Ostpreußen-Warte, Folge 06 vom Juni 1952

Ostpreußen-Warte

Folge 06 vom Juni 1952

 

Seite 1   Ein Schritt vorwärts. Erstes Lastenausgleichsgesetz angenommen / 850 Millionen jährlich für die Vorfinanzierung

Nach siebentägiger Debatte wurde am 16. Mai das Gesetz über den Lastenausgleich vom Deutschen Bundestag angenommen. Die Regierungsparteien, einschließlich der von Dr. Kather geführten oppositionellen Vertriebenengruppe stimmten für das Gesetz, während die SPD das Gesetz ablehnte und der BHE sich der Stimme enthielt.

Im Laufe der dritten Lesung kam es zwischen den Regierungsparteien und der Gruppe der heimatvertriebenen Abgeordneten aus der Koalition zu einem unerwarteten Kompromiss. Wesentliche Zugeständnisse der Regierung und der Regierungspartei veranlassten daraufhin die heimatvertriebenen Abgeordneten um Dr. Kather, ihre Zustimmung zu dem Gesetz zu geben.

Die Vereinbarungen, die sich auf eine Erhöhung der Vorfinanzierung bezogen, gipfelten in folgendem entscheidenden Antrag der Regierungsparteien:

„Der Bundestag wolle beschließen: Für die produktive Eingliederung der Geschädigten im Rahmen des Lastenausgleichs sind außer dem Überschuss aus dem jährlichen Aufkommen des in der zweiten Lesung beschlossenen Gesetzes von 200 Millionen DM in den Jahren 1952, 1953 und 1954 jährlich weitere 650 Millionen DM bereitzustellen:

a) durch die erfolgte Erhöhung der Abgaben rund 200 Mill. DM

b) durch die im Lastenausgleichsgesetz vorgesehenen Vorauszahlungen von Abgaben (Bonus) rund 100 Mill. DM

c) durch eine Erstreckung der Vergünstigungen des § 7 d, Abs. 2, des Einkommensteuergesetzes auf Darlehen, welche dem Lastenausgleichsfonds gewährt werden rund 150 Mill. DM

d) durch Ausgabe von fünfprozentigen, steuerbegünstigten, lombardfähigen Schatzscheinen der Lastenausgleichsbank rund 200 Mill. DM

Weiterhin sind für die Beschleunigung der Umsiedlung im laufenden Jahr über die in § 350 des Lastenausgleichsgesetzes vorgesehenen 300 Millionen DM hinaus weitere 200 Millionen DM im Wege der Vorfinanzierung bereitzustellen.

Die Bundesregierung wird schließlich ersucht, noch in diesem Jahr zur weiteren Förderung des Wohnungsbaues im Jahre 1953 eine zweckgebundene Umsiedlungsanleihe in Höhe von mindestens 200 Millionen DM unter Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Zinsverbilligung aufzulegen."

Nach dem angenommenen Gesetz werden also 850 Millionen DM jährlich für die Vorfinanzierung zur Verfügung stehen. Durch die Annahme mehrerer Anträge der Gruppe Kather konnten weitere Verbesserungen im Gesetz erzielt werden, so kann das als Vorleistung auf die Hauptentschädigung zu gewährende Aufbaudarlehen bis zu einer Höhe von 50 000 DM gegeben werden. Ferner sieht das Gesetz Verbesserungen der Unterhaltshilfe und der Krankenversicherung für Empfänger von Unterhaltshilfe vor.

Über die wichtigsten Teile des Gesetzes werden wir unsere Leser erst dann ausführlich unterrichten, wenn das Gesetz tatsächlich in Kraft getreten sein wird. Zunächst hat der Bundesrat das Wort, der seine Zustimmung zu dem Gesetz geben muss.

In einer Presseerklärung wies der BvD-Vorsitzende Dr. Kather darauf hin. dass zwar die geforderte Summe von einer Milliarde (für die Vorfinanzierung) nicht erreicht worden sei, niemand aber leugnen könne, dass der Betrag von 850 Millionen DM so hoch sei, dass ein Nein zum Gesetz nicht mehr verantwortet werden könne. Im Gesamtvorstand des BvD habe Einigkeit darüber bestanden, dass ein Nein nicht mehr in Betracht käme, wenn die Summe von 800 Millionen je Jahr in den erten drei Jahren für Eingliederungszwecke sichergestellt wäre. Unser Ja bedeutet allerdings nicht, wie Dr. Kather weiter feststellte, dass wir mit dem Gesetz im Grundsatz zufrieden sind und dass wir es als Lastenausgleich ansehen, den wir uns vorgestellt haben. Es bleibt nach wie vor bestehen, dass eine echte Vermögensumschichtung nicht vorgenommen worden ist und dass vorbehalten sei, mit allem Nachdruck auf die Verbesserung des Gesetzes hinzuwirken.

Die Vertriebenen-Korrespondenz stellt die von den Regierungsparteien in letzter Minute gemachten Konzessionen als einen echten und großen Erfolg der Vertriebenen hin. Die Erhöhung des jährlichen Aufkommens für den Lastenausgleichsfonds von 2,2 auf 3,05 Mrd. sei gewährleistet. „Wird dieser von höchster Stelle mit feierlichen Versicherungen abgeschossene Wechsel nicht umgehend oder nicht vollständig nach Inkrafttreten des Gesetzes verwirklicht, dann wandelt sich das Ja der Vertriebenen wieder automatisch in ein Nein mit allen berufenen Folgen, schreibt die Korrespondenz abschließend.

In weiteren Erklärungen wird nachdrücklich betont, dass das Vertriebenen-Problem mit diesem Gesetz nicht gelöst sei. Weitere innerstaatliche und internationale Maßnahmen müssten ergriffen werden, um die vollständige soziale und wirtschaftliche Eingliederung der Vertriebenen sicherzustellen.

Seite 1   Foto. Holzfrachter auf dem Wege nach Tilsit. Aufn. Schumacher

 

Seite 1   Ostpreußen berichten aus der Heimat

Berlin. Von den 253 deutschen Heimatvertriebenen, die Ende April aus den deutschen Ortsgebieten in Fürstenwalde/Oder eintrafen, stammten die meisten aus Schlesien. Nur 26 Personen kamen aus Ostpreußen, einige wenige aus Pommern, und eine Frau mit zwei Kindern war aus Lodz. Während die meisten der Vertriebenen sogar einzelne Möbelstücke auf dem Aussiedlungstransport mitnehmen konnten, war den aus dem Kreise Lyck in Ostpreußen Ausreisenden nur die Mitnahme von 50 Kilo Gepäck gestattet worden.

Übereinstimmend berichteten die „Umsiedler", dass diejenigen bevorzugt wurden, die Orte in der Sowjetzone als Reiseziel angegeben hatten, während Zugangsgenehmigungen in die westlichen Gebiete Deutschlands unberücksichtigt blieben. Ferner bestätigten sie die große Lebensmittelnot, die jetzt in den früher so reichen deutschen Ostgebieten herrscht. Sogar die rationierten Fleisch- und Fettzuteilungen für die Arbeiter können nicht voll beliefert werden, auch Zucker ist sehr knapp. Die durchschnittlichen Monatsgehälter von 380 - 600 Zloty reichen nur dazu aus, sich in bescheidenster Weise zu ernähren. Da schon ein Paar einfache Schuhe 350 - 450 Zloty kosten und für Stoffe unerschwingliche Preise gefordert werden, ist die Anschaffung von Kleidung unmöglich. Ebenfalls sind Medikamente sehr knapp, weshalb sich in Polen ein lebhafter Schwarzhandel mit Heilmitteln entwickelt hat.

Wenn auch die Äcker nicht mehr so unbebaut sind wie in den früheren Jahren, so scheitern jede weiteren Bemühungen einfach an dem Mangel an Arbeitskräften, Zugvieh und Maschinen sowie Geräten, berichteten die „Umsiedler“. Auch die Bautätigkeit ruht in den kleineren Städten fast völlig. Denn alle noch verwertbaren Baumaterialien werden nach Warschau geschafft. Des in weiten Gebieten herrschenden Kohlenmangels wegen wird das Holz auch aus den nichtgenutzten landwirtschaftlichen Gebäuden herausgerissen und verheizt. Der allgemeine wirtschaftliche Abstieg ergreift auch die Polen, die nicht viel besser gestellt sind als die Deutschen.

Wenn sich auch eine genaue Zahl der noch in Ostpreußen lebenden Deutschen nicht bestimmen lässt, so brachten die ostpreußischen Vertriebenen immerhin die Nachricht mit, dass die polnischen Behörden in Sensburg vor kurzem festgestellt haben, dass 60 Prozent der Bevölkerung des Kreises Deutsche sind. Die gleiche Prozentzahl soll auch für den Kreis Ortelsburg gelten. Obwohl die polnischen Behörden einerseits durch Druckmaßnahmen und andererseits durch wirtschaftliche Versprechungen die Annahme der polnischen Staatsangehörigkeit zu erreichen versuchen, weigern sich die Deutschen standhaft. Zu den Einschränkungen, unter denen die Ostpreußen in der fernen Heimat leben müssen, gehört es auch, dass es in Ostpreußen keine deutschen Schulen gibt wie in anderen Teilen Ostdeutschlands. In diesen Schulen sind die deutschen Kinder verstärkten Polonisierungsbestrebungen ausgesetzt, so erhalten sie häufig Stipendien für den Besuch an höheren Schulen oder Spenden an Wäsche und Kleidern als Anerkennung für ihre durchschnittlich weit besseren Leistungen gegenüber den polnischen Kindern, die meist aus dem inneren Polens gekommen sind.

Aus den Berichten der Vertriebenen wurde deutlich, dass überall unter den Deutschen in den Oder-Neiße-Gebieten die Verzweiflung wächst, dass Frauen von ihren Männern, Eltern von ihren Kindern nun schon sieben Jahre getrennt sind. Die geringen Teilnehmerzahlen (200 - 250) bei den seltenen Transporten erwecken nur schwache Hoffnungen, auch einmal einem solchen Transport angeschlossen zu werden.

 

 

Seite 1   Großes Verdienstkreuz für Dr. Ernst Ziehm

Der Bundespräsident hat auf Vorschlag des Bundesministers für Vertriebene dem ehemaligen Präsidenten des Senats der Freien Stadt Danzig, Dr. jur. Ernst Ziehm, wohnhaft in Berlebeck bei Detmold in Anerkennung seiner Verdienste um das Deutschtum im Osten das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Dr. Ziehm wurde diese hohe Auszeichnung am Vortage seines 85. Geburtstages durch Staatssekretär Dr. Schreiber persönlich ausgehändigt.

 

 

Seite 2   Das Schadensfeststellungsgesetz

Das Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegsschäden ist, wie wir in unserer Mai-Ausgabe berichteten, nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten in Kraft getreten. Nachstehend machen wir unsere Leser mit den wichtigsten Abschnitten dieses sehr umfangreichen Gesetzes vertraut. Über vorgesehene Änderungen werden wir laufend berichten.

I.             Vermögensverluste und Antragsberechtigte

Nach § 1 des Feststellungsgesetzes werden auf Antrag festgestellt:

1. Vertreibungsschäden,

2. Kriegssachschäden

3. Ostschäden

Die Feststellung von Schäden nach diesem Gesetz begründet keinen Anspruch auf Berücksichtigung im Lastenausgleich (§ 2.

Vertreibungsschäden (§ 3)

Für die Heimatvertriebenen ist in erster Linie der Begriff des Vertreibungsschadens wichtig. Er liegt vor, wenn er einem Vertriebenen im Zusammenhang mit den Vertreibungsmaßnahmen entstanden ist, und zwar sowohl in den Gebieten ostwärts der Oder-Neiße-Linie wie auch in denen außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937.

Vertriebener im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als deutscher Staats- oder Volkszugehöriger seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im genannten Vertreibungsgebiet hatte und seinen Wohnsitz oder Aufenthalt dort im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges infolge Flucht, Ausweisung oder Aussiedlung aufgeben musste.

Nicht als Vertriebener gilt, wer seinen Wohnsitz im Vertreibungsgebiet nur begründet hat, um Kriegseinwirkungen auszuweichen, und seinen vorherigen Wohnsitz außerhalb des Vertreibungsgebietes beibehalten hat.

Welche Verluste werden festgestellt?

Die Vertreibungsschäden nach diesem Gesetz umfassen folgende Verluste:

1. Wirtschaftsgüter, die zum - forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes vom 16, Oktober 1934 gehören.

2. Gegenstände, die für die Berufsausübung oder für die wissenschaftliche Forschung erforderlich sind.

3. Hausratvermögen.

Für die drei vorgenannten Verluste gilt als zusätzliche Bedingung, dass die vom Schaden betroffenen Güter im Zeitpunkt der Vertreibung im Gebiet des Staates gelegen haben müssen, aus dem der Geschädigte vertrieben worden ist. Alle Gebiete, die am 1. Januar 1914 zum Deutschen Reich oder zur österreichisch-ungarischen Monarchie bzw. zu einem späteren Zeitpunkt zu Polen, Estland, Lettland oder zu Litauen gehört haben, gelten hierbei als einheitliches Vertreibungsgebiet.

4. Verluste an privatrechtlichen geldwerten Ansprüchen, soweit es sich nicht um Reichsmarkspareinlagen handelt. In diesem Fall muss auch der Schuldner im Zeitpunkt der Vertreibung seinen Wohnsitz oder Sitz im Vertreibungsgebiet des Gläubigers gehabt haben.

5. Anteile bei Kapitalgesellschaften sowie an Geschäftsguthaben bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, wenn auch die Gesellschaft oder die Genossenschaft im Zeitpunkt der Vertreibung ihren Sitz im Vertreibungsgebiet hatte.

Kriegssachschäden (§ 4)

Als Kriegssachschaden gilt ein in der Zeit vom 26. August 1939 bis zum 31. Juli 1945 entstandener Schaden an Gütern der unter § 3 Ziff. 1 - 3 genannten Art (Wirtschaftsgüter, Gegenstände der Berufsausübung und Hausrat), wenn er unmittelbar durch Kriegshandlungen entstanden ist. Der Begriff Kriegshandlung wird hierbei weit ausgelegt und umfasst:

1. Die Einwirkung von Waffen oder sonstigen Kampfmitteln oder die hiermit unmittelbar zusammenhängenden militärischen Maßnahmen.

2. Die Beschädigung, Zerstörung, Wegnahme oder Plünderung von Sachen in den vom seinerzeitigen Kriegsgegner besetzten, unmittelbar angegriffenen oder unmittelbar bedrohten Gebieten. Schäden, die mit den kriegerischen Ereignissen nicht unmittelbar zusammenhängen, bleiben jedoch ausgeschlossen.

3. Die Entziehung des Besitzes an einem Schiff durch feindliche Handlungen oder durch dessen Selbstversenkung, wenn sie zur Vermeidung der Aufbringung erfolgt ist.

4. Als Kriegsschaden gilt auch die Beschädigung, Zerstörung oder Wegnahme von Sachen auf Grund behördlicher Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen getroffen worden sind.

Ein Kriegssachschaden, der einem Vertriebenen vor der Vertreibung entstanden Ist, gilt ebenfalls als Vertreibungsschaden.

Ostschäden (§ 5)

Für Vermögensverluste, die weder die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Vertreibungs- oder als Kriegssachschäden erfüllen, wurde der Begriff des „Ostschadens'' geprägt. Seine Feststellung setzt voraus:

1. Er muss einer Person entstanden sein, die kein Vertriebener ist und am 31. Dezember 1944 ihren Wohnsitz im derzeitigen Bereich des Bundesgebietes, in Berlin-West oder in den „Ostgebieten" hatte.

2. Der Schaden muss durch eine Vermögensentziehung oder als Kriegssachschaden in den „Ostgebieten" an unter § 3 Ziff. 1 - 5 bereits genannten Gütern hervorgerufen worden sein (das sind Wirtschaftsgüter, Berufsgegenstände, Hausrat, geldwerte Ansprüche, Anteile). Zusätzlich dazu sind unter Ostschäden auch Verluste an Reichsmarkspareinlagen in den „Ostgebieten" feststellbar.

Als „Ostgebiete" gelten In diesem Falle nur die ostwärts der Oder-Neiße-Linie gelegenen Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937.

Schäden bei Beteiligungen (§ 6)

Waren an einem Wirtschaftsgut im Sinne der §§ 3 - 5 mehrere Personen beteiligt, so bestimmt sich der Schaden eines Beteiligten nach seinem damaligen Anteil an dem Wirtschaftsgut. Dasselbe gilt für Schäden am Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft, einet Kommanditgesellschaft oder einer ähnlichen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind.

Nicht feststellbare Verluste (§ 7)

Als nichtfeststellbar gelten alle Schäden an Vermögensgegenständen, die in den Paragraphen 3 - 5 nicht angeführt sind. Dazu gehören insbesondere Verluste an barem Geld, an Edelmetallen, Edelsteinen und Perlen, an Gegenständen aus edlem Metall, Schmuckwaren, Luxusgegenständen, Kunstgegenständen und Sammlungen.

Von der Feststellung ausgenommene Vermögensverluste (§ 8)

Von der Feststellung ausdrücklich ausgenommen sind

1. Verluste an Hausrat, wenn nicht mehr als 50 Prozent des Hausrates verlorengegangen sind,

2. Verluste an Gesellschaftsanteilen, die 100 RM nicht übersteigen,

3. Verluste aus Forderungen gegen das Land Preußen oder die im § 14 des Umstellungsgesetzes bezeichneten Schuldner,

4. Verluste, für die bereits nach der Kriegsschadenverordnung vom 30. November 1940 Entschädigungsleistungen von mehr als 50 Prozent des anzuerkennenden Schadens gewährt worden sind,

5. Verluste an Vermögensgegenständen, die in Ausnutzung der nationalsozialistischen Herrschaft erworben worden sind,

6. Verluste (mit Ausnahme derer an Hausrat), deren Gesamtbetrag 500 RM nicht übersteigt,

7. Kriegssachschäden, die außerhalb des Bundesgebietes und des Gebietes von Berlin-West entstanden sind. Ein Kriegssachschaden der Schifffahrt gilt jedoch als im Bundesgebiet bzw. Berlin-West entstanden, wenn das Schiff in ein Schiffsregister des Bundesgebietes oder von Berlin-West eingetragen war.

Wer ist antragsberechtigt? (§§ 9 - 11)

Die Feststellung eines Vertreibungsschadens kann nur eine natürliche Person beantragen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes müssen ferner die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Er muss selbst der unmittelbar Geschädigte sein. Ist er verstorben, treten an seine Stelle die Erben (Ehegatte, Kinder und deren Abkömmlinge, Eltern und Voreltern, Geschwister und deren Abkömmlinge 1. Grades).

2. Er muss am 31. Dezember 1950 befugt seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet oder in Berlin-West gehabt haben oder hier nach diesem Zeitpunkt geboren sein. Wer nach dem 31. Dezember 1950 zuzog, kann den Antrag nur stellen, wenn er

a) den Wohnsitz im genannten Gebiet spätestens sechs Monate nach der Vertreibung befugt begründet hat. Diese Frist gilt als gewährt, wenn er vor ihrem Ablauf zumindest den Antrag auf Wohnsitznahme gestellt hat und dieser erst nachher bewilligt wurde,

b) als Heimkehrer nach den Vorschriften des Heimkehrergesetzes den Wohnsitz befugt begründet hat, c) Im Wege der Familienzusammenführung zum Ehegatten, zu den Eltern oder den Kindern zugezogen ist.

Für die Antragsberechtigten bei Kriegssach- und Ostschäden gelten die vorstehenden Bestimmungen Im Allgemeinen sinngemäß.

 

II.            Die Berechnung der Verluste

Bei Vertreibungsschäden (§ 12)

Vertreibungsschäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grund, und Betriebsvermögen im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes sind unter Zugrundelegung des zuletzt festgestellten Einheitswertes festzustellen. Dem zuletzt festgestellten Einheitswert ist bei Grundstücken, die zum Grundvermögen gehören und für die ein Abgeltungsbetrag gem. der Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer vom 31. Juli 1942 entrichtet worden ist, der Abgeltungsbetrag hinzuzurechnen. Ist ein Einheitswert nicht mehr bekannt, so ist der Schadensberechnung der Wert zugrunde zu legen, der vor der Vertreibung bei Berücksichtigung der nach dem Reichsbewertungsgesetz wesentlichen Gesichtspunkte als Einheitswert festzustellen gewesen wäre. Ist der Abgeltungsbetrag nicht mehr bekannt, so ist er zu schätzen.

Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Vertreibung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit vorstehenden Vermögen standen oder daran dinglich gesichert waren, werden gesondert festgestellt.

Bei Kriegssachschäden (§§ 13 und 14)

Die beiden Paragraphen behandeln die Frage, nach welchen Grundsätzen die Kriegssachschäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grund und Betriebsgrundstücken festzustellen sind, die in der Regel als Teilschaden entstanden sind. Im Allgemeinen dient auch hier der Einheitswert der Grundlage.

Hat der Geschädigte den beschädigten Grundbesitz in der Zeit zwischen dem Schadensfall und dem Währungsstichtag veräußert und der Erwerber die Schäden noch vor dem Währungsstichtag ganz oder teilweise beseitigt, tritt an die Stelle des Einheitswertes vom Währungsstichtag ein nach den Bestandsverhältnissen im Zeitpunkt der Veräußerung zu ermittelnder fiktiver (als vorhanden anzunehmender) Einheitswert.

Verluste an Gegenständen der Berufsausübung (§ 15)

Gegenstände der Berufsausübung oder der wissenschaftlichen Forschung sind mit dem Anschaffungspreis abzüglich einer angemessenen Abschreibung, mindestens jedoch mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Schädigung anzusetzen. (Dieser Paragraph betrifft nur die freien Berufe, die eine rein künstlerische oder rein wissenschaftliche Tätigkeit ausüben. Im Übrigen gilt das einem freien Beruf gewidmete Vermögen nach § 55 des Reichsbewertungsgesetzes als Betriebsvermögen und fällt demnach unter die Regelung der §§ 12 - 14 des Feststellungsgesetzes.)

Verluste an Hausrat (§ 16)

Bei Verlusten an Hausrat ist zur Berechnung des Schadens entweder auszugehen von

1. dem Einkommen, das der Geschädigte und seine mit ihm zusammen veranlagten Familienangehörigen im Durchschnitt der Jahre 1937, 1938 und 1939 bezogen haben. Haben der Geschädigte und seine Familienangehörigen erst nach dem Jahre 1937 Einkommen bezogen, dann treten an die Stelle der Jahre 1937 - 1939 die Jahre, die dem Jahr folgen, in dem zuerst Einkommen bezogen worden ist, oder

2. dem Vermögen, falls dies für den Antragsteller günstiger ist, das für den letzten vor der Schädigung liegenden Hauptveranlagungszeitraum der Vermögenssteuer zugrunde gelegt worden ist, oder

3. von dem Beruf des Geschädigten im Zeitpunkt der Schädigung, falls Unterlagen nach den Ziffern 1 oder 2 nicht vorliegen. Hierbei bleibt eine durch die Kriegsverhältnisse oder durch Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bedingte berufsfremde Verwendung unberücksichtigt. Als Geschädigte gelten, wenn die Hausratverluste im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten entstanden sind, beide Ehegatten ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse. Es kann jedoch nur ein Antrag gestellt werden.

Der Wert des verlorenen Hausrats wird pauschal wie folgt festgesetzt:

Einkommen bis zu 3000 RM jährlich oder Vermögen bis zu 10 000 RM = Pauschalwert 2500 RM

Einkommen von 3001 bis 5000 RM jährlich oder Vermögen v. 10 001 bis 30 000 RM = Pauschalwert 4500 RM

Einkommen von 5001 bis 8000 RM jährlich oder Vermögen von 30 001 bis 50 000 RM = Pauschalwert 6500 RM

Einkommen über 8000 RM jährlich oder Vermögen über 50 000 RM = Pauschalwert 9000 RM

 

Ein Hausratverlust wird jedoch nur anerkannt, wenn der Geschädigte Eigentümer von Möbeln für mindestens einen Wohnraum war. Die für den verlorenen Hausrat eingesetzten Pauschalwerte gelten auch dann, wenn der Hausrat nicht ganz, aber zu mehr als 50 Prozent verlorengegangen ist. Führte ein unverheirateter Geschädigter keinen eigenen Haushalt mit überwiegend eigener Einrichtung, wird der Pauschalwert mit der Hälfte angesetzt.

Sonstige Verluste Vertriebener (§§ 17 - 20)

(§ 17) Privatrechtliche geldwerte Ansprüche Vertriebener sind, vorbehaltlich der Absätze 2 und 3, mit ihrem Reichsmarkbetrag anzusetzen. Vertreibungsschäden an solchen Ansprüchen sind mit dem vollen Reichsmarkbetrag des Anspruchs festzustellen, es sei denn, dass der Anspruch im Zeitpunkt der Antragstellung offensichtlich noch einen wirtschaftlichen Wert darstellt.

In Wertpapieren verbriefte Forderungen sind mit dem für die Vermögenssteuerveranlagung nach dem Stande vom 1. Januar 1945 geltenden Wert anzusetzen.

Teilverluste (§ 21)

Hat ein Wirtschaftsgut trotz der Schädigung noch einen wirtschaftlichen Wert, dann ist der nach den bezeichneten Vorschriften anzusetzende Wert des Wirtschaftsguts zur Ermittlung des festzustellenden Schadens um den Teil zu kürzen, der dem Verhältnis des Wertes des erhaltenen Teils zu dem Wert des ganzen Wirtschaftsgutes entspricht.

Frühere Vermögenserklärungen (§ 22)

Hat der Geschädigte für den letzten Veranlagungszeitraum vor der Schädigung eine Vermögenserklärung abgegeben, so sind bei der Schadensfeststellung die Angaben dieser Erklärung zugrunde zu legen. Hat er sie nicht abgegeben, so ist bei der Feststellung davon auszugehen, dass sein Vermögen unterhalb der Grenze des vermögenssteuerpflichtigen Vermögens gelegen hat.

 

III.           Organisation und Durchführung

Feststellungsbehörden (§ 23)

(1) Die Feststellung der Schäden wird von den Ländern durchgeführt. Soweit die Länder die Vorschriften des Gesetzes nicht durch eigene Behörden durchführen, können sie die Gemeinden und Gemeindeverbände mit der Durchführung beauftragen.

(2) Bis zur Errichtung der nach einem Gesetz über einen allgemeinen Lastenausgleich für zuständig zu erklärenden Behörden und Ausschüsse sind die Soforthilfebehörden und Soforthilfeausschüsse im Sinne der §§ 50 bis 52 des Soforthilfegesetzes vom 8. August 1949 und der entsprechenden Gesetze in den Ländern der französischen Besatzungszone und im bayerischen Kreise Lindau als Feststellungbehörden und Feststellungsausschüsse für die Durchführung dieses Gesetzes zuständig.

