Ostpreußen-Warte, Folge 05 vom Mai 1952

Ostpreußen-Warte

Folge 05 vom Mai 1952

 

Seite 1   Wichtigste Voraussetzung: Freie deutsche Reichsregierung

Foto: Mohrungen, die Geburtsstadt Gottfried Herders. Aufn. Fr. Wiemers

Alles politische Verhandeln erfolgt unter dem Grundsatz des „do ut des", das heißt, man macht ein Angebot, um entsprechende Gegenleistungen auszuhandeln. Selbstverständlich mit der Maßgabe, dass für möglichst geringen Einsatz ein möglichst großer Gewinn erzielt werden soll. Und darum handelt es sich auch bei der neuen Sowjetnote an die Westmächte in der Frage des Friedensvertrages mit Gesamtdeutschland, jener Note, die eigentlich mehr an die Deutschen als an die Westmächte gerichtet ist, denn uns geht es vor allem an, was man hier vorbringt.

Auf einen Nenner gebracht, sind es grundsätzlich zwei Angebote und zwei Forderungen, die man an uns in Westdeutschland und an die Bundesregierung stellt. Die Angebote sind: Freie Wahlen in der Sowjetzone mit nachfolgender Bildung einer gesamtdeutschen Regierung sowie einer nationalen Wehrmacht zu Verteidigungszwecken. Die Forderungen: Ausscheiden aus der sich herausbildenden westeuropäisch-atlantischen Verteidigungsgemeinschaft und Abtretung der deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße.

Mit anderen Worten: Die Sowjets verlangen nicht mehr und nicht weniger, als dass ein Rumpfdeutschland geschaffen wird, das zwar sicherlich in seiner Unabhängigkeit von allen Seiten „garantiert" sein würde, das aber zugleich nicht lebensfähig wäre, da es ohne seine Agrargebiete im Osten in einem Ausmaße von der Nahrungsmitteleinfuhr abhängig ist, dass von einer echten „Souveränität" nicht gesprochen werden könnte. Was entstehen würde, wäre ein übervölkertes Elendsquartier, in dem die sozialen Spannungen alsbald das besorgen würden, was man für die Westzonen vergeblich erhoffte: Eine Verbreitung radikaler, Strömungen, innere Unruhen, Rettungsversuche durch ein forciertes Ausfuhrdumping mit den Weiterungen einer verschärften Konkurrenz auf den Weltmärkten, zunehmende Isolation dieses Rumpfdeutschlands mit folgender Aushöhlung der „Garantie" - und schließlich wäre dieses Überbleibsel dann eine leichte Beute des Kommunismus.

Außerdem wäre eine ganze Anzahl weiterer sofortiger Vorteile für die Sowjetunion gegeben: Die westeuropäische Verteidigungsgemeinschaft ist zerstört, bevor sie überhaupt Wirklichkeit geworden ist, die Westflanke der Sowjetunion ist nicht nur gesichert, sondern hier kann die Zukunft leichte Erfolge bringen – und in Asien könnte in gleicher Weise alles weitere der Zeit überlassen bleiben.

Beachtet man alles das, was man sowjetischerseits an „Gewinnen" verbuchen könnte, mit dem Angebot, so ist die Antwort bezüglich des letzteren eindeutig: Zu wenig.

Denn es kommt hinzu, dass das einzige Angebot, welches uns veranlasst, diese Dinge überhaupt zu erörtern, nämlich die Frage der „freien Wahlen" in der sowjetischen Besatzungszone eben eine Frage ist. Denn es ist uns bekannt, was man in Moskau und Pankow bisher unter „freien Wahlen" verstanden hat. Nimmt man außerdem hinzu, dass die Probleme beispielsweise der wirtschaftlichen Verankerung der Sowjetmacht in ihrer Zone (z. B. die Sowjet AGs) der kommunistischen Justiz, der Volkspolizei usw. gelöst werden müssen, bevor man von einem echten Angebot sprechen kann, so wird unsere Einstellung noch klarer:

Erst wenn eine wahrhafte Befreiung der Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone vom kommunistischen Regime gemäß ihrem frei zum Ausdruck gebrachten Willen erfolgen kann und garantiert ist durch das Funktionieren einer frei gewählten deutschen Reichsregierung, erst dann kann über alles andere gesprochen werden - nicht jedoch über die Preisgabe deutschen Gebietes im Osten.

Wir wollen den Frieden und nichts als den Frieden, aber das schließt in sich, dass wir auch Vorsorge treffen müssen dagegen, dass der kalte Bürgerkrieg, wie er in der Sowjetzone herrscht, im ganzen Deutschland stattfindet. Wir wollen ehrlich verhandeln, und dies sollte man in jedem Falle tun, aber wir wollen uns auch überzeugen, dass wir nicht einer Vorspiegelung folgen, die uns in ein Gelände lockt, in dem sich allzu viele Fußangeln und Fallgruben befinden.

Wir wollen in Frieden und Freundschaft mit allen Völkern Europas leben, auch und vor allem mit denen des Ostens und Südostens. Wir lehnen jede „Kreuzzugspropaganda" ebenso ab wie wir den uns von einer geflissentlichen Agitation unterstellten „Drang nach Osten" ablehnen und sogar bekämpfen würden, wenn er sich überhaupt irgendwo zeigen sollte. Aber wir sind nicht gewillt, um etwas, das weniger ist als ein Linsengericht, auf unser Land zu verzichten, das uns gehört und ohne das wir nicht leben können.

Das ist die wahre Einstellung der Deutschen, vor allem auch die der Heimatvertriebenen, und sie sei hier deutlich kundgetan zugleich im Namen der Deutschen, die in der Sowjetzone leben und die bisher keine Möglichkeit haben, sie zum Ausdruck zu bringen. Und es sei der Welt gesagt, dass diese Einstellung stets die gleiche bleiben und auch von jedem Deutschen vertreten wird, der die Luft der Freiheit atmet.

 

Seite 1   Missbrauch des Europa-Gedankens

Den völligen Zusammenbruch der bisherigen Argumentation zur Verteidigung der polnischen „Ansprüche" auf die deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße gibt ein Aufsatz der in Paris erscheinenden exilpolnischen Zeitschrift „Kultura" zu, der - aus der Feder von Julius Mieroszewski - in dem April-Heft 1952 erschien. In diesem Aufsatz wird den Polen klipp und klar gesagt, dass sie die Verwendung sogenannter „historischer Beweisführungen" sein lassen sollten, da dieses „geradezu schädlich" sei. Schließlich habe Europa im herrlichen 19. Jahrhundert glücklich gelebt, ohne dass ein unabhängiges Polen bestand, überhaupt habe die deutsch-polnische Auseinandersetzung sich sehr zu Ungunsten der Polen entwickelt, da „die Argumente, die die Deutschen zu ihren Gunsten anführen können, nicht gering sind". Es sei so eine „Krise" entstanden, der das „deutsche Problem" zugrunde liege und die überwunden werden müsse. Diese „Krise" zeige sich daran, dass die übrigen Exilgruppen sich in zunehmendem Maße auf die Tatsache einstellten, dass „die Deutschen das zahlreichste und am meisten zentral gelegene Volk in Europa" sind.

Die Tschechen, Ungarn und Rumänen hätten nämlich ihre eigenen „deutschen Probleme", suchten diese aber zu lösen und wünschten deshalb, „nicht noch außerdem mit den deutsch-polnischen Problem belastet zu werden, welches nach Kaliber und Gewicht alle anderen übertrifft". So „fürchteten" sich also diese Völker, eine Verbindung mit den Polen einzugehen - und Polen (gemeint sind die Exilpolen) werde somit immer mehr isoliert, während andererseits die Stimme der Deutschen im internationalen Gespräch immer mehr Gewicht erhalte. So stelle sich also das Problem, dass „die Frage der wiedergewonnenen Gebiete die Durchführung einer (polnischen) Föderationspolitik unmöglich macht".

Auf der Suche nach einem Ausweg kommt nun der Verfasser auf den Vorschlag, dass man dem Westen sagen müsse, es gelte nunmehr bereits, „ein ostmitteleuropäisches Gegenstück zum Schuman-Plan" zu entwerfen. Das heißt, es sollen Polen, die CSR und Ungarn eine „Föderation" bilden. In dieser aber seien die Oder-Neiße-Gebiete ein unerlässlicher Bestandteil, was sich leicht nachweisen ließe. Wenn aber die Deutschen dann weiterhin „revisionistische Pläne" verfolgten, so würde dadurch die „polnische Stellung gegenüber Amerika" gestärkt werden, während jetzt die Gefahr bestehe: „Wir verlieren den Deutschen gegenüber wieder einmal." So sollten also Gespräche mit den Deutschen geführt werden, aber allein um ihnen zu sagen, dass sie nicht im Westen für europäische Integration sein könnten, im Osten aber „revisionistisch".

Die Parole, mit der dieses alles vorzubringen sei, wäre aber: „Europa über alles". Nur wenn dieser Weg beschritten werde, so meint der Verfasser des Kultura-Artikels abschließend, könne ,,die künftige Rolle und Bedeutung Warschaus in Ostmitteleuropa" gesichert werden.

Diese Ausführungen des exilpolnischen Verfassers bedürfen an sich keines weiteren Kommentars, da sie hinreichend zeigen, dass man endlich erkennt, wie man sich auf exilpolnischer Seite in eine Sackgasse begeben hat. Aber es ist auch bezeichnend, dass man aus dieser Erkenntnis nicht etwa den Entschluss zu einer Umkehr gewinnt, sondern vielmehr nur auf den Gedanken kommt, durch Missbrauch des Europagedankens neue „Argumente" für einen Verbleib der ostdeutschen Gebiete unter polnischer Verwaltung zu erzielen. Denn was man mit jener „Ostmitteleuropa-Föderation" eigentlich will, hat der Verfasser selbst angedeutet: Stärkung des Einflusses Warschaus. Es wird aber noch deutlicher aus einer Debatte im „polnischen Volksrat", der kürzlich in London tagte. Dort wurde im Anschluss an Ausführungen des exilpolnischen Außenministers geäußert, dass es gelte, über die Ukraine „Verbindungen zum Schwarzen Meer zu schaffen" und trotzdem die jetzige „polnische" Ostseeküste zu halten. Ein Größtpolen von Stettin bis über Kiew hinaus ist also das, was man sich unter der „Ostmitteleuropäischen Föderation" vorstellt.

 

Seite 2   „Das Märchen vom Dokumentarfilm. Kreuzweg eines Filmes mit Aufnahmen aus Gebieten Jenseits der Weichsel 

Nehmen wir einmal an, ein Filmproduzent habe einen Dokumentarfilm über die deutschen Ostgebiete gedreht. Dieser Dokumentarfilm stützt sich in erster Linie auf einmaliges und damit unersetzliches Bildmaterial, das unter den größten Opfern und Gefahren aus der Ostzone geborgen wurde und nun klar und eindeutig den fast in Vergessenheit geratenen deutschen Charakter der verlorenen Ostgebiete in Erinnerung bringt und kund macht. Nehmen wir weiter an, Strohmänner aus der Ostzone hätten den Versuch gemacht, dieses „gefährliche" Material durch einen Scheck mit einigen Nullen … kleinen fünf Nullen … zu kaufen, damit es nachträglich von der Bildfläche verschwindet, dann ist dies zweifelsohne eine Tatsache, die einer gewissen Überprüfung wert wäre und zum Nachdenken anregen könnte.

Der betreffende Produzent bleibt fest - verkauft nun trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage den Bildstreifen nicht. Allerdings macht er sich gewisse Hoffnungen dahingehend, dass in Westdeutschland der Wert seines Materials in gewissem Umfange erkannt würde. Dem ist nicht so. Die nötige Unterstützung bleibt versagt. Genannter Produzent geht dennoch unbeirrt an die Arbeit. Um aber sicher zu gehen - die politischen Richtsätze sind nicht immer klar erkennbar, führt er seinen fast fertigen Film vielen zuständigen Behörden und Persönlichkeiten vor. Die haben Bedenken - bei der einen Stelle - bei der anderen - und fast entsteht der Eindruck, als wäre die Tatsache, dass die deutschen Ostgebiete wirklich deutsch waren, allein bereits der Stein des Anstoßes. Jedenfalls klappt die Schere … wieder und immer wieder und der Schnitte werden immer mehr. Der Produzent will aber sicher gehen und berücksichtigt alle Einwände, wenn auch darüber sein Film langsam zu einem reizvollen Flickenteppich wird.

Vor der Marienburg steht z. B. das Denkmal eines Ordensritters - die Marienburg ist nun „leider" vom deutschen Ritterorden erbaut und dieser Ritter stützt sich auf ein Schwert, das war vor etlichen Generationen die handelsübliche Waffe - wenn auch die Ordensritter auf ihrem Mantel das Zeichen des Kreuzes trugen und das Schwert aus besonderem Anlass aus der Scheide zogen, so genügt der Anblick eines solchen Schwertes durchaus, deutsche Persönlichkeiten in Angstzustände zu versetzen. In ihren Augen wird das Schwert zur Weltbedrohung ... also her mit der Schere ... nur der Sockel des Denkmals darf im Film gebracht werden. Nebenbei gesagt, war zur Zeit des Ritterordens Amerika noch lange nicht entdeckt - damals lebten „drüben" Indios, die Pfeil und Bogen, ja ebenfalls Schwerter trugen. Niemandem in Europa würde - abgesehen von geschichtlichen Tatsachen, einfallen in einem Indianerschwert eines Denkmals irgendwo in Amerika nachträglich den Beweis für Welteroberungspläne der Indios zu suchen.

Dieser Exkurs nur zur Kennzeichnung der Gefühlszartheit maßgebender Personen von heute … Der zurechtgestutzte Film kommt endlich doch noch heraus. Allerdings kann er nicht prädikatisiert werden, da er in den Augen gestrenger Kritiker - etwa der Filmselbstkontrolle in Wiesbaden - erhebliche Mängel aufweist ... aufweisen muss!

Die Tatsache braucht nicht besonders unterstrichen zu werden, dass bedauerlicherweise ein anderer Dokumentarfilm - ebenfalls die Ostgebiete behandelnd - gleicherweise abgelehnt werden musste. Ganz gewiss war daran nicht die Tatsache schuld, dass der Sohn des Vorsitzenden der FSK-Wiebaden laut Spiegel – mit der Defa liiert ist – auf solche abwegigen Gedanken konnten nur Berliner kommen … Der Film war eben, so „schlecht“ und wer die saubere Begründung der Ablehnung studiert, wird sogar den Eindruck haben, dass diese Kritik nicht einmal fehl am Platze war nur, das „wieso" wird allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, denn es wurde ja das Rudiment gewertet.

Und nun kommt das große Wunder: Die Heimatvertriebenen haben andere Vorstellungen. Sie freuen sich ihre alte Heimat wiedersehen zu dürfen ... der Film schlägt ein ... rund 40 Kopien, allein in Norddeutschland - eine Zahl, die dem Fachmann viel sagt. Leider kein Grund, dem Produzenten zu seinem schwer erkämpften Erfolge Glück zu wünschen ... der dreht vorläufig den letzten Pfennig in der Tasche um, trotz des „Erfolges"... und hat sich geschworen, nie mehr wieder einen Film herauszubringen. Das Gewissen der Deutschen und der Welt wird in Zukunft in keiner Weise mehr beunruhigt werden - Piekestanien kann seinerseits beruhigt sein. Und damit hat unser kleines Märchen sein Ende.

Und wer es nicht glaubt, dem erzählen wir es gerne neu, vielleicht aber auch, wenn die Zuhörer gar zu ungläubig sein sollten, mit Nennung von Namen, damit es sich besser anhört.

