ganz der Kunst verbundenen Leben in seiner Frau Annemay das Glück der besten Gefährtin beschert, den Schmerz um den Verlust des Sohnes, der in Russland vermisst geblieben ist, verwand er nie.
Sagen wir ihm Dank über das Grab hinaus persönlichen und gemeinsamen der ostpreußischen Väterheimat, dass er treu blieb der Kunst und dem Vaterlande, der ostpreußischen Väter- und rheinischen Mütterheimat. Ein Mann mit Charakter - ein Mensch mit Geist - ein Künstler mit Herz - ein Ganzes. HeinrichSchlusnus!
Sein Gesang aber bleibt uns lebendig als Trost und Freude, als Mahnung und Hoffnung, wie er es so oft sang:
Grüß dich, Deutschland, aus Herzensgrund!" Dr. Walter Schlusnus.
Seite 14 Bundesarchiv sammelt ostdeutsche Archivalien
Die großen Verluste an wertvollem Quellenmaterial aus der deutschen Geschichte und Kultur durch die Kriegsereignisse und die Notlösung der ostdeutschen Gebiete will das vor kurzem gegründete Bundesarchiv in Koblenz durch Erfassung historisch bedeutungsvoller Aufzeichnungen von Privatpersonen versuchen auszugleichen. Das Bundesarchiv hat deshalb an die Bevölkerung der Bundesrepublik einen Aufruf gerichtet, schriftliche Nachlasse, Denkschriften und Erlebnisberichte bedeutender Politiker, Geisteswissenschaftler, Wirtschaftler, Wehrmachtsangehöriger, Industrieller und Verwaltungsbeamten, insbesondere auch aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, einzusenden.
Seite 15 Famlienanzeigen
Ihre Vermählung geben bekannt: Herbert Schellhammer, Schrittleiter. Gudrun Schellhammer geb. Hinterleitner Peine (Hann.), den 6. August 1952,Duttenstedter Straße 10
Seite 15 Suchanzeigen
Wiesenbaumeister Erich Christofzik, aus Darkehnen (Angerapp), zuletzt in Köslin, Pommern, wird gesucht von Frau Elsa Krack, 23 Dötlingen i. Oldbg.
Otto Hochleitner, geb. 04.01.1896, Beruf Bäckermeister, letzter Wohnort Gumbinnen, Sodeikerstraße 12, letzte Anschrift Hilfszollassistent, Feldp.-Nr. 64590 B, zul. bei Königsberg eingesetzt, letzte Nachr. vom Januar 1945. Wer kann Auskunft geben über das Schicksal meines Mannes? Nachr. erb. Maria Hochleitner, 20a Essel, Post Schwarmstedt/Hann.
Oskar Ginnow, geb. 14.05.1912, wohnh. Kbg./Pr., Neue Domgasse 38, Stabsgefr., Feldp.-Nr. 22 298 A, zul. in den Kämpfen zw. Schloßberg und Gumbinnen. letzte Nacht. Januar 1945. Wer kann Auskunft geben? Nachr. erb. Helene Thom, geb. Ginnow, verw. Torner, (früh. Peyse, Krs. Samland), jetzt Lüder 2 über Wittingen/Hann.
Gaidies-Neumann, Herma, geb. 10.02.1926, aus Kbg./Pr., Glaserstr. 10 pt., war Mai 1946 in Berlin. Nachricht erb. an die Tante Edith Neumann, 23 Meinstedt 26, über Zeven, Bez. Bremen.
Walter Wolfgang Standfuß, geb. 01.11.1928 in Kbg./Pr., wohnh. Kbg./ Pr., Pillauerstraße 1, zul. in Bad Hülsede, Bez. Osnabrück (Okt. 1945). Nachr. erb. Witwe Wilhelmine Standfuß, 20a Dankersen, Grabenstraße 20.
Hauptmann Alfred Longwitz, aus Marienwerder/Westpr., geb. 02.07.1911, Zahnarzt, ist seit dem 22.06.1944 im Raum Lemberg-Bredi vermisst. Nachr. erb. Wilhelm Longwitz, 20a Kaltenweide über Hannover.