Heimatauskunftstellen (§ 24)

(1) Bei den Landesfeststellungsbehörden (Landesämtern für Soforthilfe, Landesausgleichsämtern), werden Heimatauskunftstellen eingerichtet. Durch Rechtsverordnung kann bestimmt werden, für welche Heimatgebiete Heimatauskunftstellen gebildet und bei welchen Landesfeststellungsbehörden sie eingerichtet werden; die Heimatauskunftstellen sind in der Regel auf der Grundlage früherer Regierungsbezirke oder entsprechender Bezirke zu bilden.

(2) Die Heimatauskunftstelle besteht aus dem Leiter und einem oder mehreren Vertretern, die nach den für die Angehörigen der Landesfeststellungsbehörde geltenden Grundsätzen bestellt werden. Der Leiter der Heimatauskunftstelle und sein Vertreter sollen Vertriebene aus dem Heimatgebiet sein, für welches die Heimatauskunftstelle zuständig ist.

(3) Der Leiter der Heimatauskunftstelle beruft eine Kommission von besonders sachkundigen Persönlichkeiten für das Heimatgebiet, für das die Heimatauskunftstelle zuständig ist, zu ehrenamtlicher Mitarbeit.

(4) Vor der Bestellung der in den Absätzen 2 und 3 genannten Personen sollen die vom Bundesminister für Vertriebene anerkannten Vertriebenenverbände gehört werden.

(5) Der Leiter der Heimatauskunftstelle und seine Vertreter sind durch den Leiter der Landesfeststellungsbehörde, bei der die Heimatauskunftstelle eingerichtet ist, zu verpflichten ihre Gutachten und Auskünfte in eigener Verantwortung der Wahrheit entsprechend und vollständig zu erteilen und über die durch ihre Tätigkeit zu ihrer Kenntnis gelangten Tatsachen Stillschweigen zu bewahren.

Aufgaben der Heimatauskunftstellen (§ 25)

(1)   Die Heimatauskunftstellen haben die Aufgabe, auf Anforderung der Feststellungsbehörden die Anträge der Vertriebenen auf Schadensfeststellung zu begutachten. Auskünfte zu erteilen sowie Zeugen und Sachverständige zu benennen, deren Aussagen für die Entscheidung  Feststellungsanträge der Vertriebenen wesentlich sein könnten.

(2)    Wenn über die Anträge nicht bereits auf Grund der im Antrag angebotenen Beweise oder ihm beigefügten oder der der Feststellungsbehörde erreichbaren sonstigen Unterlagen entschieden werden kann, müssen die Feststellungsbehörden die Anträge der Vertriebenen den Heimatauskunftstellen zur Begutachtung zuleiten. Dies gilt nicht für Anträge, die nur der Feststellung von Verlusten an Hausrat, an privatrechtlichen- geldlichen Ansprüche (soweit sie nicht dinglich gesichert sind) sowie an Anteilen an Kapitalgesellschaften und an Geschäftsguthaben bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften betreffen.  

(3)   Die Feststellungsbehörden können den Heimatauskunftstellen auch Anträge auf Feststellung von Ostschäden zur Begutachtung, zur Auskunftserteilung und zur Benennung von Zeugen und Sachverständigen zuleiten.

(4)   Die zuständigen Heimatauskunftstellen sind vor Erlass von Rechtsverordnung über die Bewertung von Vertreibungsschäden gutachtlich zu hören.

§ 26) Alle Gerichte und sonstigen Behörden haben den Feststellungsbehörden unentgeltlich Amts- und Rechtshilfe zu leisten.

 

Das Feststellungsverfahren (§§ 27 - 39)

Für die Feststellung werden genau wie beim Ostsparergesetz amtliche Formblätter durch die Gemeinde bzw. Feststellungsämter ausgegeben werden. Ferner wird die Bundesregierung durch öffentliche Bekanntmachung zur Einreichung der Anträge auffordern.

Die Anträge sind an das für den Wohnsitz des Antragsberechtigten zuständige Feststellungsamt zu richten und über die örtliche Gemeindebehörde einzureichen. Die Vertretung des Antragstellers im Feststellungsverfahren ist möglich, jedoch kann sein persönliches Erscheinen angeordnet werden. Die Feststellung selbst erfolgt durch das zuständige Feststellungsamt.

 

Schlussvorschriften (§§ 40 -45)

Von der Feststellung ausgeschlossen ist, wer in eigener oder fremder Sache wissentlich oder grob fahrlässig falsche Angaben über die Entstehung des Schadens macht, veranlasst oder zulässt, bzw. zum Zwecke der Täuschung erhebliche Tatsachen verschweigt, entstellt oder vorspiegelt.

 

Auf Grund der Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940 oder sonstiger früherer Rechtsvorschriften getroffene Feststellungen sind für das Feststellungsverfahren nach diesem Gesetz nicht verbindlich.

 

 

Seite 3   Land der Memel

Foto: Typisches Landschaftsbild der Memelniederung

Foto: Memel, Blick von der Börsenbrücke

Foto: An der Memel bei Tilsit

Der aus den Wäldern meiner Heimat nach Norden wandert, bleibt in derselben Provinz, aber unter seinen Augen bekommt der östliche Raum ein anderes Gesicht. Schon auf den Wegweisern ändert sich die Welt, und seltsame Namen künden an, dass hier eine andere Erde beginnt. Noch bleibt der Wald, der längs der südlichen Grenze rauscht, aber sein Antlitz wandelt sich um. Aus dem Schlafenden der Seen wird das langsame Gleiten der Ströme. Der Sand verstäubt, der Boden wird schwarz. Es riecht nach Wasser und Moor, und manchmal bringt der Wind einen kühlen, raumlosen Hauch. Es ist die Luft, die über den großen Wassern steht: das Land zwischen den Strömen meldet sich an.

Unsre Schulweisheit fällt uns ein: dass nun das Land der Königstreue und der Gläubigkeit beginne, der Pferdezucht und der Wilddiebe, der Moore und der Dainos. Aber wir sehen, dass die Schulweisheit nicht ausreicht, um zu Hause zu sein in jedem Raum. Denn der Himmel ist gewaltig über diesem Land mit Wolken, die gleich Gebirgen aufragen über einem fernen Horizont. Die Kühle der masurischen Wälder hat sich gewandelt in die dumpfe Glut der Erlendickung. Träge zieht das Wasser zwischen Schwertlilien hindurch, hinter denen der Kranich sich verbirgt. Der Wagen verschwindet vom Kahn ersetzt, und Gräben mit dunklem Wasser sind die Landstraßen dieser Welt. Der rechte Winkel beherrscht das Land, Graben und Damm geometrisch gekreuzt wie ein Gradnetz über die Landschaft gelegt. Man zählt die Gräben wie Türen im Dunkeln, denn Jagen liegt an Jagen, in schrecklicher Gleichheit, stumm, ohne Namen: Urwald, Wasser und Sumpf. Mitunter öffnet der Damm sich auf eine braune Ferne, flimmernd in der Mittagsglut. Das ist das Moor. Unendlicher Horizont, sterbender Wald, Klage eines Vogels, den man nicht sieht. Und mitunter, durch fahle Weiden ziehend, ein Mittagsgespenst, riesig und dunkel, den Blick nach den störenden Menschen gesandt: der Elch. Hinter Wiesen und Steg hebt das erste Dach sich auf, mit braunem Rohr gedeckt. Pferdeköpfe sehen vom Giebel herab. Die Trachten der Menschen sind bunt, der Hausrat, das Grabkreuz. Die Farbe schreit, als wollte sie Gewalt gewinnen über das dumpfe Land. Die Menschen sind groß und schön, von der wilden Schönheit der Erde, die sie gebar. Der Mensch der Ströme überwindet den Wald. Er sieht sich nicht um, er schauert nicht vor dem Wind. Die Starre beginnt zu fließen. In der Weite des Raumes bricht die Seele auf und ahnt den Gang der Ströme zum Meer. Sterne stehen unverborgen über der Nacht, und Götter heben sich auf, wo der Dämon finsterer Wälder versinkt.

Gut ist es, lange und schweigend über dem heiligen Memelstrom zu sitzen. Heilig ist jede Heimat, aber die verlorene um vieles mehr, Rombinus, der Götterberg, verblaut sich im Osten, und westwärts öffnet sich der unendliche Raum: Stromland und Wiese, Deich und Gehöft, Wolken über westlichem Meer. Größe liegt über dem schweigenden Land, und es ist, als wendete Laima, die Schicksalsgöttin, achtlos den kalten Blick. Nebel steigen aus abendlicher Flur, Feuer der Flösse gleiten dahin, schmerzliche Lieder, die das Wasser begräbt. Abendrot brennt auf über einer ungeheuren Welt, den Flug der Schwäne beglänzend, und dann steht die Nacht weiß über dem verdunkelten Strom.

Wer zu den Flößern hinabsteigt, kann hinausgleiten mit ihnen wie an den Rand der Welt. Gut ist es, still zu liegen auf dem duftenden Holz, die Hände unter dem Kopf verschränkt, und vorüberzutreiben wie an den Bildern eines Traumes, an Wiesen und Haus, an Schilf und Moor, an Liedern und Schweigen. Sterne heben sich auf und sinken herab, der Sprosser schlägt aus dem Ufergebüsch, und eine grundlose Schwermut hüllt dies alles ein, das Floß, den Strom, das Land.

Und dann, eines Abends, leuchtet das Haff. Die Menschen unserer Zeit, die über Meere fahren und fliegen, sind geneigt, zu lächeln über ein Haff. Aber es ist nicht der Ort dazu. Wer den Blick zurückwendet auf das verlassene Land, sieht Schilf, und Gras, wie sie weißlich gebeugt sind vom großen Wind. Leuchtfeuer blitzen fahl in das helle Abendlicht, und dahinter versinkt ein grenzenloses Land. Fenster glühen im roten Schein, und wir wissen, dass auch dort Menschen zu Hause sind wie überall, aber das Menschliche ist klein, und überall steht die Erde als das erste vor dem, was der Mensch auf ihr tut.

Auch der Mann im Boot lächelt nicht. Er sieht nach den Segeln hinauf, nach dem seltsam geschnitzten Wimpel am Mast, und voraus nach dem fernen Streifen, der wie der Rand einer Wüste im Westen brennt. Er hat das Gesicht der großen Räume, und die großen Räume lächeln nicht. Er hebt die Augen auf zu Wolken, Winden und Sternen, zu dem ruhigen Gang der ewigen Dinge. Sie haben an seiner Seele geformt und durch die Seele hindurch an seinem Gesicht. Und deshalb hat dieses Gesicht das größte, was ein Mensch haben kann: die Würde großer Landschaft. Es ist nicht von den Städten geformt, ihrer Hast und ihrer Angst. Es ist ein Gesicht ohne das Wissen unserer Zeit, aber erfüllt mit jener Weisheit, die größer ist als alle Zeit. Es ist ein guter Gefährte für eine solche Fahrt. Es ist die klarste Stunde der Wanderung durch das östliche Land, überflutet vom reinen Licht. Die Schatten sind zurückgeblieben wie der Landstreifen, der wurzellos über der Kimmung schwebt. Aber was uns nun entgegenwächst mit jedem Rauschen der Bugwelle, gebirgige Wüste, grün, dann blau, dann violett, ist ausgefeilt bis in das letzte der Umrisslinien, steht da, als sei es gutgeheißen von des Schöpfers Hand. Es will weder unsere Lust, noch unser Verderben, Es wird unsere Spur empfangen und auslöschen wie tausend frühere Spuren, wenn der Sand, der Wind, der Regen es will.

Zwei Gebirge wachsen in das Abendrot, steil gestürzt in das dunkelnde Haff. Auf dem Gipfel des linken steht der Leuchtturm, eine Feuermühle, mit vier glühenden Armen lautlos kreisend über Wasser und Land. „Urbo kalns“ sagt der stille Mann am Steuer, das heißt „der Bärenfang“. Und „Anju kalns“ sagt er nach einer Weile, die Hand nach dem rechten Gebirge hebend. Das heißt „der Schlangenberg“.  Weiter geht der Blick nach Süden hinaus. Fahl und weißgelb bricht es aus dem Meer empor, senkrecht getürmt, Mauern aus rotem Sand, Gebirg an Gebirge gewälzt, bis es am Horizont verbleicht.

Der Mann am Steuer bekommt seinen Lohn. Er wendet das Boot, das Segel schlägt und langsam gleitet er wieder hinaus. Dort hinten, über dem dunklen Strom, blitzt das rote Leuchtfeuer auf, und lautlos zieht der Kahn in das Dunkel hinaus, mit der schwarzen Gestalt am Steuer, wie ein Totenkahn, der seine Fracht entließ und nun heimkehrt zu neuer Fahrt. Uns aber sieht das Antlitz der Düne prüfend an. Was wir bisher erblickten war Größe, Wildheit und Kraft. Was wir nun sehen, ist schweigende Majestät. Wir sitzen am Meeresstrand und blicken hinaus. Bernstein schwimmt an unseren Fuß, und über uns hinweg rieselt der Sand, der hinter uns am Wandergang der Gebirge baut. Eine Möwe streicht über uns hin, und jedes Mal scheint es, als sei sie der einzige Vogel in dieser Welt. Der Strandhafer klirrt, und jede Wolke steigt mit ihrem Schatten über den Dünenberg. Dann erlischt das grelle Weiß, wird dunkel und blau, bricht wieder heraus und gibt dem toten Sand ein lebendiges Licht gleich dem des Kerzenscheins über einer versteinten Stirn. Und endlos rauscht und mahlt das Meer, mit jenem traurigen Klang, mit dem es über begrabenen Göttern rauschen mag, über Bernsteinkrone und Steinaltar.

Wir wenden uns um, die Vordüne hinauf. Der Thymian blüht auf brennendem Sand, und vor uns hebt sich der Wald. Nur das Märchen kennt solche Verzerrung der Form, eine nach Osten gestrichene schräge Wand, gebeugte Wipfel, gerungene Äste, unter grauen Flechten erstickt. Dahinter leuchtet der Birkenwald, das Moor brütet zwischen Elchweiden und Sand, und zwischen den Stämmen hebt sie sich auf: die Wanderdüne mit ihrem flammenden Leib. Treibsand schimmert an ihrem Fuß. Buschwerk ertrinkt an ihrem Hang, und dann türmt der unbezwungene Sand sich bis in den Himmel empor.

Wir steigen hinauf, der Fuß zögert, als ginge er über ein Gesicht. Im Winde treibt der Sand zum Kamm hinauf, und über den Tälern glüht es wie Wüstenluft, Weißes Gebein dörrt im Sand, Trümmer von Särgen, spukhafte Auferstehung eines Jüngsten Gerichts. Wir lauschen, ob die Glocke noch töne über versunkenem Dorf, Gemeindegesang und Orgelspiel. Es friert uns plötzlich im Sonnenbrand, und von der Höhe des Grats geht das Auge nach dem Leben des Horizonts und gleitet ab wie von geschliffenem Stein.

Der Meerwind braust und über den Gipfeln der Dünen steht der treibende Sand wie ein weißlicher Schein. Wir wandern nach Norden hinauf, den Gratweg entlang, zur Linken das Meer, zur Rechten das Haff und den flimmernden Streifen des Stromlandes, das uns entließ. Kein Mensch kommt uns entgegen auf unserem Weg. Segel liegen auf der grauen Flut, von einer schrecklichen Stummheit, wie über einem Totenschiff. Da liegen die Dörfer, eingepresst zwischen Düne und Haff, unwirklich und tot. Nur der Wind ist lebendig in diesem Land, die Wolke, der Sand. Wohin führen die Wege in diesem Raum?

Und im Abenddämmern kann es sein, dass das Tier vor uns steht, dem diese Erde gehört. Es steht plötzlich auf aus Dickung und Wald, verbrüdert mit seiner Welt. Sein Auge ist kalt und sieht uns an: der Blick der Majestät auf eine freche Gebärde in seinem Saal. Wenn der Elch sich wendet, beliebt es ihm, nicht uns Seine Schaufeln schimmern in dunklem Glanz. Sein Schritt ist wie der Schritt von Königen denen die Erde gehört, ohne Furcht und ohne Raum. So steigt er die Düne hinauf. Er hat uns vergessen, wie ein Gesträuch. Langsam hebt das Haupt sich in den Abendhimmel empor, der Rumpf, die Gestalt. Auf dem messerscharfen Grat des blauen Sandgebirgs steht er wie vor der Ewigkeit. Sein Auge blickt nach Asien hinein, aber alle Namen verschwinden vor diesem Blick. Trauer der Verstoßenen umgibt seine Gestalt der Enterbten, der langsam Sterbenden. Und wenn er hinabsteigt am jenseitigen Hang, ist das, als steige er zu den großen Toten hinab, und niemals mehr werden wir seinesgleichen sehen.

Meer und Strom haben dieses Land gebaut, der Wind und der Sand. Der Mensch hat nichts dazu getan, als hier und da den Wald zerstört, in dem die alten Kohlenmeiler standen, und hier und da die Düne festgemacht. Aber in das Fließende und Flimmernde dieses Raumes hat er das Bleibende seines Werkes hineingebaut: Kirche und Dorf, Hof und Stadt Acker und Sprache, Mauer und Turm. Das Blut der Eroberer ist langsam zurückgeebbt und zum Blut der Verteidiger und Bewahrer geworden. Spärlicher geht die Blüte über dieses Land als sonst wo im gesegneten Vaterland, ärmer sind die Straßen, schweigsamer die Menschen. Wenn an der Geest der Ginster blüht, ist diese östlichste deutsche Erde noch hart und stumm. Wenn über den Watten die Flut sich hebt, mahlt das östliche Meer nur leise Stein an Stein. Wenn aber der friesischen Tenne der Weizen rauscht, fährt der Nehrungsfischer hinüber nach dem Memelstrom und holt im Handkahn den Sack mit Brotmehl nach Hause, weil kein Korn auf seinen Dünen wächst. Es ist, als verströme das Leben des Reiches sich hier, ja als versickere es im Saum asiatischer Erde. Hier ist die Brücke von Erdteil zu Erdteil und vor ihren Pfeilern steht stumm ein ernstes Geschlecht, wachend, grübelnd, kämpfend, den Helm über der Stirn, den Schild vor der Brust.

Kurz ist der Frühling in ihrem Land, und vom September bis zum Mai steht der Nebel vor ihrer Tür. Sie haben weder Dome noch Paläste noch Glanz der Sage noch, Größe der Geschichte. Aber sie wissen vom Kampf mit Meer und Strom und Eis, und sie wissen vom Kampf mit denen, die gleich Wölfen einbrechen möchten in ihren gesicherten Hof. Sie wissen von Tränen, Unrecht und Gewalt, nicht nur aus der Zeit, als eine unglückliche Königin die letzte Zuflucht fand zwischen ihrem Meer und ihrem Strom. Viele Augen wenden sich allabendlich nach dem verlorenen Vaterland, und viele Seufzer gehen leise um unsere behütete Tür. Sie sollen glauben, dass einmal die Tore sich auftun werden und dass zum Reich gehören muss, was zum Blute gehört. Ernst Wiechert

 

 

Seite 3   Lebensmittelknappheit in Ostpreußen

Berlin. Aus Allenstein, Sensburg und Ortelsburg liegen Nachrichten vor, denen zufolge in diesem Jahr in Polen eine Lebensmittelknappheit von bisher nie gekanntem Ausmaß zu erwarten ist. Die Roggen- und Kartoffelernte ist von Jahr zu Jahr derart zurückgegangen, dass sie im letzten Jahre nur noch 45 Prozent betrug. Weite Ackerfluren sind verunkrautet, vielfach überwuchern die Grasnarben bereits die anliegenden Dorfstrafen. Die polnischen Neusiedler sind drauf und dran, einzelne Ortschaften wieder zu verlassen. Es fehlt, wo man hinsieht, an Menschen. Zurzeit werden im eigentlichen Polen Aufrufe erlassen, um möglichst 25 000 Landarbeiter und 15 000 Landarbeiterinnen nach dem „West-Vakuum“ zu bringen. Warschau hat überdies ein neues Rationalisierungssystem verordnet, wonach u. a. Frauen, die nicht in die Fabrik gehen, sondern daheim ihre Kinder versorgen, keine Lebensmittelkarten mehr erhalten.

 

 

Seite 4   Heuernte am Pregelbruch

Um diese Zeit liegt auf den Wiesen zwischen Pregel und Erlenbruch das Gras teilweise noch im Schwatt, teilweise ist schon Heu gemacht und teilweise noch gar nicht gehauen.

Da blühen zwischen Fuchsschwanz und Raygräsern auch roter, generlter Ampfer, gelber Hahnenfuß und himmelblaue Vergissmeinnicht – das sollten sie eigentlich nicht, denn sie sind kein gutes Futter, sondern die Überreste der „uneingedeichten Sauren-Wiesen-Zeit", die trotz allen Walzens und Düngerstreuens immer wieder durchkommen! Welcher ostpreußische Besitzer aus den Deichgebieten erinnert sich nicht unserer vielen schweren Bodenverbesserungsarbeiten! Immerhin - das bunte Teufelszeug ist schön - wunderschön auf den weiten grünen Flächen, wo nun nacheinander die Mähmaschine, Heuwender und der Reuterwagen gehen - hart am Sommerdeich entlang mit seinem hohen Uferschilf voller Frösche, Zappen und Taucher - und zuletzt die Gespanne, die ihre grüne, duftende Last vorsichtig über die vielen kleinen Brücken der Deichgräben nach Hause schaffen.

Zwischen ihnen wandern furchtlos Scharen von Störchen hin und her - meist sind es „Junggesellen", die bei der Gattenwahl übrig blieben und in Ermangelung einer nützlichen Tätigkeit als Familienväter umso eifriger jagen. Wir zählen auf einer einzigen Wiese bisweilen 30 - 40 Stück! Leider werden sie nicht nur den Fröschen, sondern auch den Junghasen und Singvögeln gefährlich.

Über den Pregel kommt nun die Fähre mit dem hochgeladenen letzten Fuder vom anderen Ufer. Hoch oben darauf thronen die Mädchen mit ihren hellen Kopftüchern - die „Manns" in Strohhüten, weißen Hemden und offener Weste stehen an den Pferden. Die 4 Füchse heben die Köpfe und wiehern herüber - es sind Stutbuchstuten - in Ostpreußen arbeitet das edle Pferd bis zum Tag der Geburt und während der Säugezeit seiner Fohlen, die gewöhnlich nebenher laufen. Über den Pregel hat man aber die Kleinen nicht mitnehmen können und die Mütter rufen nach ihnen.

Vorsichtig wird durch das Wasser des flachen Ufers gefahren, das an die Räder plätschert, und den Damm herauf durchs Bruch zum Hofe.

Feuchter Hauch steigt aus dem dichten Erlengebüsch. Die Bremsen stechen, die Sattelstute schlägt mit dem feinen Kopf und dem langen seidigen Schwanz - alle vier tänzeln unruhig.

Ferne ruft der Kuckuck in gleichmäßigen Abständen. Auf den Torflöchern, die durch die Überhälter der Kahlschläge glitzern - wir haben hier 25-jährigen Umtrieb - schwimmen Wildentenmütter mit ihren zierlichen, gefleckten Kleinen zwischen gelben Wasserlilien. Die Fichten stehen schwarz und dicht. In dem geraden schmalen Pfad, durch den wir vom Damm aus in den Bestand hineinsehen können, ist es schon dämmrig, wie in abendlichen Kapellen …

Nun ist das Bruch durchquert und das Fuder biegt links von der kleinen Fichtenremise in den sandigen Feldweg nach dem Hofe ein. Die Stuten haben noch eine kurze, schwere Arbeit bis auf die Höhe, wo nun das weite hügelige Land in der leuchtenden Abendsonne vor uns liegt - Roggen und wieder Roggen - grün mit rötlichem Schimmer wie ein großes Meer, das im Abendwinde hin und her wogt.

Da liegt der Hof mit seinen roten Backsteinbauten – und links auf dem Hügel zwischen den alten Friedhofslinden unsere Kirche, deren Glocken jetzt langsam und feierlich zum Abendläuten einsetzen – gerade als das letzte Fuder in die Scheunendurchfahrt einbiegt.

Die Männer und Mädchen haben genug, und auch die Pferde. „Gut, das Feierabend ist denken die Jüngeren. „Der leewe Gottke schütze das gute Futter“, denken die Alten „wenn das Vieh zu fressen hat, dann hat es auch der Mensch." „Grün, und gut im Geruch“, denkt der Besitzer und greift noch einmal in die duftende Masse. „Ja, ja, das Reutern! Das Beste sind eben doch die „Dreibock“, da lass ich mir nicht reden!"

Dann verklingt leise das Abendläuten. Die Sprosser weit hinter uns im Bruch senden ihre herrlich melodischen, schluchzenden Töne zaghaft zum blassblauen Himmel auf, und der Chor der Frösche setzt verstärkt ein. In den Ställen malmen die Pferde.

Es ist dunkel geworden über dem geliebten Lande, das wir niemals vergessen können. Denn den Kräften, die aus dem Heimatboden in uns übergingen - die wir mit uns nehmen, wohin wir auch verschlagen werden - verdanken wir alles, was wir jetzt und hier Gutes zu schalten imstande sind. Carla v. Bassewitz.

 

 

Seite 4   Der erste Weidegang / Adda von Königsegg

Die Sonne brannte auf den großen Wirtschaftshof und die rote Ziegelwand des langen Kuhstalls. Staub zog in trägen Wolken, es roch nach Rindern und Pferden, nach Stroh und Heu, nach Fruchtbarkeit und Arbeit. Die Schwalben zirkten durch die blaue Luft; auf der Scheune stand der Storch auf seinem Nest und klapperte.

Es war Sommer geworden und die Felder draußen waren ein wundervoller grüner Teppich.

In solcher Jahreszeit geschieht allerlei und in dem Kuhstall tat sich etwas. Eins der großen Ereignisse des Jahres.

Das „Ausjagen" bereitete sich vor.

Die Stalltüren waren noch fest geschlossen, von drinnen kam ein ungeheures Gelärme, Gebrüll der Rinder, Geschrei der Männer, ein Toben hin und her. Der heimtückische gelbe Hirtenköter, an dem vorüberzugehen immer ein gewisses Wagnis war, saß in der Sonne an der Kuhstallwand und wartete. Er wusste schon.

Die Kuhherde wurde losgebunden zum ersten Weidegang des Jahres. Aus dem Pferdestall wurden die Ponys herausgeführt, und vor den Feldwagen gespannt, mit dem der Hofherr - vorausfahrend - sein Vieh auf die Weide führen würde.