 

Seite 2   Lastenausgleich vor der Entscheidung

Die letzten Beratungen im Bundestag in zweiter und dritter Lesung über das Lastenausgleichsgesetz beginnen am 6. Mai. Der vom Lastenausgleichsausschuss fertiggestellte Entwurf erfüllt in keiner Weise die Mindestforderungen der Vertriebenen, wie der Bundesvorstand des BVD nochmals in einer Verlautbarung feststellt.

Wenn die vorliegende Ausgabe in die Hände unserer Leser gelangt sein wird, wird der letzte große Appell, zu dem der BVD die Vertriebenen aus dem Bundesgebiet nach Bonn gerufen hat, vorüber sein. Die Öffentlichkeit wird aus dem Munde von Dr. Kather in aller Eindringlichkeit noch einmal die Mindestforderungen erfahren haben. Möge der Bundestag den Sinn dieser Großkundgebung richtig verstehen und den Vertriebenen zu ihrem Recht verhelfen, auf das sie seit Jahren vergeblich warten.

 

In einer Verlautbarung des BVD heißt es u. a.: „Der Entwurf zum Lastenausgleichsgesetz muss auch in der jetzt vorliegenden Fassung vom Standpunkt der Vertriebenen aus als unbefriedigend bezeichnet werden. Er entspricht in keiner Weise der sittlichen Verpflichtung des deutschen Volkes, nach einem gemeinsam geführten und verlorenen Kriege die Kriegsfolgelasten gerecht auf alle Schultern zu verteilen. Die alte Forderung nach einer echten Vermögensumschichtung findet im Entwurf überhaupt keine Berücksichtigung mehr. Deshalb muss es als verfehlt bezeichnet werden, dass die Vermögensabgabe auf das Stichtagvermögen abgestellt wird. Diese Maßnahme hätte nur dann einen Sinn gehabt, wenn eine sofortige Vermögensumschichtung erfolgt wäre, sie verliert aber ihre Berechtigung, wenn statt dessen eine auf 30 Jahre verteilte Abgabe aus dem Vermögensertrag als Grundlage genommen wird.

Unter diesen Umständen kann eine Zustimmung des Bundes der vertriebenen Deutschen zu diesem Gesetz nur dann in Betracht gezogen werden, wenn diese Mängel in der Konzeption ausgeglichen werden durch die Sicherstellung eines Aufkommens, das den erhöhten finanziellen Bedarf für die ersten Jahre sicherstellt.

 

 

Seite 2   Aufwertung der Sparguthaben beginnt

Im Bundesgesetzblatt vom 31.03.1952 ist nunmehr das Gesetz über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener veröffentlicht worden, nach welchem mit Wirkung vom 28. März 1952 die Aufwertung unserer Ostsparguthaben verwirklicht wurde. Diese „Währungsreform für Vertriebene" enthält folgende wesentlichen Punkte:

Die Anmeldung muss durch Ausfüllung amtlicher Formulare erfolgen, die bei den Gemeindebehörden zur Ausgabe gelangen. Diese Anmeldung muss bis zum 30. September 1952 erfolgen.

Zu dem Gesetz geben wir folgende Erklärung:

1.     Welche Spareinlagen fallen unter das Gesetz?

Grundsätzlich fallen nur Spareinlagen hierunter, und zwar Einlagen in Reichsmarkbeträgen bei Sparkassen, Banken und Postsparkassen, über die ein Sparkassenbuch ausgestellt, wurde. Nicht erfasst werden Guthaben aus Postscheckkonten, Girokonten, auch die aus Wertpapieren, Hypotheken, Bausparverträgen und Lebensversicherungen. Die Aufwertung dieser letzteren Guthaben soll im Lastenausgleichsgesetz geregelt werden. Die Sparkonten müssen bei den Geldinstituten in Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie oder in den Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches unterhalten und im Zusammenhang mit den Vertreibungsmaßnahmen endgültig verlorengegangen sein.

2. Wer ist entschädigungsberechtigt?

Es sind dieses nur Vertriebene, die im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges ihren Wohnsitz in den deutschen Gebieten außerhalb der Oder-Neiße-Linie oder in Gebieten außerhalb des Deutschen Reiches verloren haben, somit Inhaber eines Flüchtlingsausweises A sind. Der Vertriebene muss seinen Wohnsitz im Bundesgebiet oder in Berlin-West am 31.12.1949 gehabt haben, oder nach diesem Stichtag als Spätheimkehrer, oder im Wege der Familienzuführung in die Bundesrepublik gekommen sein. Illegale Bewohner der Bundesrepublik kommen also nicht in Frage. Der Heimatvertriebene muss im Zeitpunkt der Vertreibung Gläubiger aus der Spareinlage gewesen sein, das Sparbuch muss auf seinen Namen gelautet haben. Ist der Heimatvertriebene nach der Vertreibung aber vor dem 1. April 1952 verstorben, dann ist sein Erbe entschädigungsberechtigt, sofern dieser Erbe auch selbst Heimatvertriebener ist. Ist der Heimatvertriebene nach dem 31.03.1952 verstorben, dann können alle Erben den Aufwertungsanspruch anmelden. Zum Nachweis der Erbfolge muss ein Erbschein vorgelegt werden, den das zuständige Amtsgericht auszustellen hat.

Bei Stellung des Antrages auf Erteilung des Erbscheines empfiehlt es sich, ggf. wegen einer Befreiung von den Kosten ein Armutszeugnis (auszustellen von der Gemeinde) dem Amtsgericht vorzulegen.

3. Wo melde ich den Ansprach an? Den ausgefüllten Fragebogen muss man bei einem Geldinstitut (Sparkasse, Bank) oder bei einem Postamt der Deutschen Bundespost einreichen. Hat jemand mehrere Sparguthaben, so muss er alle Sparguthaben bei ein- und demselben Institut anmelden. Das Geldinstitut muss innerhalb des Stadt- und Landkreises seinen Sitz haben, in welchem sich der Wohnsitz befindet.

4. Welche Unterlagen sind erforderlich?

Zum Nachweis der verlorenen Spareinlagen ist dem Antrag das Sparbuch beizufügen, dies wird jedoch vermutlich den wenigsten Mitgliedern möglich sein, da die meisten Sparbücher entweder in der Heimat zurückgeblieben, oder bei der Vertreibung abgenommen bzw. vernichtet wurden. Ist das Sparbuch verlorengegangen, müssen folgende Unterlagen beigebracht werden: a) Ein Kontoauszug, der von der in das Bundesgebiet verlagerten Kasse ausgestellt wurde. Einer Reihe von Kreditinstituten der Heimat ist es gelungen, ihr Kontenmaterial rechtzeitig in die Bundesrepublik zu verlagern und diese können dann den Kontenbestand bescheinigen. b) Ein Kontoauszug des Heimatinstitutes, der vor der Vertreibung ausgestellt wurde. Dieser muss aber die Höhe des Guthabens im Zeitpunkt der Vertreibung, die Person des Sparers und die Bestätigung erhalten, dass es sich um ein Sparguthaben handelt. Darüber hinaus sind in Kürze Rechtsverordnungen der Bundesregierung zu erwarten, ob und unter welchen Voraussetzungen sonstige Urkunden als Beweismaterial anerkannt werden. In allen Fällen, in denen ein urkundlicher Beweis nicht beizubringen ist, wird eine Aufwertung dieser Sparguthaben im Lastenausgleich geregelt werden.

5. Wie wird der Antrag weiter behandelt?

Nach genauer Prüfung des Antrages und der Unterlagen erhält der Anmeldende von dem Geldinstitut (oder der Poststelle) einen Bescheid über die Höhe des anerkannten Guthabens. In Zweifelsfällen entscheidet das Amt für Soforthilfe. Gegen diese Entscheidung wird noch eine weitere Instanz geschaffen werden.

6. Die Rechte des Anspruchsberechtigten?

Die alten Reichsmarkspareinlagen werden In Höhe von 6 ½% auf DM umgestellt. Die im Juni 1948 gezahlte Kopfquote wird nicht in Abzug gebracht, so dass der umgestellte Betrag dem Anspruchsberechtigten in voller Höhe zur Verfügung steht. Der Aufwertungsbetrag wird ab 01.01.1952 mit 4% verzinst. Aufwertungsguthaben bis zu 20,-- DM werden in Kürze zur Auszahlung freigegeben. Die Freigabe der weiteren Beträge steht noch nicht fest. Zweifellos wird aber eine Verwertungsmöglichkeit der Aufwertungsguthaben durch Verkauf, Abtretung, Verpfändung, Beleihung usw. seitens der Geldinstitute geschaffen werden. Hierüber werden wir zu gegebener Zeit weiter berichten.

 

 

Seite 2   Feststellungsgesetz in Kraft

Das Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegsschäden ist nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten am 23. April verkündet worden und ist damit in Kraft getreten. Mit der Ausgabe der Fragebogen ist im Augenblick noch nicht zu rechnen; der Entwurf zum Fragebogen ist den Vertriebenenverbänden inzwischen zur Stellungnahme zugeleitet worden.

 

 

Seite 2   Heimat-Rundschau

Allenstein. In welchen Verhältnissen die Deutschen in den Ostgebieten leben müssen, geht aus einem Brief eines 83-jährigen Ostpreußen aus Masuren hervor. Er schildert seine jetzige Unterkunft folgendermaßen: „Das ist kein Altersheim, sondern ein Asyl für Obdachlose, so tief bin ich gesunken. Von seinem früheren Hof schreibt der Greis: „Bei mir zu Hause steht nur das Wohnhaus, aber ohne Fenster und Türen, sogar die Dielen sind herausgerissen. Die anderen Gebäude meines Hofes sind abgerissen und nach Polen geschafft worden "Vergeblich hat er versucht, eine Ausreisegenehmigung zu bekommen. Auch die Bemühungen seiner Kinder, die schon in Westdeutschland sind, blieben erfolglos. Resigniert stellt er fest: „Man hat nichts zu sagen, sondern nur zu gehorchen und zu schuften.“

 

Sensburg. „Jahrelang hält man uns nun schon hier wie Gefangene und wartet immer wieder darauf, dass man sich an uns rächen kann", schreibt eine ostpreußische Mutter in einem erst jetzt eingetroffenen Brief aus dem Kreis Sensburg in Ostpreußen Im weiteren Verlauf ihres Briefes teilt sie mit, dass jetzt alle jungen Deutschen zum polnischen Militär und Arbeitsdienst gezogen werden, und geht dann auf die bevorstehende Ausgabe neuer Personalausweise ein. Wenn sie uns darin als Deutsche bezeichnen sollten, würde das den Tatsachen entsprechen aber das tut man nicht, sondern wir werden eben die polnische Staatsangehörigkeit haben müssen. Das wird wieder viel Kampf und Aufregung geben." Und dann drückt die Ostpreußin in schlichten Worten ihre selbstverständliche Heimattreue aus: „Ich will mich solange wie möglich weigern als Pole bezeichnet zu werden. Da werden sie uns wieder mit Kraftwagen abholen und ins Gefängnis sperren. Ich zittere schon jetzt, wenn ich daran denke. In solcher Angst leben wir ständig."

 

Köln. Dem letzten Inhaber der „Masurischen Dampferkompanie Lötzen" (MDK), der jetzt auf dem Rhein fährt, ist aus seiner Heimatstadt das Angebot zugeleitet worden, er möge zurückkehren und in den Dienst des polnischen Nachfolgeunternehmens treten. Das neu gegründete polnische Unternehmen bemüht sich, den Fahrgastbetrieb auf den Masurischen Seen wieder in Gang zu bekommen.

 

 

Seite 2   Landsmannschaft fordert Anwendung der Atlantik-Charta

Der Vorstand der Landsmannschaft Ostpreußen befasste sich auf seiner letzten Sitzung mit dem Notenwechsel zwischen der Sowjetunion und den Westmächten unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass in der letzten Sowjetnote die Anerkennung der Oder - Neiße - Linie als deutsch-polnische Grenze gefordert worden ist.

In einer Entschließung gab der Bundesvorstand der Landsmannschaft der Erwartung der heimatvertriebenen Ostpreußen Ausdruck, dass bei einer Friedensregelung von Seiten der Westmächte mit Nachdruck das Erfordernis der Anwendung der Grundsätze der Atlantik-Charta und damit insbesondere der Selbstbestimmungsrechtes der Völker für die Gestaltung einer dauerhaften europäischen Ordnung vertreten werden sollte. Zu diesen Grundsätzen haben sich die Vertriebenen feierlich bekannt, wie auch in der Charta der Heimatvertriebenen zum Ausdruck kommt. Die deutschen Heimatvertriebenen sollten deshalb nicht länger ohne eine klare Antwort gelassen, werden.

In einer weiteren Entschließung zur Frage des Lastenausgleichs heißt es, dass der Kampf um einen gerechten Lastenausgleich vordringlicher sei als alle organisatorischen Fragen und dass deshalb die Vertriebenenorganisationen in diesem Grundanliegen zusammenwirken sollten.

 

 

Seite 2   Tagung des „Göttinger Arbeitskreises"

Der „Göttinger Arbeitskreis" hielt am 21. und 22. April die Jahrestagung seines Beirates in der kleinen Aula der Georg-August-Universität ab. Es waren Vertreter hoher Regierungsstellen, an ihrer Spitze Staatssekretär Dr. Schreiber vom Bundesministerium für Vertriebene, und ost- und westdeutscher Universitäten erschienen. Nach der Eröffnung der Tagung durch den Vorsitzenden des Göttinger Arbeitskreises", Prof. Dr. Herbert Kraus, wurden Berichte über die Tätigkeit im vergangenen Jahre erstattet. Es konnte auf eine große Reihe neuer aktueller, historischer, kultureller, und rechtlicher Publikationen, über Probleme der Vertriebenen und ihrer Heimatgebiete hingewiesen werden. Neben der publizistischen Arbeit ist es vor allem ein Anliegen des Arbeitskreises, durch ständige Prüfung der an den deutschen Schulen verwandten Schulbücher und durch die laufende Bereitstellung fachkundigen und billigen Arbeitsmaterials in der „Schriftenreihe“ Erbe und Auftrag der deutschen Heimatvertriebenen und ihrer ostdeutschen Heimat im Interesse Gesamtdeutschlands im Schulunterricht nachdrücklich zu vertreten.

Der erste Sitzungstag wurde durch einen Vortrag von Prof. Dr. U. Scheuner über „Deutsche Staatstradition und deutschen Osten“ beschlossen, in dem die bedeutenden Leistungen der beiden ostdeutschen Staatsgründungen Preußen und Österreich sowie ihre zukunftsweisenden Beiträge gewürdigt wurden. Der zweite Sitzungstag wurde durch den Bericht der Prüfungskommission für das erste Preisausschreiben des „Göttinger Arbeitskreises“; „Der landsmannschaftliche Gedanke“ eröffnet. Die Kommission erkannte aus den fünf eingesandten Arbeiten einstimmig einer Arbeit von Dr. Hans Schuster aus Gräfelfing bei München mit dem Titel „Gestaltung und Bedeutung der Landsmannschaften“ den Preis zu. Den Vortrag dieses Sitzungstages hielt Prof. Dr. H. v. Hentig über „Die internationale Situation und das Vertriebenenproblem“. Prof. v. Hentig analysierte die Struktur und erörterte vor diesem Hintergrunde die Möglichkeiten einer Befriedigung Europas.