Martha Jablonski, geb. Opalka, geb. 25.01.1913, wird gesucht von Emil Jablonski, 21a Herten/Westfalen, Ewaldstraße 22.
Königsberger Bahnbeamte! Achtung! Wer kann Auskunft geben über den Rangier-Aufseher Paul Lange aus Kbg., Alter Garten 30 III, bei Gloth, geb. 06.09.1912, in Wartenbg., seit dem 06.01.1945 keine Nachricht. Er wird gesucht v. seinem Schwiegervater, seiner Frau Ruth Lange und den Kindern Horst und Hans-Dieter, fr. Buchwalde, Krs. Mohrungen/Ostpr. Jetzige Adr. Paul Gardemeyer. Gläsingen 17, über Wittingen/Hann.
Wer kann Auskunft geben, wo die Kinder aus dem Waisenhaus in Speichersdorf bei Königsberg geblieben sind? Gesucht wird Hans-Joachim Weitkowitz, geb. 26.03.1935. Nach dem Tode der Eltern und Geschwister ist der Gesuchte dorthin gekommen. Nachr. erb. an Univ.Rechnungsrevisor Ewald Frunder, Göttingen, Friedenstraße 7.
Otto Zywek, Landwirt, geb. 21.10.1908 in Grünfließ, Krs. Neidenburg, 1944 im Januar als Obgefr. vermisst. Letzte Nachricht Gen.Komp. Deutsch-Eylau. Wilhelm Zywek, geb. 06.07.1921 in Grünfließ, Kreis Neidenburg, letzte Nachricht 1942 Mittelabschnitt. Meta Zywek, geb. 20.04.1925 in Grünfließ, Kreis Neidenburg, auf der Flucht bei Elbing vermisst. Heinz Zywek, geb. 04.07.1929 in Grünfließ, Kreis Neidenburg, verschleppt nach dem Ural. Die Geschwister werden gesucht von Frau Margarete Wölk, Wolfsburg-Laagberg, Ostpreußenweg 3 b.
Stabsgefr. Herbert Nicklaus, geb. zu Kbg./Pr. am 14. Mai 1919, letzte Feldp.-Nr. L 18 369, Flak-Abt. II 11, zuletzt gesehen in Zabeln (Kurland) am 08.05.1945. Nachr. erbittet Carl Otto Nicklaus, Undenheim, Kr. Mainz, Alzeyerstraße 23.
Oberwachtmeister Otto Siebert aus Kbg./Pr. von der Flak-Abt. II/11. Zuletzt im Erholungslager in Ogre bei Riga - UdSSR, Lager Nr. 7291, von wo aus er entlassen sein soll, und zwar als Heimatloser. Nachricht erb. Carl Otto Nicklaus, Undenheim, Kr. Mainz, Alzeyerstraße 23.
Anneliese Platz, geb. 16.07.1927 in Kbg./Pr., ist bis Januar 1948 im Lager Pr.-Eylau gewesen, dann beim Dammbau Kalleningken bei Tilsit, angeblich dort erkrankt und nach Georgenburg gekommen. Wer war mit ihr zusammen oder weiß etwas über ihr Schicksal? Nachr. erb. die Mutter Anna Platz, (22c) Wipperfürth bei Köln, Wolfsiepen 4.
Seite 16 Lieselotte Popp, Aus dem Schaffen einer ostpreußischen Künstlerin
Foto: Linolschnitt von Liselotte Popp (Liebemühl)
Foto: „Zuspruch an Mutter Ostpreußen“, Holzschnitt von Liselotte Popp
Foto: Friedland. Linolschnitt von Liselotte Popp
Auf einem Gut in Masuren hat Lieselotte Popp ihre Kindheit verlebt; ein Landkind ist sie geblieben. Ein gütiges Geschick hat verhindert, dass diese junge Frau, die von den Steinkästen der Großstädte nur mit Schaudern spricht, in einem solchen eingeschlossen wurde. Unweit von München, und doch schon ganz draußen, zwischen Kornfeldern, in dem sanft gewellten Hügelland der Amper-Auen, hat Lieselotte Popp neue Heimat gefunden. In der Stille dieses alten Bauernlandes entstehen ihre Blätter. Von ihrem Arbeitstisch schweift der Blick über das grüne Wasser des Flusses und verliert sich im dunkleren Grün der Bäume.