Jetzt ging in dem Stall eine der großen Flügeltüren auf. Ein großes schwarzes Loch gähnte dahinter. Undeutlich bewegten sich in seiner Tiefe weißliche Flecke durcheinander. Die losgebundenen, aufgeregten Kühe.

Das Geschrei der Männer toste furchterregend himmelan, der Hund jagte in langen Sätzen in das Dunkel und machte mit.

„Mauhr - Mohr -" brüllten die heiseren Stimmen, „Mauhr, fass an!"

„Mauhr" - Mohr - fasste an, erzieherisch und sicher, fasste die Hinterläufe der Rinder, so wie er sie draußen auf der Weide in Raison hielt. Sie sollten aus dem Stall heraus und wollten nicht.

Wer ein halbes Jahr lang angebunden auf einer Stelle gestanden hat, im dämmerigen Stall, die Augen auf seine Krippe gerichtet, wer ein halbes Jahr lang nichts kennt als an dieser Krippe stehen zum Fressen und Saufen, in der Streu liegen zum Wiederkäuen - rund um sich die Stallwände, mit den kleinen Fenstern, die wenig Licht hereinlassen - wer in einem halben Jahr nichts gehört hat als das

gegenseitige Gebrülle - in regelmäßigen Abständen das Rascheln, mit dem das Heu vor die Schnauzen geworfen wird, - das Rauschen, mit dem das Wasser in die Tröge schießt - der geht nicht so ohne weiteres in die ihn zunächst gar nicht interessierende Helligkeit da draußen.

„Hab ich nötig? Ich hab so lange hier gestanden, ich steh auch noch länger. Stört mich bloß nicht."

Dem ist der schönste Sonnenschein eine feste Wand vor der offenen Stalltür, durch die er einfach nicht hindurch kann - und nicht will –

Nun stand eine der schwarzweißgefleckten Sterken in der Türöffnung vor dem dunklen Hintergrund. Jung, kraftvoll und rassig. Hatte den edlen Kopf mit den schön geschwungenen Hörnern aufgerichtet, starrte fragend und geblendet nach draußen.

Wo es andere Ställe, andere Tiere, überhaupt etwas anderes gab, als das Innere des eigenen Stalles.

Soll ich? - Muss ich? –

Dann nach sichtlicher Überwindung, nach hartem Seelenkampf, vielleicht gestoßen von drinnen gewissermaßen mit geschlossenen Augen - ein Sprung - ein gewaltiger mit diesen starken Tierbeinen, der sie weit in die Welt der Sonne hineinschleuderte.

Da stand sie - reglos - hilflos - in lauter Rätseln.

Und dann ein Begreifen, ein beseligtes Taumeln - ein Hochspringen mit allen vier Beinen - ein Hin- und Herjagen mit erhobenem Schwanz durch Sonnenschein und freie Luft.

Ein Kraftausbruch ohne Maßen. Ein zweites Tier erscheint in der schwarzen Öffnung, steht ebenso geblendet – verdattert - mutlos - sieht das erste da draußen - Dann kann es doch wohl so schlimm nicht sein. Dann ist es doch wohl risikolos - ist zu wagen.

Und wieder ein gewaltiger Sprung ---

Nun toben schon zwei ihre ungeschlachte, hemmungslose Lebensseligkeit in der Sonnenweit aus.

Ein Drittes zögerte auch noch - nicht mehr so sehr lange - und dann ergießt sich der Strom der Nachläufer gedankenlos, unaufhaltsam aus dem dunklen Tor. Schwarzweißgefleckt mit erhobenen, wackelnden Schwänzen, brüllend, tobend, überschwemmt den Hof mit Bocksprüngen und Durcheinanderrasen. Die Männer rennen brüllend, mit Peitschen hinterdrein, verhindern ein Ausbrechen, jetzt kann den Tieren nichts wild genug sein. Der „Mauhr" bellt, dass es von den Wänden widerhallt.

Der Ponywagen mit dem Hofherrn oben drauf setzt sich in Bewegung und führt zum Hoftor hinaus, der Zug der Rinder wird geordnet und mit Peitschen zusammengehalten, die achtzig Kühe trotten hinter dem Wagen her, um nun wieder ein halbes Jahr ganz draußen zu sein.

Der Lärm verebbt in den Feldern. Der Hof ist leer und still, die bürgerliche Ordnung ist wieder zurückgekehrt.

Die Männer gehen am Stall entlang, reißen die andern Türen auf und lassen den Sonnenschein in die dunkle Höhle.

 

 

Seite 4   Unter Birkengrün und Kalmus

Das Pfingstfest war etwa bis zur Jahrhundertwende in Ost- und Westpreuße überall in den dörflichen und kleinstädtischen Gemeinschaften eine wahre Freudenfeier. Sie begann schon am Pfingstsamstag mit dem „Ausmaien" in Stadt und Land. Wagen voll Birkengrün wurden herangefahren, Bündel von frischem Kalmus trug die Jugend von den Ufern der Gewässer herbei, auch Fichten- und Kaddickzweige fehlten nicht, die man zum festlichen Putz vermendete. Die ganze frühlingsjunge Natur zog zu Pfingsten in die Siedlungen. Vor jeder Haustür, an den Ladeneingängen und vor den Toreinfahrten standen die hellen Birkenstämmchen. Die damals üblichen gemütlichen Bänke vor den Haustüren waren zu kleinen Lauben verwandelt. Birkenlaub schmückte auch die Fenster und Giebelbalken, Ställe und Scheunen. In den Bauernhäusern Masurens wie an den Haffen trug der Kalmus den herben Duft der Gewässer in die Stuben, und die Gasthäuser bestreuten die weißgescheuerten Dielen ihrer Räume mit Seesand, mit gehacktem Kalmus und Tannenzweigen in Erwartung ihrer Gäste. Damals waren auch überall noch die Umzüge durch die geschmückten Orte am Pfingstsonntag mit Vieh und Wagen üblich, vereinten Gesang, Tanz und Frohsinn die ländlichen Gemeinden.

Daneben waren die Pfingstausflüge allgemeiner Brauch und Höhepunkt des Feiertages. Auf Markt oder Dorfanger fuhren die laubgeschmückten Leiterwagen auf. Mit Musik fuhr die Wagenkolonne „zum Städtle hinaus" unter Gesang und Scherzen, um draußen auf einer Waldlichtung oder am Ufer eines Waldsees fröhlich zu feiern, zu spielen und zu tanzen. An der Küste wurden diese „Fahrten ins Grüne" bisweilen in geschmückten Booten, an den Seenketten mit Dampfern und angehängten Schleppkähnen unternommen. Andere Gegenden kannten das gemeinsame Wandern zu bestimmten Zielen, woraus sich im Ermland und um Stuhm, eine Art fröhlicher Wallfahrten entwickelten. Hier traten die Pfingstfeiern auch vor den kirchlichen Fronleichnamsbräuchen zurück und es war allgemein üblich, am Pfingstsonnabend Haus, Hof, Stallungen, Gärten und Felder symbolisch mit Weihwasser zu besprengen. Immer aber wurden die pfingstlichen Feiern unter freiem Himmel abgehalten und damit unbewusst an uralte religiöse Überlieferungen angeknüpft.

Zweifellos auf heidnischen Ursprung ging ein Brauch zurück, der nur am Südufer des Frischen Haffes im Schwange war. Mit einem Weidenkorb, in den eine lebende Krähe gesetzt war, gingen Knechte und Mägde zu den Gehöften und brachten dort ihre beschwörenden Sprüche an, die den Sinn hatten, von den Feldern Schaden abzuhalten. Die Krähe war dabei der gefangene Unglücksbringer. Mit Lebensmittelgaben, Getränken und Geld wurden diese Wünsche belohnt, die dann bei einer Feier unter dem abendlichen Himmel umgesetzt wurden. Diese „Schoadoaer“-Feste, bei denen als Festpreise „Flinsen" (Kartoffelpuffer) gebacken und mit viel Zucker verzehrt wurden, dauerten unter derben Späßen und Spielen bis zum hellen Morgen. Wieder nahm die ganze Dorfgemeinschaft daran teil und Birkengrün und Kalmus waren auch Schmuck und Symbol dieser pfingstlichen Feier.

 

 

Seite 4   Russische Ortsnamen in Ostpreußen

Es ist kein Geheimnis, dass sich während der letzten fünf Jahre in der Kulturlandschaft des deutschen Ostens ein grundlegender Wandel vollzogen hat. Noch ist es nicht an der Zeit, nur auf Grund der spärlichen Nachrichten ein einwandfreies Gesamtbild zu zeichnen, da die Möglichkeit einer Analyse der verschiedenen Landschaftselemente, wie sie die Geographie benötigt, noch nicht gegeben ist. Nur die allgemeine Tatsache steht fest, dass dieser plötzliche Wandel sich nicht allein auf die anthropogeographischen, sondern auch auf mancherlei physiogeographische Gegebenheiten erstreckt.

Aus den spärlichen amtlichen Verlautbarungen ergibt sich nun ein halbwegs abgerundetes Bild für die neuen russischen Ortsnamen im nördlichen Ostpreußen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sind sie vorläufig als ein Abbild des gegenwärtigen politischen Zustandes zu werten.

Man weiß, dass Ostpreußen durch eine Linie nördlich Braunsberg - Goldap zweigeteilt worden ist. Das südliche Gebiet untersteht polnischer, das nördliche Ostpreußen sowjetrussischer Verwaltungshoheit, wobei man das Gebiet nördlich des Memelstromes der litauischen Sowjetrepublik zugeteilt hat. Bisher sind nun aus dem russisch besetzten Ostpreußen die wichtigsten geänderten Ortsnamen (etwa 110) bekannt geworden. Es handelt sich um die Namen der Städte, der größeren Marktflecken, Bäder u. ä. Das bisher vorliegende Verzeichnis ist sicherlich nicht vollständig, wenn auch die Zahl der wüsten Orte hoch sein mag.

Betrachtet man diese russischen Ortsnamen in ihrer Gesamtheit, so muss man feststellen, dass sie fast durchweg völlig neu sind und nur in den wenigsten Fällen an die früheren ostpreußischen Ortsnamen anknüpfen, gleich ob sie deutscher, altpreußischer oder litauischer Herkunft sind. Angleichungen, also Russifizierung der alten Namen liegen z. B. vor bei Domnau -  Domnowo, Schillen (lit. szillas = die Heide) - Schilino, Sodehnen bei Insterburg - Soodenen. Die wenigen Übersetzungen lassen aus Gründen der sprachlichen Verschiedenheit die alten Namensbilder nicht mehr erkennen.

Hier seien nun die umbenannten Städte des (nach sowjetrussischer Lesart) Kalinigrader Bezirks genauer betrachtet. Das alte Königsberg, die Stadt Immanuel Kants, der Kern des Deutschtums im Nordosten, ist zu Kaliningrad geworden. Die Städtenamen an der Ostbahn von Königsberg bis zur Grenze sind geändert wie folgt: Tapiau -  Gwardeysk, Wehlau -  Snamensk, der wichtige Eisenbahnknotenpunkt Insterburg -  Tschernjachowsk, Gumbinnen -  Gussew, Ebenrode (ehem. Stallupönen) -  Nesterow, und die Grenzstadt Eydtkau (ehem. Eydtkuhnen) - Tschkalow. Der letztgenannte russische Name geht auf den sowjetischen Polarflieger V. Tschkalow zurück, der im Jahre 1936 als erster den Transpolarflug Moskau – Nordpol -  Vancouver durchführte. Überhaupt scheinen Eigennamen (Kalinin, Gussew u. a.) bei neuerlicher Namengebung in Russisch besetzten Gebieten sehr beliebt zu sein. Aus Tilsit ist Sowjetsk geworden, und das benachbarte Ragnit (von dem ehem. Ragaine bzw der Ordensburg Raganita) zu Njeman -  nach der Ortslage etwa = Stadt an der Memel. Aus Labiau an der SW.-Ecke der Memelniederunq machte man Polessk. Die alte Bischofsstadt Fischhausen im Samland, an einer weiten Bucht des nördlichen Frischen Haffs, der Fischhausener Wiek gelegen, heißt in russischer Lesart Promorsk = vor dem Meere; dieser Name deutet auf die Lage vor dem Pillauer Tief, das vom Frischen Haff zur Ostsee führt. Die Seestadt Pillau selbst, der Vorhafen Königsbergs, heißt z. Z Baltjisk. Wer sollte aber hinter Pionerski – Neukuhren, hinter Sswetlogorsk – Rauschen und Selenogorodsk – Cranz, jene bekannten Samlandbäder, ebenso hinter Rubatschi (Fischerdorf) – Rossitten auf der Kurischen Nehrung, den Sitz der bekannten Vogelwarte, vermuten, die jetzt bei Radolfzell am Bodensee ein neues Heim gefunden hat. Einen historischen Hintergrund hat der Name Bagratinowsk – Pr. Eylau im Andenken an den Fürsten Peter Bagration, der – georgischer Herkunft – im Jahre 1807 auf preußisch-russischer Seite dort gegen Napoleon kämpfte. Heiligenbeil ist zu Mamonowo und Zinten zu Kornewo geworden. Die Kleinstädte südlich der Ostbahn: Allenburg und Friesland hören dort heute auf Druschba (Stadt der Freundschaft) und Prawdjinsk (Stadt der Gerechtigkeit). Für Gerdauen hat man Schelesnodoroschü gewählt; der Lage gemäß würde man dieses Wortungetüm wohl mit Stadt an der Eisenbahn übersetzen.

Das städtearme nördliche Ostpreußen hatte umso bedeutendere Kirchdörfer, Marktflecken, Mittelpunkte des landwirtschaftlich bedingten Ein- und Verkaufs. Sie existieren noch, z. B. Haselberg (früher Lasdehnen) -  Krasnosnamensk, Kreuzingen (früher Mehlauken) -  Bolschakowo, Groß-Lindenau -  Oserki, Norkitten -  Meschduretschjie. Das Trakehner Vorwerk Kattenau führt dort z. Z. den Namen Saweti, während Verfasser über den gegenwärtigen Zustand des weltbekannten Hauptgestüts selbst nichts aussagen kann. In dem städtelosen Kreise Elchniederung ist aus Neukirch – Timirjasowo und aus den beiden Hauptflecken Kukerneese (früher Kaukehmen) – Jasnoje und Heinrichswalde (Landratssitz) – Sslawsk geworden. Der Vorgang der Umbenennung dauert noch an. Er wird jetzt vom Göttinger Arbeitskreis besonders verfolgt. Während der Drucklegung wurde bekannt, dass z. B. Eydtkau neuerdings von Tschakalow in Tschernyschewskoje, Rossitten von Rübatschi in Rabottschij (Arbeiterdorf), Cranz in Smnogradsk und Haselberg wieder in Lasdenen umbenannt worden sind, während Schloßberg (Ostpreußen) (früher Pillkallen) und Schirwindt, die östliche Stadt des Reichs, jetzt die Namen Dobrowolsk bzw. Kutusowo führen. Im Memelgebiet tragen die Orte (wie vor 1939) die litauischen Namen, also z. B. Klaipeda statt Memel.

Trotz der zur Zeit noch ausstehenden Ortsnamen, die an dem allgemeinen Eindruck kaum etwas ändern dürften, gewinnt nach den Aussagen vieler Augenzeugen in diesem Zusammenhange die Wüstungsfrage in Ostpreußen wie ostwärts der Oder-Neiße-Line überhaupt besonderes Gewicht. Dr. H. Kirrinels

 

 

Seite 5   Wi lere Plattdietsch. Dr. Karl Bink.

III

Wedder(ed-ie) sönd noach(oa-o) far „spräke" von Clara Brenke enige(e-ei) Weerd angegäve(äv-eb): kadreiere (so väl wie ömständlich rede), verteile (erzählen), tratsche (ömmerto rede), jabb(e)le, soamlandsch ok jibbele (so väl wie schlecht spräke, foasele (faseln]. Eent ös klar: Nich alle Weerd hebbe genau demsölve Sönn(ö-i) wie „spräke". Oaver dat Muul(uu-au) ward dabi ömmer gebruukt (uuk-auch). Wi motte (müssen) oaver möt dem „Utspräk" wiederkoame.

(Dat Utspräke)  

Wi kome nu to (zu) de Mötlaute (Konsonante); äver de ös noach manchet to segge. Far een hochdietschet b ward hier ömmer v geschräve (äv, ieb); dat ös oaver wie een w to spräke. Ver (e-o) enem Mötlaut klingt et oaver bi ons Schröft(ö-i) hier wie een f(hevt-hat). Sonst ward dat „b" wie öm Hochdietsche gesproake. Dat c kömmt bloß ön ck on ch ver, de wie öm Hochdietsche to spräke sönd; no helle Vokoale ward dat ch vere (ich, ech), bi dunkle Vokoale (ach, uch, och) ward et wiet hinde gesproake Dat d klingt wie öm Hochdietsche, doch darv et am End nich ömmer wie t, sondersch röchtig als d utgesproake ware, so ön: End (Ende), Lied (Leute), Weerd (Wörter). Bi solke (k-ch). Weerd steit öm Hochdietsche no dem d oder t een e, dat öm Plattdietsche weggefalle ös. Dat f klingt wie öm Hochdietsche.

Bim g ös et oaver andersch (sch-s). Wat de Hochdietsche „Gaumenverschlußlaut" nenne, ward eigentlich bloß öm Plattdietsche gesproake, wenn gg geschräve ward. Ob et falsch ös, diesem (ss stömmhaft) Laut ok an andere Stelle to spräke, lett (lässt) sök nich möt Bestömmtheit segge. Et ös oaver ok nich röchtig, sonst äverall j to spräke, woa een g steit. Wenn g hinder helle Vokoale (e, i, ä) on twösche (t-z) Vokoale steit, spräckt man j: dräge (tragen), fäge (fegen), häge (hegen), stige (steigen), wege (wiegen), Zääg (Ziege). Et weer angebroacht (oa-a), hier ok j to schrive; dat g steit bloß deshalb da, wiel (ie-ei) et öm Hochdietsche ok da ös. De Berliner seggt (hier gg wie ch to spräke) je: j. w. d. (jott we de) far danz (janz) weit draußen. So wiet goane (gehen) onse (unsre) plattdietsche Lied bestömmt nich; öm Anlaut ver enem dunkle Vokal (hier a) spräke se kein j. Ob et ok een röchget g, dat heet (ee-eiss) een Verschlußlaut ös, dem wi plattdietsch vleicht stömmhaft Gumeansatzlaut, da wi to enem Stete wie bim k ansette, nenne

könne, dat hängt davon av (v-b), ob de Spräker geroad so opgeleggt (aufgelegt) ös oder ob he all vääl Hochdietsch gesproake hevt. Wi koame noach op dem Laut, de da verkoame kann, to spräke. Seje (säen), neje (nähen), bleje (blühen) schrövt man am beste möt j, da ön de hochdietsche Weer ok kein g to finde ös. Dato geheert ok:tjjje (zehn)i jj ös nedig, da dat i koart (oa-u) ös. Ok „tiee" heert man ön andere Gegende. Ok dat hochdietsche Woart „zehn" kann all gebrukt (uk-auch) wäre. Bäter (ät-ess) ös dat plattdietsche Woart. Een ch spräckt man hinder dunkle Vokoale am End on ver t: Dag, mag, drägt (trägt), seggt (sagt). Ver t kunnte man deshalb ok een ch schrieve; also: drächt, secht. Besondersch hinder dunkle Vokoale ön e Mödd von enem Woart ward een g-Laut gesproake, dem et öm Hochdietsche nich gövt (öv-ib), de ok nich to beteekne (bezeichnen) ös, so ön froage (fragen), gedroage (getragen), suge (saugen), Og (Auge). Wer dat nich öm Oar (Ohr) hevt, mott verseke (versuchen), ditt g an desölvge Stell wie dat ch hinder enem dunkle Vokal (a, o, u), als g, also nich hart oder stömmlos, sondersch stömmhaft to spräke; denn ward he et vleicht rutkrige (herausbekommen). Bim r ös noach to segge, dat de Plattdietsche meist dat Tunge-r (t-z) bruke. Dat r een a wäre kann, ös all geseggt. Wat Besonderet ös dat weke (ek-eich) oder stömmhafte s c h. Hier ward et ömmer gesperrt, wenn et to spräke ös. Wie ömmer bi de stömmhafte Laute, motte also ok hier de Stömmbänder ön e Kohlkoapp (oapp-opf) mötschwinge. Wi bruke bestömmt nich dit stömmhafte sch von de Pollacke to hebbe; denn wi hebbe väle Weerd möt diseem (ss stömmhaft) sch: Susche patrusche ward tom Önsu s c h e (woall ok öns c hus c he) - dat heet ön Schloap (oap-af) bringe - gesunge, rus c he le (leis raschele), Du s c h ack (bätke doov), Grus c hei Grus, allerhand Kleentieg = Kleinzeug), Lus ch (Anred far Ella), Muschkoh (Kindernoame (oa-a) far Koh(o-u), nuschele (bim Spräke nuschele ondietlich (iet-eut) rede, fus c hele (wie möt dem Fledderwösch - Federwisch römhantere (rumhantieren), pu scheie (allerhand Kleenarbeit langsoam moake (oak-ach), Wu sche (Filzpantoffele), pu scheie (Backes strike (ik-eich), hochdietsch „liebkosen". Wer kennt nich dat Ulkwoart: Du kannst mi dem Puckel (Rücken) runderrutsche möt gewichste Wu sche. Am beste ös et woal, man sett wat to, wenn een besonderet Utspräke nedig ös. Ös wat nich klar, denn bödd ök antofroage.

 

 

Seite 5   Milkau – ein berühmter Bibliothekar

Als im Jahre 1934 der Geheimrat und Professor Dr. Dr. h. c. Fritz Milkau vor Vollendung seines 75. Lebensjahres dahingeschieden war, hatte mit ihm dem 1859 in Lötzen geborenen Ostpreußen, ein Mann die Augen geschlossen, der ein gottbegnadeter Bibliothekar gewesen war. Nicht nur seine Fachgenossen bewunderten ihn, der das deutsche Bibliothekswesen mit einem neuen schöpferischen Geiste durchdrungen hatte.

Aus der sauberen Enge des Lötzener Elternhauses, aus einer kinderreichen Handwerkerfamilie mit einem Leben voller Fleiß und stolzer Genügsamkeit kam er 1878 auf die Universität seiner heimatlichen Hauptstadt Königsberg, schon in jungen Jahren von seinen Altersgenossen als eine in der Harmonie von Körper und Geist ungewöhnlich ausgeglichene Persönlichkeit empfunden. Nach 1884 abgelegtem Examen machte er sein Probejahr am Altstädtischen Gymnasium in Königsberg, lehrte an verschiedenen Schulen und wurde nach seiner Promotion 1888 Hilfsbibliothekar bei der Königsberger Universitätsbibliothek. Von 1891 wirkte er in Berlin und Bonn bis zu seiner 1897 erfolgten Anstellung als Bibliothekar an der Berliner Universitätsbibliothek. Es folgte ein Urlaub, der ihm die Vorarbeiten zu seiner geplanten Schöpfung, dem Gesamtkatalog, ermöglichte, ehe er 1899 als Oberbibliothekar Hilfearbeiter im preußischen Kultusministerium wurde. Eine Studienreise führte ihn nach England, 1902 wird er dann Direktor der Universitätsbibliothek Greifswald. Fünf Jahre später sehen wir ihn in Breslau, wo er in gleicher Eigenschaft vierzehn schaffensfrohe Jahre verbringt.

1921 endlich kam er als Nachfolger von Harnack nach Berlin, um an die Stelle zu gelangen, die ihm gebührte: als Generaldirektor der preußischen Bibliotheken war er nun in der Lage, sein Reformwerk auch tatkräftig zu fördern. Und wenn er nach Erreichung der hinausgeschobenen Altersgrenze auch diese Stellung 1925 aufgeben musste, so konnte er sie doch mit einer für ihn neu geschaffenen als ordentlicher Honorarprofessor für das Bibliothekswesen und Direktor des Instituts für Bibliothekswissenschaft an der Berliner Universität vertauschen.

Gleich die erste Veröffentlichung Milkaus, die sich auf seine Bonner Tätigkeit bezog, hatte er im Kreise seiner Fachgenossen Aufsehen erregt und bei keinem Geringeren als dem damals allmächtigen Althoff Widerhall gefunden. Seinen eigentlichen Ruhm begründete er aber 1898 mit seiner vielgenannten historisch-kritischen Abhandlung „Centralkataloge und Titeldrucke". Er entwickelte darin eine neue und großartige Methode, aus der Vielfalt der Bücherverzeichnisse der preußischen Bibliotheken einen Gesamtkatalog der Buchbestände aller Bibliotheken herzustellen, mit dem es möglich wurde, ein irgendwo vorhandenes und nach den gleichen Gesichtspunkten eingeordnetes Buch auch jederzeit mühelos wieder aufzufinden. Nach dem von ihm festgelegten Reglement, das 1899 unter dem Namen „Preußische Instruktion" bekannt wurde, ist dieser bedeutsame Plan in Angriff genommen und in dreißigjähriger mühevoller Arbeit von vielen Köpfen und Händen zu Endo geführt worden. Es war eine Riesenarbeit, galt es doch, nicht weniger als sechs Millionen Bände in elf Bibliotheken durchzuarbeiten und neu aufzustellen.

Milkau vertrat von jeher den Standpunkt, dass die Bibliothek ein lebendiges Gebilde sein müsse. Der Bibliothekar sei zuerst für das Publikum da und dazu berufen, dem Bildung-suchenden schnell und ohne große Förmlichkeit behilflich zu sein. Aus diesem Gedanken heraus reifte sein zweiter großer Plan, den er als Generaldirektor in die Tat umsetzte. Er regelte den Bücherverleihverkehr, der fortan ohne jede Umständlichkeit von Bibliothek zu Bibliothek gehandhabt wurde und es einem jeden möglich machte, ein irgendwo vorhandenes Buch zu erhalten.

Das 1925 neu geschaffene Institut für Bibliothekswissenschaft aber entsprang seiner ureigenen Initiative. Hier wollte er eine Stätte schaffen, von der aus das heranwachsende Geschlecht der Bibliothekare wissenschaftlich und praktisch in den späteren Beruf eingeführt werden sollte. Er hat sich bei seiner Gewissenhaftigkeit noch als Siebziger diese Lehrarbeit nicht leicht gemacht und, wie er einem Bekannten anvertraute, zu der Vorbereitung eines einzigen Kollegs mitunter viele Tage gebraucht.

Zu gleicher Zeit und in einem Alter, in dem andere sich ausruhten, hat er dann sein letztes und größtes wissenschaftliches Werk, die Herausgabe seines bibliothekswissenschaftlichen Handbuches in Gemeinschaft mit Fachgenossen in Angriff genommen. Zwei stolze Bände stellte er noch fertig, beim dritten entglitt ihm die Feder.