 

 

Seite 2   Fahrpreisermäßigung beantragen

Anträge auf Gewährung der 50-prozentigen Fahrpreisermäßigung für hilfsbedürftige Heimatvertriebene müssen bis spätestens 31. Mai 1952 gestellt werden, wie die Bundesbahn nochmals bekanntgibt. Die Fahrpreisermäßigung, die bis 30. Juni 1953 befristet war, ist bis Ende Dezember 1953 verlängert worden. Das bedeutet, dass die bedürftigen Vertriebenen in der Zeit vom 1. Januar 1952 bis 31. Dezember 1953, drei Reisen, davon zwei im Jahre 1952, ausführen können. Eine Antragstellung auf Fahrpreisermäßigung für diese drei Reisen ist nach dem 31. Mai 1952 nicht möglich.

 

 

Seite 3   Die Flusslandschaft der Angerapp

Foto: Der Kirchturm von Darkehmen blickt ins Tal der Angerapp

Foto: Luftbildaufnahme von der ostpreußischen Kreisstadt Darkehmen (Angerapp), idyllisch im Talkessel der Angerapp gelegen. Darkehmen stand im ersten und auch im zweiten Weltkriege im Brennpunkt schwerster Kämpfe

Es gibt im Land zwischen Weichsel und Memel so viel Naturschönheit, die im übrigen Deutschland einfach nicht geglaubt wird. Wenn nun hier über die reizvolle Flusslandschaft der Angerapp, die ja in der Geschichte des ersten und zweiten Weltkrieges eine bedeutsame Rolle spielte, berichtet wird, so geschieht das deshalb, weil dieser schöne Fleck Erde wundervolle landschaftliche Schönheiten und interessante geologische, historische und ethnologische Merkmale aufzuweisen hat.

Es sind viele Jahrtausende vergangen (wahrscheinlich war es in der abklingenden letzten Eiszeit) als sich ungefähr am Anfang des jetzigen Mittellaufes der Angerapp ein großes Becken (Skallischer Becken) gebildet hatte, das sich allmählich mit Wasser (Schmelzwasser?) füllte. Es durchsägte den Nordrand des Beckens und schaffte so einen Abfluss. Das war der Anfang der Angerapp. Da begann nun ein wilder Kampf des Wassers mit dem bergigen Gelände, aber ihr Reservoir, das durch Schmelzwasser immer wieder gefüllt wurde, schickte umso mehr Wasser nach, als die Abflussrinne durch die spülende Wassertätigkeit vertieft wurde. Dieser verstärkte Abfluss geschah ruckweise, in längeren Zeitabständen, so dass am Becken und auch am Fluss Terrassen entstanden. Es waren Sandterrassen, die trocken und warm waren und den damaligen Menschen eine günstige Wohngelegenheit gaben. Auf diesen Terrassen fand man und findet man noch heute viele vorgeschichtliche Gegenstände, die durch planmäßige Grabungen sicher sehr bereichert werden würden. Allmählich verschwand das Wasser im Becken, es blieben aber wahrscheinlich die Zuflüsse, die auch heute noch die Angerapp speisen. - Auch heute noch führt das Wasser der Angerapp einen erbitterten Kampf gegen das Gelände. Sie stößt gegen die Berge, unterhöhlt sie, spült sie aus, verursacht Abstürze der Erdmassen, löst diese auf, zieht sie in den Strudel und setzt sie an ruhigen Stellen ab, wo sie prächtige Täler mit schattigen Hainen und saftige, ertragreiche Wiesen schafft. Auf der Plattform oben am Steilabhang baute sich der Mensch seine Burg, die noch durch seitliche Steilabhänge -einen schönen, regelmäßig gekrümmten, hohen Wall vom flachen Lande die Bergnase ab, und so entstand die Abschnittsburg, die manchmal sogar durch Parallelwälle besonders stark befestigt ist. Den Wall krönte oben eine besondere Befestigung aus Holz, Erde und Stein. In den Innenraum baute man noch Häuser, Stallungen und sonstige Unterkünfte, und damit war der Sitz, das feste Haus, fertig. Im Falle einer herannahenden Gefahr durch eingedrungene Feinde flüchteten die Umwohner in die Burg. Die Männer waren die Verteidiger. Frauen, Kinder, Greise und auch manche Habe war in Sicherheit. Es waren Raubkriege, die damals geführt wurden.

Unterhalb der Kreisstadt Angerapp (Darkehmen) liegt die Fliehburg Kamanten auf dem Steilufer der Angerapp. Ein Walldurchstich ergab, dass die Burg zweimal erobert und durch Feuer zerstört worden ist. - Interessant ist es festzustellen, dass an solchen Stellen noch beute Flurnamen genannt und Sagen erzählt werden: Teufelsschlucht, Hexengrund, Potrimposberg, Galgenberg und andere.

Dass diese Flusslandschaft mit ihren Steilabhängen, ihren bewaldeten Kuppen, ihren sonnigen Tälern, geheimnisvollen Schluchten, ihren quellenden, sprudelnden, rauschenden und schäumenden Wassern von malerischer Schönheit ist, wurde schon oft geschildert. Ja, sie ist schön, diese Osznagorrer Schweiz!"

Um diese reizvolle Landschaft windet sich ein Kranz von Sagen, und das ist kein Wunder. Die schönste soll hier folgen. Es ist die vom verschwundenen Dorf Awischen.

In dem Dorf Awischen wohnte vor vielen Jahren neben anderen Bauern der Großbauer Jurai Gedemski. Er hatte nur eine Tochter, sein einziges Kind. Es war die reizende und tugendhafte Katharine Gedemski. Der Vater hatte mit ihr große Pläne. Er wollte sie mit dem einzigen Sohn des reichen Nachbarn, der auch ein schönes Bauerngut besaß, verheiraten. Zu diesem Doppelgut wollte er dann noch die andern Bauern des Dorfes auskaufen, damit seine Tochter einmal eine große Gutsbesitzerfrau wurde. Das war sein Lebensziel. - Nun hatten aber der Großknecht des Hofes und die reizende Katharine heimlich einen Liebesbund geschlossen, von dem der Vater nichts ahnte. Als der Alte das merkte, geriet er in maßlose Wut und jagte den Großknecht auf der Stelle vom Hofe. Seiner Tochter aber verbot er unter Androhung schwerer Strafen jeden Verkehr mit ihrem Liebsten.

Katharine weinte und flehte den Vater an, nicht ihr Lebensglück zu zerstören. Es war alles vergebens. Mit grausamer Härte zwang ihr Vater sie unter seinen Willen und verlobte sie mit dem Sohn des reichen Nachbarn. - Die Zeit verging. Allmählich rückte der Hochzeitstag heran. Besorgt blickte der Vater auf sein Kind, das täglich schmaler und blasser wurde, und mehr als einmal rang er mit sich, seiner Tochter willens zu sein, aber immer wieder siegte der Gedanke, dass sie ihm einmal für seine Strenge und Härte dankbar sein würde.

So war schließlich der Hochzeitstag herangekommen. Ein langer Zug geschmückter Hochzeitswagen fuhr von Naujoken bergab ins Angerapptal zur Kirche nach Angerapp, voran der glänzende Brautwagen, in dem die bleiche Katharine an der Seite ihres Bräutigams saß. Als der Wagen sich der Stelle näherte, an der ein Steilabhang zum Fluss jäh abfiel, stand da plötzlich Katharinens Liebster in seinem Sonntagsstaat und breitete nach ihr seine Arme aus. Ohne sich zu besinnen, sprang sie aus dem Brautwagen, warf sich in die offenen Arme ihres Auserwählten, eng umschlungen stürzten sich beide kopfüber den Steilabhang hinab in den vom Regen angeschwollenen Fluss und versanken. Das weiße Brautkleid und der Schleier wirbelten empor, versanken, tauchten auf und versanken wieder. Das Wasser führte die Liebenden, die jetzt im Tode für immer vereint waren, rasch davon. An einer ruhigen Stelle gelang es der entsetzten Hochzeitsgesellschaft, die Toten zu bergen. Man brachte sie in den Brautwagen. Der verblendete Vater raufte seine weißen Haare, verfluchte sich und seinen Hochmut und hätte gern seinen ganzen Reichtum hingegeben, wenn er alles hätte ungeschehen machen können. Die Reue kam zu spät, zu spät. Unbarmherzig hatte das Schicksal entschieden. Die ganze Hochzeitsgesellschaft war erschüttert. Man klagte und weinte viel Tränen um das traurige Geschick der armen Katharine und ihres Geliebten. Seit der Zeit heißt diese Stelle das Tränental.

Von da ab stieß die Angerapp in ihrem Zorn über die Freveltat gegen den Berg, auf dem das Bauerndorf Awischen stand. Sie unterhöhlte und spülte den Berg aus, so dass die Bauernhöfe einer nach dem andern zusammenstürzten. Der erste war der des Jurai Gedemski, der, verarmt und verachtet, fortging. Keiner wusste wohin. Die letzten Bauern, die ein gleiches Schicksal befürchteten, verkauften ihr Land an den Gutsherrn von Auerfluß, der den Rest der Gebäude abbrach und das Land der Bauern zu seinen eigenen Ländereien schlug. Seitdem stellte die Angerapp ihr Zerstörungswerk ein, nachdem sie das Dorf vernichtet hatte. Nur die Schule, die weiter abseits vom Flusse stand, blieb unversehrt und steht heute noch. --

Dicht daneben ist ein alter Friedhof, der schon lange nicht mehr benutzt wird. Er wurde nicht eingeebnet. Vielleicht tat man das aus Pietät gegen die unglückliche Katharine Gedemski. In einer Ecke zeigt man noch heute das Grab der beiden Liebenden. Auf dem Grabhügel wächst ein wilder Rosenstrauch, der Jahr für Jahr Blüten treibt. Vogelpärchen nisten in seinen eng verzweigten, stacheligen Ästchen und singen vom Triumph des ewig jungen Lebens.

 

 

Seite 3   Tenkitten oder Truso/Die Truso-These zur Missionsreise des Adalbert von Prag Foto: Luftbildaufnahme von der ostpreußischen Kreisstadt Darkehmen (Angerapp), idyllisch im Talkessel der Angerapp gelegen. Darkehmen stand im ersten und auch im zweiten Weltkriege im Brennpunkt schwerster Kämpfe.

Hoch ragte bei Tenkitten im Samlande das Adalbertskreuz auf; und wer hat in ostpreußischen Schulen nicht davon gehört, dass der Bischof Adalbert von Prag als erster Missionar der Preußen im Jahre 997 in der Nähe von Königsberg, irgendwo unweit des Pregels (bei Fischhausen) oder vielleicht an der Samlandküste den Märtyrertod gefunden habe? Dabei geht man auf David Chytraens: Provemium metropolis, 1585 zurück, der berichtet, dass Adalbert „prope Fischausen interfectus" (nahe bei Fischhausen getötet sei). So stand schon 1424 -1669 bei Tenkitten eine Gedächtniskapelle, an deren Stelle später das ob. erw. Kreuz trat. Diese Deutung blieb herrschend, und andere St. Adalbertskapellen, z. B. in Königsberg erinnerte überhaupt an den ersten Preußenmissionar bis in unsere Zeit.

Der kürzlich verstorbene, verdienstvolle Historiker der Geographie Richard Hennig, Düsseldorf, bestreitet nun nicht nur die bisherige Lokalisierung des Totschlags, sondern verneint überhaupt die Ansicht, dass Adalbert von Prag einen Missionsversuch im Samlande unternommen habe. Er sieht vielmehr den Ort des kurzen Wirkens dieses Bischofs im Preußenlande in der bedeutenden Handelsstadt Truso (Elbing) und nimmt an, dass Adalbert dort auch den Tod gefunden habe. (Hennig, R.: Terrae incognitae Eine Zusammenstellung und kritische Bewertung der wichtigsten vorkolumbischen Entdeckungsreisen an Hand der darüber vorliegenden Originalberichte 2. Bd. 200-1200 n. Chr. 2. verb. Aufl. Leyden 1950 E. J. Brill S. 302 - 10).

Über Adalberts Preußenfahrt liegen drei Berichte vor, die in den Hauptsachen übereinstimmen, nur in Nebensächlichkeiten differieren: 1. von Joh. Canaparius, gest. 1004, 2.) von dem Erzbischof Bruno, der Adalberts Begleiter scheinbar in Rom gesprochen hatte, den Vorgang aber erst 5 Jahre danach aufschrieb und 3.) von einem unbekannten Meseritzer Mönch, dessen Aufzeichnungen etwa aus den Jahren 999/1000 stammen, die also die ältesten, am wenigsten ausführlichen, aber vielleicht am verlässlichsten sind. Hier ist nicht der Ort, auf die Einzelheiten einzugehen. Es steht fest, dass Adalberts Missionsversuch ein völliger Fehlschlag war. Bereits einige Tage nach seiner Ankunft fand er den Tod. Es ist weiterhin nicht zu bestreiten, dass er durch wenig Diplomatie sein tragisches Geschick selbst verschuldet hat. Schon Wulfstans Reisebericht von seiner Fahrt ins Frische Haff (um 880 n. Chr.; noch mehr die späteren Aufzeichnungen Adams von Bremen bezeugen, dass Fremde im Preußenlande gewöhnlich friedlich und freundlich aufgenommen wurden. Bei Adalberts Auftreten lagen die Preußen im Kriege mit dem Polenherzog, von dessen Hof Adalbert aber kam. Es lag nahe, den weltfremden Bischof als Spion o. ä. zu betrachten. Man tötete ihn auch nicht sofort, sondern gab ihm Gelegenheit sich zu entfernen. Als er sich dennoch nicht anschickte, das Preußenland sofort zu verlassen, erschlug man ihn, ließ aber seine Begleiter unbehelligt laufen. Es mögen also außer religiösen auch politische Erwägungen dahinter gestanden haben, die zu seinem Tode führten.

Unter Verzicht auf Einzelheiten der Beweisführung ist der Gang von Hennigs Schlussfolgerungen folgender: die Quellen berichten, Adalbert hätte sich in Danzig „dem Meere anvertraut", d. h. nach allgemeiner Auffassung die Danziger Bucht überquert und sei dann ins Samland gelangt. Hennig bestreitet nun, dass der Bischof die freie Ostsee befahren habe. Alle Urkunden, Chroniken u. ä. bezeichnen Haffe, Bodden gleichfalls als Meere, so Wulfstan schon das Frische Haff als „Esthenmeer", das zu jener Zeit bis in die Gegend von Danzig gereicht habe (u. Schiffsfunde bei Ohra). Das wirtschaftliche Schwergewicht des Preußenlandes lag zu jener Zeit (10. Jahrh.) in Truso, d. h. im späteren Elbing am Elbingfluss, nicht etwa im Bereich der Pregelmündung (bei dem späteren Königsberg). Dieses Truso konnte auch nur Adalberts Ziel sein. Es bot sich ihm sozusagen an, wie auch andere Missionare (Ansgar, Otto von Bamberg usw.) zuerst bestrebt sein mußten, sich im Hauptort des Heidenlandes eine Anhängerschar zu sichern. Die Pregelmündung war zu jener Zeit (nach Hennig) noch kein lohnendes Ziel. Truso aber, sozusagen vor den Toren Danzigs, bot sich ihm direkt an. Nur dorthin konnte Adalbert sich wenden. Vor Hennig haben übrigens auch Ludwig Giesebrecht 1843 und Karl Müllenhoff 1870 schon auf Truso als das wahrscheinliche Ziel der Reise Adalberts hingewiesen. Nach Hennig hat also der erste Preußenmissionar das Samland nie gesehen, und alle Interpreten sind durch den Ausdruck „Meer" auf eine falsche Fährte geführt worden. So vermutet er auch den Ort der Ermordung Adalberts nicht im Samland, sondern im Südwesten des Frischen Haffs, etwa zwischen der Nogat und der Elbinger Weichsel.