Neue Heimat, die doch die alte nie ersetzen kann. Unvergessen ist das Land der dunklen Wälder, der kristallnen Seen, liebstes und häufigstes Motiv im Schaffen der Künstlerin. Lieselotte Popp zeigt mir eine selbstgestickte Decke, die in ihrer schlichten Linienführung an Volkskunst erinnert. Als Sinnbilder ostdeutscher Landschaft stehen Burg und Stadt, Fischer und Bauer. Rundherum, in steilen Lettern, ein Vers von Agnes Miegel: „Mutter Ostpreußen, Einsame am Brückenkopf Deutschlands, sag, was wissen die andern von dir?" Lieselotte Popp lächelt: ,,Das hab ich mal aus lauter Heimweh angefangen." Sie sagt nichts davon, wie verzehrend dies Heimweh gewesen sein mag. Sie zeigt nur, wie sie es überwand: Kreuzstich auf Kreuzstich wurde die Sehnsucht in eine Arbeit hineingebannt.
Die Holzschnitte, Linolschnitte, Zeichnungen, Radierungen und Lithographien der Künstlerin umschreiben immer wieder das Thema „Heimat". Gestützt auf zahllose Skizzen in reichen Studien und Wanderjahren, gestützt auf ein Gedächtnis, das den Schatz des einmal Geschauten ehrfürchtig bewahrt, bleibt das Land im Osten in der Vielfalt seiner Erscheinungsformen liebster Gegenstand der Gestaltung. Auf vielen Ausstellungen, früher in Königsberg, später in Dresden und München, Innsbruck und Wien, Husum und Marburg legte dieses Werk Zeugnis ab von der Schönheit und Kraft unserer Heimat. Eine Holzschnittserie „Ordensburgen", die kürzlich in Darmstadt ausgestellt war, zeigt in großliniger, blockhafter Gestaltung nicht nur den architektonischen Formenreichtum, sondern auch das Einbezogen sein dieser Burgen in das umliegende Land, aus dem sie, beschützend, bewahrend, beherrschend, als etwas ganz Zugehöriges erwachsen sind.
Auch als Illustration hat Lieselotte Popp sich immer von Neuem heimischen Dichtern, heimischen Stoffen zugewandt. „Im Zauber der Kurischen Nehrung" von Hansgeorg Buchholtz, Balladen von Agnes Miegel, Kilian Kolls „Stinthengst von Nikolaiken" und die „Hirtennovelle" von Ernst Wiechert, um nur einige ihrer Arbeiten zu nennen.
Erschütternd in ihrem Realismus sind die vielen Blätter, in denen die Künstlerin das Schicksal des Flüchtlings dargestellt hat, ein Thema, das in langer, leidvoller Auseinandersetzung immer wieder zur Bewältigung aufforderte. „Immer wieder Flucht" heißt eine dieser Arbeiten, in der ein wanderndes Menschenpaar, in harten Konturen - ist es Josef und Maria? - vor einem unabsehbaren Zug ähnlicher schattenhafter Gestalten gezeichnet ist. Das Ringen um den Sinn wird sichtbar, die grübelnde Frage, warum das alles geschah, das sich nicht zufrieden geben kann mit Registrieren und Darstellen des einmaligen Vorgangs. Es mag ein bitterer Weg der Auseinandersetzung gewesen sein, der schließlich in die Fähigkeit mündete, Trost zu spenden. „Zuspruch an Mutter Ostpreußen" heißt eine der letzten Arbeiten, auch formal besonders interessanten und eigenwilligen Arbeiten: der noch erschöpften, doch wie vor dem Erwachen daliegenden Frauengestalt fließt aus der Hand des Engels die Kraft des Lebens entgegen.