Im ersten Weltkrieg bereiste Milkau übrigens, der früher auch auf behördliche Veranlassung nach Russland gekommen war, in deutschem Auftrag belgische und nordfranzösische Städte, in denen sich kriegsgefährdete Büchereien befanden. Erschüttert stand er vor der Brandstätte der unersetzlichen Löwener Bibliothek, die nach «einem Urteil nicht hätte zu sein brauchen, wenn diese Bibliothek mit den technischen Sicherungen ausgestaltet gewesen wäre, die anderswo seit Jahrzehnten üblich waren. Auch nach dem Kriege war er mit diplomatischem Geschick als Vertreter des Reiches bei Verhandlungen über die Bereinigung aller dieser Fragen tätig.

Milkaus Veröffentlichungen beziehen sich überwiegend auf sein Fach. Und doch fände auch jeder andere Leser in ihnen eine große Auslese literarischer Feinheiten. Da ist nichts von Pedanterie und aufdringlicher Gelehrsamkeit, kristallklare Begriffsgestaltung und feines Stilgefühl spricht aus jeder Zeile."

Fritz Milkau war auf seinem Gebiet ein Arbeiter und Schöpfer ausgeprägten Formats. Die heimatlich-preußischen Tugenden des Fleißes, der Geduld und des Pflichtgefühls, sein Ordnungs- und Schönheitssinn waren als natürliche Eigenschaften seine treuen Begleiter. Seine außerordentliche Beliebtheit verdankte dieser noble Mensch nicht zuletzt einer persönlichen und dienstlichen Hilfsbereitschaft, die man bei großen Leuten nicht immer findet. Wer ihm, der zeitlebens oft sein Ostpreußen aufsuchte, in späteren Lebensjahren begegnete, wurde sofort in den Bann dieser aufrechten, gepflegten und liebenswürdigen Persönlichkeit gezogen. Der, gütige ernste Blick unter bebuschten Brauen, die gemessene mit Humor gewürzte Rede, eroberten die Herzen. Die vornehme Geschlossenheit seines Wesens mit ihrer Schlichtheit und Bescheidenheit war so echt, dass sie allen äußeren Erfolgen und Ehrungen standhielt. Ein besonderer Reiz lag auch in seiner Schrift, deren kalligraphische Züge selbst das Alter nicht zu verwischen vermochte. Seine Briefe waren kleine Kunstwerke. Er war ein Führer in seiner Wissenschaft und ein Vorbild auf dem Wege echter Menschlichkeit. Dr. Hans Lippold

 

 

Seite 5   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen. Geburtstage im Juni 1952

01.06.1952 Waldemar Droß (Tgm. Danzig), 20a Peine, Celler Straße 6

02.06.1952 Hedwig Matzat-Paul (KTC), 24b Elmshorn, Bockelpromenade 56

03.06.1952 Rudolf Wilhelm (Neufahrw.), 2b Ibbenbühren, Groner Straße 39

03.06.1952 Else Feuersenger-Glowienke (TuF Danzig), Rentrisch (Saarland), Kaiserstraße 67.

04.06.1952 CharlotteTamoschat-Heckel (Rößel), 24b Alt-Dreiecksplatz 9.

04.06.1952 Dora Bräkow (Zoppot), 24b Kiel, Dreiecksplatz 9

04.06.1951 Bruno Schermutzki (KMTV), 24b Kiel, Jungfernstieg 26

05.06.1952 Erna Kreutzer-Genske (Tilsit), 24a Sprötze 269, Kreis Harburg über Buchholz

05.06.1952 Erich Neumann (Lyck), 19b Altensalzwedel, Kreis Salzwedel (Altmark).

07.06.1952 Alice Baumeister (KMTV), 24b Rendsburg, Schlußkuhle 18

07.06.1952 Gisela Eich (KTC), 24a Lübeck, Moisling, Allee 78

08.06.1952 Lotte Schmidtke (Langfuhr), 24b Kiel-Holtenau, Kanalstraße 8 II

08.06.1952 Helga Stambrau-Freitag (KTC), 16 Frankfurt (Main), Passavanterstraße 9

09.06.1952 Pau Elissat (KMTV), 24a Lübeck, Schattiner Weg 14

09.06.1952 Hilde Naesert-Bohn (KMTV), 19b Genthin, Große Schulstraße 16

09.06.1952 Edith Weitzmann-Krüger (KTC), 20a Hannover-Ricklingen, Göttinger Chaussee 261

09.06.1952 Maria Klaus-Schwidrowski (KMTV), 24a Kiel, Jeßstraße 19.

10.06.1952 Else Scheer-Schüleit (Tilsit), 24b Kiel-Kronshagen, Kieler Straße 47

10.06.1952 Charlotte Tornow-Hoffmann (Zoppot), 24a Hamburg-Harburg, Heimfelder Straße 34

11.06.1952 Ruth Schürmann-Ludwig (Marienwerder), 21a Hagen-Vorhalle (Westf.), Imkerweg 18

12.06.1952 Willy Schott (Zoppot), 24a Lübeck, Arnimstr. 29.

17.06.1952 Kurt Noreisch (KTC), 22a Krefeld-Bockum, Glockenspitz 465a

17. 06.1952 Frieda Ogrzwalla (KMTV), 22a Mülheim (Ruhr), Zeppelinstraße 22

17.06.1952 Emil Tetzlaff (KMTV), 24b Heide (Holst.), Rüdorfer Straße 33

19.06.1952 Fränze Heyse-Biswander (Tilsit), 21a Espelkamp-Mittwald, Glatzer Straße 9

24.06.1952 Margarete Gruhnwald-Krohn (KMTV), 24a, Cuxhaven, Am Bauhof 17.

25.06.1952 Bernd Marczinski (Bartenstein), 21b Bielefeld, Detmolder Straße 415.

25.06.1952 Emil Flick (Gumbinnen), 24b Russee über Kiel, Dieksweg 5

26.06.1952 Bertha Raddatz (Marienburg), 24a Nebel, Heilstätte Satteldünen.

26.06.1952 Evemarie Sand-Kirstein (KTC), 24b Schönberg (Holstein), Gorch-Fock-Straße 5,

28.06.1952 Werner Schikorski KMTV), 24b Flensburg-Mürwik, Landessportschule.

28.06.1952 Dora Schüleit (KMTV). 24b Kiel-Wellingdorf, Wahdenweg 101

28.06.1952 Otto Schulz (KMTV), 23 Rhede über Papenburg (Ems)

30.06.1952 Herta Voß-Borchert (KMTV), 24a Hamburg 21, Marschnerstraße 21.

30.06.1952 Elisabeth Lau-Teiner (KMTV), 3a Güstrow, Weinbergstraße 32

30.06.1952 Max Newger (KMTV), 1 Berlin-Friedrichshagen, Scharnweberstraße 45

30.06.1952 Hans Zielinski (KTC/Johannisburg), 23 Rastede, Palais

Allen Geburtstagskindern, besonders zu den vollen Jahrzehnten - Evemarie Sander 30. Kurt Noreisch 40. Max Newger 70 Jahre – beste Glückwünsche. Auf gute Gesundheit und bestes Wohlergehen ein fröhliches Gut Heil!

 

Seite 5   Zum 6. Wiedersehenstreffen

Das vom 15. bis 18.08.1952 in Marburg (Lahn) in Verbindung mit dem 3. Bundesalterstreffen des DTB stattfindet, werden nach den Voranmeldungen etwa 160 ost- und westpreußische Turner und Turnerinnen zusammenkommen. Das ATVer-Haus, Am Kaffweg 11 ist als Mittelpunkt der Sonderveranstaltungen zur Verfügung gestellt, wo auch eine besondere Auskunftstelle sein wird. Am 15.08. (Freitag) um 20 Uhr 30 wird auf dem Marktplatz zur feierlichen Eröffnung des Alterstreffens angetreten. Die Ost- und Westpreußen bilden eine besondere Gruppe in der Aufmarschsäule und werden wie die anderen Landsmannschaften besonders begrüßt werden. Anschließend - etwa ab 22 Uhr 30 - findet der Begrüßungsabend der Ost- und Westpreußen im ATVer-Haus statt.

Am Sonnabend beginnen um 7 Uhr die Wettkämpfe und Wettspiele. Vor- und nachmittags ist im übrigen Gelegenheit zu Stadtbesichtigungen. Die Feierstunde der Turnerfamilie Ost- und Westpr. ist auf 15 Uhr 30 festgesetzt und findet entweder in der Universitäts-Aula oder im ATVer-Haus statt. Zahlreiche Ehrengäste werden erwartet. Tbr. Babbel hält die Festrede. Um 17. Uhr 15 beginnt im Rahmen des DTB-Alterstreffens die „Stunde der Frau", an der auch die ost- und westpreußischen Turnerinnen teilnehmen werden. Der große Festabend in der herrlichen Freilichtbühne vereinigt wiederum alle Teilnehmer zu einem künstlerischen Erlebnis besonderer Art. Der Sonntagvormittag ist dem Gedächtnis der Toten und dem besonderen Gedenken an Friedrich Ludwig Jahn, dessen Todestag in diesem Jahre zum 100. Male wiederkehrt! gewidmet. Wer die Totenehrung beim Bundesalterstreffen 1950 in Heidelberg miterlebt hat, weiß, dass diese um 10 Uhr 30 im Schülerpark beginnende Veranstaltung der kulturelle Höhepunkt und das am längsten und herrlichsten nachklingende Erlebnis des Marburger Festes werden wird. Um 15 Uhr beginnt dann auf dem Universitäts-Sportplatz die turnerische Hauptveranstaltung mit. allgemeinen Freiübungen und Riegenturnen, wozu auch die Ost- und Westpreußen antreten, sowie einer Reihe von Sonderveranstaltungen. Die Deutschlandriege des DTB tritt ebenfalls an. Den Schluss bildet die feierliche Siegerehrung. Während sich die übrigen Teilnehmer des Alterstreffens am Sonntagabend in einem riesigen Festzelt zum fröhlichen Ausklang vereinen, gestaltet die Turnerfamilie Ost- und Westpreußen ab 20 Uhr im ATVer-Haus in gewohnter Weise Ihren Heimatabend. Er soll in seiner Ausgestaltung und Freude und Kraft spendenden Wirkung nicht hinter seinen Vorgängern zurückstehen.

Am Montag ist als Abschluss eine gemeinsame Wanderung unter ortskundiger Führung durch Tbr. Dr. Stahr (früher Stallupönen) in die wundervolle Umgebung von Marburg vorgesehen.

Der Festbeitrag für die gesamte Veranstaltung beträgt 4,50 DM. Bürgerquartiere werden für 2,-- DM je Nacht zugewiesen. Alle näheren Einzelheiten erfahren alle, die sich vorangemeldet haben, durch besonderes Rundschreiben, sobald die Vorarbeiten abgeschlossen sind. Auskunft gibt Tbr. Wilhelm Alm in (23) Oldenburg (Oldb.) Bloherfelderstr. 20. Auf nach Marburg!

Allensteiner!

Alle Allenstelner Turnerinnen und Turner geben ihre Anschrift an Tbr. Franz Lopp, Hannover, Kronenstraße 2.

Wiesbaden. Seinen 70. Geburtstag feiert am 17.06.1952 Juni Herr Direktor i. R. Gustav Matschullat in Wiesbaden, Schiersteinerstr. 28. Herr Matschullat ist der Begründer der hiesigen Ortsgruppe der Ost- und Westpreußen. Der von ihm am 23.05.1946 gegründete Verband war der erste Zusammenschluss der Ost- und Westpreußen in Hessen.

 

 

Seite 5   Studentenkreis „Ordensland" in München

Der 1949 von Studentinnen und Studenten aus den alten Heimatgebieten Ostpreußen, Westpreußen und Danzig in München begründete Studentenkreis „Ordensland" kann nunmehr auf eine Arbeit von drei Jahren zurückblicken. Auch er hat als junge Organisation seine Kinderkrankheiten durchmachen müssen. Aber trotz aller aufgekommenen Schwierigkeiten haben seine jungen und begeisterungsfähigen Mitglieder nicht nur an der Erhaltung der Kulturwerte der Heimat wirken können - es ist ihnen auch gelungen, eine studentische Gemeinschaft sich zu erarbeiten, die zu den aktivsten in unseren landsmannschaftlichen Zusammenschlüssen gehört.

Auch das vergangene Wintersemester stand im Zeichen dieser Gedanken sowohl in geselliger als auch in kultureller Hinsicht. Schon die Semestereröffnungsveranstaltung hatte einen zahlreichen Kreis der Studenten mit ihren Gästen vereinigt. Ähnlich war es bei der Weihnachtsfeier, und die weite Runde der Faschingsfeiernden konnte kaum in den hierfür vorgesehenen Räumen beherbergt werden.

Aus der bunten Reihe der Vorträge, denen stets anregende Diskussionen folgten, wären zu erwähnen: Erwin Pfeffer, früher Königsberg, Mitglied des Bayerischen Landtags, sprach über die Frage der Wiederbewaffnung. Universitätsprofessor Dr. Wenzl referierte über „Das Menschenbild der Gegenwart" und berichtete über einen internationalen Philosophenkongress in Lima. Frau Stadtrat Dr. Hildegard Brücher, M. d. L., sprach über die Arbeit des Münchener Stadtrats und gegenwartspolitische Fragen.

Wenn sich die Arbeit des Wintersemesters so fruchtbar gestalten konnte, so war das auch ein Verdienst der zahlreichen Förderer und Freunde der Studentengruppe. Ein schon lang diskutierter und gehegter Wunsch konnte zum Schluss des Semesters in Erfüllung gehen: Am 3. April haben sich die anhänglichsten Förderer und Gäste der Studenten zum Altherrenkreis „Ordensland" zusammengeschlossen. Er wird der noch jungen studentischen Gemeinschaft die notwendige soziale Unterstützung geben und sich ebenso für die Kontinuität in der Arbeit des Studentenkreises verbürgen.

Im Einzelnen hat sich der Altherrenkreis die folgenden Ziel« und Aufgaben gestellt:

1.     Sammlung und Pflege der kulturellen Überlieferungen der alten Heimat und deren Weitervermittlung an die Mitglieder des Studentenkreises „Ordensland".

2.     Beratung in allen akademischen und studentischen Fragen und soziale Unterstützung und Betreuung der dem genannten Studentenkreis angehörenden Mitglieder.

3.     Mithilfe bei der Vertretung der Interessen des Studentenkreises in der Öffentlichkeit und bei den Behörden.

4.     Mithilfe bei der geistigen, kulturellen und wirtschaftlichen Eingliederung der Angehörigen des Studentenkreises in die neue Heimat.

5.     Mitwirkung an den geselligen und gesellschaftlichen Formen, der im Studentenkreis vereinigten Mitglieder in fortschrittlichem, akademischem Geist.

Der Altherrenkreis bittet in diesem Zusammenhang alle jetzt in Bayern wohnenden Altakademiker aus den Gebieten des alten Ordenslandes sowie diejenigen, die ein offenes Herz für die Nöte, Sorgen und Probleme der Studenten haben, sich mit dem 1. Vorsitzenden des Altherrenkreises in Verbindung zu setzen: Dr. Martin Kaleschke, München 23, Leopoldstraße 56a.

Das Sommersemester wird die Arbeit in geschildertem Sinne fortführen. Dank der Initiative des Altherrenkreises ist es gelungen, für die Veranstaltungen ein festes Heim - wenn auch nur mietweise - zu erwerben: die Räume des Corps „Arminia" im II. Stock des Restaurants „Halali", Schönfeldstraße 4, Eingang Hahnenstraße (Haltestelle Ludwig-Theresienstraße). Feststehende Treffabende: jeden Mittwoch, 19.30 Uhr.

Der Studentenkreis bittet alle in der landsmannschaftlichen Arbeit Stehenden sowie alle Landsleute, die zum Sommersemester nach München kommenden Hoch- und Fachschulstudentinnen und -Studenten auf das Bestehen des Studentenkreises „Ordensland" hinzuweisen. Anschrift des Studentenkreises: München 34, Postfach.

Der Studentenkreis hat ferner den lebhaften Wunsch, mit allen im Bundesgebiet bestehenden studentischen und akademischen Zusammenschlüssen ähnlicher Zielrichtung in Verbindung zu kommen und zumindest einen brieflichen Arbeits- und Gedankenaustausch zu pflegen. Robert Gers.

 

 

Seite 6   Pillkallen – Die Stadt der Krüger

Foto: Blick auf das Pillkaller Krankenhaus

Foto: Der Marktplatz in Pillkallen. Aufn. F. Wiemers

Foto: Rathaus

Eigentlich heißt die Stadt Pilkallen Schloßberg. Nicht nur in den letzten acht Jahren vor dem Kriegsende, sondern bereits seit Bestehen der Ortschaft überhaupt. In den alten „Ragniter Hausbüchern" wird erstmals im Jahre 1516 von dieser Siedlung unter der Bezeichnung „Schloßberg" gesprochen. Dem anwachsenden Orte bleibt dieser deutsche Name bis weit in das 16. Jahrhundert hinein treu. Erst als durch Siedlungsmaßnahme Herzog Albrechts und seiner Nachfolger mehr und mehr litauische Flüchtlinge in diesem Gebiet sesshaft werden, setzt sich allmählich die litauische Übersetzung von Schloßberg „Pillkallen" durch.

Beide Ortsbezeichnungen, ob deutsch oder litauisch, meinen ein und dasselbe: Den, natürlich gewachsenen Berg, der sich sanft ansteigend aus dem Gelände erhebt und wohl im Geschiebe der Eiszeit als Aufpressung einer Grundmoräne in einem Hohlraum entstanden sein mag. Möglich ist, dass diese Anhöhe, zu deren Füßen sich deutsche und dann später litauische Siedler niederließen, einst eine Holzburg als Kennzeichen des Stammsitzes prussischer Häuptlinge getragen hat und daher zu der anspruchsvollen Bezeichnung Schloßberg (litauisch: pilkalnis) gekommen ist. Gewiss ist, dass sich erste Ansiedler an der Ostseite des Schloßberges niederließen, weil diese, ungeachtet der schwierigen Geländeverhältnisse die günstigere Wassernutzung bot. Männer, die den „Ragniter Hausbüchern“ zufolge, die Namen Manigkus und Jagel trugen, scheinen zu den ersten Siedlern dieser Ortschaft gehört zu haben.

Vom Jahre 1516 ab mehren sich die Nachrichten über Ansiedlungen am Fuße des Schloßberges. Auch die umliegenden Gelände wurden nach und nach besiedelt. Der Initiative des letzten Ordenshochmeisters Albrecht von Brandenburg ist es in der Hauptsache zu verdanken gewesen, dass die Besiedlung und Kolonisation des ehemaligen Wildnisgürtels, der sich im geschwungenen Bogen zwischen Ordensland und Litauen erstreckte - zu dessen Bereich Schloßberg gehörte - in Angriff genommen wurde. Da es an genügend deutschen Siedlern fehlte, wurden Flüchtlinge aus Litauen, die die Grenze geheim überschritten hatten und im geordneten Ordensland bessere Lebensbedingungen erhofften, gern aufgenommen. Blockhäuser und Lehmhütten scheinen, da es an genügend Steinen fehlte, die ersten Behausungen der Siedler gebildet zu haben. Wald musste gerodet, das Land urbar gemacht, der Kampf mit wilden Tieren und räuberischen Banden aufgenommen werden. Nur karge Erträge konnten eingebracht werden. Darum wird der Ragniter Komtur Melchior von Petzschen, dem die Verwaltung des Schloßberger Bereichs unterstand, es nicht leicht gehabt haben, von dem an die Siedler verliehenen Land einen Zins für die Komtureikasse einzutreiben. Erst allmählich setzte sich als gängige Abgabe der sogenannte Grundzins, der auch Hufenschoss genannt wurde, durch. Zu bemerken ist, dass das Land nach wie vor Eigentum des Ordens blieb und den Wildnisbauern gegen Zins zu eigener Nutznießung zugesprochen wurde, ,,auf dass sie und ihre Nachkommen, sofern sie sich von der Frucht des erhaltenen Ackers nährten, alle Rechte genießen und den Zins zahlten, erb- und ewiglich".

Mit besonderen Freiheiten, wie sie z. B. das „Kölmer-Recht" einräumte, waren diese „Pächter" nicht bedacht. Vor dem damaligen Bauernstande hatten sie jedoch das eine voraus, dass sie zu irgendwelchen Herrendiensten nicht verpflichtet werden konnten. Der Komturei Ragnit, die bei der Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum zum „Amt Ragnit" wurde, hatten sie lediglich die zur Erhaltung der Wege, Brücken und Schleusen erforderlichen Hand- und Spanndienste zu leisten. Vom Amte Ragnit auch wurde das gesamte Gebiet, zur verwaltungsmäßigen Erleichterung in Schulzenämter eingeteilt, die durch sogenannte „Berittschulzen" oder auch „Wildnisreiter" ausgeübt wurden. Später übernahmen die Schulzen nur noch die Verwaltung der eigenen Dörfer.

Im Jahre 1580 hat Schloßberg, wie urkundliche Eintragungen besagen, bereits Kirchdorfgröße erreicht, umfasste 20 ½ Hufen, 5 Morgen, 190 Ruten Land, hatte aufgehört ein Zinserdorf zu sein und zählte 11 Brod (Scharwerke) zu seinem Gelände. Wer die erste Kirche in  Schloßberg gegründet hat, ist nicht erwiesen. Auch steht nicht fest, ob sie tatsächlich, wie einige Chroniken zu berichten wissen, auf dem Schloßberg gelegen hat. Erwiesen ist jedoch, dass sich bereits im Kirchdorfe Schloßberg eine ausgedehnte Krugwirtschaft entwickelte, die von „ziemlicher Nahrung'' war und zum Aufblühen der Siedlung nicht unbeträchtlich beigetragen hat.

Als erster Krugwirt in Schloßberg wird Burghard von Stein genannt, der seinen Betrieb so ausweitete, dass er den Bedürfnissen der damaligen Zeit vollauf genügte. Bis dahin war es üblich gewesen, dass jeder Siedler sein eigner Krugwirt war, indem er sich sein Bier selbst braute. Als sich jedoch der Verkehr im Lande lebhafter entwickelte, wobei jede Reise bei den damaligen mangelhaften Wegeverhältnissen viele Tage in Anspruch nahm, erteilten die Komtureien verschiedenen Bauern, die nahe der Landstraße wohnten, ein Krug- und Herbergsrecht. Die Inhaber dieses Rechts durften Durchreisenden Speise und Trank gegen Entgelt vorsetzen und auch Herberge gewähren. Den Krugwirten erwuchs aus dieser Entwicklung sehr bald eine gute Einnahmequelle. Als sich aus der Herstellung von Bier ein blühendes Gewerbe zu entwickeln begann, nahm die Komturei Ragnit die Brauerei zu Anfang des 16. Jhdts. unter Aufsicht und belegte sie mit einer Abgabe. Das Brauen von Bier war nur noch unter der Bedingung gestattet, dass dafür die vorgeschriebene Abgabe entrichtet wurde. Darüber hinaus wurden die Krüger verpflichtet, dass von der Komturei und später von dem Amte selbst gebraute Bier zu beziehen, weil sich Ragnit diese gute Einnahmequelle nicht entgehen lassen wollte. Die Krüger, besonders die entfernt wohnenden, litten unter dieser Verordnung empfindlich, zumal die umständliche Beschaffung des Biers und dessen Monopolisierung zur unnötigen Verteuerung des Getränks und Verringerung des Umsatzes führte. Dennoch kam es bereits im Jahre 1611 zur Eröffnung einer zweiten Krugwirtschaft in Schloßberg durch Stenzel Jucknaitis. Im Jahre 1612 tat sich dazu noch ein dritter Krug auf. Diese Krüge wurden bald zur Berühmtheit in der ganzen Gegend und haben eine Tradition begründet, die bis zur jüngsten Vergangenheit diese Stadt weit über die Grenzen der Heimat hinaus bekannt gemacht hat.

Eine weiter günstige Entwicklung nahm das Krugwesen in Schloßberg, als im Jahre 1640 dem Landschöppen Friedrich Sturm durch Georg Wilhelm nicht nur das Krugrecht, sondern gleichzeitig die Befreiung von der für alle übrigen Krugwirte bis dahin geltenden Verpflichtung erteilt wurde, sämtliche Waren bei dem Ragniter Kaufmann Löbel zu beziehen. Auf Grund dieser landesherrlichen Verfügung wurde es Sturm möglich, selbst eine eigene Brauerei in Pillkallen, wie das Kirchdorf nun allgemein genannt wurde, zu errichten und selbst gebrautes Bier zu verkaufen. Lange Zeit hindurch wusste sich die Familie Sturm das ihr verliehene Recht als Alleinrecht zu erhalten. Bis auf geringe Einschränkungen bestand des 18. Jhdts., als es durch neue Gewerbevorschritten ersetzt wurde.

Für den Ort selbst war die Gründung einer eigenen Brauerei von großer Wichtigkeit. Bot sie doch für den heimischen Getreidebau erwünschte Absatzmöglichkeiten. Es darf auch angenommen werden, dass das in Pillkallen gebraute Bier nicht nur in dem Dorfe selbst verbraucht wurde. Viele Krüger aus der Umgebung werden dem Amte Ragnit nur zu gern ein Schnippchen geschlagen und der Einfachheit halber bei Friedrich Sturm ihr Bier bezogen haben. Gerade in der Zeit der allgemeinen Rechtslockerung, als Auswirkung des Dreißigjährigen Krieges, wird eine Umgehung der Verordnung unschwer möglich gewesen sein. Auch lassen Anzeichen darauf schließen, dass das Biermonopol für Pillkallen allgemein recht milde gehandhabt worden ist. Denn etwa zwanzig Jahre später wurden weitere Brauereien in Pillkallen gegründet. Im letzten Drittel des 18. Jhdts. wurde es üblich, dass die mit Ländereien reich versehenen Großbürger des Orts fast sämtlich dazu übergingen, nicht nur Brauereien, sondern auch Schnaps-Brennereien einzurichten. An Gerste und Korn war kein Mangel. Für Bier und Schnaps bestand großer Bedarf. Im Laufe der Zeit entwickelten die Pillkaller Brennereien eine gewisse Spezialität guter Schnapsarten. Der „Pillkaller", ein kräftigen Korn, zu dem eine dicke Scheibe Leberwurst mit Senf gehörte, wurde über die Landesgrenzen hinaus bekannt und berühmt. Jeder Besucher Ostpreußens hielt es bis in die letzten Jahre hinein für unerlässlich, die Bekanntschaft mit diesem und anderen Pillkaller Schnäpsen gemacht zu haben. Das haben die Pillkaller so an sich! Prost, prost, prost!" ertönte in Drei-klang-intervallen kräftiger Männerkehlen der Schlachtgesang aller trinkfreudigen einheimischen und zugereisten Pillkaller. Die durch die Krugwirtschaft, Brauerei- und Brennereiwesen bedingte Wohlhabenheit des Orts erhöhte sich, als durch die Ernennung zur Kreisstadt (1818) fruchtbares Hinterland zu Pillkallen geschlagen wurde. Pillkallen wurde in der Folgezeit zur einzigen Stadt Ostpreußens, in der keine Bürgersteuer gezahlt werden brauchte. Damit in Zusammenhang mag eine gewisse Leichtlebigkeit der Pillkaller stehen, die von der Gesetztheit der Bewohner der übrigen Landstädte beachtlich abstach und dazu führte, dass nicht nur die Pillkaller Schnäpse, sondern auch Pillkaller „Wippchen", d. h. Späße allgemein bekannt wurden.