Noch weitere Gründe werden zu dieser These beigebracht. Man kann sich ihr im großen Ganzen auch nicht verschließen. Historiker und genauere Ortskenner werden noch mancherlei Bedenken beibringen können. Ob Adalbert vielleicht gerade Truso mied, um in der Linie des geringeren Widerstandes, d. h. also im Samland vorerst sein Glück zu versuchen, da er doch um den polnisch-preußischen Gegensatz wissen musste. Es wäre also - wenn möglich - zu klären, ob auch zu jenem Zeitpunkt Truso den besseren Ansatz zur Missionstätigkeit bot. In der breiten Öffentlichkeit mögen wir uns vorläufig damit begnügen, dass durch die Truso-These ein Fragezeichen hinter Adalberts Auftreten im Samland gemacht wird. Dr. Herbert Kirrinnis.

 

 

Seite 3   Neue Schriften des „Arbeitskreises"

In der Schriftenreihe des „Göttinger Arbeitskreises" erschienen jetzt als Heft 15 Manfred Hellmann: „Die Deutschen in Litauen" und als Heft 16 Hans Wühr: „Siebenbürgische Kirchenburgen" im Holzner-Verlag, Kitzingen/Main. Manfred Hellmann schildert die Geschichte des stillen, unauffälligen und bescheidenen Lebens und Wirkens der Deutschen in Litauen, die ein Beispiel dafür sind, dass Heimat im Osten durch Fleiß, Zähigkeit, Dienst am Werk und durch gute Nachbarschaft erworben wurde. Hans Wühr gibt eine historische Darstellung von den Wehranlagen der deutschen Siedler im Karpathenbogen, die ähnlich wie die Ordensburgen in West- und Ostpreußen für die siebenbürgische Landschaft symbolhaft sind. Beide Hefte enthalten zahlreiche Bilder und Karten,

 

 

Seite 4   Zum Muttertag. Von Otto Lorsch

Es gibt ein Wort, das alle Sehnsucht stillt,

Es wohnt auf unsrer Seele zarten Schwingen,

Bringt eine Saite in uns zum Erklingen,

Dass unser Herz vor Glück fast überquillt;

Unfassbar, nur zu ahnen die Gewalt,

Die von ihm ausströmt, tausendfältig in Gestalt;

Ein Wort ist's, das beglückend Welten füllt:

Mutter!

 

Es gibt ein Wesen, das an Liebe reich,

So reich, dass Könige selbst arm erscheinen,

Das stets verzeiht, wenn andre auch verneinen,

Geduldig ist, bescheiden und zugleich

Ein Held, der tapfer trägt und mutig ringt,

Gewalten sieghaft trotzt und sie bezwingt;

Ein Wesen ist's, dem keins auf Erden gleicht:

Die Mutter!

 

Doch eine gibt's, die mehr als andre liebt,

Noch Hilfe weiß, wenn alles will versagen,

Die, immer gleich voll Güte, ohne Klagen

Auch schwerste Schuld versteht und still vergibt;

Ein Hafen, der im ew'gen Glanze winkt,

Nach wilden Stürmen heit're Ruhe bringt;

Sie ist's, die meiner Seele tiefsten Frieden gibt:

Meine Mutter!

 

 

Seite 4   Mennoniten waren gute Viehzüchter

Ernst Hartmann berichtet über die ostpreußische Viehwirtschaft vergangener Zeiten

Spricht man von den hervorragenden Leistungen der ostpreußischen Landwirtschaft in vergangenen Tagen, dann denkt man gewöhnlich an die augenfälligen Erfolge der weitberühmten Pferdezucht. Dass die altpreußischen Landwirte auch befähigte und tüchtige Viehzüchter waren, wird meistens aus einer gewissen Unkenntnis außer Acht gelassen. Hier soll nun einmal kurz die Frage beleuchtet werden, in welchen Bahnen sich die Viehzucht unserer alten Heimat entwickelte, bis sie in unserem Jahrhundert ihre volle Leistungshöhe erreichte.

Es war, wie bei so vielen Fragen der kulturellen Entwicklung Ostpreußens, der Deutsche Ritterorden, der auch hier den Grundstein legte. In der Nähe seiner vielen Burgen hatte er Domänen angelegt, die der im Umkreis sesshaft gewordenen Bauernschaft als Musterwirtschaften dienten. Hier hielten die Ordensherren größere Viehherden zum leiblichen Unterhalt der Ordensbrüder in den Konventen und auch zur Ausleihe von Zuchttieren an fortschrittlicher denkende Bauern der umliegenden Dörfer und Höfe. Als Pachtzins gab der Bauer für jede „Pachtkuh" gewöhnlich 7 scot (Ordensmünze). Für die gute Wartung des Viehs erhielt der Hirt von dem Ordensbruder, der den Ordenshof betreute, um 1500 als „Ausspeisung" Roggen, Grütze, Erbsen, Salz, Fische, „Kofent" (ein leichtes, selbstgebrautes Bier) und ein Paar Schuhe. Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit führte der Orden auch gutes Zuchtvieh ein (wahrscheinlich aus dem deutschen Mutterland).

Bei etwa eintretendem Mangel an Schlachtvieh haben die Ordensherren auch Einkäufe im Ausland vorgenommen. So erhielt z. B. der Komtur von Memel im Jahre 1512 den Auftrag, für die hochmeisterliche Hofhaltung in Königsberg 50 Stück Rindvieh in Samaiten (nördlich vom Memelgebiet) einzukaufen, und auch 1522 wurden von dorther Schlachtochsen für das Haus Königsberg bezogen. Mit dem Orden wetteiferten selbstverständlich die Bischöfe und Domkapitel und suchten in ihren Territorien die Viehzucht zu heben. So wird z. B. von Bischof Johannes I. von Pomesanien berichtet, dass er damit gute Erlöse erzielte.

Eine stark aufwärts strebende Entwicklung setzte ein, als die holländischen Mennoniten als Glaubensflüchtlinge sich an Weichsel und Nogat niedersetzten und ihr mitgebrachtes holländisches Vieh auf den abgedeichten Werderwiesen weideten. Wo früher versumpftes und von toten Flussarmen durchzogenes Ödland sich trostlos dem Blicke darbot, graste nun wohlgestaltetes Vieh auf üppigen Weiden. Da diese Holländer deutschen Geblüts - alle trugen sie rein deutsche Namen - sich so vortrefflich auf die musterhafte Pflege des Viehs verstanden, brachten im 16. Jahrhundert ganze Dörfer der höher gelegenen Landstriche ihre Viehherden zu ihnen und zahlten nach abgelaufener Vertragszeit für die Mühewaltung mit guter Münze. Die Losewitzer entrichteten 1578 sogar 1400 Mark. Um die Kühe auseinanderhalten zu können, gaben die Mennoniten ihnen charakteristische Rufnamen. So nannte z. B. ein mennonitischer Viehzüchter in der Nähe von Schwetz 1744 seine Kühe Placknas, Eckhorn, Krauskopf-Grommel, Rotaug, Wilde, Fiohl, Wittschosft, Hockling, Zweizitz, Weithorn, Weißkopf. (Der bekannte ostpreußische Naturwissenschaftler Bock rühmt noch 1784 in seiner „Wirtschaftlichen Naturgeschichte": „Niemand wartet das Vieh besser als die Mennoniten.")

 

Im Memelgebiet und im Quellgebiet des Pregels hielten die Bauern bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts rotes oder weißgeflecktes Vieh kleinerer Gestalt. Dann aber ging man unvermittelt zur Züchtung der Holländer Rasse über. Ich vermute, dass dieser Wandel zum Teil auch auf die Ansiedlung von Mennoniten im Stromgebiet der Memel im 17. Jahrhundert zurückzuführen ist. Neuen Auftrieb erhielt die ostpreußische Zucht auch durch die Einwanderunq der Salzburger, die damals schon in ihrer alpenländischen Heimat anerkannte Viehzüchter waren. Ihr mitgebrachtes und das ihnen von König Friedrich Wilhelm I. übereignete friesische Vieh bevölkerte bald die von der Pest 1709/10 verödeten Gefilde im Nordosten unserer Heimatprovinz. Etwa vom Jahre 1830 ab wurden in den genannten Gebieten auch „Wilstermarsch Holländer" und später „englisch Langhorn"

und „Westfriesen" eingeführt und hochgezüchtet. 1844 wurde sogar von einem Konsortium Interessierter ein Stamm „Yorkshire" in England gekauft.

Durch solche Veredelungs- und Blutauffrischungsmaßnahmen wurde gerade im 19. Jahrhundert die ostpreußische Viehwirtschaft stark vorangetrieben.

Stets war man auch sehr um die Haltung eines edlen Zuchtbullen bemüht. Da er die Art erhalten, ja verbessern sollte, nannten ihn unsere ostpreußischen Altvordern sehr treffend „Artboll". So setzt z. B. die Fleckenordnung des Marktfleckens Scehesten von 1721 fest, dass jederzeit „ein guter Arth Boll Hengst und Kujel Bey der Heerde seyn soll" Die einzelnen Viehhalter mussten ihn „umzech" (reihum) halten. Dafür erhielten sie gesonderte Flurstücke des Gemeindelandes zur Nutzung, die daher die Flurnamen Bollerewiese, Bollengrund, Bollenwinkel trugen. Die Willkür von Näglack vom Jahre 1752 verlangt z. B das Halten eines tüchtigen Bullen.

Die größte Schwierigkeit, die in alter Zeit von den Viehaltern zu überwinden war bestand in der Durchhaltung des hungernden Viehs in den letzten Monaten langwährender harter Winter. War doch die Winterfütterung damals höchst einseitig, da Kartoffeln und Futterkräuter bis zum 18. Jahrhundert noch nicht angebaut wurden. Bis zum Einbruch von Kälte und Schnee hütete man auf Brache, Heide, Unland und im Wald; dann setzte nach der Einstallung die karge Fütterung mit Heu und Stroh ein. Währte des Winters grimmiges Regiment lange, dann wurde das arme Vieh mit Laubheu, „Abharksel“ und in höchster Not sogar mit Tannennadeln durchgehungert. Ging das Futter gänzlich aus, dann griffman zum äußersten Mittel: man deckte die Scheune ab und schnitt das Dachstroh zu Häcksel. Suchte der unerbittliche Winter bei steigender Sonne das Weite, dann waren die Kühe oft bis auf die Knochen abgemagert, so dass sie beim Austrieb kaum auf den Beinen stehen konnten, wenn sie nicht vorher schon verkauft oder krepiert waren.

Zum Austrieb am festgesetzten Termin – gewöhnlich Mariä Verkündigung (25.03.) St. Georgstag (23.04.) oder Walpurgis (01.05.) – wurden im Winter schon die notwendigen Vorkehrungen getroffen. Am Neujahrstag oder am 2. Januar kamen die Dorfgewaltigen im Krug zusammen und erkoren da einen armen aber zuverlässigen Dorfbewohner zum Gemeindehirten, mit dem man anschließend gemeinsam bei Bier und Branntwein, Brot und Wurst den „Hirtenschmaus“ hielt. In der vor genau 400 Jahren 1551 aufgesetzten Dorfwillkür von Ponarth bei Königsberg hieß es z. B., dass „ein gemeiner Zechhirte“ gehalten werden soll. Zechhirte nannte man ihn, weil er im Dorf reihum von allen Viehbesitzern unterhalten werden musste. Ärmere Gemeinden hüteten selbst umzech, indem ein Bauer nach dem anderen jemand aus der Familie mit dem Dorfvieh hinausschickte. Zuweilen wurden dazu auch die noch schulpflichtigen Söhne herangezogen, die wegen schlechter Schulleistungen nicht konfirmiert werden durften und bis zum 16. Oder gar 17. Lebensjahr die Schulbank drücken mussten. Im Jahre 1766 befahl darum die Regierung, die Beamten möchten allenthalben für die Aussetzung von Gemeindeviehhirten Sorge tragen, damit die Jugend nicht wegen des Viehhütens den Unterricht versäume.

Vor dem Austrieb musste der Hirt noch den stoßigen Tieren die Hörner beschneiden denn jeder Tierhalter hatte für den durch seine Tiere verursachten Schaden voll aufzukommen. Allen Bullen und Kühen wurden auch mit dem Brenneisen die Dorfzeichen auf die Schenkel gebrannt, damit sie beim Verlaufen während der Waldhütung oder beim nachbarlichen Weidebetrieb von dem Vieh anderer Dörfer sofort unterschieden werden konnten.

Die Stadt Pr.-Holland versah schon das junge Vieh 1620 mit solchen Brennzeichen. War das Vieh gebrannt, dann wurde auf einem „Kerbstock“ mit Kerbschnitten vermerkt, wie viel Stück jeder Bauer zutreiben wollte. Danach wurden dann während der Hütezeit die Hüteabgaben eingezogen und dem Hirten davon sein Lohn „geschüttet“. Hatte ein Bauer dann zusätzlich noch ein Stück Vieh untergeschmuggelt, dann musste er, wenn er von einem Neider „gerügt“ war, eine festgesetzte „Buße“ zahlen; er musste es „büßen“.

Mit der „Separation“ oder Gemeinheitsteilung der bäuerlichen Ländereien Ende des 18. Jahrhundertsund Anfang des 19. Jahrhunderts trat ein grundlegender Wandel ein, denn nun erlangte jeder Bauer seinen gesonderten Besitz und legte auf seinem wirklichen Eigen „separate“ Weidegärten an. Es entwickelte sich nun die Form der Viehwirtschaft, wie wir sie aus eigener Mitwirkung oder Anschauung von der Vorkriegszeit her kennen.

 

 

Seite 5   Unsere Leser schreiben. Von der Sendung der Vertriebenen

In wenigen Jahren werden wir über ein Jahrzehnt Lebenserfahrung als Vertriebene verfügen. Wir werden dann uns gelegentlich fragen müssen, wie wir diese Zeit ausgewertet haben. Es ist kein Zweifel, dass wir uns aus diesem Zustand heraussehnen. Aber der Blick auf die Zeit, „wie es früher einmal war", ist doch nur die eine Seite der Sache. Wenn es heute noch Vertriebene gibt, dann wird dadurch doch deutlich, dass diese Vertriebenen eine Sendung haben, zunächst einmal an der Umgebung, die uns aufgenommen hat. Ihr und uns leisten wir einen schlechten Dienst, wenn wir die Gegenwart nur als Vorläufigkeit, als Provisorium ansehen und darüber vergessen, dass wir den geistigen Reichtum unserer Vergangenheit fruchtbar zu machen haben für die Gegenwart.

Es ist durchaus nicht so, als ob wir in allen Dingen nur als Bittende oder Fordernde auftreten müssten. Wir dürfen den geistigen Reichtum unserer Vergangenheit entfalten. Dabei werden unsere Gastländer erkennen, dass wir auch ihnen etwas zu bieten haben. Nur  müssen wir von dem verkehrten Standpunkt herunter, dass bei uns alles „besser" war, weil es „anders" zuging. Wenn wir empfindlich sind über eine aus Unkenntnis verkehrte Beurteilung unserer Lebensgewohnheiten, müssen wir diese Empfindlichkeit auch denen zubilligen, die uns aufnehmen. Wir leben heute in einer Gemeinde zusammengewürfelt und erleben die verschiedensten Lebensgewohnheiten und Lebensauffassungen nebeneinander. Diese Mannigfaltigkeit ist Reichtum und wir sollten ihn auswerten, statt uns daran aufzureiben, und wir werden zueinanderfinden. Darum geht es doch heute. In dieser Richtung sind noch viel zu wenig Anstrengungen gemacht und wir sollten uns durch Enttäuschungen nicht ermüden lassen.