Es ist wohl kein Zufall, dass man vor diesem Engel, wie vor manchen andern Figuren auch, an Barlach denkt. Solche Ähnlichkeit beruht nicht auf Nachahmung - dies Werk ist aus eigenen Wurzeln gewachsen - sondern auf Verwandtschaft im Wesen. Es ist das Niederdeutsche, Sinnierende, die schwere Erde an den Schuhen. Lieselotte Popp bekennt selbst, dass solche Themen sie besonders reizen, bei denen man „grübeln und spintisieren" kann, „wo nicht gleich alles klar ist". Deshalb die Hinneigung zur Welt des Märchens und der Sage, auch der Sage der Alpen, zum Geheimnisvollen, Verhangenen und Nebligen, zum Gegensatz von Hell und Dunkel. Deshalb die Vorliebe für Storm, den sie häufig illustriert hat. Wie sehr vermittelt, in den Holzschnitten zu „Bulemanns Haus", schon das schmalbrüstige Haus mit seinen schiefen Fensterläden den Eindruck des Unheimlichen, Gespenstischen!
Immer wieder überrascht die Vielseitigkeit der Behandlung einzelner Themen, das Freisein Von Schablone und Manier, als werde der dem jeweiligen Vorwurf eigenen inneren Linie suchend und forschend nachgetastet. Doch wie auch immer die Formung sein mag, immer wirkt sie sicher und beherrscht. Einem langen Prozess des Reifens, des inneren Verarbeitens folgt ein schnelles, drängendes Gestalten, das auch die Hohe Schule der schwierigsten Techniken mühelos meistert. Virtuoses Können zeigt sich in der Aufteilung der Fläche, die oft verschiedene Stadien einer Handlung in den gleichen Bildausschnitt bannt. Unverkennbar die starke Beziehung zum Ornament, das doch bei aller Spielfreudigkeit niemals ins Spielerische abgeleitet, sondern in den Sinnzusammenhang einbezogen bleibt. Sieht man etwa die Farbholzschnitte zu Storms „Regentrude“, so fühlt man sich an germanische Ornamentik erinnert. Auch das Figürliche ist eingewoben in das Geflecht der Linien, in die unmittelbare Vergegenwärtigung von Dürre und Regen.
Daneben aber liegen Blätter – und es sind wohl die packendsten, am meisten überzeugenden – bei denen, in konzentrierter Vereinfachung, die Linie wie geladen mit Ausdruck erscheint. Das Wort von der Kunst des Weglassens drängt sich auf, sieht man die Illustrationen zu Muks Bumbullis von Sudermann, auf Stein gezeichnet mit einer Rohrfeder, die das Schiff der Amper lieferte; etwa das Gesicht des Kindes, im reinen Kontur nur Mund und Augen mit sparsamstem Strich nur angedeutet, und doch die ganze Skala des Ausdrucks: Ruhe, Mitgefühl, Angst, Geborgenheit, Vertrauen.
Diese Einfachheit, die nach der Ur-Linie sucht, ist nicht die des naiven Menschen; sie stammt aus einem reichgegliederten Weltbild einem ständigen Bemühen um geistige Anerkennung. Aus den zwei kleinen' und schlichten sehr persönlich geprägten Räumen, die Lieselotte Popp bewohnt, wäre die schmale, aber anspruchsvolle Bibliothek nicht wegzudenken, deren geistiger Bogen von Homer, Platon, Marc Aurel bis zu Pascal, Goethe, Hölderling und Rilke reicht. Die Künstlerin bekennt gern und dankbar ihre Ansprechbarkeit durch das Wort, besonders das lyrische. Diese beglückte Beziehung zum Wort vermag auch hinein zu tasten in jene Bereiche, die stammelnd, dass kaum mehr Sagbare sagen. Mit einfachsten Mitteln, in denen das Gegenständliche sich etwa auf die Linie einer Wolke, den Umriss einer Blume beschränkt, wird der Grundton eines Trakl-Gedichtes, eines Rilke-Verses in kongenialer Weise eingefangen.
Ungewöhnliches Können, das genährt wird aus einer reichen menschlichen Substanz, wartet auf die großen künstlerischen Aufträge, die diesem Können und dieser Substanz entsprechen. Lydia Ganzer.