 

Indessen schritt die Entwicklung der Stadt stetig voran. Wohl gab es zur Zeit der Regierung Friedrich I, der sich in Königsberg zum König von Preußen hatte krönen lassen, wirtschaftliche Rückschläge, die mit verwaltungsmäßigen Missständen verknüpft waren. Dazu kamen die bösen Jahre der Hungersnot und Pest (1707), die auch unter der Pillkaller Einwohnerschaft erhebliche Lücken entstehen ließen Erst der Tatkraft Friedrich Wilhelm I. gelang es, einen grundlegenden Wandel zum Guten in dem verarmten und entvölkerten Gebiet herbeizuführen. Sein „Retablissement" - eine grundlegende Verwaltungserneuerung für Preußen - und die Ansiedlung von Hugenotten, Holländern und schließlich von Salzburgern, die in den Religionswirren der damaligen Zeit nach neuen Heimstätten unterwegs waren, halfen dem Lande und damit auch Pillkallen wieder auf. Gewährung zahlreicher Vorrechte führte zum wirtschaftlichen Wohlstand der Neuansiedler. In jener Zeit entstand in Pillkallen eine reformierte Kirche, die den Erfordernissen der französischen Emigranten sowie den aus der Schweiz Zugewanderten entsprach. Erst im Jahre 1818 wurde die reformierte Kirchengemeinde mit der evangelischen vereint. Da die Salzburger Einwanderer größtenteils auf dem flachen Lande ansässig gemacht wurden, nahm Pillkallen (1732) nur 16 Salzburger Familien auf, die sich durchweg durch Tüchtigkeit und Sparsamkeit auszeichneten und deren Namen bald in den Listen der Ratsverwandten auftauchten.

Von der Erkenntnis geleitet, dass die Landwirtschaft zum Gedeihen entsprechende Absatzstätten haben müsste und um auch der Intelligenz des Landes allgemein fördernde Mittelpunkte zu schaffen, ging Friedrich Wilhelm I. auch daran, eine Anzahl größerer Kirchdörfer zu Städten zu erheben. Auch das Kirchdorf Pillkallen gehörte dazu und erhielt im Jahre 1724 die dafür erforderlichen Rechte zugesprochen. Die Erlaubnis Jahrmärkte abzuhalten schloss sich 1727 an, wonach bestimmt wurde, dass man im Jahre vier Jahrmärkte einzurichten habe, da sie „zur Aufnahme des Handels und zur Vermehrung der dortigen Accise-Revenue" notwendig seien. Zur Zeit der Stadtwerdung wurden der Stadt 5 Hufen Pfarrland und „des Köllmischen 12 Hufen, in ganzen 21 Hufen, 18 Morgen Land verliehen. Davon wurden 18 Hufen, 18 Morgen unter mehrere Bürger erb- und eigentümlich verteilt und der Kämmerei 3 Hufen überlassen". Außerdem gehörte noch eine Viehweide zum Stadtgelände. Neben 108 Haupt- und Nebengebäuden, die den Bürgern der Stadt gehörten, gab es in der jungen Stadt fünf königliche Gebäude, ferner ein Rathaus, die Garnison-Wache, ein Spritzenhaus, Fourage-Magazin sowie Hirtenhaus. Danach war die Stadt schon recht ansehnlich bebaut.

Im Laufe der Jahre nahm Pillkallen immer mehr ein städtischeres Gepräge an. Aus den zahlreich ansässigen Bauern wurden nach und nach Kaufleute, Gasthofbesitzer und Gewerbetreibende. Die Zeit des sieben-jährigen Krieges brachte wohl für die Stadt mit der fast fünf Jahre währenden russischen Besatzung, beträchtliche finanzielle Belastungen und nahezu einen Stillstand in der gewerblichen Entwicklung. Doch setzte als Nachwirkung der Siege Friedrichs des Großen eine wirtschaftlich günstige Zeitspanne ein, die die Notjahre des vergangenen Krieges schnell vergessen ließ. Auch Pillkallen blühte auf. Häuser wurden gebaut und Straßen angelegt. Eine Wassermühle entstand zu den drei Mühlen, die sich bereits auf dem Schloßberg und in dessen Nähe erhoben und der Stadt ein charakteristisches Gepräge verliehen.

Zur Zeit des unglücklichen Krieges erhielt die Stadt erneut russische Einquartierung. Darauf folgten die Franzosen, die noch weit anspruchsvoller in ihren Forderungen waren. Der Tilsiter Friede setzte der Besatzung wohl ein Ende, brachte jedoch Geldentwertung und erhebliche Kontributionslasten mit sich und bildete den Auftakt für eine Reihe böser Notjahre. Auch den Durchzug der französischen Armee nach Russland im Jahre 1812 erlebte die Stadt. Ebenso den Rückzug der geschlagenen Franzosen und im Anschluss die Besetzung durch Kosakenpulks. Nach den Befreiungskriegen setzte eine Spanne gedeihlicher Entwicklung ein, die Pillkallen mit sieben Kirchspielen zur Kreisstadt werden ließ. Ein Landratsamt wurde eingerichtet und eine gründliche Straßenpflasterung und -verbesserung allgemein vorgenommen. Ein Amtsgericht entstand. Gute Chausseen zu den Nachbarstädten wurden angelegt. Das Schul- und sonstige Bildungswesen nahm eine günstige Entwicklung. Neben der Volks- und Mittelschule entstand eine höhere Privatschule für Knaben und eine Präparandenanstalt. Der Bahnanschluss nach Stallupönen wurde der Stadt im Jahre 1892 (Satz nicht vollständig) und brachte beträchtliche wirtschaftliche Belebung mit sich. Auch eine Kleinbahnverbindung zu den größeren Kreisorten entstand in jener Zeit. Durch die Bahn kam auch die Steinkohle nach der Stadt. Früher hatte man zum Heizen fast ausschließlich Holz und sehr viel Torf verwandt. Viele Gewerbetreibende erlangten so die Möglichkeit, mit Dampfkraft zu arbeiten, so dass größere Tischlereien, ein Sägewerk und eine Dampfmühle entstehen konnten. Auch Motoren kamen in einigen Gewerbebetrieben zum Einsatz. Um die Jahrhundertwende zählte die Stadt 3916 Einwohner und zeichnete sich durch ein recht gesundes Geschäftsleben aus, dessen Kennzeichen Gediegenheit und Wohlhabenheit waren.

Pillkallen liegt im Grenzgebiet. Diese Grenzlage wurde zum Schicksal der Stadt. Schon der erste Weltkrieg zwang die Einwohnerschaft vor den einrückenden russischen Truppen auf die Flucht. In Trecks und überfüllten Eisenbahnzügen ging es westwärts. Die Stadt selbst wurde zum größten Teil zerstört. Erst nach den Siegen Hindenburgs im Frühjahr 1915 setzte die Rückkehr ein. Großzügig, Hilfeleistung von Seiten des Staates und der, Patenstadt Breslau machte es möglich, dass der Wiederaufbau der Stadt bereits 1917 nahezu vollkommen durchgeführt war und seine; endgültige Beendigung 1922 finden konnte. Aus den Trümmern war die Stadt nach neuzeitlichen Gesichtspunkten wieder großzügig und schöner denn je erstanden.

Wirtschaftliche Nöte, die durch die abgetrennte Lage der Provinz bedingt waren, blieben auch der Landstadt Pillkallen in der Folgezeit nicht fremd. Dessen ungeachtet wuchs die Stadt an, dehnte sich inmitten schöner Park- und Gartenanlagen behäbig und friedsam aus. Bis es dann - bereits im Herbst 1944 - zu jenen furchtbaren Tagen und Wochen kam, da die Räumung der Stadt von der Zivilbevölkerung durchgeführt werden musste.

Niemand weiß heute Bestimmtes über Pillkallen zu sagen, das einstmals Schloßberg hieß. Monatelang lag die Stadt unter Beschuss. Was an Gebäuden dabei übrig geblieben ist, wird nicht gerade viel sein. Dennoch singen dort im Frühling die Lerchen und blühen die Bäumte auf versteppten Ackerbreiten. Störche werden wohl wie immer durch hochragende Gräserflächen stelzen und Pillkallen/Schloßberg wird allen Umweltgeschehen zum Trotz Heimat bleiben. Heimat allen jenen, die dort gelebt, gearbeitet, gesungen und den „Pillkaller“ getrunken haben und dieser gemüthaften Stadt unablässig verbunden bleiben. Dr. R.

 

 

Seite 7   Die alte Hofapotheke

Foto: Die alte Hofapotheke an der Ecke Junkerstraße-Theaterstraße

Viele alte Königsberger sehen sie noch vor sich, die alte Hofapotheke, wie sie bis zum Jahre 1913 in ihrer ursprünglichen Gestalt in der Junckerstraße stand. Damals schrieb eine Königsberger Zeitung: „Ein Verlust dieser Tage, der in weiteren Kreisen schwer empfunden wird, ist der unmittelbar bevorstehende Abbruch der Hagenschen Hofapotheke. Das ehrwürdige Haus mit dem malerischen Volutengiebel und dem Standbild der Hoffnung auf der Spitze, mit seinen massigen Fronten nach beiden Seiten, dem stimmungsvollen hohen Dache nach der Theaterstraße hin, mit seinen etagenweise übereinander angeordneten Dachfenstern wird in kurzer Zeit nicht mehr sein. Die Jahreszahl 1654 im Giebel gibt jedenfalls nur den Zeitpunkt eines Umbaus an. Denn man kann den sorgfältig aufbewahrten Schriftstücken zufolge mit Sicherheit annehmen, dass das Gebäude, so wie es jetzt auch vor uns steht, aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts stammt, also 300 Jahre alt ist. –

Seit 1741 war sie im Besitze meiner Familie, bis sie 1936, da keine männlichen Nachkommen vorhanden, von der Witwe des letzten Hofapothekers verkauft wurde. Mein Vater erfuhr aus der Geschichte der privilegierten Apotheke pp: … Mit dem Bau der Hofapotheke ist wohl 1647 begonnen worden, sie wurde an der Ecke der „Kehrwiedergasse" (heute Theaterstraße) auf Kosten des Kurfürsten errichtet. Dieses Apothekerhaus, welches 692 Thaler kostete, lag also auf der Stelle, auf welcher sich noch heute der Neubau der Hofapotheke erhebt. Es ist damals stets die Rede von einem „Häuselein" gewesen, indem sich nicht einmal ein Trocken- und Kräuterboden befand, hierzu wurde der Boden des benachbarten kurfürstlichen Ballhauses gemietet. Auch erbaute der kurfürstliche Apotheker Hans Wilde 1652 „zur Gewinnung mehreren Raumes in der officina" eine Bude an diesem Ballhaus nach der Junckerstraße zugerichteten Seite zur Aufbewahrung von Gläsern. Die Akten erzählen von diesem ersten kleinen Hofapothekergebäude als einem kleinen einstöckigen Hause. Die Officin befand sich in einer diesem Häuschen vorgebauten Bude. 1652 ging die Apotheke in Wildes Besitz über. Ein Umbau dieses „Häuseleins" aber zu dem bekannten großen, alten und schönen Gebäude, welches 1913 dem modernen Bau weichen musste, ist wahrscheinlich erst nach 1716 vorgenommen worden, nachdem der sehr vermögende Hofapotheker Valentin Pietsch in diesem Jahre das alte danebengelegene Königliche Ballhaus erworben hatte."

1710 und 1711 war es, als eine fürchterliche Pest in dem Städtchen Schippenbeil wütete. Aus Furcht vor Ansteckung wurden die Wohnungen erkrankter Personen nicht betreten. Unter den vielen Opfern, welche die schreckliche Krankheit forderte, befand sich auch ein junges Ehepaar Hagen, das plötzlich dahingerafft wurde. Die Frau starb mit einem Kinde an der Brust am 17. Dezember 1710. Man vergaß das Kind in der allgemeinen Furcht, hielt es auch wohl für tot, als man auf Ratsverfügung das Pesthaus vernagelte. Aber das Kind lebte, und durch sein Schreien angerührt, drang der jüngste Bruder der Mutter in das verseuchte Haus und rettete den 14 Monate alten Knaben, den späteren ersten Hagen in der Hofapotheke. Am 4. Oktober 1709 war Heinrich Hagen geboren, sein Vetter und Onkel, selber Apotheker, ließ ihn erziehen und auf des Jünglings Wunsch, ihn in Schippenbeil, Königsberg, Thorn und Berlin praktisch und wissenschaftlich in der Pharmazie ausbilden. Die Tochter des damaligen Königsberger Hofapothekers, Joh. Georgensohn, wurde seine Frau. 1741 kaufte Heinrich Hagen die Hofapotheke von seinem Schwiegervater. Er ist der Stammvater einer großen Apothekerfamilie geworden. Am bekanntesten ist sein Sohn Carl Gottfried Hagen (1749 - 1829) Medizinalrat, ordentlicher Professor der Chemie und Physik, Dr. med. et phil., der in seiner Person den Naturforscher, Arzt und Apotheker vereinigte.

Und nun zurück zur Hofapotheke. In dem niedrigen Anbau, der erst gegen das Jahr 1800 hin errichtet wurde, lagen seitdem die Verkaufsräume der Apotheke. Aber auch das Hauptgebäude hatte im Äußeren, wie im Inneren naturgemäß im Wandel der Zeit mancherlei Umwandlung erfahren. Wo im Erdgeschoss seit langem schon vor 1913 das Aronsche Juweliergeschäft war, sah es ursprünglich auch anders aus. In diesen Räumen befand sich jahrhundertelang die Wohnung des Apothekenbesitzers, während der erste Stock anderen Zwecken diente: Viele Jahrzehnte hindurch als Kollegräume für Carl Gottfried Hagen, der nach der Sitte der damaligen Zeit seine Vorlesungen in dem Hause hielt. Zu seinen Schülern gehörten auch - in der Zeit von Februar bis Herbst 1808 - die jungen Prinzen Friedrich Wilhelm und Wilhelm. Es sind der spätere König Friedrich Wilhelm IV. und der alte Kaiser Wilhelm, die hier oben bei Hagen Privatunterricht erhielten. C. G. Hagen verstand es vor allem auch seine chemischen und physikalischen Vorträge in wissenschaftlicher Hinsicht dem betreffenden Hörerkreise anzupassen, sie, wo erforderlich, gemeinverständlich zu gestalten und das Interesse durch kleine oft belustigende Experimente wachzuhalten, so dass seine Vorlesungen mit allgemeinem Interesse angehört wurden.

In der „Gedächtnisschrift 1849'' heißt es: „Mancherlei, was Hagen den Prinzen (1808) vorführte, machte Freude und rief die Äußerung hervor, dass an dem Anblick auch die Prinzessinnen sich ergötzen würden."

Hagen erklärte sich sofort hierzu bereit, und wenige Minuten vor dem zu erwartenden Besuche erhielt er die Nachricht, der König und die Königin, die schon mehrfach ihre Anerkennung dem Lehrer ihrer Söhne mündlich zu erkennen gegeben hatten, würden die Prinzessinnen begleiten. Die Versuche mit der Elektrisiermaschine fanden solchen Beifall, dass noch ein zweites Mal das Königspaar sich einfand, um den Versuchen mit der Luftpumpe und dem damals noch neuen galvanischen Apparat zu folgen. Hagen schrieb in seinen Aufzeichnungen:

„Zu den unvergesslichsten Tagen aber zähle ich den 17. und 29. November 1808, an welchen ich unseren König (Friedrich Wilhelm III.) selber und seine jetzt verewigte Gemahlin Luise nebst den Prinzen und Prinzessinnen und dem Hofstaate jedes Mal vier Stunden hindurch mit Versuchen unterhalten durfte."

Um seinen fürstlichen Hörern die Wirkung an der Thermolampe im Großen vorzuführen, hatte Hagen angeordnet, dass die Mechaniker seine ganze Wohnung in der Hofapotheke mit dem Gas erleuchten sollten. Die Ausführung fand großen Beifall. Als der König sich zum letzten Male in Königsberg befand und die Stadt ihm in der Drei-Kronen-Loge ein Fest veranstaltete, fragte er u. a. nach dem Stande der Straßenbeleuchtung und erwähnte, dass er durch den Medizinalrath Hagen zuerst Kenntnis von der Gasbeleuchtung erhalten habe.

Als Andenken an diese Zeit bewahrte die Familie noch ein Patengeschenk des Königs auf: eine silberne Zuckerschale und ebensolche Löffel. Wie viel Interessantes gab es in diesem alten Königsberger Hause mit seinen heimlichen Winkeln, kleinen steilen Treppen, Tapetentüren und eingemauerten Schränken! Da war vor allem die schöne, nach dem ersten Stock führende Holztreppe von Anno 1700, der malerische kleine Hof mit seiner von Holzsäulen getragenen Galerie, die schwer eichenen Kellertüren mit kunstvollem schmiedeeisernen Beschlag. Von dem alten Hause sollte nur die Giebelfigur der Hoffnung, die von da oben auf die alte Stadt so manches Jahrhundert hindurch herabgeblickt hatte, auf dem Neubau, in den die Hofapotheke natürlich wieder einzog, hoch oben erhalten bleiben. Aber auch das geschah nicht. Man musste sie ins Innere des Apothekenraumes nehmen, da sie wegen Verwitterung Gefahr bedeuten konnte Oft, wie oft schaute ich zu ihr hinauf, wenn mein Weg mich in den neuen Geschäftsraum führte, wo sie auf einem Regal Platz gefunden hatte. Gertrud Dworeck, geb. Hagen.

 

 

Seite 7   Noch einige hundert Deutsche in der Stadt

Aus Königsberg, der schönen Hauptstadt Ostpreußens am Pregel, gelangen heute genauso viele Nachrichten von den jetzigen Zuständen in die freie Welt wie aus irgendeiner Stadt in Sibirien. Nur selten kommt einer von den wenigen noch dort lebenden Deutschen -  es mögen vielleicht einige hundert sein - auf dem einen oder anderen Wege in das westliche Deutschland. Die quer durch Ostpreußen laufende Grenzlinie zwischen dem russischen und polnischen Verwaltungsteil ist mit Wachttürmen besetzt und wird Tag und Nacht von Streifen abgegangen, die von Rudeln scharfer Hunde begleitet werden.

Wenn man alle diese Quellen und Nachrichten zusammenfasst, dann ergibt sich ein erschütterndes Bild von der einst geschäftigen und frohen Stadt, die jetzt von Zwangsarbeitern, Soldaten und fremdartigen Gestalten bevölkert ist. Zwei Drittel der Stadt waren durch Bomben und Granaten zerstört, die Bevölkerungszahl sank von 1939 rund 372 000 auf 1946 etwa 50 000 und 1948 etwa 20 000 deutsche Einwohner. Die letzte Schätzung vom Februar dieses Jahres gibt rund 50 000 Russen usw. sowie einige hundert Deutsche an. Dazu kommen etwa 2000 deutsche Zwangsarbeiter, meist Kriegsgefangene, die in fünf größeren und mehreren kleineren Arbeitslagern in der Stadt untergebracht und z. B. beim Aufbau der Schichau-Werft eingesetzt werden.

Der Aufbau der Werften in Königsberg wurde mit demontierten Maschinen aus ähnlichen Betrieben in Rostock, Stettin und Elbing bewerkstelligt. Außer den Werftanlagen sind auch die Maschinenfabrik Metgethen, die Waggonfabrik Steinfurth und die Zellulosefabrik Sackheim in Betrieb. Das größte ostdeutsche Trockendock wurde zerschnitten und über See abtransportiert.

Die Wohnviertel und die besonders stark zerstörte Innenstadt werden aber nicht wiederhergestellt. Nur einige Gebäude wurden für Dienststellen usw. eingerichtet, sonst ist man gegenwärtig dabei, die Ruinen der Innenstadt einzureißen und das so gewonnene Baumaterial nach Pillau abzufahren. Denn Pillau wird zu einem großen militärischen Stützpunkt ausgebaut, weshalb selbst Russen nur gegen einen besonderen Ausweis Zutritt zu diesem Gelände haben. Von Kriegszerstörungen und mutwilligen Brandstiftungen blieben einige Stadtteile verschont, sie sind deshalb jetzt auch die Hauptwohngegend für die sowjetischen Militär- und Zivilpersonen: Sackheim, Kalthof, Maraunenhof, Hafenviertel, Amalienau, Ratshof.

Die wenigen Deutschen in Königsberg werden nur bei untergeordneten Arbeiten beschäftigt, bei denen sie monatlich höchstens 400 Rubel verdienen können. Auf dem sogen, „freien Markt“- am Bismarckdenkmal oder auf dem Gelände der Wrangel-Kürassier-Kaserne kostet ein Brot minderer Qualität etwa 200 Rubel, und ein Pfund Fleisch wird zu etwa 250 Rubel angeboten. Versuche der Sowjets, die Deutschen durch „kulturelle Betreuung'' in einem „Deutschen Heim“ und durch eine „Zeitung", die bis 1948 im ehemaligen Rundfunkhaus gedruckt wurde, zu gewinnen, blieben erfolglos. Ausreiseerlaubnis nach dem westlichen Deutschland darf nur nach Verhören durch MWD erteilt werden, was einer Ablehnung gleichkommt.

Was ist also die einstige Universitäts- und Hafenstadt Königsberg heute? Ein Trümmerhaufen, belebt von einer Handvoll ausgebeuteter Menschen, eine Durchgangsstation für Soldaten und Waffen, der Sitz des Generalstabsquartiers für Ostpreußen, - der sowjetischen Bastion gegen den Westen - das in der früheren Provinzial-Blindenanstalt in der Luisenallee untergebracht ist.

 

Königsberger Treffen in Stuttgart

Am zweiten Pfingstfeiertag findet in Stuttgart-Untertürkheim im Saalbau „Sängerhalle“ ein Treffen für die in Süddeutschland lebenden Königsberger Landsleute statt. An dem Treffen werden sich auch die Landsleute aus den Kreisen Fischhausen, Labiau und Pr.-Eylau beteiligen.

 

 

Seite 8   Aufruf zur Mitarbeit: An alle Königsberger!

Die Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -angestellten und -arbeiter in (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1, teilt mit:

Unser Kollege und Mitarbeiter, Herr Stadtinspektor Reinhold Neiß hat nunmehr die amtliche Stelle In Duisburg übernommen. Wir bitten daher alle Königsberger, soweit dies möglich ist, an dem Werk der Patenschaft ehrenamtlich mitzuarbeiten. Nach Weisung des dortigen Haupt- und Org.-Amtes wird mit der Aufstellung einer Heimatkartei nach folgenden Gesichtspunkten begonnen:

Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Beruf, Königsberger Dienststelle, Jetziger Wohnort, Königsberger Wohnung. Familienangehörige, die im betreffenden Haushalt leben, verh., ledig, verw., gesch.; bei der Ehefrau ist der Mädchenname sowie das Geburtsdatum einzusetzen. Bei Kindern genügt Vornamen und Geburtsdatum. Aus diesen Angaben werden sich späterhin alle Erfordernisse ergeben. Wer von den Landsleuten der Meinung ist, dieses nicht angeben zu brauchen, braucht sich nicht zu wundern, seinen späteren Antrag nicht schnellstens erledigt zu wissen. Es bleibt sich gleich, ob eine frühere Angabe zu irgendeiner Registrierung stattgefunden hat oder nicht.

Die Arbeitskameraden der Stadtverwaltung stellen nunmehr ihre Anträge an die dortige Stelle: „Patenschaft für Königsberger". Der Suchdienst unserer Anschriftensammelstelle geht erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Duisburg über, um den Aufbau der Heimatkartei nicht zu stören. Alle Landsleute, die für die Königsberger Fahne gezeichnet haben, werden hiermit aufgefordert, den Betrag der dortigen Stelle einzuzahlen. Es haben gezeichnet:

Firma Brüder Plorin , Bonn 25.--,

Margarete Deneke 5,--,

Sammlung Frau Margarete Conrad 17,--,

Volksschullehrerin Frida Haubensack 5,--,

Biblioth. Inspektorin Clara Molter 5,--,

Frau Frieda Schulz geb. Brustat 5,--,

Frau Elsa Schulze geb. Poohse 5,--,

Stadtsek.in Anna Lange 3,--,

Georg Nitsch 3,--,

Gerhardt Faust 3,--,

Gertrud Seidler 3,--,

Charlotte Boy 3,--,

Dipl.-Chem. Dr. Gruhl 5,--,

Ungenannt 15,--,

Stadtamtmann Siebert 5,--,

Frau Anna Grohnert 2,--,

Margot Krumm 5,--,

Frl. Rosa Bork 0,50,

Frau Elise Keßler 2,--,

Frau Tribukait 1,--,

Erich Schwarz 0,50,

Bernau 1,--,

Frau E. Schwarz 1,-- und

Doinet 0,50 DM,

zusammen 120.50 DM. Weitere Zahlungen nimmt die Duisburger Königsberger Patenstelle (Stadtverwaltung) entgegen. Benötigt werden 125,-- DM zur Beschaffung dieser Ehrenstadtfahne.

Es haben sich gemeldet, resp. deren Adressen ermittelt wurden:

Vermess.-Ing. Arnemann,

Hausmeister Walter Bethig (Turnhalle Yorkstr.),

Techn. Zeichner Kurt Bartel,

Verm.Ob.-Insp. und Kartograf Arthur Cieszynski,

St.-Insp.-Anw. Wilhelm Daguns,

Lehrer a. D. Emil Ferch,

Witwe des Gelderhebers Fritz Flach (K.W.S.),

Angest. Gerhard Faust (Gaswerk),

Herbergswart Alfred Grohnert (Obdachlosenpoliz.),

Vermess.-Zeichner Friedrich Hinz,

Lehrerin Ruth Intrup,

Rektor Alfred Klugmann (Schönschule, russ. Gefangenschaft),

Hilfsschulrektor Gustav Klugmann.