Die glatteste und einfachste Lösung, die Andersartigkeit zu überwinden, besteht darin, dass man seine Vergangenheit über Bord wirft und „sich anpasst". Die 150-prozentigen sind auch da verdächtig. Eine solche Lösung ist Nichtachtung dessen, was unsere Voreltern sich unter Einsatz ihres Daseins bewahrt haben, um es an uns weiterzugeben. Würdig ist jene Lösung nicht, wenn auch verführerisch bequem und vielleicht sogar erfolgreich. Unsere Art bringen wir dadurch auf alle Fälle in Misskredit. Und gleich schwieriger, aber eben doch sachgemäßer ist der andere Weg, dass wir Art neben Art, Sitte neben Sitte gelten lassen. Dadurch helfen wir uns und denen, die von anderer Art sind. Großzügiges hat immer etwas Gewinnendes und sollten gerade wir Ostpreußen, die wir aus den großen Räumen kommen, entfalten.

Überall spricht man heute von der Einheit Europas und es finden nicht einmal Nord und Süd, Ost und West eines Volkes unter einem Dach zusammen! Je mehr wir dem anderen seinen Wert und seine Würde zuerkennen, umso besser werden wir darin unser Land, unsere Vergangenheit rechtfertigen. Als Vertriebene sind wir das Aushängeschild unserer Heimat, unserer Vorfahren. Der geringste Fehlgriff bringt uns die Beurteilung ein: so sind die alle! Man sieht auf uns - das gilt jedem einzelnen, jeder Familie, aber auch jedem Bund, der die Heimattreue pflegt. Weithin sind wir auf der Ebene eines harmlosen Geselligkeitsklubs angelangt, der das Grau des Alltags mit etwas „Gemütlichkeit" überwinden will. So etwas passt zu den Lebensführungen, die hinter uns liegen, schlecht. Wer unsere Jugend für die Heimat erwärmen und „in die Bude Betrieb bringen" will, indem er Tombola, Tanz, Fasching usw. veranstaltet, beweist damit nur, dass er  im – wörtlichsten -  Sinn nichts zu sagen hat; dann sollte er aber auch schweigen, eben gerade auch bei Programmgestaltungen.

Das ist aber unser aller Not, dass wir schon nichts mehr wissen von unserem Land und seinen Leuten. Was könntest Du schon den neuen Bekannten oder Verwandten, die dein Land nie gesehen haben, von Deiner Heimat erzählen? Es fehlt uns doch einfach am notwendigsten Material, an den Unterlagen. Die wenigsten werden sich Heimatbücher kaufen können, die dann auch nicht über alles Aufschluss geben.

Das nämlich ist das Anliegen dieses Briefes an Schriftleitung und Leser: es sollten sich verantwortungsbewusste Landsleute, wirkliche Sachkenner, bereit erklären, knappe, aber doch einigermaßen erschöpfende, volkstümliche Aufrisse zu geben über Entdeckung, Besiedelung, Erdkunde, Volkskunde, Missionierung und kirchliche Entwicklung, Kultur und Wirtschaft unseres Landes, vor allem auch über Persönlichkeiten, ferner müsste die Bedeutung, die Ostpreußen für das Gesamtvolk hat, herausgearbeitet werden. Zeichnet Lebensbilder von „Dichtern und Denkern", von Künstlern und Gelehrten, von Handwerkern, Beamten, von Landwirten, von Bürgern und Adligen, auch - um vom eigenen Stand zu reden - von Pfarrern! Ostpreußen, haben immer Humor, deshalb sollten „Originale" nicht vergessen werden! Das alles sind nur Andeutungen des großen Gebiets, das mir noch ziemlich unbearbeitet zu sein scheint. Es ist der „Ostpreußenwarte" zu danken, dass sie schon manchen Ziegel zu diesem Bau geliefert hat, aber es sollte noch mehr System dahinter sein.

Die Veröffentlichung in der Zeitung wird dann wohl der unserem Geldbeutel gemäßeste Weg sein und es würde sicher auch der größtmögliche Personenkreis damit erreicht. Mit der Arbeit an diesen Dingen werden wir Aufbauarbeit leisten nicht nur an uns, sondern an unserem ganzen Volk! Pfarrer Horst Ruske.

 

 

Seite 5   Ostpreußische Antwort an Russel!

Als Kind des deutschen katholischen Ermlandes und heimatvertriebener Ostpreuße, dessen Vorfahren nachweislich mehr als 420 Jahre auf erarbeiteter Scholle saßen, muss ich mir jede Bevormundung seitens des „Philosophen" Russel zur Frage des Schicksals und der Zukunft meiner Heimat aufs entschiedenste verbitten. Wenn Russel so „menschenfreundlich" ist, mehr als drei Millionen Ostpreußen das Recht auf ihre völlig legitime Heimat zu nehmen, auf die Heimat, in der sie auf Grund eigener Leistung so legitim und berechtigt wohnten, wie jeder Angehörige der abendländischen Christenheit – das gilt auch für die die Völker der Litauer und Letten, - scheint es mit seiner philosophischen Weisheit nicht weit her zu sein. So urteilt eher ein politischer Scharlatan, aber kein Philosoph von Format! Ostpreußen, keineswegs ein Kolonialland, ist und bleibt unsere deutsche Heimat. Sollten etwa wider Erwarten Mitglieder einer deutschen legitimen Regierung auch nur auf den Gedanken kommen, unsere gottbestimmte Heimaterde abzutreten, würden ihnen 12 Millionen heimatvertriebene Menschen auf legalem Wege eine Antwort erteilen, die in die Geschichte eingehen wird! Das Recht auf die Heimat ist ein Menschenrecht, das Bekenntnis zu dieser Heimat darf in keinem Fall als nationalistisch oder chauvinistisch bezeichnet werden.

Herrn Russel kann ich nur empfehlen, sich mit etwas größerer Gewissenhaftigkeit das international dokumentierte Abstimmungsergebnis nach dem ersten Weltkrieg anzusehen. Er wird dort finden, dass sich nahezu hundert Prozent der Bevölkerung des Ermlandes in Ostpreußen zu ihrer deutschen Heimat und nicht zu Polen bekannt haben. A. Thiel, früher Heilsberg.

 

 

 

Seite 5   Land im Osten. Von Gerd Schimansky

Ist dies noch der alte Himmel,

Leuchtend über Kindertagen,

Nun so bleiern über Toten,

Nun so anteillos verhangen?

 

Grünt ein Grün aus jungen Saaten,

Spiegelt sich die Frühlingswolke

In dem klargewordenen Weiher,

Doch das Herz, es schweigt.

 

Und es fragt von blassen Lippen

Eine nie vernommene Stimme

Eines nie gesehenen Wanderers

Fragt, ob ich ihn wohl erkenne.

 

Aus dem Lande Leid gekommen,

Durch das Todesland gezogen,

Zieht er, zieht er mir vorüber,

Kaum die junge Saat berührend.

 

Und ich stehe, und ich fühle,

Wie die schmerzverhangenen Bilder

Unserer Seele Schatten geben,

Dass dem Licht sie stiller danke.

 

Stiller auch, du ferne Erde

Will ich deiner nun gedenken,

Denn es kommt der Herr und segnet

Jedes heimatlose Herz.

 

Er, er will ihm Heimat geben.

 

 

Seite 5   In meiner Heimat wird es Frühling …

Gestern hörte ich es wieder, das Lied. Das zu Hause Mutter gesungen hatte, wenn wir unsere Familienstunde hatten. Das war dann, wenn Vater einmal bei uns war, der sonst immer abends irgendwo am Krankenbett saß. Wenn wir uns einmal alle in dem großen Raum um den Flügel setzten, dann hielten wir „Familienstunde". Ich 'weiß noch genau, dass  ich dabei immer auf dem dicken Teppich hockte unter dem Blumenstück, mit angezogenen Knien. Und wenn ich an die Reihe kam, dann wünschte ich mir das Lied „In meiner Heimat, da wird es jetzt Frühling". Ich schämte mich jedes Mal, dass ich dabei weinen musste und dass Vater es sah, denn er kam dann zu mir, strich mir sanft über das Haar und lächelte dabei. Weiter nichts. Aber sein Lächeln war so seltsam, als wüsste er … Ich liebte dieses Lied, wenn Mutter es sang in dem weiten Raum mit der großen Flügeltüre.

Dann habe ich lange nicht mehr an Musik gedacht, weil es so viel zu denken gab und uns ein Lied nicht mehr über die Lippen kam.

Bis dann gestern eine fremde, kalte Stimme dieses Lied sang, mein Lied. In meiner Heimat, da wird es jetzt Frühling. Ja, dort auf der Memel trieben die schweren Eisschollen stromabwärts, und die Wiesen standen unter Wasser. In unserem Garten aber blühten die ersten Schneeglöckchen, und aus der Untereißler Heide holten wir für Mutter die kleinen Kätzchen, immer nur einzelne Eindrücke, derer ich mich entsinne.

Damals war ich noch ein Kind, und es sind immer nur einzelne Eindrücke, derer ich mich erinnern kann, kein ganzes Bild mehr. Oft, wenn ich allein bin, denke ich an diese Zeit, denke, denke … und erschrecke davor, wie viel ich in sechs Jahren schon vergessen habe. Obgleich ich glaubte, dass es kein Vergessen gibt.

Auch jetzt ist es dort wieder Frühling, aber es wird ein trauriger Frühling sein. Keine Kinder werden mehr lachen, keine Mutter wird mehr deutsche Lieder singen, nur die Eisschollen werden treiben, stromabwärts, immer stromabwärts.

Ich habe Sehnsucht nach meiner Heimat, Sehnsucht nach dem weiten Raum, dem weichen Teppich, dem Blumenbild, Mutters Stimme. Ich weiß, dass ich morgen zu ihr fahren werde, weil ich es allein nicht zu tragen vermag, hier, wo es nichts gibt, was mich an zu Hause erinnert. Ich weiß, dass ich nachts dann heimlich aufstehen werde, um vorsichtig mit der Hand über ein Bild ohne Rahmen zu streichen, um mich auf den Fußboden unter ein Blumenstück zu setzen. Und ich werde wieder eine Stimme hören, Mutters Stimme, die mein Lied singt: „In meiner Heimat, da wird es jetzt Frühling." Vielleicht werde ich dann wieder weinen können, aber diesmal wird es niemand sehen.

Mutter wird es nicht erfahren. Ich weiß, dass sie dieses Lied nie wieder singen wird. Weil Vater nun sehr oft zu Hause ist und wir Kinder fort von ihr, weil nichts geblieben ist als ein Blumenbild ohne Rahmen. Weil die Trümmer vor dem Fenster so hässlich sind und der Wald so fern, weil man nicht mehr auf die treibenden Schollen blicken kann, die die Memel hinunterziehen. Weil alles so ganz anders geworden ist. Ganz anders. Und weil es trotzdem Frühling wird, auch in meiner Heimat. L. Ey

 

 

Seite 5   Klares Amtsdeutsch!

Um die Jahrhundertwende zog ein wegen seiner Gründlichkeit sehr bekannter Wirkl. Geh. Rechnungsrat als Vertreter der Oberrechnungskammer bei einer Verwaltungsbehörde in Königsberg/Pr. bei der Prüfung der Jahresabrechnung der Hafenbauverwaltung in Pillau folgende Prüfungsbemerkung:

Für die Ausbesserungsarbeiten am Bollwerk des Hafens in Pillau sind nach der Abrechnung von 50 kg schmiedeeisernen Nägel nur 40,5 kg verbraucht worden. Es ist zu berichten, wo die restlichen Nägel verblieben sind. Der einzige Satz, der von der Baudirektion Pillau einging, lautete, niedergeschrieben auf der rechten Seite des Formblattes: „Sie sind vernagelt!"

Erfolg dieser klaren Berichterstattung: Vorladung und Protokoll beim Regierungspräsidenten, wegen Missachtung der Behörde! Der damalige Behördenvorstand aus Pillau konnte sich im Hinblick des um dieselbe Zeit etwa ergangenen Rundschreibens zur Bedienung eines klaren Amtsdeutsches noch einmal vor disziplinaren Maßnahmen retten. Für den gründlichen Rechnungsrat blieb aber Pillau fortan ein rotes Tuch!

 

 

Seite 5   Eine Vase aus Cadiner Majolika

Aus der Ecke meines kleinen Wohnzimmers wandert mein Blick hinüber zum Fenster, in dem sich Füssens Wahrzeichen, der Säugling, mit seinen über 2000 Metern spiegelt. Laut rauscht der Lech, der nur ein paar Schritte von meiner Wohnung entfernt vorbeifließt. Tritt man ans Fenster, so sieht man auf diesen wildschäumenden Gebirgsfluss mit seinem Wasserfall, und am anderen Ufer steigen steil die Berge der Alpen empor.

Aber ich sitze ja nur in meiner Ecke, und meine Blicke wandern weiter - wandern vom Fenster zu der alten Kommode, die gleich daneben ihren Platz hat. Ein altes Möbelstück - uralt - aber es erfüllt seinen Zweck. Den Hauptplatz aber nimmt zwischen unserem Hochzeitsbilde und dem Bilde unseres Jungen eine Vase ein. Eine Vase in Blau und Rotbraun mit drei goldenen Henkeln. Wir aus Ost- und Westpreußen kennen alle diese Art von Vasen mit dem auf dem Boden eingebrannten Cadiner Wappen. Es ist eine handgemalte Cadiner Majolikavase!

Langsam wandern die Gedanken weiter - weiter zu unserer unvergesslichen, schönen, fernen Heimat. Weiter nach Elbing, der alten Hansestadt, weiter zu der Haffküste, nach Cadinen, dem Heimatort der bekannten Majolikaerzeugnisse, der Vasen, der Schalen, Bonbonnieren und Ascher, der Heimat der Elchstatuen, die nicht nur bei uns im Osten bekannt waren, sondern ihren Weg in die weite Welt fanden.

… wisst Ihr noch, wie wir im kaiserlichen Schloss Cadinen waren? Am Eingang mussten wir alle die großen Filzpantoffeln anziehen, damit unsere Schuhe nicht das alte wertvolle Parkett zerkratzten. Nach der Besichtigung ging es in den Park, am Teich vorbei, durch uralten Baumbestand zur Landstraße, und dort, keine hundert Schritt von uns entfernt, direkt an der Straße, da stand sie, die tausendjährige Eiche! Mächtig streckte sie ihre baumstarken Äste gen Himmel, und aus der fast drei Meter hohen Höhle im Stamm dieses gigantischen Baumes, in der bequem fünf Personen Platz hatten, quoll ein modriger Geruch, der uns fast den Atem nahm. Und uns sieben Mann gelang es nicht, diesen mächtigen Baum mit ausgestreckten Armen zu umspannen.

Zurück geht der Weg ins Dorf. Mitten in der schön gepflegten Dorfanlage, umgeben von gut gewachsenen Eichen, steht der Ziehbrunnen, mit seinem Dach aus Majolikaziegeln. Eine Bank, umgeben von blühenden Büschen, ladet zu einer kurzen Rast ein. Aber die Zeit drängt, wir müssen weiter. Ein tief ausgefahrener Sandweg nimmt uns auf, dann ein Kiefernwäldchen. Kreuz und quer schlängelt sich der Weg hindurch und dann stehen wir vor einem ehernen Schienenstrang. Zur linken Hand ein nettes kleines Bahnhofsgebäude - und da kommt sie schon mit viel Gebimmel und Gepfeife angefaucht - unsere H.U.B.