Seite 15 Großkreuz für Richard Schirrmann
Kürzlich erst feierte Richard Schirrmann im weitabgeschiedenen Grävenwiesbach im Taunus seinen 78. Geburtstag. Unter seinen Gratulanten befand sich der hessische Kultusminister Dr. Metzger, der dem äußerst rüstigen Ostpreußen, dem großen Gründer des Deutschen und des Welt-Jugendherbergswerkes, im Auftrage des Bundespräsidenten das Großkreuz zum Verdienstorden überreichte. Wir alle, die wir uns mit großem Stolze zu seinen Jüngern und Mitschallern zählen, sind über diese hohe Ehrung mit Freude erfüllt und gratulieren dem Ausgezeichneten mit warmem Herzen.
Wenn die äußere Anerkennung eines Menschen der Anerkennung seiner Taten adäquat ist, so wird sie natürlich, selbstverständlich und sogar notwendig empfunden. Richard Schirrmann gehört zu unseren ganz großen Volkserziehern. „Jedem wanderwichtigen Ort gleich Schule. Turnhalle und Kirche auch eine gastliche Jugendherberge zur Einkehr für die wanderfrohe Jugend ohne Unterschied!" „Baut Jugendherbergen, dann spart ihr die Krankenhäuser!" Mit solchen einleuchtenden Werbesätzen trieb Schirrmann sein Werk ab 1909 vorwärts, als er damals im Ruhrgebiet in Gelsenkirchen statt der leuchtenden Kiefern und Buchen seiner ostpreußischen Heimat nur Schornsteine ragen sah, den staublosen Ozon ersetzt durch schwefelschwangere Schwaden, die silberklaren Bäche und lachenden Seen durch tintenschwarze, ölige, stinkende Abwässer.
Sein tiefes soziales Empfinden fand hier Abwehr und Hilfe. So wies das DJH 1914 in Westfalen, Rheinland und Hessen bereits 200 Jugendherbergen mit 30 000 Übernachtungen auf und nach rascher Überwindung der Kriegsschäden 1933 bereits 2300 Herbergen mit 4,5 Mill. Übernachtungen. 1932 erfolgte die Krönung seines Werkes durch seine Gründung des Internationalen Jugendherbergswerkes. Er wurde Präsident, die Kongresssprache war Deutsch. 1935 noch war Schirrmann die letzte Brücke zum Ausland und 1945 die erste Anlegestelle für die internationale Annäherung. Das große Werk ist 1949 in andere, jüngere Hände gelegt worden. Doch Schirrmann selbst fährt immer noch in zäher Arbeit landauf, landab - mit der Eisenbahn! - zu Tagungen und Kursen, damit das große Werk in seinen hohen Zielen weiter mächtig wachse und blühe. Diese Ziele aber begründen Schirrmanns Größe. Sie gehen einmal auf unser eigenes Volk. Denn das Wandern ist ein Gesundbrunnen für Leib und Seele und schafft die soziale Befriedung. Auf dem Fruchtboden echter Heimatliebe, die „bewandert" und „erfahren" ist, erwächst die Duldung des Mitmenschen. Soziale Schranken und Dämme werden abgetragen, denn in den Herbergen liegen alle auf demselben Strohsack. Toleranz und Rücksichtnahme jeder Art gehören unter Wanderern zum guten Ton. Ganz von selbst fällt außerdem von den Jugendherbergen ein hoher Gewinn ab, wenn sie, wie es jetzt schon in immer weiterem Umfange geschieht, als Schullandheime dienen, den jahrhundertealten, starren Schulbetrieb auflockern und so in die Schule der Zukunft führen.
Fast noch größer aber ist die wellweite Bedeutung des Werkes. Die Kunst der Diplomaten und Staatsmänner, die internationalen Einwirkungen von Verkehr, Wirtschalt und Handel, von Technik, Wissenschaft und Religion in hohen Ehren, aber gedeihen kann dies alles erst dann, wenn die Jugend der Völker die Schranken an den Grenzen überspringt und fremdes Land und Volk kennen, achten und lieben lernt. Schirrmanns Werk ebnet die Wege zum Weltfrieden. Darum rufen wir dem großen Volkserzieher, dem bewussten Mitschaffer am Weltfrieden aus tiefster Seele ein bewunderndes „Ad multos Annos“ zu. Dr. Max Rohwerder.