Gärtner Hermann Kreutzer (Gem. Frdhof.),

Telefonist Emil Klein,

Lehrer Richard Liedtke (Frischbier- und Farnheidschule),

Speichermeister Fritz Müller (Hafen),

Lehrer Walter Paschkowski (Schönschule),

Vermess.Techniker Pateisat,

Frau Hedwig Siesinski, Kriegssch. Stelle),

Arthur Sager (Straßenbauamt),

St.-Sekr. i. R. August Schäfer (Betr. Kr.K),

Vermess.-Rat Walter Schlünz.

Verm.-Zeichnerin Schwenzfeier,

Charlotte Schmidtke verehel. Höhne,

Vermess.-Zeichner Kurt Stock,

Spark.Angest. Rudolf Winter,

Vermess.-Insp. Arnold Walter,

St.-Sekr. i. R. Ernst Lockau,

Stadtassistentin Elfriede Schink,

Witwe Anna Störmer (Spark.).

Gesucht werden:

Mittelschullehrer Gustav Klaaßen und Frau Elisabeth.

Volksschullehrer Emil Kötzing (Hagenstr.),

Ella Lockau (Cranzer Allee 74 d),

Kaufm. August Thulke, Gumbinnen, Goldaperstr. 44,

Lehrer Wolf (Fichtelschule),

ferner die Kammermusiker Otto Boruvka, Kurt Sachs, Paul Borchert, Fritz Haake.

Wir suchen dringend eine Foto-Aufnahme von einem Nachmittags-Ausflug des Stadtamtes 17 (Wirtschaftsamtes), wo unser verstorbener Kollege Stadtamtmann Paul Schulz  aufgenommen ist. Es kann aber von dem Genannten auch jede andere Aufnahme sein. Auf die Aufnahme vom Stadtamt 17 wird besonderer Wert gelegt. Wer hilft uns nun damit? Foto kann später zurückgeschickt werden.

 

Unerwartet erhielten wir die traurige Nachricht, dass unser guter Kollege, Stadtinspektor i. R. Arthur Faust, am 11. Mai 1952 verschieden ist.

Weiter sind verstorben: August Störmer (Fuhrgesellschaft),

Fritz Schelletter,

Horch

Kutscher Jackstein (Fuhrgesellschaft)

Frau Stein (Fuhrgesch.),

Bahr (KWS)

Wir werden ihre Andenken in Ehren halten! Da unsere Anschriftenstelle mit von der Patenstadt Duisburg übernommen wird, bitten wir alle Arbeitskameraden die vor rund einem Jahr das gedruckte Anschriftenverzeichnis erhalten haben und den Unkostenbeitrag dafür von 1,-- DM noch nicht entrichtet haben, diesen nun an uns zu entrichten.

Aus den Reihen unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter ist uns der Vorschlag gemacht worden, die Anschriftensammelstelle, falls sämtliche Aufgaben dieser an Duisburg abgegeben werden, die Kameradschaft unter uns weiter bestehen zu lassen. Wenn nun die Stadt Duisburg die Patenschaft übernommen hat, dann sind wir dafür, dass sämtliche Gruppen und Grüppchen in der kommenden Königsberger Notgemeinschaft zusammengeschlossen sind. In den jährlichen Königsberger Treffen in Duisburg wird es sich beweisen wie groß der Zusammenhalt aller Königsberger sein wird. Tatsache ist nun einmal, dass in erster Linie die Arbeitskameraden der Stadtverwaltung zur ehrenamtlichen Mitarbeit zum Ausbau der Patenschaft verpflichtet werden. Die Besorgnis, dass die Stadtverwaltung abseits stände, entspricht nach den gegebenen Umständen nach nicht ganz unserem Vorhaben. Wir rufen daher unseren Ortsgruppenwerbeleitern zu, dafür zu sorgen, dass die Angaben zur Heimatkartei schnellstens gemacht werden. Je früher wir damit fertig sind, desto schneller setzt der Suchdienst und die Kameradschaftshilfe ein.

Bei allen Anfragen usw. ist stets Rückporto beizufügen.

 

 

Seite 8   Königsberger Nachrichten

Als neue Oberin des Königsberger Diakonissen Mutterhauses der Barmherzigkeit jetzt in Berlin-Nikolassee wurde Schwester Charlotte Bamberg durch Bischof D. Dr. Dibelius in ihr Amt eingeführt. Nachfolger des heimgegangenen Pfarrers und Vorstehers Stachowitz soll Pfarrer Kaufmann, der derzeitige Geschäftsführer des Ostpr. Provinzial-Vereins für Innere Mission, werden.

Frau Olga Budinski, geb. Otto aus Königsberg, Philosophendamm 6, jetzt in Dortmund, Bergstraße 70, wohnhaft, wird am 12. Juni 74 Jahre alt. Wir wünschen ihr alles Gute und einen gesegneten Lebensabend.

Durch Unglücksfall kam der frühere Oberfinanzpräsident in Königsberg Herr Erich Zerahn ums Leben. Zerahn, der aus Rastenburg stammte, war u. a. Leiter des Staatssteueramtes in Gumbinnen und des Finanzamtes in Elbing und schließlich Oberfinanzpräsident in Nürnberg gewesen. 1943 wurde er zum Oberfinanzpräsidenten in Königsberg ernannt. Als 1. Vorsitzender der Kreisgruppe Königsberg in Lübeck, setzte er sich unermüdlich für seine Landsleute ein.

Die Königsberger Firma Herbert Dyck konnte in Lübeck, wo sie unter schwierigen Umständen wieder ein Geschäft in der Mühlenstraße 4 aufgebaut hat, ihr 25-jähriges Geschäftsjubiläum feiern.

Sein vierzigjähriges Dienstjubiläum konnte in diesen Tagen Direktor Dr. phil. Bruno Brell feiern. Brell ist jetzt Leiter der kaufmännischen Bildungsanstalten in Vegesack bei Bremen. Der Jubilar war in Königsberg im kaufmännischen Schuldienst der städtischen Lehranstalten und als Dozent an der Handelshochschule tätig.

Alle Königsberger Malermeister werden zwecks Vorbereitung eines Treffens gebeten, sich bei ihrem Königsberger Obermeister Artur Birkmann, Dillenburg (Hessen), Hofgarten 21, zu melden.

 

Das Fest der goldenen Hochzeit feierten im 5. Mai 1952 Friseurmeister Franz Kylau und Frau Elisabeth, geb. Zenk, aus Königsberg. Jetzt in Elmshorn, Goethestraße 21, II

 

Seinen 80. Geburtstag feierte kürzlich der ehemalige Obermeister der Klempner- und Installateur-Innung zu Königsberg, Franz Bartschat, bei völliger geistiger und körperlicher Rüstigkeit, Obermeister Bartschat, der heute in Brunsbüttelkoog, Lager Kippe 3c, wohnt, war lange Zeit Alterspräsident der Königsberger Stadtverordnetenversammlung. Längere Zeit gehörte er auch dem Deutschen Reichstag sowie dem Ostpreußischen Provinziallandtag als Abgeordneter an. Auch in Brunsbüttelkoog wirkte er sechs Jahre lang als Mitglied der Ratsversammlung.

 

Wer kennt die Anschrift von dem Königsberger Maler, Graphiker und Dichter Daniel Staschus, der erst kürzlich seinen 80. Geburtstag feiern konnte? Nachricht erbeten an Frau Ida Wolfermann-Lindenau, Marburg/Lahn, Rotenberg 24a.

 

Wer ist im Besitz der „Dramatischen Spiele" von Agnes Miegel sowie der Schriften „Liederschrein" und „Wundergarten" von Plenzat? Meldungen erbeten an Studienrätin K. Konarsky, (24b) Büsum, Otto-Johannsen-Straße.

 

Königsberger Diakonissen kamen

In den letzten Transporten, die aus den polnisch verwalteten Gebieten nach Berlin gekommen sind, befanden sich u. a. 10 Schwestern aus dem Diakonissenhaus der Barmherzigkeit, ehemals in Königsberg. Einige der ostpreußischen Schwestern sind bereits weit über die  80; sie haben ihren Gemeinden bis zur letzten Stunde gedient.

 

Wer kann Aufklärung geben? Bei den Kämpfen um Königsberg sollen viele Häuser in der Yorckstraße ausgebrannt sein und die Einwohner dieser Häuser den Tod gefunden haben. Die verkohlten Leichen sollen auf Lastwagen geladen und in Massengräbern bestattet worden sein. Wer kann über diese Vorgänge nähere Aufklärung geben? Nachricht erbeten an Dr. Kurt Linck, Essen, Im stillen Winkel 22.

 

Königsberger-Treffen in Hamburg

Ein Königsberger Treffen wird von der Landmannschaft Ostpreußen am 20. Juli in Hamburg durchgeführt. Das Treffen findet in der Ernst Merck-Halle statt.

 

Eigentümer oder Erben gesucht

Eine größere Anzahl von Sparbüchern wurde dem Suchdienst Hamburg des Deutschen Roten Kreuzes, Hamburg-Altona, Allee 125, übergeben. Es handelt sich dabei um Sparbücher von Vertriebenen aus Ostpreußen, Danzig, Westpreußen und Pommern, die nach Kriegsende in Dänemark interniert wurden. Rechtmäßige Eigentümer oder Erben können bei Angabe der Kontonummer der Heimatsparkasse, der Höhe des Sparguthabens, und einer Bescheinigung über die Beschlagnahme der Sparbücher ihren Anspruch auf Rückgabe dir Dokumente beim Suchdienst geltend machen.

 

 

Seite 8   Meldet Euch bei der Patenstadt! Königsberger Treffen im September in Duisburg geplant

Das Haupt- und Organisationsamt der Patenstadt Duisburg teilt mit:

Die Übernahme der Patenschaft für Königsberg durch die Stadt Duisburg ist durch die Königsberger mit freudiger Anteilnahme begrüßt worden. In wachsendem Umfange treten ehemalige Königsberger Einwohner mit ihren verschiedenen Anliegen an die Stadt Duisburg heran. Die Stadt Duisburg hat eine dem Haupt- und Organisationsdienst angegliederte „Auskunftstelle Königsberg" eingerichtet, die hauptamtlich mit einem ehemaligen Beamten der Stadt Königsberg besetzt ist und den Königsbergern nach Möglichkeit mit Rat und Hilfe und zur Auskunftserteilung zur Verfügung stehen will. Die Kartei ehem. Königsberger Einwohner, die bisher bei der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisvertretung Königsberg (Stadt) in Hamburg geführt wurde, wird Ende Mai durch die Stadt Duisburg übernommen. Die bisher in Duisburg eingelaufenen Suchanträge werden nunmehr beantwortet werden. Zur Vervollständigung dieser Kartei werden alle ehem. Königsberger aufgerufen, der Stadt Duisburg ihre jetzige Anschrift mitzuteilen. Im eigenen Interesse empfiehlt es sich, möglichst genaue Personal, und Berufsangaben in deutlicher Schrift zu machen und dabei auch die Königsberger Anschrift und zweckmäßigerweise die Königsberger Arbeitsstelle mitzuteilen. Am 7. September 1952 will die Stadt Duisburg in Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisvertretung Königsberg (Stadt), ein Treffen der Königsberger in Duisburg veranstalten. Die Vorbereitungen dazu haben begonnen. Näheres wird noch bekanntgegeben werden.

 

 

Seite 8   Briefverkehr eingeschränkt

Berlin. Um das Bekanntwerden der wahren Zustände in Polen und in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten zu unterbinden, hat das polnische Postministerium auf Veranlassung des Ministeriums für Staatssicherheit in einer Verfügung den Briefverkehr mit „kapitalistischen Ländern" eingeschränkt und einer scharfen Zensur unterworfen. Nach den nicht dem Ostblock angehörenden Ländern - darunter nach Deutschland - dürfen pro Person nur noch ein Brief im Monat gesandt werden. Außerdem ist der Brief offen am Postschalter abzugeben. Durch die neue Verfügung ist insbesondere der Briefverkehr der in Pommern, Ost- und Westpreußen sowie Schlesien verbliebenen Deutschen mit ihren Angehörigen im Vierzonen-Deutschland betroffen.

 

 

Seite 8   50 Jahre ASCO

Über ein Kameradschaftstreffen der im Süden lebenden Mitglieder des ASCO-Königsberg, der in diesem Jahre sein 50-jähriges Bestehen feiert, berichtete die Nürnberger Zeitung:

Der „Club" hatte zum Fußballspiel gegen SV Waldhof eine Gruppe von Mitgliedern des ehemaligen „Akademischen Sport-Clubs Ostpreußen" Königsberg (ASCO), die zu einer internen Tagung in Nürnberg weilten, als Ehrengäste in den Zabo geladen. Diese kameradschaftliche Geste hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Königsberger Sportkameraden sich in Nürnberg sehr wohlfühlten.

Der ASCO gehörte mit dem VfB, Prussia-Samland und dem VfK zu den vier großen Königsberger Sportvereinen. Die Leistungen seiner Aktiven machten den Verein weithin berühmt. Nach dem Kriege (1948) ergriffen nach dem Westen übersiedelte Mitglieder des ASCO die Initiative und riefen ihre ehemaligen Kameraden zusammen. Zum ersten Treffen nach der Währungsreform fanden sich schon 60 „Ascoten" ein. Darauf wurde beschlossen, ein Traditions-Jahrestreffen jeweils in der ersten August-Hälfte in Hamburg durchzuführen. Aus diesem Treffen heraus hat sich dann der „Verein ostpreußischer Rasensportler" (VOR) gebildet.

Bei der internen Tagung der Königsberger Kameraden im „Club"-Heim stand besonders die Jubiläumsfeier des 50-jährigen Bestehens des ASCO vom 8. bis 10. August in Hamburg, das verbunden ist mit dem Treffen des VOR, im Mittelpunkt der Besprechung, die von den alten „Ascoten" Dr. Schmidtke - Friedberg und Dr. Jacobs - Nürnberg geleitet wurde. Aus Frankfurt, München, Augsburg waren die ASCO-Kameraden zusammengekommen; auch die drei „Nürnberger" waren dabei. Leider vermisste man u. a. den Gründer der Kameradschaft, Hans Schemionek, den bekannten Schiedsrichter Fritz Bouillon- Marburg und Walter Zurth, Stuttgart. An die Hamburger Feier, zu der auch eine Vereins-Chronik fertiggestellt wird (Kurt Kalinna sammelte viel Material), knüpfen die „Ascoten" große Erwartungen.

Im „inoffiziellen" Teil schwelgten die Königsberger in Reminiszenzen sportlicher und geselliger Art. Es war köstlich, den kleinen Geschichten und Erinnerungen der älteren Herren über und an den Königsberger Sport zu lauschen.

Der Exilsitz der Sportvereinigung „ASCO" Königsberg befindet sich bei Hans Schemionek in Sulingen/Hannover, Lange Straße 75. Die Geschäftsstelle leitet Frau Ilse Kock-Sieloff, Bremen, Hastedter Heerstraße 101.

 

 

Seite 8   Liste der Auskunftsstellen

Der Lastenausgleichausschuss des Bundes der vertriebenen Deutschen hat unter Zugrundelegung authentischen Quellenmaterials eine umfassende Liste der Auskunftsstellen ostdeutscher Geldinstitute in der Bundesrepublik zusammengestellt. Diese Liste ist für die Vertriebenen im Hinblick auf die Anmeldung ihrer Ostsparerschäden ein wertvolles Hilfsmittel bei der Beschaffung der notwendigen Beweisunterlagen. Sie enthält die Bezeichnung der Geldinstitute, die Anschriften der Auskunftsstellen und ihren ehemaligen Heimatsitz sowie den Wortlaut des Antrages auf Entschädigung im Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener. Die Liste der Auskunftsstellen ist soeben im „Wegweiser für Heimatvertriebene", Verlags-GmbH., Frankfurt a. M., Goethestraße 29, erschienen. Bestellungen sind unter dem Stichwort „Auskunftsstellen" und bei Vorauszahlung von 1,— DM an den Verlag zu richten.

 

Ostsparergesetz

Im Wegweiser-Verlag, Frankfurt a. M., Goethestraße 29, ist im Rahmen der Schriftenreihe des BvD eine Broschüre mit dem vollen Wortlaut des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener erschienen. Die Schrift, die gegen Voreinsendung von 1 DM (Postscheckkonto Frankfurt a. M. 44 123) beim Wegweiser-Verlag erhältlich ist, enthält außerdem einen ausführlichen Kommentar, bearbeitet vom Lastenausgleichausschuss des BvD.

 

 

Seite 8   Von Löbels Würstchen

Dass es eine „Königsberger Neue Zeitung" gibt, dass sie ins Leben getreten ist, muss eigentlich als ein Wunder bezeichnet werden.

Wer in der Rippenstraße geboren von der Herbatstraße zur Taufe in den Dom gefahren worden ist, wer dann einige Jahrzehnte hindurch seinen Berufspflichten Königstraße nachzugehen hatte, dem kommen bei Durchsicht der ersten Nummer der Zeitung Gedanken und Erinnerungen in einem Umfang ins Gedächtnis, dass es für die innere mühsam errungene Ruhe gefährlich ist, denselben nachzugehen.

So ziemlich an erster Stelle dieser Erinnerungen stehen „Löbels Würstchen". Sie wurden hergestellt in der Fleischerei des Meisters Löbel, dessen Verkaufsstelle man mit einigen Schritten erreichte, wenn man vom Altstädtische Kirchplatz, dem späteren Kaiser-Wilhelm-Platz, zur Markthalle und zur Laak hinunterwollte. Ein Besuch der Fleischerei von Löbel gehörte zu den ersehnten außerordentlichen Genüssen, die die Vaterstadt zu bieten hatte. Die Würstchen kosteten in jener über 60 Jahre zurückliegenden Zeit einen Dittchen, zehn Pfennige. Sie waren köstlich. Es dauerte in der Regel nur einige Minuten, bis sie heiß aus einem Wasserbassin entnommen, auf einem Stückchen Papier mit dem dazugehörigen Mostrich in Empfang genommen werden konnten. – Wie dankbar war man dem guten Vater und der Mutter, wenn man mit mehreren Geschwistern zu „Löbels“ gehen konnte.

 

Jeder alte Königsberger wird die beiden engen Fensternischen zu beiden Seiten der zu dem Verkaufsraum Löbels führenden Treppe im Gedächtnis haben und ihnen nachtrauern, wenn er sich die Preise für die warmen Würstchen ansieht, die es heute irgendwo zu erwerben gibt. –

Kein Zweifel kann für einen alten Königsberger darüber bestehen, dass alle Halberstädter, Frankfurter, Thüringer Würstchen und wie sie sonst in den deutschen Städten mehr oder weniger preiswert zu haben waren, nichts waren gegen Löbels Würstchen.

Dass sie in den Jahren vor dem letzten Krieg in Königsberg auch schon nicht mehr in Erscheinung traten, lag daran, dass die alte und angesehene Fleischerei aus irgendwelchen unbekannten Gründen eingegangen war und die Räume einer Art von Trödelladen dienen mussten. Jedem alten Königsberger im Gedenken dieser Königsberger Leckerbissen einen festen Händedruck. Erich Reichelt, Stuttgart.

 

 

Seite 9   Christliches Ostdeutschland. Von Prof. Götz von Selle

Als Ausgang des Mittelalters entsteht das östliche Deutschland. An allen Stellen aber, wo diese Bildung sich allmählich vollzieht, gehen Kirche und deutsche Herrschaft Hand in Hand. Jeder Erfolg deutscher Weltlichkeit bedeutet auch einen geistlichen Gewinn. Die Kolonisation ist aufs engste mit der Mission verknüpft. Kaiser Otto I. hatte bereits ein Bistum in Posen begründet. Von weitaus größerer Bedeutung war die Errichtung der kirchlichen Metropole Gnesen im Jahre 1000 durch Otto III. Sie erhielt ihre besondere Weihe dadurch, dass hier die Gebeine des heiligen Adalbert bewahrt wurden Im Glauben an Christus und in der Arbeit an den Heiden hatte er 997 den Märtyrertod erlitten. Pommern, Preußen, Polen und schließlich auch Schlesien wurden Gnesen unterstellt. Bis in die baltischen Länder hinauf wurde von hier die Mission vorgetragen, ein Augustinerchorherr war für dieses Gebiet zum Bischof geweiht worden. Durch ihn kamen die Mönche des Prämonstratenser und des Zisterzienser Ordens in das Land; am Anfang des 13. Jahrhunderts folgten ihnen die Kreuzritter. Es bildete sich hier der Orden der Schwertbrüder, in deren Gefolge viele Deutsche in dieses Gebiet kamen.

Auch Preußen hatte 1215 einen eigenen Bischof bekommen, der Gnesen unterstand. Aber die Verhältnisse gestalteten sich so verworren, dass der polnische Herzog Konrad von Masovien sich entschloss, den Deutschorden in das Land zu berufen, um das preußische Land zu befrieden und zum Christentum zu bekehren. Das war im Jahre 1226. Der Orden erzielte einen vollen Erfolg, er erhielt das von ihm befriedete Land zu Eigen. Der Papst unterstellte den Orden seiner unmittelbaren Gewalt. Das Land Preußen verlieh er ihm auch seinerseits zu eigen und versicherte ihn seines Schutzes. Es ist die Geburtsstunde des deutschen Ordensstaates und der Beginn einer Kultur, wie sie selten in solcher Geschlossenheit innerhalb des Christentums anzutreffen ist. Alles in diesem Gemeinwesen ist dem alleinigen Zweck unterstellt, der Ausbreitung des christlichen Glaubens zu dienen. Im Jahre 1226 erhält Hermann von Salza, der erste Hochmeister, das kaiserliche Privileg für den Deutschorden. Dort wird von Kaiser Friedrich II. verkündet, der Sinn dieses neuen Staatswesens sei die Predigt des Evangeliums, „damit wir nicht weniger die Unterwerfung wie die Bekehrung der Heiden erstreben. Wir gewähren also die Gnade der Verleihung, durch die rechtgläubige Männer für die Unterwerfung barbarischer Völker und die Besserung des Gottesdienstes beständige, tägliche Mühen auf sich nehmen und Mittel und Leben mutig einsetzen". In einem Leben voll unerhörter Geschlossenheit hat dieses mönchisch-ritterliche Gemeinwesen in erstaunlich kurzer Frist eine christliche Welt geschaffen. Alles erwächst aus dem Willen zur Mission. Alles ist Gottesdienst. Der Burgenbau trägt diese Züge an sich, wie auch der einfache Profanbau. Das einprägsamste Denkmal dieser hohen religiösen Kunst aber ist die Marienburg. Der Orden bestimmt diese gesamte Kultur, die auch ihren literarischen Niederschlag findet. Auch hier sind die Ordensbrüder Träger dieser ausschließlich geistig gerichteten Dichtung. Die deutsche Literatur der Zeit ist dem Minnesang und dem großen Epos gewidmet. Hier in Ostpreußen ist nichts von diesen Motiven zu finden. Heiligenleben, Bibelnachdichtung und Chronik das sind die Formen dieser Literatur, die wohl keinen hohen absoluten Wert beanspruchen kann, aber sie ist bis in die letzte Faser hinein religiös gestimmt. Die Ordensmeister selbst betätigten sich auf diesem Feld. Das bedeutendste Werk ist die Kronike von Prussinland des Nikolaus von Jeroschin. Dass eine solche Dichtung das Licht der Welt erblicken konnte, bewies die tiefe Verwurzelung der Ordensritter in Preußen, die durch einen großen Strom von Ansiedlern eine starke Verbreiterung mit der Zeit erfahren hatte. Denn der Orden hatte sich bewusst dieses Mittels der Kolonisation bedient im Sinne seiner Missionsidee.

Eine ähnliche Entwicklung haben die Dinge auch in Schlesien genommen, wenn hier auch längst nicht die gleiche Geschlossenheit einer religiösen Kultur wie in Ostpreußen erreicht wurde. Am Anfang der christlichen Geschichte Schlesiens steht die Gestalt der heiligen Hedwig, der Großnichte des heiligen Bischofs von Bamberg, der den Pommern den Glauben gebracht hatte. Ihre Schwester ist die Königin Gertrud von Ungarn, die wieder der heiligen Elisabeth Mutter ist. Bis Böhmen hinein ist diese Familie ausgebreitet, die Heilige und Selige zu den ihren zählt. Sie alle stehen an irgendeiner entscheidenden Stelle zu Beginn der geistigen Geschichte Ostdeutschlands. Hedwig war Schülerin der Benediktinerinnen von Kitzingen, um 1200 wird sie die Gemahlin Herzog Heinrichs von Schlesien, ihr Sohn ist Heinrich, der unter dem Namen des Frommen bekannt wurde. Sie bringt die Zisterzienser in das Land. Viele Deutsche sind damals durch Herzog Heinrich nach Schlesien geholt worden. In den nun folgenden 100 Jahren sind fast 100 Städte und mehr als 1000 Dörfer entstanden. Die gesamte Kultur Schlesiens geht auf die Leistung dieser deutschen Ansiedler zurück, vor allem das kirchliche Leben. So ist etwa in Neiße-Ottmachau die Zahl der Pfarreien von vier auf 57 gestiegen. Ähnlich war die Entwicklung der Klöster, die auch die heilsamste Einwirkung auf die wirtschaftliche Kultur des Landes hatten; die Zisterzienser standen hier in vorderster Linie. Von besonderer Bedeutung ist ihre Arbeit in dem Kloster Rauden in Oberschlesien gewesen, das 1252 erbaut wurde. Man besitzt aus seiner Entstehungszeit noch Predigten der Mönche, aus denen der Kampf des christlichen Glaubens gegen alte Volksüberlieferungen deutlich erkennbar ist. In den Klöstern jener Zeit selbst herrschte reges geistiges Leben, das frühzeitig die Neigung zu mystischen Gedankengängen aufweist. Auch später war gerade dieses Kloster Rauden eine Pflegestätte dieser Art des Glaubenslebens; um 1400 findet man Spuren des Einflusses der Frömmigkeit des kaiserlichen Kanzlers Johann von Neumarkt. Rauden ist zur Zeit Karls IV. der Mittelpunkt des geistlichen Lebens in Oberschlesien. Deutsche sind die Träger dieser Frömmigkeit gewesen. In unmittelbarer Nähe der großen Wälder von Rauden erhoben sich später Dorf und Schloß Lubowitz, die Heimat Eichendorffs.