Ja, die Haffuferbahn! Sein eigenes Wort konnte man bei dem Gestöhne nicht verstehen, wenn sie so gemächlich durch die Gegend zuckelte, und nach zehn Minuten taten einem alle Knochen weh, so wurde man durcheinander gestaucht. Und trotz allem hatte die H.U.B, ihre Vorteile! Man brauchte nur zum Fenster hinauszusehen! Rechts die Haffwiesen mit ihrem Rohrdickicht, dahinter das Haff - unser Haff! Am Horizont erkennt man die Silhouette der Nehrung, unserer Nehrung! Zur linken Hand die Steilküste mit den vielen hunderten von Kirschbäumen, und in der Ferne grüßt der Turm von St. Nicolai aus Elbing herüber.

Wisst Ihr noch, wenn es hieß: „Kirschblüte am Haff?" … Die ersten blieben schon in „Englisch Brunnen" sitzen, das waren jene mit dem großen Durst nach Natur!! Alles andere zog weiter, zu Fuß, per Rad oder mit der H.U.B., mit Kind und Kegel. Die Autonummern auf dem Parkplatz von Haffschlößchen zeigten uns an, dass nicht nur Elbinger zur Kirschblüte kamen. Aus Nah und Fern war die Bevölkerung zur Haffküste gepilgert, zu den vielen kleinen verträumten Orten am Haff, nach Steinort oder Reimannsfelde, nach Sucasse-Haffschlößchen oder nach Cadinen --- Cadinen? Wo sind die Gedanken hingewandert? Geführt von der stillen Betrachtung einer Vase? Ja, was da auf der Kommode den Ehrenplatz mit einnimmt, ist nur eine Vase - eine Vase aus Cadiner Majolika - eine Vase aus ostpreußischer Heimaterde. Kurt Conrad

(Entnommen dem mit viel Heimatliebe zusammengestellten Elbinger Heimatbrief. Herausg.: Bernh. Heister, Berlin-Neukölln, Weserstr. 144 v. III)

 

 

Seite 5   Flensburg

Im Mittelpunkt der Aprilversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisverein Flensburg, stand ein heimatpolitischer Rückblick, den der 1. Vorsitzende, Schulrat Babbel, gab. Der Abend wurde durch einen Musikvortrag der Musikgruppe Daumann eingeleitet. Der Ostpreußen/Pommernchor trug durch einige Darbietungen zum Gelingen des Abends bei. Nach den Bekanntmachungen durch die Herren Bocian und Armoneit hielt Herr Schulrat Babbel seinen Vortrag. Er ging noch einmal auf das zu errichtende Ehrenmal für die Gräber des Ostens ein. Ein entsprechender Antrag von Herrn Babbel wurde einstimmig von der Ratsversammlung Flensburg angenommen, so dass nunmehr die Errichtung eines Ehrenmals für die Gräber des Ostens durch die Heimatvertriebenen erfolgen kann.

 

Im weiteren Verlauf seines Vortrags gedachte der Redner u. a. des Tages, an dem ein Kontrollratsgesetz den Staat Preußen mit einem Federstrich aus der Welt schaffen sollte. „Ein Staat wurde wohl äußerlich ausgelöscht, aber der aufrechte Ostpreuße weiß, dass sich Geschichte nicht ausradieren lässt. Dieses Preußentum und jenes Ostpreußentum, welches Ordnung, Sparsamkeit, Sauberkeit, Pflichttreue und Dienstbereitschaft für den Staat heißt, wird nie auszulöschen sein!" Auch ein Fichte, Schleiermacher, Stein und Hardenberg waren Männer, die aus den Wurzeln dieses Preußentums ihre Kräfte schöpften. Der Redner rief spontan aus: Er werde jede Gelegenheit wahrnehmen, um zu betonen: „Ich bin stolz, ein Ostpreuße zu sein!" Armoneit.

 

Die nachfolgenden betagten Landsleute der Ostpreußenfamilie in Flensburg feiern im Monat Mai ihren Geburtstag. Und zwar am

01.05.1952  Adalbert Thiel, Klosterholzweg 24, 70 Jahre.

02.05.1952  Amalie Schulz, Turnierstraße 5, 74 Jahre.

13.05.1952 Karl Tomscheit, Kauslunder Str. 76, 75 Jahre.

14.05.1952 Elisabeth Rosenkrantz, Falkenberg 6, 73 Jahre.

15.05.1952 Rosalie Bergmann, Dorotheenstr. 24, 79 Jahre,

18.05.1952 Gertrud Loesser, Ostseebadweg 13, 71 Jahre.

18.05.1952 Berta Schlak, Moltkestraße 29, 76 Jahre.

20.05.1952 Elisabeth Maluck, Hordergraben 62, 73 Jahre.

23.05.1952 August Schettler, Keimstraße 4, 79 Jahre.

24.05.1952 Anna Schettler, Keimstraße 4, 72 Jahre.

25.05.1952 Karoline Sturm, Am Burgfried 3, 70. Jahre.

26.05.1952 Alinde Hubert, Duburger Straße 37, 86 Jahre.

26.05.1952 Johanna Koch, Christinenstraße 12, 72 Jahre.

28.05.1952 Ferdinand Neumann, Mathildenstr. 6, 86 Jahre.

29.05.1952 Franz Fuchs, Dorotheenstraße 25, 72 Jahre.

30.05.1952 Berta Hirschfelder, Schiffbrücke 65, 89 Jahre.

30.05.1952 Johann Sakuth, Ballastbrücke 29, 76 Jahre.

Die nachfolgenden Delegierten zum Hauptausschuss haben ebenfalls im Mai ihren Geburtstag:

01.05.1952  Erna Lutzkat, Glücksburger Straße 99, 53 Jahre,

20.05.1952  Ella Surmin, Schloßstraße 43, 51 Jahre,

20.05.1952 Otto Rieß, Waitzstraße 51, 52 Jahre.

Der Vorstand der Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisvereinigung Flensburg, gratuliert allen Geburtstagskindern aufs herzlichste und wünscht ihnen für das neue Lebensjahr alles Gute. Armoneit.

 

 

Seite 6   Kreuzburg in Natangen. Von Walter Hardt

Foto: Ordenskirche Kreuzburg

Foto: Stadtschule Kreuzburg

Es gibt in Deutschland drei Städte, die Kreuz bei Königsberg, Kreuzburg in Schlesien und Kreuzburg in Thüringen. Die kleinste unter ihnen ist das ostpreußische Kreuzburg. Alle drei haben fast dasselbe Schicksal: Schlesien in polnischer Hand, Kreuzburg in Thüringen in der Unfreiheit der Sowjetzone, und Kreuzburg in Ostpreußen unter russischer Herrschaft, völlig zerstört, aber fest verankert im Herzen der früheren Einwohner.

Wenn man von Zinten her kam, ging es in das Keygstertal hinab, um jenseits die Höhe zur Stadt hinaufzusteigen. Im Frühling lag diese ganze Stadtseite in Farbe und Duft. Von oben bis unten war die Berglehne mit Schlehensträuchern bestanden. Eine Fülle weißer Blüten trat ins Auge und der eigenartig süße Geruch derselben strich weithin durch die Luft. Anfangs der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts fand hier ein Erdrutsch statt. Ein Teil des Bergabhanges stürzte mit den Blumenbeeten und Sträuchern zum tiefliegenden Flussbett hinunter, und die an der Bergkante stehenden Häuser gerieten in Gefahr, mit hinabgerissen zu werden.

Kreuzburg liegt auf einer Bergnase, die nur in nordöstlicher Richtung in Verbindung mit der Ebene steht. Die Südseite fiel zum Keygstertal ab, die Westseite nach der tiefen Rinne des Pasmarflusses. Keygster und Pasmar vereinigten sich bei Kreuzburg. Stellenweise zeigten sich noch Überbleibsel der ehemaligen Stadtbefestigung durch Graben, Wall und Mauer.

Der Keygster durcheilte abwärts den „Stadtgrund'", der ein beliebter Ausflugsort geworden war und oftmals das Ziel von Vereinen aus den andern Nachbarstädten. Auf halber Höhe des Ufers stand das Denkmal des Generalfeldmarschalls von Boyen, des größten Sohnes unseres Städtchens, der hier 1771 als Sohn eines Offiziers geboren wurde. Kreuzburg war damals Garnisonstadt.

Über den Keygster hier führten einige Brücken. Seltsam war es, dass diese Brücken nur auf einer Seite ein Geländer hatten. Die Kreuzburger wählten deshalb abends zum Rückwege nach der Stadt die Chaussee, die oberhalb des Grundes zum Heimatort führte.

Auf einer Bergnase gegen den Keygster hin lag die alte Burg, deren steiler Abfall noch mit Dornengebüsch bestanden war. Dieses sowie Mauer, Graben und Wall schützten sie. Dazu gab es noch 2 Vorburgen. Die Gründer waren die deutschen Ordensritter. König Andreas II. von Ungarn forderte im Jahre 1211 den Deutschen Ritterorden auf, die Verteidigung das an der Grenze Siebenbürgens gelegene Burzenland gegen die Angriffe des heidnischen Stammes der Kumanen zu übernehmen. Hier hatten die Ritter eine Burg mit Namen „Kreuzburg" gegründet, die zerstört worden war. Ritter, die zur Burgbesatzung gehört hatten, kamen später nach Preußen, um im Natangerlande eine Burg zu bauen. Und nun nannten sie diese im Andenken an die im fernen Lande verlorene Burg „Kreuzburg". Die Burg wurde dann der Verwaltungshauptsitz des Gaues Natangen.

Viele Kriegsstürme tobten um ihre Mauern. Am schlimmsten war es in dem großen Aufstande der Prussen, sowie dem der Natanger, der aber 1273 zusammenbrach. Unter den prussischen Führern zeichnete sich besonders Herkus Monte aus, der auf der Kreuzburg, sowie in Magdeburg eine deutsche Erziehung genossen hatte. Er belagerte die Kreuzburq 3 Jahre lang, bis sie schließlich von ihm bezwungen wurde. Leider stand in der Neuzeit von der wehrhaften Burg nur noch ein Mauerrest. Die Mauern der verfallenden Burg waren vor 200 Jahren abgetragen worden, und von ihren Steinen wurden in der Umgegend Ställe und Scheunen gebaut.

Das Vorfeld der Burg war ein geschichtlich bedeutsamer Boden. Nicht weit ab der Burg hatten die Ritter ein Hospital errichtet, „Das Georgshospital', zur Pflege von aussätzigen Kranken. Und die Kapelle dieses Hauses war das Ziel vieler Wallfahrer. In den ersten Wochen des Jahres 1807 - im unglücklichen Kriege - lagerte hier eine französische Division. Um den Strohbedarf für Mann und Pferd - Lagerstroh und Häcksel - sicher zu stellen, wurden alle Häuser in der Stadt, - die sämtlich ein Strohdach trugen, abgedeckt. Diese Division sollte nach den Plänen Napoleons zum Kampf gegen die vereinigten Preußen und Russen eingesetzt werden, kam aber zur Schlacht bei Pr. Eylau zu spät ins Gefecht.

Auf dem Vorfelde der Burg wurde die neue stattliche Stadtschule errichtet. Bei ihrer Einweihung im Jahre 1929 hatte auf Wunsch des Magistrats der damals amtierende Rektor Hardt die Einweihungsrede zu halten. Den stolzen Bau verdankt die Stadt dem verdienstvollen Wirken des Bürgermeisters Dziorobeck, Entwurf und Leitung lagen in der Hand des Architekten Locke aus Königsberg. Die Schule war aus einer alten Lateinschule aus dem Mittelalter hervorgegangen.

Im ersten Weltkriege blieb Kreuzburg verschont, im zweiten wurde es im Zuge der Kämpfe um Heiligenbeil und Königsberg zerstört. Auch die alte Kirche ist vom Kriege mitgenommen worden. Wie schön lag sie inmitten der über 300 Jahre alten Bäume! Sie bot übrigens eine Sehenswürdigkeit in ihren alten Grabgewölben. Dort wurden die verstorbenen Angehörigen der Kirchenpatrone beigesetzt, und in einzelnen Fällen waren diese Leichen nicht verwest, sondern versteinert.

Von den bekannten Pfarrern der letzten Jahrzehnte sei noch mitgeteilt, dass Pfarrer Hafke zu Wröhne, Kreis Heide in Holstein nach der Flucht verstorben ist, und Pfarrer Guhl in den letzten Tagen des Krieges, bei der Verteidigung von Berlin, gefallen ist. Pfarrer Gronert wirkt als Geistlicher in Bad Zinnowitz in Mecklenburg.

Drei Friedhöfe besaß die Stadt, zwei davon in der Nähe der Burg. Der 3. Friedhof, der geschlossen war, wurde als „Pestfriedhof" bezeichnet. Er füllte den Platz einer uralten Verteidigungsanlage, - altprussische Wallburg - im sumpfigen Umgelände aus. In den Pestjahren 1708 - 1710 wütete der „Schwarze Tod" auch in Kreuzburg. Die Stadt, die damals noch mit Mauern umgeben war, wurde von der Behörde abgesperrt. Ein Verlassen der Stadt wurde mit dem Tode bedroht. Lebensmittel für die eingeschlossenen Bürger wurden vor den Toren niederlegt, wo sie dann später von Beauftragten der Stadt hereingeholt und zur Verteilung gebracht wurden. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung starb. Die Toten fanden eine gemeinsame Ruhestätte und bald überwucherten wilde Rosensträucher den ganzen Platz, der selbst von spielenden Kindern gemieden wurde. Vor etwa 20 Jahren wurde dann diese Stätte des Todes wieder urbar gemacht.

Aus den Fenstern der höher gelegenen Häuser hatte man eine prächtige Fernsicht. Da sah man die weißen Segel der Kähne auf dem Frischen Haff, die Rauchfahnen der Dampfer, auf der anderen Seite die Höhenzüge des Stablack, das Waldgebiet der Dinge, die Türme Königsbergs. Die Augen schweiften auch über die gesegneten Fluren der Umgebung. Der Weizen war so hoch wie ein ausgewachsener Mann, und die Wiesen erzeugten gutes Viehfutter. Infolgedessen stand die Viehzucht in hoher Blüte, und die Genossenschaftsmolkerei hatte von Jahr zu Jahr erhöhte Umsätze und bekam bei Ausstellungen, besonders unter ihrem Leiter Hohm, wertvolle Auszeichnungen.

 

Die Stadt hatte mannigfaltige Verbindungen zur Außenwelt. Da hatten wir unsere Kleinbahn nach Tharau, die uns durch Kilgiser Waldungen, die später staatlich wurden, und durch den ehemaligen Stadtwald führte, wobei wir oft genug lauschende und staunende Elche sahen. Das war die nächste Verbindung zur Ostbahn Königsberg - Eydtkuhnen. Auch der Bahnhof Schrombehnen war nicht weit, der an derselben Strecke lag. Nach Kobbelbude fuhren wir, um an die Linie Königsberg – Elbing -Berlin heranzukommen. Und nach Zinten ging es, wenn die Bahnstrecke Königsberg - Korschen benutzt werden musste.

Eine Industriestadt war Kreuzburg nicht. Aber was der Ort und die Umgebung brauchten war vorhanden. Da gab es eine Ziegelei, die einstmals der Stadt gehörte, eine Schneidemühle, - Filiale von Anders – Rudszanny, die Podehlsche Mühle in idyllischer Lage und das große Umspannwerk der Überlandleitung. Die alltäglichen Bedürfnisse konnten in der Stadt befriedigt werden, weiterführende Ansprüche erledigte man in der Provinzialhauptstadt.