Seite 16 „… bis an die Memel“
„… bis an die Memel“. Beiträge ostpreußischer Wissenschaftler anlässlich der Jahrhunderfeiern von Memel (1252) - Zinten (1352) - Tilsit (1552). Herausgegeben von Erwin Nadolny. Leer: 1952. Rautenberg und Möckel. 48 S. (Schriften der Nordostdeutschen Akademie Lüneburg 1.) Preis 1,50 DM.
Es ist wohl nur ein schmales Bändchen, das die nordostdeutsche Akademie Lüneburg als ihre erste Publikation vorlegt; aber der Inhalt dieses Heftes ist gewichtig genug, um weithin die Blicke auf sich zu lenken. Zum Anlass hat der Herausgeber. Museumsdirektor E. Nadolay, der verdienstvolle Leiter der ortdeutschen Ausstellung, die Jahrhundertfeiern der Städte Memel, Zinten und Tilsit genommen. Eine Reihe angesehenster Fachmänner haben sich unter seiner Führung zusammengefunden und haben ein eindrucksvolles Bild des nordöstlichen Ostpreußens entworfen. Begonnen in vorgeschichtlicher Zeit, aus der Prof. La Baume über die Funde im Memelland ein höchst anschauliches Bild entwirft, über die mittelalterliche Periode hin. aus der Prof. Jankuhn vor allem über die frühen Beziehungen des Gebietes zu den skandinavischen Ländern in der Wikingerzeit berichtet, entfaltet sich vor dem Leser in klarer und knapper Weise ein Bild von der Siedlungs-, Handels-, Grenz- Glaubens- und Geistesgeschichte des Memelgebietes im weitesten Sinn bis in die gegenwärtige Zeit hinein. Befasst sich Archivar Forstreuter mit der Memel als Handelsstraße, Konrektor Lenz mit der Geschichte von Zinten, Oberregierungsrat Meyer mit der Geschichte Memels als ältester deutscher Stadt auf ostpreußischem Boden, erzählt uns Direktor Gaerte von den volkskundlichen Befunden dieses Grenzlandes und Direktor Nadolny vom Geistesleben des nordöstlichen Ostpreußens, so scheint der Kern dieses Heftes wohl in den Arbeiten von Prof. Mortensen über das nordöstliche Ostpreußen, Werdegang einer deutschen Grenzlandschaft, von Prof. Hubatsch über Tilsit in der Weltgeschichte und von Oberarchivrat Weise über das Jahr 1452 als Krisenjahr des Ordens und Europas, zu liegen.
Gerade die drei letztgenannten Aufsätze führen stärker noch als die erstgenannten über das eigentliche Thema hinaus, verwenden, es zum Anlass allgemeingeschichtlicher Durchblicke von ihrem Standpunkte aus, welche die politische und kulturelle Bedeutsamkeit dieser alten deutschen Kulturlandschaft mit ihren Siedlungen für die gesamte deutsche Geschichte ermöglichen. So wird dieses inhaltreiche Heft (sein Reichtum kann in einer kleinen Anzeige kaum angedeutet werden) zu einer Monographie dieser nordöstlichen deutschen Grenzlandschaft, welche die einzelnen Beiträge fast wie eine Weiterung des gewichtigen Aufsatzes Mortensens erscheinen lässt, ohne dabei die Selbständigkeit eines einzelnen in Frage zu stellen. Wie eine Mahnung wirken die Arbeiten von Weise und Hubatsch, welche mit tiefem historischen Blick Jahre der Entscheidung in der Geschichte gerade dieses Raumes herausheben und das Leben und Leiden dieser Landschaft in einer ständig sich steigernden Bewusstheit eines schicksalhaft entstehenden Deutschtums begreifen. G. v. S.
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