In den Städten Schlesiens hatten hauptsächlich die Franziskaner und Dominikaner das westliche Bildungsgut vermittelt; sie waren den Zisterziensern und Prämonstratensern gefolgt. Die heilige Hedwig hat die abendländische Kultur bis an die Ostgrenze Polens geführt, diesen Teil des Ostens also für das Abendland gewonnen. Mit dem christlichen Glauben kam das deutsche Recht, das auch den Polen wünschenswert erschien. Die Leistung der heiligen Hedwig hat beispielhafte Bedeutung für Ostdeutschland überhaupt gehabt, denn in den anderen Ländern waren die Vorgänge ja ähnlich. Im Jahre 1241 ereignet sich der große Einfall der Tartaren in Schlesien. Es war die Tat schlesischer christlicher Ritter, dass dieser Anprall abgeschlagen wurde. Die Schlesier haben damals den christlichen Glauben und das Reich vor dem Asiatentum gerettet, sie haben in ihrem Land die geistige Grundlage gefestigt, die Jahrhunderte lang eine tiefe Bedeutung behalten sollte. Wenn auch die Tartaren damals siegten, so kam doch ihr Vordringen zum Stehen; sie kehrten um, vielleicht, weil ihr Oberherr Ogotai starb. Es liegt aber ein symbolischer Sinn in diesem fast unerklärlichen Ereignis, dass siegreiche Heerscharen vor einem kleinen Häuflein zu stehen kommen. Heinrich der Fromme war gefallen. Zum ersten Male in seiner Geschichte leistete Schlesien der abendländischen Christenheit einen entscheidenden Dienst. Einer der Grundpfeiler des christlichen Ostdeutschland war errichtet. Ein zweiter wurde mit der Einführung der Reformation erbaut.

Die Reformation fasste auf schlesischem Boden zunächst in Breslau und Liegnitz festen Fuß. Der Begründer der neuen Bewegung war der Pfarrer an der Breslauer Maria-Magdalenenkirche Johann Hesse (1523). Enge Freundschaft verband ihn mit den Reformatoren, wie seinen Amtsbruder von St. Elisabeth Ambrosius Moiban, der auch Wittenberger Doktor war. Die Stadt Breslau wurde durch diese beiden Männer evangelisch. Bistum und Domkapitel verblieben fast in der Rolle einer katholischen Enklave. In Liegnitz hatte sich am Hofe Herzog Friedrichs II. ein anderes Zentrum der neuen Lehre gebildet, zu der auch die Herzogin Ursula von Münsterberg Beziehungen hatte. Diese war aus einem Kloster in Sachsen zu Luther geflohen (1528), wo sie eine Schrift über ihre Flucht veröffentlichte; Luther hatte selbst ein Nachwort dazu verfasst. Sie bekannte sich ohne eine Bindung an eine weltliche Gewalt der Kirche zu dem Evangelium Christi. Sehr viel bedeutsamer wurde indes die Bewegung, die sich an den Namen Caspar Schwenckfelds von Ossig (1490 - 1561) knüpft. Er war im Fürstentum Liegnitz ansässig, hatte sich frühzeitig mit der lutherischen Lehre befasst und suchte sie nun in einer mystischen Weise fortzusetzen. Er fühlte sich durch Taulers und Luthers Schriften - besonders aus dessen Frühzeit - bis ins Innerste erregt, nicht unbeeinflusst durch Karlstadt. Jetzt begründete er Konventikel in Liegnitz, wo er Rat des Herzogs war, er nannte sie „Liebhaber der Glorie Christi". Es kam ihm auf die Erneuerung des inneren Menschen an, und es vermisste bei Luther die ihm möglich erscheinende Tiefe dieses Bestrebens. Er glaubte an

die Vergottung des Leibes Christi, in ungeteilter Einheit sah er in Christus den Herrn und Gott, uralte Spekulationen aus der Zeit des Chalcedonensischen Konzils wieder aufnehmend. Dem Herzog Albrecht in Preußen unterbreitete er seine Lehre, auch dem Königsberger Paul Speratus. An der Predigt des Evangeliums in lutherischer Weise fehlte ihm etwas. Er vergeistigt den Sinn des Abendmahls, es ist ihm ein Mahl für die Seele, für die Auserwählten im Reiche Gottes. Schwenckfeld eröffnet die Reihe jener schlesischen Grübler, die - vielfach adliger Herkunft - ihr Hauptanliegen in der inneren Wiedergeburt des Menschen sahen. 1529 hatte er in das Exil gehen müssen, keineswegs gingen seine Anhänger zu Luthers Lehre über; sie blieben teils unangefochten im Amt, teils ließen sie Plackereien aller Art über sich ergehen. „Gott wirkt ohne alle Mittel und Bilder", so hatte er gelehrt. „Der Mensch muss alles vergessen und fallen lassen und zu dem Einsprechen der Gnade aller Dinge ledig, gelassen und allen Kreaturen genommen sein, gänzlich Gott ergeben." Es war sicher, dass eine solche Lehre jeder Kirchenbildung entgegenstehen musste. Zu dieser Folgerung hat sich Schwenckfeld wohl nie bekannt, aber seine Lehre bedeutete für die junge lutherische Kirche eine schwere Krise, wo beide Kreise miteinander in Berührung kamen. Dass es Schwenckfeld in seinem Willen auf die innere Wiedergeburt der menschlichen Seele tief ernst nahm, konnte von niemand bezweifelt werden. Die Entwicklung der Reformation in Schlesien war keineswegs ein Siegeszug der neuen Lehre zu nennen. Ganz allmählich nur fand sie Eingang. Zu Ende des 16. Jahrhunderts freilich war Niederschlesien ganz protestantisch geworden, und auch in Oberschlesien traf man zahlreiche lutherische Gemeinden an. Fortsetzung folgt.

 

 

Seite 9   Unsere Buchbesprechung. Neue Zeitschrift für Ostforschung

Zeitschrift für Ostforschung. Länder und Völker im östlichen Mitteleuropa 1. Jg. 1952 H. 1. N. G. Elwert Verl. Marburg/Lahn.

Das Erscheinen der Zeitschrift für Ostforschung und der Inhalt des 1. Heftes wird bei allen, die an der weiteren deutschen Ostforschung interessiert sind, große Freude auslösen und sollte darüber hinaus in der gesamten Forschung und Lehre besondere Beachtung finden. Hiermit beginnt man tatsächlich eine seit 1945 kaum schließbare Lücke auszufüllen. Mit dem allgemeinen Zusammenbruch erlagen auch die wissenschaftlichen Organe des deutschen Ostens. Wer um diese Dinge wusste, empfand das besonders schmerzlich, zumal objektive Stellungnahmen und neuere Erkenntnisse nur schwer den Behörden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten. In diesem Zusammenhang sei die Bedeutung der Vertriebenenpresse anerkannt, die sich durch besondere, an die Heimat erinnernde Beiträge um die Erhaltung der Kenntnisse ostdeutscher Kulturgüter verdient macht und durch diesen Akzent sich über die Tagespresse erhebt, darüber hinaus aber auch entsprechende wissenschaftliche Beiträge bringt, um wichtige Forschungsergebnisse zu vermitteln.

Die Zeitschrift für Ostforschung wird im Auftrage des Johann Herder-Forschungsrates von Hermann Aubin , Erich Keyser und Herbert Schlenger (Schriftleitung) herausgegeben. Es würde hier zu weit führen, auf das inhaltreiche 1. Heft einzugehen. Deshalb seien nur die wichtigsten Beiträge genannt. I. Aufsätze: Herm. Aubin, Hambur. An einem neuen Anfang der Ostforschung. Kurt Stavenhagen, verstorben, Herders Geschichtsphilosophie und Geschichtsprophetie. Reinhard Maurach, München, Zur Rechtsnatur des Ostblocks. Fritz Baade, Kiel, Lage und Aussichten der Agrarwirtschaft in Ost-Mitteleuropa. Herbert Ludat, Münster, Die deutschpolnische Vergangenheit in marxistischer Sicht. II. Mitteilungen: Erich Keyser, Marburg L., Der Johann Gottfried Herder-Forschungsrat und das Joh. Gottfr. Herder-Institut. Carl Gustaf Ströhm, Stuttgart, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde in Stuttgart. Es folgen Nachrufe von Reinhard Wittram, Göttingen, auf Leonid Arbusow (1882 - 1951) und von Bruno Schier, Münster, auf Erich Gierach (1881 - 1943). III. Forschungsberichte von Walter Recke, Freiburg Br., Vorbereitung zur 1000-Jahrfeier Polens im Zeichen des historischen Materialismus. IV. Besprechungen. Es berichten Manfred Hellmann, Freiburg Br., über litauische Veröffentlichungen und Rud. Neumann, Marburg/L., über einige polnische Nachkriegsveröffentlichungen. 4. Einzelbesprechungen schließen sich an. Der Teil V Schrifttum, bearbeitet von Herbert Rister, Marburg, bringt ständig eine Bibliographie der deutschen Ostgebiete ab 1945. Das Heft umfasst insgesamt 160 Seiten.

Die neue Zeitschrift dürfte in Kürze ohne Zweifel eine zentrale Stellung in der Fachwissenschaft des In- und Auslandes einnehmen und sollte auch in der deutschen Öffentlichkeit weitgehendste Beachtung finden. Dr. Ks.

 

 

Seite 9   Wir gratulieren!

Am 8. Juni 1952 begeht Frau Emma Uwis geb. Markowski ihren 80. Geburtstag. Frau Uwis war viele Jahre mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen Inhaberin der Konditorei am Dampferanlegeplatz in Nikolaiken. Die Jubilarin wohnt z. Zt. In Rahrbacherhöh bei Welschen-Ennest (Sauerland) bei ihrer ältesten Tochter. Mit ihr feiern ihren Jubeltag ihre noch verbliebenen drei Töchter nebst Schwiegersöhnen, fünf Enkelkindern und zwei Urenkeln. Eine Tochter hat Frau Uwis auf der Flucht und einen Sohn und einen Enkel im Kriege verloren. Wir wünschen der Jubilarin beste Gesundheit und einen noch recht gesegneten Lebensabend.

 

 

Seite 10   188 Vermisstenschicksale der 11. I.-D. geklärt

Die Angehörigen der ruhmreichen 11. Inf.-Division, die nicht nur von deutschen Kommandostellen, sondern mehrfach auch vom Gegner als eine der Standfestesten des deutschen Heeres bezeichnet wurde, trafen sich in Herford zu ihrem ersten Wiedersehenstreffen. Achthundert ehemalige Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, viele noch aus der Friedenszeit dieser Division zugehörig, drückten sich nach so vielen Jahren wieder fest die Hände. Niemand, der nicht wie diese Männer gemeinsam die Schlachten am Wolchow, auf den Ssinjawinohöhen, vor Leningrad, an der Narva und in Kurland durchgestanden hat, kann verstehen, was diese Stunden im Geiste der alten Kameradschaft für alle bedeutete. Die alten Regimentsmärsche, von den ehemaligen Herforder Militärmusikern gespielt, erfüllten den Saal des „Schützenhofes", wo an langen Tischreihen nach Einheiten geordnet, sich die Überlebenden zusammenfanden. Wieder erstand jene alte, treue Kameradschaft von einst. Dies brachte auch der letzte Div.-Kommandeur, Generalleutnant a. D. Feyerabend in seiner Ansprache zum Ausdruck, als er mit diesem Spruch der Lebenden und Toten gedachte:

Was sie waren und galten verblich und verschwand. Dass sie Treu gehalten, das hat Bestand.

Das Lied vom guten Kameraden hörten alle stehend im Gedenken an die Toten, und Hurras galten der unvergessenen ostpreußischen Heimat, unserm ganzen Vaterland und der alten Division. Beim Zapfenstreich mit Gebet und den drei Versen des Deutschlandliedes füllten sich viele Augen mit Tränen. Viel zu kurz waren die Stunden des Erzählens und Erinnerns. Am nächsten Morgen standen die Divisionspfarrer beider Bekenntnisse wieder vor ihren altvertrauten Gemeinden. Ein großer Kranz mit elchkopfgeschmückten Schleifen wurde zum Ausdruck des Gedenkens an alle gefallenen Kameraden niedergelegt. Im Vereinshaus blieben alsdann die Regimenter und selbständigen Abteilungen und Div.-Einheiten im engeren Kreise zusammen.

Wer wollte diesem und anderen ähnlichen Treffen einen anderen Sinn unterschieben als den, welcher in der Tatsache am deutlichsten zum Ausdruck kam, dass allein in diesen beiden Tagen des Wiedersehens 188 Protokolle zur Aufklärung von Schicksalen vermisster Kameraden gegeben wurden, die ein ganzer Stab des Deutschen Roten Kreuzes unter Herrn Graf ununterbrochen niederschrieben und was in diesem Ausmaß bisher unübertroffen ist. Gespräche mit Kameraden brachten die so lange ersehnte Aufklärung. Und es muss erwähnt werden, dass nicht alle Protokolle Todeserklärungen enthielten. So wird es auch weiterhin Aufgabe aller ehemaligen Angehörigen dieser ostpreußischen Infanterie-Division bleiben durch die Pflege der bewährten Kameradschaft aus schwerer Kriegszeit Leid und Sorgen zu mildern, in dem der Vermissten, der Hinterbliebenen, der Versehrten und der Kriegsgefangenen helfend gedacht wird. Das Beispiel von Herford hat bewiesen, dass dies keine Phrase und kein Vorwand ist und es auch nie werden wird. bx

 

Seite 10   61. J.-D.

Für die Kameraden vom Gren.-Regt. 151 haben sich folgende Vertrauensmänner für die Zusammenführung, Vermissten-Suche und sonstige Hilfe an den Kameraden zur Verfügung gestellt: 1. Für Niedersachsen-Ost: Professor Dr. Walter Hubatsch, (20b) Göttingen Merkelstraße 24.

2. Für Niedersachsen-West: Lehrer Bruno Grützmacher, (20a) Obernkirchen, Grafschaft Schaumburg, Wiesenstr. 8.

3. Für Niedersachsen-Nord: Revierförster Oelker, (23) Molbergen, Kr. Cloppenburg.

4. Für Schleswig-Holstein: Superintendent i. R. Max Michalik, (24a) Otterndorf N. E., Breslauer Straße 9.

5. Für Westfalen: Wilhelm Feldhuß, Rheine/Westfalen, Lingner Damm 135.

6. Für das Rheinland: Gerhard Baltruschat, Köln/Riehl, Ehrenbergstraße 14.

7. Für Süd-Deutschland: Martin Weiß, Neustadt a. d. Weinstraße, Friedrichstraße 14. M. Michalik

 

 

Seite 10   Ostpreußenfamilie in Flensburg

Nachfolgende betagte Landsleute der Ostpreußenfamilie in Flensburg haben im Monat Juni Geburtstag:

02.06.1952 Karoline Palfner, Glücksburger Straße 5, 80 Jahre;

07.06.1952 Paul Annuscheit, Johannisstraße 11, 75 Jahre;

12.06.1952 Friedrich Wilhelm, Bückschat, Eichenstraße 1, 70 Jahre;

16.06.1952 Emma Schmidt, Husumer Straße 10b, 71 Jahre;

17.06.1952 Karl Wandtner, Jürgenstraße 89, 70 Jahre;

18.06.1952 Wilhelm Müller, Soitüde 3, 74 Jahre;

19.06.1952 Ottilie Böhm, Gasstraße 4, 80 Jahre;

23.06.1952 August Kaspereit, Mützelburglager, Bar. 2/16, 74 Jahre.

Ebenfalls haben die Vorstandsmitglieder und Delegierten zum Hauptausschuss ihren Geburtstag:

04.06.1952 Karl Borm , Toosbyestraße 19, 50 Jahre:

24.06.1952 Gertrud Hennig , Friesische Straße 115, 60 Jahre.

Allen Geburtstagskindern gratuliert der Vorstand aufs herzlichste. Armoneit

 

Die Maiversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisverein Flensburg, wurde durch den 2. Vorsitzenden Landsmann Hiller eröffnet. Nach der Begrüßung gab er die Termine für das Ostpreußentreffen in Neumünster bekannt. Weiter berichtete er über die Bemühungen betr. Fahrpreisermäßigung zum Ostpreußentreffen und forderte die Landsleute auf, sich recht zahlreich an dieser Sonderfahrt zu beteiligen. Die weiteren geschäftlichen Mitteilungen machte der 3. Vorsitzende Landsmann Bocian. Den Hauptvortrag des Abends hielt Ratsherr Lambrecht. Schulrat und Ratsherr Babbel gedachte der In der letzten Zeit Verstorbenen.

Herzliche Worte fand er für die anwesende goldene Braut, Landsmännin Annuscheit, die vor einigen Tagen mit ihrem Gatten das Fest der goldenen Hochzeit feiern konnte.

Er kritisierte stark das in dritter Lesung angenommene Lastenausgleichs-Gesetz und stellte fest, dass man sich hier nicht zu dem alten Grundsatz „Jedem das Seine" bekannt hat. Die Versammlung wurde mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes geschlossen. Armoneit.

 

Auf einem Königsberger Treffen in Flensburg hielt Herr Bocian einen anschaulichen Vortrag über das Königsberger Schloß und erinnerte auch an das traditionelle Maieinsingen, das allen mit seinem lustigen Treiben rings um den Königsberger Schloßteich noch im Gedächtnis ist. Recht frohe und heitere Stunden waren es, die die Königsberger in Flensburg vereinten. Die Hauskapelle Daumann trug wesentlich zum Gelingen des Abends bei. - Herr Bocian wurde beauftragt, mit der Patenstadt Duisburg Fühlung zu nehmen. Die nächste Zusammenkunft soll am 5. Juli stattfinden.

 

 

Für Helgoland! Die vereinigten Landsmannschaften der vertriebenen Deutschen, Kreisverband Erlangen, spendeten für den Wiederaufbau Helgolands 60-- DM. Sie bekundeten damit ihre Verbundenheit mit der Helgoländer Bevölkerung und brachten zum Ausdruck, dass der Anspruch auf die Heimat eines der wichtigsten Menschenrechte ist.

 

 

Seite 10   Suchdienst der Heimatortskartei für Ostpreußen

Wenn Ihnen über den Verbleib der Gesuchten etwas bekannt ist, geben Sie, bitte, direkt Nachricht an die Heimatortskartei für Ostpreußen - (24b) Neumünster, Postfach 178. - Es werden gesucht:

241. Braunsberg, Bargel, Anna, geb. 14.04.1914, ges. von Schikowski, Albert

242. Braunsberg, Behnert, Anna, geb. 20.05.1868, ges. von Zimmermann, Anna.

243. Braunsberg, Boge, Hertha, geb. 27.04.1894, ges. von Jul?, Else, geb. Bogel.

244. Braunsberg, Bönigk, Maria, geb. 1912, ges. von Thiel, August.

245. Braunsberg, Bönke, Anton, geb. 07.01.1866, ges. von Weiß, Maria.

246. Braunsberg, Bressen, Paul, geb. 22.11.1929, ges. von Bressen, Auguste.

247. Braunsberg, Bülter, Manfred, geb. 17.06.1901, ges. von Hoppe, Frieda

248. Braunsberg, Feldkeller, Franz, geb. 20.08.1860, ges. von Ehlert, Theresia

249. Braunsberg, Fronahl, Elisabeth, geb. 19.02.1911, ges. von Dombroski, Eva

250. Braunsberg, Gorczewitz, Anna, geb. 15.02.1916, ges. von Harwardt, Franz

251. Braunsberg, Hallmann, Hedwig, geb. 24.03.1913, ges. von Hallmann, August

252. Braunsberg, Harwardt, Anneliese, geb. 21.09.1930, ges. von Harwardt, Franz

253. Braunsberg, Heimert, Anna, geb. 15.08.1912, ges. von Heimert, Emma

254. Braunsberg, Herzberg, Anton, geb. 06.01.1858, ges. von Herzberg, Alfred

255. Braunsberg, Herzberg, Johanna, geb. 09.04.1906, ges. von Herzberg, Alfred

256. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Abrolat, Lina, geb. 22.02.1885, ges. von Abrolat, Ernst

257. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Ahlfänger, Gertrud, geb. 11.07.1872, ges. von Ahlfänger, Ernst

258. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Ahlfänger, Josef, geb. 01.04.1894, Schreiner, ges. von Ahlfänger, Ernst

259. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Ahlfänger, Maria, geb. 19.02.1898, ges. von Ahlfänger, Ernst

260. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Aßmann, Anselm, geb. 03.07.1869, ges. von Aßmann, Emilie

261. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Balder, Käthe, geb. 04.11.1886, Lehrerin, ges. von Großkopf, Else

262. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bandel, Anna, geb. 16.05.1908, ges. von Loleit, Frieda

263. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bandel, Josef, geb. 02.06.1932, ges. von Loleit, Frieda

264. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bank, Gustav, 53 – 55 Jahre, Polizeimeister, ges. von Zellmann, Max

265. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Barduhn, Maria, geb. 18.10.1913, ges. von Pohlki, Maria

266. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bartsch, Otto, geb. 01.12.1898, ges. von Bartsch, Bernhard

267. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bartzel, Maria, geb. 10.03.1890, ges. von Bartzel, Albert

268. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bierfreund, Gustav, geb. 03.12.1887, Bahnbeamter, ges. von Bierfreund, Hermann

269. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bleise, Andreas, geb. 29.10.1886, Heizer, ges. von Bleise, Maria

270. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bludau, Hedwig, geb. 26.03.1930, ges. von Bludau, Hedwig

271. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bludau, Ida, geb. 18.04.1926, ges. von Bludau, Anna

272. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bluhm, Ernestine, geb. 23.04.1888, ges. von Bluhm, Wilhelm

273. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bode, Elfriede, geb. 25.10.1919, ges. von Brzoska, Wilhelm

274. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Bohnert, Anna, geb. 25.10.1927, Näherin, ges. von Böhnert, Auguste

275. Guttstadt, Kreis Heilsberg, Braak, Hermann, geb. 15.12.1893, Geschäftsführer, ges. von Braak, Luise

276. Ramten, Kreis Rößel, Negrassus, Julius, geb. 17.06.1887, Schmied, ges. von Pahlke, Otto

277. Ramten, Kreis Rößel, Negrassus, Auguste, geb. 05.06.1888, ges. von Pahlke, Otto

278. Raschung, Kreis Rößel, Held, Anna, geb. 03.02.1892, ges. von Tiefuß, Hedwig

279. Raschung, Kreis Rößel, Held, Gotthard, geb. 05.05.1899, landwirtschaftlicher Arbeiter, ges. von Tiefuß, Hedwig

280. Raschung, Kreis Rößel, Kramer, Erna, geb. 02.08.1923, ges. von Kramer, Gustav

281. Raschung, Kreis Rößel, Tolks, Maria, geb. 07.12.1908, ges. von Fänger, Elisabeth

282. Ridbach, Kreis Rößel, Kramer, Agathe, geb. Klomfaß, 36 Jahre, ges. von Klomfaß, Heinrich

283. Ridbach, Kreis Rößel, Rienas, Charlotte, geb. 05.05.1910, ges. von Schröder, Hildegard

284. Ridbach, Kreis Rößel, Suchowski, Georg, geb. 24.01.1928, Landwirt, ges. von Pfau, Anna

285. Ridbach, Kreis Rößel, Zimmermann, Rosa, geb. Krüger, geb. 14.05.1873, ges. von Zimmermann, Josef

286. Robaben, Kreis Rößel, Kaschkilian, Marta, geb. 23.05.1923, ges. von Brummer, Rosa

287. Robaben, Kreis Rößel, Malotzki, Josef, geb. 05.10.1900, ges. von Irmer, Walter

288. Robaben, Kreis Rößel, Pokolm, Martha, geb. 07.05.1908, ges. von Pokolm, Franz

289. Robaben, Kreis Rößel, Scheffzig, Marta, geb. 15.05.1904, ges. von Malutzki, Franz

290. Robaben, Kreis Rößel, Tietz, Josef, geb. 23.11.1899, Bauer, ges. von Schipper, Anna

 

 

Seite 11   Familienanzeigen

Die Verlobung unserer Tochter Karin mit Herrn Hermann Seeland geben wir bekannt. Joachim Biedekarken, Major a. D. und Frau Christel, geb. Bitzer. Göttingen, April 1952, Düsterer Eichenweg 60 I. Früher: Königsberg Pr.

 

Meine Verlobung mit Fräulein Karin Biedekarken beehre ich mich anzuzeigen. Hermann Seeland. Braunschweig, April 1952, Steinbrecherstraße 9

 

Als Vermählte grüßen: Berthold Wengler, Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau. Helga Wengler, geb. Nimz, Gärtnergehilfin. Kempten (Allgäu), Königsberg Pr., Hintertragheim 20a. Jetzt: Kempten (Allgäu) Förderreutherweg 11

 

Am 17. Mai 1952 entschlief nach langem, schwerem Leiden in Schoenkirchen bei Kiel im 79. Lebensjahr, Fräulein Berta Klein. In tiefer Dankbarkeit stehen wir an der Bahre unserer alten Bebbel. Wir Wehlacker Geschwister u. mehrere unserer Kinder sind unter ihrer nimmermüden Aufsicht und hingebenden Pflege groß geworden. 56 Jahre hat Bebbel selbstlos und treu unseren Eltern und uns zur Seite gestanden. Mir war sie nach dem Tode meines Mannes bis in ihr hohes Alter und trotz immer zunehmender Anfälligkeit eine stets sorgende Hilfe, die mir unendlich fehlen wird. Ihr Andenken bleibt bei uns allen unvergessen. Im Namen meiner Geschwister und unserer Kinder Margarete Kueßner geb. Freiin von der Goltz, Wehlack. Schoenkirchen über Kiel-Land, Holst., Schoenberger Landstraße 66, Mai 1952

 

Nach einem arbeitsreichen Leben ist am 3. Mai 1952, kurz vor Vollendung seines 69. Lebensjahres, mein lieber Mann, unser guter Vater, Großvater und Schwiegervater, Tierarzt Wilhelm Schmidt, Gilgenburg zur ewigen Ruhe heimgegangen. In stiller Trauer, Frau Elfriede Schmidt geb. Reinert, Gerhard Schmidt, Oberstlt. a. D. Hannelore Schmidt geb. Bandow. Petra und Cornelia. Rötha b. Leipzig, Norddorf a. Amrum

 

Mein geliebter Mann, unser guter Vater und Schwiegervater August -Karl Fouquet hat nach kurz vollendetem 78, Lebensjahr am 29. Februar 1952 in Hildesheim seine letzte Ruhestätte gefunden. In tiefer Trauer, Karoline Fouquet geb. Böhm. Lisbeth Fouquet, Gewerbeoberlehrerin. Egon Fouquet, Rechtsanwalt und Frau Erika. Gerdy Fouquet. Königsberg (Pr.), Hans-Sagan-Straße 78, Jetzt: Bettrum, Kr. Hildesheim u. Berlin-Schöneberg.

 

Seite 11   Suchanzeigen

Hausbesitzer Paul Hagen u. Frau Käthe geb. Hagen, Königsberg. (Pr.), Yorkstraße 46, werden gesucht von Ella Winkelmann (früh. Kbg./Pr., Jägerhof 9), jetzt Meisenheim a. Glan, über Bad Kreuznach, Schloßplatz.