Das gesellige Leben war sehr rege. Am Ort gab es drei Gesangvereine: den Gemischten Chor, den Männergesangverein und den Kirchenchor. Alle drei Vereine standen unter der Stabführung des Kantors und Konrektors Krause, dessen reiches Leben ein russischer Bajonetttisch in Stolp ein Ende machte. Es fanden sich ferner ein Lehrerverein, die Militärverbände, Tennisklub, Tontaubenschießklub, Schützengilde und die Feuerwehr.

Von den Frauenvereinen sind zu nennen: das Rote Kreuz, dessen Arbeit in stiller Liebestätigkeit bestand, - Leitung Frau Krause, und die Evangelische Frauenhilfe mit ihren Arbeitsstunden, ihrer Fürsorge für die Alten ihren monatlichen Ausflügen, ihren Beziehungen zu auswärtigen Schwestervereinen, unter Leitung von Frau Hardt, und der landwirtschaftliche Hausfrauenverein.

Der Höhepunkt aller Feste war das alljährliche Schulfest im Stadtgrunde, das alle Schichten der Bevölkerung zu einer großen Familie vereinte, und der sich daran anschließende Heimweg mit den hunderten Lampions und dem Schlusschoral auf dem Marktplatze oder vor der Schule.

Auf einem Ausläufer der Huntau hatten alle Grundbesitzer der Stadt mehr oder weniger große Wiesenanteile. Wenn die Zeit des Heuens gekommen war, so zogen alle Beteiligten hinaus, um zu gleicher Zeit zu mähen.

Auch das geistige Leben und Schaffen war in Kreuzburg nicht zurückgeblieben. Schon vor 200 Jahren hatte Kreuzburg einen Dichter von Format besessen: Kongehl, dessen Lieder zum Teil in den Gesangbüchern Aufnahme fanden. Aus der neueren Zeit wären zu nennen: Reichermann, Kaulmann und Mühlenbesitzer, der natangische Humorist, des Bändchen „Sposaskes ut Natange“ viele Auflagen erlebt haben, sowie Baumeister a. D,  Alfred Otto Dietrich. Er ist durch seine Dialektdichtungen, seine Wochenschauen „Was Onkel Brabbelke verteilt" und durch seine vaterländischen Lieder bekannt geworden. Rektor Hardt wurde durch seine Kurzgeschichten, Festspiele, Dichtungen und wirtschaftlichen Veröffentlichungen in weiten Kreisen geschätzt. Studienrat Bruno Paul Krause der bei Stalingrad blieb, wirkte durch seine tiefen, gehaltvollen Heimatgedichte.

Was Geibel einst von den „Auswanderern“ sagte, gilt auch von den Kreuzburgern.

„Wie wird das Bild der alten Tage

Durch eure Träume glänzend wehn,

Gleich einer stillen, frommen Sage

Wird es euch vor der Seele stehn.'

 

 

Seite 6   Zwei natangische Volkslieder

Der Brief

Ich habe mein Feinsliebchen

Schon lange nicht gesehn;

Ich sah ihn gestern Morgen

Wohl vor der Türe stehn.

Ich tat ihn freundlich grüß'n,

grüß'n, grüß'n,

Er sah mir sauer aus,

Ich dacht in meinem Herzen,

Er hat ne andre Braut.

 

Er schickt mir alle Morgen

Ein Kränzlein und ein' Brief.

Im Brie! da steht geschrieben,

Wie ich mich führen soll.

In Tugend und in Ehr'n, Ehr'n, Ehr'n,

Das weiß ich selber wohl.

Du Schelm wirst mich nicht lehren,

Wie ich mich führen soll.

 

Weiser Richterspruch

Herr Amtmann, ich komm' klagen!

Ist Stehlen denn erlaubt?

Mir ward vor wenig Tagen

Mein armes Herz geraubt.

(Sie schlug die Augen nieder

Vor Kummer und vor Not.)

Bringt man mein Herz nicht wieder,

So bin ich morgen tot.

O weh, du meine Kleine!

Hast du Verdacht in der Gemeine?

Der Heinrich wars, der Jägersmann,

Der hat das Leid mir angetan.

 

Herr Amtmann, ich komm' klagen,

Mein Herz, das kam mir fort!

Es war vor wenig Tagen,

Die Rose stahl's mir dort.

Mir flimmert's vor den Augen

Gar düster hin und her

Und meine Schüsse taugen

Nicht Schrot, nicht Pulver mehr.

Die Rose war soeben klagen,

Du hättst ihr Herz davongetragen!

 

Es wäre wohl das Beste,

Ihr würdet gleich ein Paar.

Ihr holt die Hochzeitsgäste

Und geht zum Traualtar.

Ihr seit zwei ausgemachte Diebe,

Geht hin, vertraget euch in Liebe,

Gebt euch die Hand, und, aufgepasst!

Zur Hochzeit bin ich euer Gast!

 

Aus: „Hundert ostpreußische Volkslieder in hochdeutscher Sprache", sammelt von H. Frischbier, Leip 1893

 

 

Seite 6   Deutsche Ostarchive nach Göttingen

Das Schild „keine Besichtigung" am Eingangstor des Goslarer Kaiserhauses wird bald verschwinden. Nachdem die dort lagernden Ostarchive am 1. April 1952 der Archivverwaltung des Landes Niedersachsen übergeben worden sind, beschloss das niedersächsische Kabinett diese Archive nach Göttingen zu überfuhren, um sie am Mittelpunkt der deutschen Ostforschung zu haben. Das Goslarer Kaiserhaus wird für den Fremdenverkehr wieder freigegeben. Sieben Jahre lagerten die Archive im Goslarer Kaiserhaus

Damit findet eine Odyssee ihr Ende, die nicht alltäglich ist. 1944 begann man mit der Verlagerung der Archive aus den ostdeutschen Städten, ein Teil ging nach Österreich und Mähren, ein Teil nach Mitteldeutschland in das Salzbergwerk. Grasleben im Braunschweiger Gebiet. Hier fanden die Amerikaner die Archive 425 Meter unter der Erde in den Stollen, die das Salzbergwerk durchzogen. Die wertvollen Schätze wurden ans Tageslicht gebracht und zunächst in der Schule zu Vienenburg gelagert. Ende 1945 geschah der Umzug ins Goslarer Kaiserhaus. Damit kamen die Archive unter die Obhut der Engländer, die sich die Akten erst einmal in aller Ruhe ansahen. Danach kamen sie unter eine gemischte englisch-deutsche Verwaltung, bis sie jetzt am 1. Apirl 1952 der Archivverwaltung des Landes Niedersachsen übergeben wurden.

1947 ging ein großer Teil der Archive im Wege der Auslieferung an Polen verloren. Der Rest wurde nunmehr geordnet. Regierungsrat Meyer vom Staatsarchiv Wolfenbüttel, wurde mit dieser Aufgabe beauftragt.

Nach mühevoller Ordnung umfasst das Ostarchiv im Kern zwei hochbedeutsame Sammlungen aus der deutschen Ostgeschichte: Staatsarchiv Königsberg in Ostpreußen mit dem wertvollen Achiv des Deutschen Ritterordens und das Stadtarchiv der Stadt Reval. Dazu kommen noch einige andere Archivgruppen. Nach der Ordnung der Archive wurden Arbeitsräume im Goslarer Kaiserhaus bereitgestellt, damit auch auswärtige Wissenschaftler daran arbeiten konnten. So erschienen Wissenschaftler aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland. Vor allem Göttinger Dozenten und Studenten arbeiteten - besonders in den Semesterferien - Goslarer Kaiserhaus, mitunter monatelang. Aber auch aus München und Berlin kamen Wissenschaftler.

Wenn nun die wertvollen Archive in der Universitätsstadt Göttingen ihren neuen Standort erhalten, so geschieht dies insbesondere um der Wissenschaft diese für die Geschichtsschreibung über den deutschen Osten hoch bedeutsamen Urkunden und sonstigen Materialien leichter zugänglich zu machen. Denn sowohl für die Arbeiten über einschlägige Themen, die in verschiedenen Instituten und Seminaren der Universität Göttingen als der Traditionsträgerin der Albertus-Universität zu Königsberg in Angriff genommen worden sind, wie auch für die  Forschungen des „Göttinger Arbeitskreises“ heimatvertriebener ostdeutscher Wissenschaftler stellen die Archive die wesentlichen Unterlagen dar.

 

 

Seite 7   Gerhard Kamin. Dank an Königsberg

Foto: Königsberg. Maienstimmung um den Schlossteich

Wenn man die Augen schließt und wie Erblindeter den Bildern nachgeht, die sie einst sahen, erscheint alles wie ein Traum. Wie ein schöner Traum, an den die Seele gebunden ist wie an eine Magie, und über dem man den Verstand verlieren könnte, wenn man sich ihm hingibt. Und doch war alles Wirklichkeit, war alles Leben und Wahrheit, und ehrfurchtslos könnte es klingen, von einem „Traum" zu sprechen.

Wie über allem Traum aber lag über der Geschichte Ostpreußens und seiner Hauptstadt, von der hier gesprochen werden soll, der Zauber des Schönen, des Unantastbaren, Einmaligen und Außergewöhnlichen, und so mag das Wort gleichnishaft sein gutes Recht behalten als eine Bezeichnung für das Visionäre der Erinnerung und der Hoffnung, von denen wir heute leben.

Als Soldat - aus Russland über Memel und die Nehrung kommend - sah ich Königsberg Ende 1944 wieder. Ich stand am RoßgärterTor neben unserem Fahrzeug und blickte auf die Trümmer. Ich war der einzige Ostpreuße unter den Soldaten, mit denen ich gekommen war, und sie sahen, dass ich weinte. Ich habe mich dieser Tränen niemals geschämt …

Regimontanum ... Königsberg … Ein adliger Name, so adlig wie bis in die letzten Verflechtungen des Geschehens hinein das Leben dort oben sein konnte. Auf einer Land- und Kulturinsel eine Stätte des Glaubens, der Treue, der selbstlosen Liebe, der ritterlichen Bruderschaft.

Hat es eine schönere Stadt des Reiches gegeben, in der Landschaft, Mensch und Monument so zusammenwuchsen wie in ihr? In der die Atmosphäre des Lebens so voller Eigenart, Geborgenheit, Besinnlichkeit und Hingabe war wie in den Menschen, die in ihr lebten?

Auch die anderen Städte Ostpreußens habe ich geliebt. Auf Königsberg aber war ich immer stolz, und nicht nur deshalb, weil ich dort aufwuchs und meine Kindheit und Jugend verlebte, sondern weil ich wusste, dass es allen Ostpreußen eine Mutter war. Auf dem Schlossturm standen täglich um 11 Uhr die Bläser, jeder konnte sie hören, und wenn du, Bruder aus Memel oder Tilsit, du, Schwester aus Neidenburg oder Osterode, vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal den Berg zum Gesekusplatz emporstiegst, so konntest du wie ich an der Gedenktafel Kants wohl nicht ohne Bewegung das ,,Ach bleib mit deiner Gnade" vom Schlossturm hören und auf der Tafel die ausgemeißelten Worte lesen: „Zwei Dinge erfüllen mein Gemüt mit immer wachsender Bewunderung: Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir …"

Man sollte wohl keines der Bilder vergessen. Nicht das Spiel der Ruderboote auf dem Schlossteich, wenn die Nachmittagssonne die Farben von Blusen und Bändern aufleuchten ließ, während von einem der Kaffees am Ufer zwischen sentimentalen Romanzen das „Ännchen von Tharau" herüberklang, nicht den polternden Ton, den zahllose Füße verursachten, wenn die beiden Passantenströme die Schlossteichbrücke überquerten. Nicht das eigenartige Straßenbild des Steindamms und der Kneiphöfeschen Langgasse, wenn Stunde für Stunde der Verkehr wie auf schmalem Strom sich von einem zum andern Ende der Stadt hindurchschob, nicht die geöffneten Brücken, zwischen deren hochaufgerichteten Eisenpforten ein Ozeandampfer hindurchglitt, während die Straßenbahnen ihm auswichen und in einer der schmalen Seitenstraßen eine Umleitung suchten. Nicht die hohen Speicher, die wie Greise der Hansezeit von der Grünen Brücke aus in langer Front den Hafen entlangliefen und ihre Luken wie Mäuler öffneten, wenn der Seilaufzug die Säcke von den Schiffen in den 10. oder 11. Stock hinaufbeförderte. Die stillen Gassen des Tragheims nicht, teilweise noch holzgepflastert und mit alten ornamentierten Gaslaternen beleuchtet, nicht die Insel am Weidendamm mit dem Turm und Langschiff des Doms, neben dessen Gemäuer man das Grabmal Kants geborgen wusste, nicht den Blick auf die immer belebten Pregelarme, nicht den Fischmarkt auf der Altstädtischen Langgasse mit dem „reinsten" Dialekt des Landes. Die Bahnhöfe nicht - und welche Stadt besaß schönere Bahnhöfe als Königsberg? -, wenn man vom Reich kam und auf einem der Bahnsteige schon ein bekanntes Gesicht sah und die vertraute Sprache hörte. Nicht den alten Samland- und Cranzer-Bahnhof, wenn sie am Sonntag in Scharen kamen und „hinausfuhren" zur Küste …

Einmal habt ihr sie alle gesehen: die Reste der Stadtmauern, die Wallgräben, und zwischen ihnen die alten Tore, das Friedländer-, Roßgärter-, Sackheimer-, Königstor. Die Pforten zur Schönheit und Stille der Provinz, die alten Wahrzeichen des Widerstandes und der Abwehr. Und einmal vielleicht habt ihr wie ich auf dem Paradeplatz zwischen den Blumenbeeten vor der Universität gestanden und gesehen, wie sie nach den Vorlesungen herausströmten, Studenten des Reiches und der Heimat, des europäischen und außereuropäischen Auslandes, und wie sie sich wie geschäftige Bienen in ihre Wohnviertel verloren.

Auch in einem Rückblick soll man bei der Wahrheit bleiben und nicht übertreiben. Aber ist es nicht so, dass die Wahrheit, von der ich nun spreche, gar keiner Übertreibung bedarf? Ich habe in vielen Städten des Reiches gelebt, Jahre hindurch, und bis heute das Leben dort mit jenem nun ausgelöschten in meiner Heimatstadt verglichen. Kultur? Schöpferische Kraft des Geistes, Bereitschaft der Seele, der Herzen? Wir haben sie in der Heimat gehabt wie im Reich, und ich glaube, wir haben sie mehr gehabt. Wir hatten eine Stadthalle, in der uns in einer geheiligten Kultstätte die bedeutendsten Musiker der ganzen Welt begeisterten und dankbare Zuhörer fanden. Wir hatten eine Jugend, die in Schulchören bis zu 500 Schülern alle drei oder vier Monate ein Oratorium aufführte. Wir hatten ein Haus der Technik, in dem das Lied der Tausend erklang, ein einmaliger und unvergesslicher Versuch, das Lied unserer Heimat zum Klingen zu bringen. Wir hatten eine Oper, in der Eugen Onegin ebenso gespielt wurde wie Aida oder Fidelio, ein Schauspielhaus, in dem Wolf von Beneckendorf seinen unvergesslichen Mephisto, Claus Clausen seinen Faust und Gerda Müller-Scherchen ihre Iphigenie und Penthesilea so spielten, wie ich sie später in den Städten des Reiches selten gespielt sah. Wir hatten eine musizierende, dichtende, philosophierende und um Wahrheit ringende Jugend, wir hatten Dichter, deren Stimme die Welt bewegen sollte, und wir besaßen den Geist der Freundschaft, Liebe und Hingabe, der in kleinen Zirkeln im Hause aufgeschlossener Eltern und gütiger Frauen Bande der Treue und Verpflichtung knüpfte, die bis heute nicht gelöst sind.