 

Königsberger! Wer kann Auskunft geben über meine Söhne Helmut Diekert, geb. 01.12.1933, u. Dieter Diekert, geb. 31.07.1938. Zuletzt wohnh. Kbg./Pr., Heumarkt 4. Angeblich sollen sich beide Kinder 1946 nach Litauen begeben haben. Nachr. erb. Ernst Diekert, Dortmund-Hörde, St. Georgstr. 7.

 

Rechtsanwalt und Notar Off aus Rastenburg wird in einer dringenden Rechtsangelegenheit gesucht. Off soll sich in der amerikanischen Zone in Westdeutschland aufhalten. Nachr. erb. an die Schriftleitung der Ostpreußen-Warte.

 

Achtung Metgether! Wer weiß etwas über den Verbleib von Frau Marie Tiedtke geb. Nippa, geb. 27.01.1883 aus Metgethen, Kronprinzenweg 12. Nachricht erb. Stelter, Bleckmar über Soltau.

 

Julius Porsch, geb. 26.11.1883. Hans-Georg Porsch, geb. Anfang Juni 1922, Maria, gen. Mia Porsch, geb. 20.10.1924 oder 1925, alle wohnhaft Rosen bei Deutsch-Eylau, werden ges. von Walter Graw (fr. Reichenberg, Kr. Heilsberg/Ostpr.) jetzt 21b Kreuztal i. W., Dorfstr. 13.

 

Gesucht wird Frau Gertrud Dahlenburg, geb. Grigoleit aus Kbg./ Pr. Sackheimer Rechte Str. 34 III.,  geb. Juni 1898. Der Gatte heißt Paul Dahlenburg; ihr Sohn Egon Dahlenburg (war 1945 noch Schüler des Münchenhofgymnasiums. Dahlenburgs sind im Januar 1945 mit einem Dampfer aus dem belagerten Kbg. geflüchtet, seitdem keine Nachr. Um Auskunft bittet Frau Grete Meyer, Bln.-Schmargendorf, Augusta-Viktoria-Str. 65 ptr. (früh Kbg./Pr., Steinmetzstraße 24.)

 

Reibis, Emma, geb. Heidrich, geb. 26.12.1900 in Wirballen und Sohn Richard Reibis, geb. 27.02.1937 in Kauen, letzte Anschr. Dorf Kobeln, Kr. Heilsberg, beim Landwirt Kleeblatt. Zul. gesehen Dez 1944. Nachr. erb. Julius Reibis, 20 Neu-Büddenstedt über Helmstedt Birkenstraße 36.

 

Richard Herrmann, geb. 1903 zu Mülsen, Krs. Laptau, vor Kriegsausbrauch tätig in der Hufenbrauerei Kbg., Gefr. u. Koch bei der Wehrmacht. Heimatanschr. Kbg./Pr., Sackheim 91 und seine Ehefrau Grete Herrmann, geb. Lauer, werden gesucht von Erich Schröder, 20 Hannover-Laatzen, Hildesheimer Straße 1/23.

 

Wo befinden sich die Landesversicherungsanstalt Ostpreußen, die Allensteiner Molkereigenossenschaft und die Baufirma Paul Grabowski-Allenstein. Nachr. erbittet Anton Goetz, 21 Quakenbrück, Ertlandstraße 7, Krs. Osnabrück (fr. Allenstein).

 

Erich Gallinat, geb. 30.10.1927 in Hardteck, Kreis Goldap, Januar 1945 Panzergrenadier in der Mudra-Kaserne in Elbing. Seitdem keine Nachricht. Wird gesucht von Max Gallinat, (20) Horst Nr. 69, Kreis Neustadt.

 

Obergefr. Walter Willuhn, geb. 13.08.1897 in Gr.-Astrau, Kreis Gerdauen, Feldpostnr. 02472 F. War zuletzt in Trausen, Kreis Gerdauen, unter den Russen als Zivilarbeiter tätig. Wurde dort im Sommer 1947 noch gesehen. Wer kann Auskunft geben? Er wird gesucht von seiner Tochter, Helga Willuhn, 20b Fümmelse, Hauptstraße 9, über Wolfenbüttel, bei Herbert Plieske.

 

Apotheker Otto Bredtschneider und Frau aus Königsberg/Preußen, Friedländer Tor-Platz 5, werden gesucht von Frau Annemarie Hein, 21a Bad Salzuflen, Steege 6

 

Paul Reske, geb. am 27.12.1922 in Schönwiese, Kreis Heilsberg, zuletzt wohnhaft in Schwuben, Kreis Heilsberg, wurde am 03.02.1945 auf dem Wege von Althoff nach Kapheim von den Russen verschleppt. Nachricht erbittet Valentin Reske, 20 Meizingen bei Uelzen/Hannover

 

Heimkehrer der Feldp.-Nr. 25 440. Wer kann Auskunft geben über meinen Bruder Leutnant Gert Pfeiffer, geb. 17.10.1923 in Stallupönen (Ebenrode) Ostpr., vermisst in Russland bei Nischin unweit Kiew am 15.09.1943. Nachr. erbittet Ursel Nischan. (20b) Uslar, Kreis Northeim, Auschnippe 36.

 

Klang, Horst (Revierförster aus Kerrey), Stabsfeldwebel - Kurlandkämpfer - letzte Feldp,-Nr. 16 223 B, soll Im Lager 7362/6 bei Stalingrad gelebt haben. Wer war mit ihm zusammen und weiß etwas über sein Schicksal? Welcher Kamerad hat die Lageranschrift dem Suchdienst Berlin gemeldet. Nachricht erbittet Wiosna, 20b Hedemünden (Werra), Meenser Straße 179.

 

Königsberger! Koehn, Minna, geb. Brattumil, geb, 26.04.1902, Ehefrau des Orthopäden Willy Koehn, zul. wohnh. Königsberg-Liep, Kärntener Weg 27/29, vermisst seit Russeneinmarsch. Nachricht erb. Frau Anna Frost-Brattumll, Ensingen-Vaihingen/Enz, Bahnhofstraße 189.

 

Gesucht wird Frau Cappel aus Pr.-Eylau. Bei dieser soll im Juli 1945 Dorle Braeuer aus Neurosenthal bei Rastenburg verstorben sein, nachdem sie aus dem dortigen Lager wegen Krankheit entlassen wurde. Diese Angaben beruhen auf Aussagen von mitgefangenen Frauen. Es werden dringend nähere Angaben gesucht und es wird die Beurkundung des Todesfalles benötigt. Nachr. erb. Alfred Schreck, 13b Murnau-Seehausen (Obb.), Postfach 111.

 

Gerhard, Herta und Artur Stichler aus Königsberg/Pr., Hoffmann-Straße, werden gesucht von Frau H. Will, Gräfelfing bei München, Am Anger 1.

 

Achtung! Russlandheimkehrer! Wer kennt Heinz Krisch? Er ist am 21.05.1928 in Drosselwalde, Krs. Johannisburg/Ostpreuß. geboren. Wurde am 16.03.1945 von den Russen verschleppt, zul. am 18.09.1945 in Arys gesehen. Wer war mit ihm im Lager zusammen und kann etwas über sein Schicktal aussagen? Nachr. erb. Frau Anna Krisch, 22 Minderslachen über Kandel/Pfalz.

 

Gesucht werden: Lokf. Kuno Kleist, Kbg./Pr., Hirschgasse 20, Betty Jost, Kbg./Pr., Hirschgasse 20, Kaufm. Max Wilhelm, Kbg./Pr., Lobeckstraße, Insp. Erich Wilhelm, Kl.-Hubnicken über Palmnicken, Elisabeth Liedtke, Elbing, Talstraße 4, Familie Burneleit, Danzig, Erna Rohn, Zoppot, Bismarckstraße, Familie Schneiderm. Wallat u. Familie Braun, Rothenstein. Nachr. erb. an Klara Kleist, Eschwege/Werra, Pontanistraße 3.

 

Achtung! Heimkehrer! Wer weiß etwas über den Verbleib des Obergefreiten Paul Bechmann, geb. 01.12.1913 in Radomin, Kreis Neidenburg, Feldpostnummer Pion.-Ers.-Batrl. 311 Lötzen. Wo befinden sich der Kamerad Werner Acker und seine Frau Elsbeth? Nachricht erbittet Frau Emma Bechmann (20) Ostermunzel Nr. 1 über Wunstorf.

 

Wo befinden sich die Angehörigen bzw. Bekannten von Kurt Uschmann, geb. 1932 in Rukken, Kreis Schloßberg, zuletzt wohnhaft in Altsnappen, Kreis Schloßberg. Näheres über den Verbleib des Suchenden erteilt Günter Falk (20) Bilm 52 über Lehrte/Hannover.

 

Gesucht werden Willy Schönfeldt, geb. 05.05.1907 zu Königsberg Preußen, Lisbeth Schönfeldt, geb. 27.04.1905 zu Fischhausen, beide wohnhaft Ragnit, Bahnhofstraße 9. Franz Schönfeldt, geb. 25.11.1905 in Königsberg Preußen. Lisbeth Schönfeldt geb. in Labiau, beide wohnhaft Marienburg, Gr. Werkstraße 41. Karl Wolter und Wlise Wolter, Königsberg-Ponarth, Palwestraße 40. Von Ernst Schönfeldt, früher Königsberg-Rothenstein, Kiebitzweg 54, jetzt Bennigsen/Deister, Lüderser Straße 9 II, Hannover-Land.

 

Ernst Polleit, geb. 29.11.1899, letzter Wohnort Königsberg Preußen, Sackheim 42 – 43, eingesetzt beim Koger Volkssturm. Letzte Nachricht 1945 aus UdSSR, Moskau, Postfach 145. Wer weiß etwas über seinen Verbleib meines Vaters? Nachricht erbittet Edith Bahro, geb. Polleit, Burgneustadt, Rheinl., Wiedener Straße 54

 

Gertrud Sandt, geb. Reinhard, geb. 10.02.1891, letzter Wohnort Königsberg Pr., Domplatz 3, gesucht von Familie Nohs, 24 Neumünster, Breslauer Straße 13 III bei Drews.

 

Studienrat Brettnacher u. Frau, fr. wohnh. Könlgsbg./Pr., 3. Fließstraße 18, werden gesucht v. Bruno Struwe, Bahnpolizelbüro , Eisenbahndirektion Wuppertal, Zi. 27.

 

Laura, Alma und Ottilie Heybutzki aus Schlochau, Knitzerstr. werden gesucht von Frau Olga Mielke, 20a Vinnhorst, Post Hannover-Hainholz, Fr.-Ebert-Str. 1.

 

Russlandheimkehrer! Wer kann Auskunft geben über Werner Michelat, geb. 03.10.1923 in Grünhof-Kippen, Krs. Elchniederung, Angehöriger der 61. Inf.-Div., 8. Komp., Gren.-Regt. 162, Feldp.-Nr. 03180 E. Am 21.01.1943 bei Ssinjawino verwundet zum Hauptverbandsplatz überwiesen. Nachr. erb. Henriette Michelat, 24 Schlotfeld bei Itzehoe (Holstein).

 

Aufgebot.

Die Ehefrau Hedwig Anhut, geb. Reiß, in Schledehausen, Bergstr. 89, hat beantragt, ihren Ehemann, den verschollenen Justizoberwachtmeister Viktor Anhut, geb. am 29.10.1890 in Micken, zuletzt wohnhaft in Allenstein, Sandgasse 1a, für tot zu erklären. Der bezeichnete Verschollene wird aufgefordert, sich spätestens in dem auf den 11. August 1952, vormittags 11 Uhr, vor dem unterzeichneten Gericht Osnabrück, Zimmer 25, anberaumten Aufgebotstermin zu melden, widrigenfalls die Todeserklärung erfolgen wird. An alle, die Auskunft über Leben oder Tod des Verschollenen zu erteilen vermögen, ergeht die Aufforderung, spätestens im Aufgebotstermin dem Gericht Anzeige zu machen. Amtsgericht Osnabrück, 8 II 46/52.

 

Paul Rohwerder, früher Königsberg Preußen, Unterhaberberg, und Frau Ruth Hopp, Elbin, Herrenstraße 28, werden gesucht von Anneliese Mangold, geb. Rohwerder, Karlsruhe, Lindenplatz 6

 

Konrad Schmeichel und Frau Wanda Schmeichel aus Danzig-Langfuhr, werden gesucht von Klara Funk, Hevelse Nr, 289, Siedlung, über Hannover.

 

Ich suche: Helga-Isolde Eckert, geb. am 11.10.1926, techn. Angestellte beim Reichssender Königsberg, zuletzt gesehen am 08. 04.1945 In Königsberg. Wer weiß etwas über ihren Verbleib. Ferner suche ich meinen Mann Albert, Otto Eckert, geb. am 10.08.1892 in Salpen, Kr. Angerburg, techn. Angestellter beim Generalkommando I, zuletzt gesehen am 04.02.1945 in Königsberg. Wer weiß etwas über seinen Verbleib? Die Mutter und Ehefrau Marie Eckert, (14a) Göppingen, Eberhardstraße 27.

 

Wer kennt die Kinder? In der In Warschau erscheinenden Frauenzeitschrift „Przyjaciolka" Nr. 19 finden wir folgendes Verzeichnis von Kindern, die ihre Eltern suchen:

Wichert, Ernst, geb. 12.08.1936 in Danzig;

Wichert, Hans, geb. 27.05.1935 in Danzig;

Senkbeil, Irene, geb. 24.06.1934 in Lengowo, Krs. Danzig;

Kalisch, Gertrud, geb.13.07.1939 in Oppeln, Eltern: Peter und Veronika;

Babuke, Christa, geb. 12.09.1936 in Breslau, Mutter: Else;

Beisel, Isolde, geb. 26.09.1944 in Ostpreußen;

Ditschen, Eduard, geb. 13.08.1938 in Breslau;

Heise, Erika, geb. 09.06.1936 in Graudenz, Eltern: Ernst und Erika;

Jankowski bzw. Rahn, Karl-Heinz, geb. 13.05.1941;

Kidrowski, Maria Magdalene, geb. 01.07.1932 in Danzig;

Koch. Elli, etwa 12 Jahre alt;

Przystalski, Eduard, geb. 27.08,1944 aus Thorwaiden, Relchenbach/Schlesien.

Auskünfte erteilt: Polski Czerwony Krzyz, Warszawa, Mikotoweska 14.

 

 

Seite 12   Die Volkstrachten in Ostpreußen

Foto: Frauen aus dem Ermland im Sonntagsstaat

Foto: Masurische Mädchentrachten

Foto: Fischermädchen aus Palmnicken. Aufn. Archiv Heimatbild

Volkstrachten in Ostpreußen gab es doch gar nicht: das ist wohl die vorherrschende Meinung. Und doch gab es Reste echter Volkstrachten bis in unsere Zeit auch in dem Lande zwischen Weichsel und Memel, Trachten, die sogar in den letzten Jahrzehnten wieder eine deutlich sichtbare Belebung und Entwicklung erfuhren.

So früh modische Kleider städtischen Schnittes in Altpreußen, worunter wir Ost- und Westpreußen zu verstehen haben, auch auf dem Lande Eingang fanden, so getreu hielt die bäuerliche Bevölkerung doch an ihren überlieferten Feiertagsgewandungen fest. Sie wurden beim Kirchgang, zu Familienfesten und bei den Feiern der dörflichen Gemeinschaft getragen und ihnen haftete die Ehrfurcht der Überlieferung an, die ihren Gebrauch wahrhaft zum festlichen Anlass erhöhte.

Es war vor allem die Ermländer Tracht, die sich in Altpreußen bis in das 20. Jahrhundert erhalten hat und nach dem ersten Weltkriege unter dem Einfluss der Jugendbewegung sich mit geringen Wandlungen nach Osten und Norden ausbreitete.

Die Frauentracht des Ermlandes bestand aus dem langen faltigen Rock, dessen dunkler Grund von hellen, breiten Saumstreifen geziert wurde. Ein enges wollenes Mieder, meistens von roter Farbe und einfachem Schnürverschluss, und eine gestreifte oder auch bunt gestickte Schürze gehörten dazu. Besonderen Wert legten die Ermländerinnen auf ein schön gemustertes Schultertuch. Doch ihr schönstes Trachtenstück war ihre Haube: eine schlichte Kappe, deren Boden zierlich und früher oft bis zur Kostbarkeit bestickt wurde. Das Seidentuch um den Kappenrand lief mitunter über der Stirne zu einer großen Schleife zusammen. Breite Seidenbänder mit buntgestickten Blumen hielten die Kappe unter dem Kinn zusammen und fielen mit langen Schleifenenden über den Nacken. Farbenprächtig und außerordentlich kleidsam waren die Ermländerhauben, die sich in unserer Zeit von dem flitterbestickten Glanz der Vergangenheit zu einfarbiger Schlichtheit wandelten und selbst von jungen Mädchen gerne getragen wurden.

Die Volkstracht des Oberlandes, die um Elbing und Pr. Holland noch bis zur Gegenwart eine Pflegstatt hatte, unterschied sich von der des Ermlandes nur unwesentlich. Hier trug man die sogenannte Krullhaube oder ein Kopftuch und statt des Schultertuches ein Brusttuch. Auch kranzartige Brautkronen, bunt von Blumen und Flitterzeug, konnte man hier noch finden, doch wurden sie seit 1914 schon im ländlichen Volkslehen selten.

Die Männerkleidung im ermländischen Trachtenraum bestand um die Jahrhundertwende an Feiertagen noch aus dem gehrockartigen hellblauen Tuchrock mit großen, bisweilen metallenen Knöpfen. Die Kopfbedeckung hierzu war der altväterliche Zylinder, der gleiche, den im Oberland über langen dunkelblauen oder schwarzen Gehröcken noch auf den Rücken herabfallende bunte Bänder schmückten.

Der zweite, deutlich umrissene Trachtenkreis in Ostpreußen ist das Memelland gewesen. Zweifellos haben hier litauische Einflüsse in erheblichem Maße die Frauentracht der deutschen Memelländer mitbestimmt. Dennoch war es eine alte, von deutschen Menschen getragene und gegenüber typischen slawischen Eigenheiten sich merklich unterscheidende Tracht. Fleiß und Schönheitssinn der Memelländerinnen haben den selbstgewebten oder -gesponnenen Stoffen, den Mustern der reichen Stickereien viele Eigenheiten gegeben, die sie von den typischen litauischen Trachten unterschieden.

Zu dem gestreiften oder karierten Rock aus schwerem Stoff gehört das weiße Hemd mit weiten, buntgestickten Ärmeln, das Schnürmieder, wie auch die besonders gepflegte Schürze. Diese wurde mit großer Sorgfalt gewebt und mit reichen Stickereien verziert. Ihre Hüftbänder wiesen schöne alte Webemuster und oft herrliche Stickereien auf, fielen in langen Enden auf der Vorderseite herab und trugen meistens das wunderhübsche, handgearbeitete Gürteltäschchen. Schmale bestickte Tücher, um Rücken und Oberarm gelegt, waren sehr beliebt. Das einfarbige Kopftuch der Frauen wurde im Nacken geknotet und die Braut trug zuweilen noch einen reichen Kopfputz.

Die als masurische Tracht zwischen den Weltkriegen aufgekommene Mädchenbekleidung im südlichen Ostpreußen gewann schnell an Boden und gewann sich allgemeine Sympathien in der ländlichen wie auch der kleinstädtischen Bevölkerung. Sie hat sowohl aus dem ermländischen wie aus dem memelländischen Trachtenkreis manche Eigenheiten entlehnt und ein kleidsames, zu Landschaft und Menschen passendes Kleidungsstuck entstehen lassen. Wenn man bei ihm auch nicht von einer echten Volkstracht sprechen kann, so war die Masurentracht in der Bevölkerung wohlgelitten und wurde gerne auf den Heimatfesten gezeigt. Jedes Masurenmädchen trug die schöne, einfache Tracht der Heimat voll Freuden. Und darauf kommt es ja letztlich an. Dr. Max Krause

 

 

Seite 12   Walter Heymann / Ein früh Vollendeter

Der ostpreußische Dichter Walter Heymann, geboren am 19. Mai 1882 in Königsberg, wäre jetzt 70 Jahre alt geworden. Er fiel am 9. Januar 1915 in Frankreich vor Soissons. Von ihm sind zwei Lyrikbücher von Ostpreußen erschienen: „Die Nehrungsbilder" und „Die Hochdüne"; vier weitere Bücher aus dem Nachlass erschienen im Georg-Müller-Verlag, München. Anlässlich seines Todes veröffentlichte seinerzeit der ostpreußische Dichter Siegfried von der Trenck folgenden Nachruf: Meine erste nähere Beziehung zu dem Lyriker Walther Heymann war eine rein sachliche, die Hochachtung des juristischen Fachgenossen vor seltenem Ernst des Wollens und seltener Höhe des Könnens. Und das Sachliche an diesem persönlich so unendlich traurigen Fall - der Dichter ist am 9. Januar bei Soissons gefallen - kann ja auch allein die Beachtung der Fernstehenden verlangen. Was Heymann persönlich betrifft - wer ihm nahe trat, weiß, was er an ihm verlor! Sachlich aber ist die Kunst die Leidtragende - die Kunst, die so selten ernst genommen wird, und bei der doch ein Verhältnis von Gehalt zu Umfang möglich ist, wie kaum bei einer anderen. Und bei Heymann war diese Möglichkeit Wirklichkeit geworden. Seine ersten Gedichte waren das Konzentrierteste an künstlerischem Erlebnis, das man sich denken kann. Und er, dem auch im Leben viel Heiteres und Liebes, nie aber ein triviales Wort über die Lippen kam, gab in diesen kernigen, gedrängten, manchen fast überlastet erscheinenden, wunderbar und stets originell rhythmischen, fabelhaft gesehenen Stücken Natur - denn die Natur war seine erste und größte Liebe - jedem, der eindringen wollte, vollendeten Genuss.

Von gewissen malerischen Richtungen ausgegangen, glaubte er es möglich machen zu können, mit Worten Anschauungen zu vermitteln, und zwar prägnanter, eindringender, einbohrender, als dies anderweit versucht war. Mit scharfem Nachdenken (das ihm neben dem sicheren Instinkt des geborenen Künstler! eigen war), hatte er sich eine Methode zurechtgelegt, um diesen Zweck ohne Ermüdung des Lesers zu erreichen; und diese auf genaue Sprachstudien gegründete Technik einer weitest gehenden Auflösung des Zuständlichen Vorgänge war schon allein bewundernswert. Wichtiger aber ist, dass ihm vergönnt war, von vornherein das zu erreichen, was er erstrebte. Die starke Bildlichkeit und die herbe Musik der Verse gab Einfachstes so neu wieder, dass man den Eindruck kaum je loswurde. Auch Menschlich-Seelisches löste sich in ihm in erster Linie in Bilder auf. Und wenn seine Vorwürfe wechselten: auch das abstrakt Schöne fand in ihm Kraft als Resonanz, und noch den Kranken wusste er Gesundheit abzugewinnen. Leidenschaft, Sehnsucht, Mutterliebe im Sinnbild der Erde, die dem entwachsenden Baum nachtrauert - Liebe in allen Gestalten, Mittelalter, Rittertum - alles war ihm Symbol und Vorwand für ein Dahinterliegendes. Die künstlerische Aufgabe ergriff ihn mit der Wucht der Dämonie, und kaum je legte er den Stift aus der Hand, ohne sie bewältigt zu haben.

Nicht immer auf Anhieb. So falsch es wäre, zu glauben, dass das einzelne Gedicht, weil so gedrängt, künstlich zusammengeschweißt ist; so gewiss ist, dass er zu diesen einfachen, aber starken Bildern einer doch immerhin im allgemeinen Miniatur scheinenden Kunstart Vorstudien gemacht hat, wie das sonst nur zu großen Werken geschieht. Unsere gemeinschaftlichen Nehrungsstudien werden mir unvergesslich sein. Und aus solchen Studien Nehrungstriebsand, Sturm - entstanden dann in Augenblicken großer seelischer Krisen Kolossalgemälde im Rahmen der Kleinkunst, die ihresgleichen suchen. Tuschzeichnungen, Radierungen, Stiche glaubte man in diesen Gedichten zu sehen, und dann wieder bewegteste Bewegtheit, fremdländische Musik, orientalische Gluten.

Schon hatte er dem Krieg mitten unter den Gefahren und Strapazen der Gräben, Bildnisse abgewonnen. Da ward er uns entrissen. Und wenn man ganz nüchtern urteilt: wer die ernsthafte Lyrik kennt und liebt, muss gestehen, dass sie in Walter Heymann Unersetzliches verloren, hat. In noch bestimmter Begrenzung - wie weit hätte die noch durchbrochen werden können! - gab er ganz Eigenes, ganz Würdevolles. Und er hatte die Freude, von den Anerkanntesten zuerst anerkannt zu sein, nun aber doch auch schon im weiteren Rahmen zu wirken. Auch kritisch und, wie denn sein Sehnen malerisch war: nicht nur literarisch - sondern auch kunstkritisch. Noch zuletzt wurde ein Buch über Pechstein fertig. Vielleicht findet ihn einer die kongeniale Illustration für das, was er noch drucken konnte, und für die Schätze, die noch zu heben sind.

 

Seite 12   Die Haff-Alte. Von Walter Heymann

… Sie versteckt sie im Tuch,

soweit sie noch reichen,

will das Summen dahinter

wie Fliegen verscheuchen.

Die Augen sind ihr

Etwas behüllt,

immer ein bißchen

mit Wasser gefüllt.

Vom Wasser wird alles

umspült und bezwungen,

es nahm ihr den Mann,

zwei große Jungen.

Sie fuhren hinaus,

die Segel straff.

Einzeln nach Haus

brachte die Toten das Haff.

Das Haff, das feige,

das tückische Tier,

liegt da draußen

nicht weit von der Türe ihr.

Viele Segel

fahren hinaus zum Fang.

Von vielen Segeln

ist der Fischerlieder Gesang.

Nur Kinder und Frauen

bekommen im Kirchhof zu liegen,

im hellen Sande,

zu dem die Möwen fliegen;

in Öltuchjack oder offenem Hemd

wird auf den Strand geschwemmt

und begraben. Die meisten find't keiner.

„Wenn die Frauen jetzt warten,

unten am Wasser, sehn sitzend daher,

da bin ich alleine

zu Hause, das brauch' ich nicht mehr.

Wenn andre erzählen

von ihrem Fang, dann

hör' ich nicht hin,

das geht mich nichts an."

Sie geht längs den Wänden,

krumm wie eine, die sitzt,

sucht mit den Händen

was sie stützt,

friert in der Jacke,

schüttelt den Schädel umtucht,

die Schuhe mit klappernder Hacke

schlappen ihr nach, und sie sucht:

Vor der Tür standen

drei Paar Schuh',

an der Wand hingen

drei Paar Stiefel dazu.

Wer hat sie genommen,

wer hat sie gefüllt, wer will

noch immer nicht kommen?

 

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