Da saßen sie draußen vor den Toren der Stadt, am Abend, wenn die Sonne versank: die Gruppen des Altwandervogels unter Gerhard Mitscherlich, G. Birch-Hirschfeld oder Hans-Jürgen Pankow, sangen ihre schwermütigen Lieder und sprachen über Aufgaben und Ziele der Jugend. Anders als das eine spätere Jugend tat, stiller, selbstverständlicher, phrasenloser und mit einer Liebe, die keine Grenzen kannte. Da fanden sie sich im Hause Professors Ziesemers zusammen und musizierten, gingen sie zu Josef Nadler und hörten ihn über Hamann und Herder sprechen, saßen sie auf der Mansardenstube bei Ernst Wiechert und holten sich Tapferkeit, Zuversicht und ein tröstliches Wort für ihr Leben.

Versunkene, zerschlagene, gedemütigte mütterliche Stadt. Keiner wird dich vergessen, keiner wird aufhören, dir zu danken, dich zu lieben. Wie eine Insel des Friedens und der immer glühenden Begeisterung warst du, jung geblieben trotz deines Alters, trächtig an Visionen des Heils und der Liebe, unausdenkbar in den Entwicklungsmöglichkeiten, wenn du uns geblieben wärest. Von dir aus hätten - wenn man solche Gedanken der Geschichte gegenüber aussprechen darf - Ströme des Segens fließen können, wie sie die Studenten des Reiches und des Auslandes empfanden, die in immer größeren Scharen zu dir kamen. Auch sie haben dich bis heute nicht vergessen, und es könnte sein, dass sie mitunter wie wir in Wehmut denken, wie widersinnig scheinbar der äußere Ablauf der Historie sich zu dem verhält, was ihren inneren Sinn ausmachen sollte.

Ja, wie in einem Traum gehen unsere Blicke noch einmal zurück auf die verfließenden Bilder: auf den Ober- und Hammerteich, auf die lieblichen Zwillingsteiche mit den weißen Brücken zwischen herabhängenden Weidenzweigen, auf die Fürstenschlucht und den Landgraben im zarten Frühlingsgrün, im blutroten Herbstkleid und mit schneeumbauschten Baumkronen im Winter, auf die Hufen mit dem schönen Villenviertel Baumheimen Amalienau, auf Maraunenhof mit den unter Baumkronen und Efeugerank ertrinkenden Häusern, auf den stillen, von hohen Bäumen umwucherten und mit Rhododendronbüschen besetzten Park Luisenwahl, auf die Kuppeln und Zinnen der Schlosskirche, des Domes, der vielen Türme.

Nichts ist vergessen, nichts davon im Herzen verloren. Bis an die äußersten Grenzen im Westen des Reiches hört ihr ihre Glocken oder das Lied der Bläser wie damals am Heiligen Abend, wenn sie an eurem Haus vorbeikamen und der Choral „Vom Himmel hoch" feierlich und friedevoll den Raum erfüllte, in dem die Kerzen am Baume brannten. Ja, weit über die Grenzen Deutschlands, über die Bunkerwohnungen und Behelfsheime hinaus dringen ihre erwärmenden, nur dem undankbaren erstorbenen Klänge: bis nach Amerika und Australien, wohin Flüchtende das Schicksal verschlagen hat und von wo aus sie einander schreiben, grüßen, stärken und trösten. Alte, mütterliche, königliche Stadt unserer Heimat. So wenig wie Kinder ihre Mutter werden wir dich, du gemarterte, vergessen.

 

 

Seite 7    „Neuer „Bohnenkönig" Am 22. April trat die „Gesellschaft der Freunde Kants" zu ihrer alljährlichen Gedächtnissitzung am Geburtstage des großen Königsberger Philosophen zusammen. Die Festrede hielt der bisherige „Bohnenkönig", Prof. Mortensen, über das Thema „Kants väterliche Ahnen und ihre Umwelt". Der Vortragende beschäftigte sich gestützt auf seine langjährigen Forschungen in Nordostpreußen und dem Memelland sowie seine Kenntnis der einschlägigen Archive mit der Frage nach der Abstammung Kants und der sozialen Stellung seiner Vorfahren. Prof. Mortensen wies nach, dass die zur Verfügung stehenden Quellen ausreichen, um die These einer schottischen Abstammung Kants zu verneinen. Vielmehr ist Kant zu einem hohen Prozentsatz deutscher und nur zu einem geringeren Teil indigener Abstammung gewesen. Bereits Kants Urgroßvater war eine geachtete Persönlichkeit in seinem Heimatkreis, die nachfolgenden Generationen haben dann durch ihre Tüchtigkeit den weiteren Aufstieg über Memel bis Königsberg vollbracht. Getreu dem alten Brauch ermittelte die früher in Königsberg und jetzt in Göttingen ansässige Gesellschaft ihren neuen Vorsitzenden durch das sogenannte Bohnenessen, wobei alle Teilnehmer eine Torte essen, in der sich eine Bohne befindet. Wer die Bohne erhält, wird „Bohnenkönig". Der „Bohnenkönig" für 1952/53 wurde General Friedrich Hoßbach.

Foto: Zeitgenössisches Bild Immanuel Kants von Vernet. Es befand sich im Besitz der Altertumsgesellschaft Insterburg. Ein Mitglied dieser Gesellschaft rettete es und hatte es während 4 Jahre russischer Gefangenschaft bei sich. Er gab das Bild im Jahre 1949 in die Obhut des damaligen Bohnenkönigs Prof. von Selle. Seitdem hängt es im Rektorat der Universität Göttingen und wird jedes Mal am 22. April, wenn sich die Gesellschaft der Freunde Kants zum „Bohnenessen" trifft, aufgestellt.

 

 

Seite 8   Albertus-Universität antwortete nicht. Aus der Arbeit des „Universitäts-Kuratoriums-Archivs“

Seitengang, drei Treppen hoch und dann hinter den ehemaligen Karzerräumen, dort befindet sich im Aulagebäude der Georg-August-Universität zu Göttingen jetzt die Auskunfts- und Meldestelle der ostdeutschen Hochschulen oder wie ihre offizielle Bezeichnung seit einiger Zeit lautet: „Universitäts-Kuratoriums-Archiv". Prof. Dr. Goetz v. Selle , in der wissenschaftlichen Welt insbesondere durch seine zwei Universitätsgeschichten bekannt, der 1945 erst in den letzten Tagen Königsberg verließ, sitzt hinter einem dicht mit Papieren bedeckten Schreibtisch, im Raum ringsum Regale und hohe Schränke mit Akten, Folianten und Nachschlagewerken, den Unterlagen für die Arbeit der Meldestelle. Bereits 1945 begann der im Frühjahr dieses Jahres verstorbene letzte Kurator der Albertus-Universität zu Königsberg. Dr. h. c. Friedrich Hoffmann, in seiner Notunterkunft zu Flensburg, die Anschriften der verstreuten Mitglieder des Lehrkörpers und der Beamten und Angestellten bis zur Klinikschwester und Reinemachefrau seiner Universität zu sammeln.

Lebensmittel und Geld wurden gesammelt für die besonders in der Sowjetzone in bitterer Not Verzweifelnden. Bald erweiterte sich der Kreis der Betreuten um Mitglieder auch der anderen ostdeutschen Hoch- und Fachschulen, vor allem, nachdem die „Meldestelle" 1946 nach Göttingen übergesiedelt war. Wenn auch im Laufe der Jahre die drückende Not sich zu mildern begann, die Arbeit riss nicht ab. Die aus Kriegsgefangenschaft heimkehrenden und die In Beruf und Anstellung strebenden Assistenten, Doktoranden und Studenten baten um Bescheinigungen über Tätigkeit und über abgeschlossenes oder unterbrochenes Studium. Da musste geholfen werden. Amtliche Verzeichnisse wurden geblättert, Professoren und Dozenten angeschrieben und um eidesstattliche Bestätigungen gebeten. Bis jetzt sind es rund 1200 Studenten allein der Königsberger Universität, die mit neuen Bescheinigungen ihr Studium fortsetzen oder sich um eine Anstellung bewerben konnten.

Aber leider blieb es nicht bei dieser Hilfstätigkeit alleine, die der Linderung von Not, der Zurückführung der vom Krieg und seinen Folgen Verschlagenen in die Bahnen geordneten Lebens dient. Sondern es kam ein trübes Kapitel hinzu. Es handelt sich um die sogenannten „Doktor- und Namensschwindler", die sich unrechtmäßig mit akademischen Titeln schmücken, um besser ihre dunklen Machenschaften treiben zu können. So musste nun der Leiter unserer Stelle kriminalistische Fähigkeiten entwickeln, um die zahlreichen einlaufenden Anfragen in dieser Hinsicht befriedigend erledigen zu können. Nicht nur die verschiedensten gerichtlichen, ministeriellen und polizeilichen Behörden, wie Oberstaatsanwaltschaften, Anwaltskammern, Zollfahndungsstellen, Polizeipräsidenten, Kriminalpolizei und vor allem die Innenminister der Länder, sondern auch Arbeitsämter, Handelskammern, Ärztekammern und Gesundheitsbehörden, sogar Bundestagsabgeordnete und der Bund deutscher Detektive gehören zu den um Auskunft und nach Unterlagen anfragenden Stellen. Ebenfalls fragten Ehefrauen im Zusammenhang mit Scheidungsklagen an, und einige Schwiegereltern erkundigten sich, ob es mit der akademischen Würde ihres Schwiegersohnes seine Richtigkeit habe.

Der am schnellsten zu entlarvende Trick dieser Schwindler war dieser, dass zuerst angefragt wurde, wann ein Professor welche Vorlesungen oder Übungen gehalten hat. Nach einigen Monaten pflegte derselbe Schreiber dann aufgrund der ihm erteilten Auskunft und mit Hinzudichtung dramatischer Umstände zu behaupten, gerade noch in den letzten Wochen eine Doktor-, Diplom- oder Staatsprüfung bestanden zu haben. Auch diejenigen unredlichen Existenzen, die durch ein angeblich begonnenes Studium eine durch das Abitur abgeschlossene höhere Schulbildung beweisen oder sich die in den ersten Jahren nach 1945 erschwerte Einschreibung in eine westdeutsche Universität erleichtern oder erschleichen wollten, bedienten sich meist dieser plumpen Methode.

Doch bald wurden auch raffinierter angelegte Täuschungsversuche unternommen, die am Göttinger Wilhelmsplatz aber auch durchschaut wurden. So ließ sich einer dieser mit allen Wassern gewaschenen Fälscher die erste, zweite und letzte Seite seiner angeblichen Dissertation drucken, fertigte dann Fotokopien an und brannte mit der Zigarette Löcher in diese Blätter (die erste Seite einer Dissertation enthält Thema, Ortsangabe und Name, auf der letzten Seite ist der Lebenslauf des Kandidaten abgedruckt). Dann legte er diese beräucherten und versengten Blätter mit der Erklärung vor, dass er sie zum Glück aus den Trümmern habe retten können. Leider hatte er aber zwei Fehler begangen, nämlich als Druckort war Stallupönen und als Jahr 1939 angegeben. Zwar war in Stallupönen eine beliebte Dissertationsdruckerei, aber im Jahr 1939 hieß dieser Ort schon Ebenrode, wie zahlreiche zur gleichen Zeit dort gedruckte Arbeiten beweisen. Hinzu kam, dass der auf der Rückseite der ersten Seite, also der zweiten Seite der Fotokopie, verzeichnete „Doktorvater" zu dieser Zeit gar nicht in Königsberg lehrte. Erheiternd in seiner Naivität ist ein anderer Fall, wo ein in Wien tätiger Rechtsanwalt mitteilte, dass er 1950 (!) an die Universität Königsberg geschrieben und um die Bestätigung eines angeblich abgelegten Examens gebeten habe, jedoch schienen die Russen nicht zu antworten, er bäte deshalb um eine Bescheinigung durch das Göttinger Büro. Aber auch er hatte sich bei seinen Angaben nicht genügend über die personellen Verhältnisse des Lehrkörpers der Albertina unterrichtet.

Das ist nur ein knapper Einblick in die umfangreiche und vielseitige Tätigkeit der Melde- und Auskunftsstelle ostdeutscher Hochschulen in Göttingen. Mit der Initiative verantwortungsbewusster Männer gegründet und unterhalten, im ständigem Kampf mit finanziellen und anderen Schwierigkeiten, erfüllt sie ihre Aufgaben in dem Bestreben, den ostdeutschen Hochschulen und insbesondere deren früheren Lehrern und Studenten zu dienen, sowie um dazu beizutragen, dass das Ansehen gewahrt wird, dass diese Hochschulen in Deutschland und in der Welt besitzen.

 

 

Seite 8   … und abends zu Aug. Alb. Winkler. Einst in Königsberg – jetzt in Köln

Am Schlossteich haben die Kastanienbäume dicht bei dicht ihre Blütenkerzen aufgesteckt. Über die im Abenddunkel liegende Wasserfläche des Teiches gleiten von bunten Lampions beleuchtete Boote, zu Akkordeon- oder Mandolinenbegleitung erklingen Lieder von Sehnsucht, Liebe und Mai.

Weiter draußen am Oberteich schlagen im Gebüsch schon die Sprosser. Der Frühling, der Mai ist gekommen. Er offenbart sich in seiner Schönheit, mit all seiner wunderbaren Romantik auch der sonst so betriebsamen Großstadt. Königsberg hat inmitten seiner Häuser, Speicher und ragenden Türme herrliche Grünanlagen, es hat die beiden wundervollen Teiche und seinen gelassen hinfließenden Pregel. Wenn der Abend sich neigt, wenn das laute Getriebe des Tages verklingt, dann bekommt die Stadt gerade im Mai ein ganz anderes Gesicht, dann wird sie so recht auch „ein Ort zum Schwärmen und zum Trinken".

Gern haben wir uns einst von jenem Zauber umfangen lassen. Da haben wir unbeschwert nach einem Spaziergang im historischen Blutgericht oder bei Knoop, bei C. B. Ehlers, bei Kempka, bei Jüncke, bei Kreuz, im Berliner Hof, im Kulmbacher, im Kurfürst, oder wie die gastlichen Stätten sonst hießen, die Flasche edlen Weines kreisen lassen.

In guter Erinnerung sind uns auch noch manche Abende, wo wir in August Albert Winklers Wein- und Bierstuben die Humpen anstießen. Solcher Winklerstuben gab es in Königsberg eine Vielzahl. Am bekanntesten waren jene auf den Hufen, der Hohenzollernstraße, dem Roßgarten und vor allem die in der Burgstraße. Alle waren sie in gediegenem Bauernstil und gemütlich eingerichtet. Die aber in der Burgstraße zog uns stets besonders an. Wenn wir dort den Vorhang an der Tür zur Seite schoben und eintraten, begrüßte uns jedes Mal mit einem liebenswürdigen Willkommensspruch Hermännchen. Seit 1909 war er dort Oberkellner, hatte während des ersten Weltkrieges, als der Chef in Frankreich an der Front stand, die gesamten Winklerbetriebe geleitet, kannte aus seiner früheren Tätigkeit in der Palästra viele, viele Studiosi, wusste ihren Werdegang und konnte jedem gleich von seinen früheren Streichen und seiner jetzigen, oft sehr würdevollen Tätigkeit erzählen. Hermännchen hatte ein Gästebuch angelegt. Aus dem einen waren im Laufe der Jahre ihrer zwanzig geworden. Und mit Stolz konnte er auf die eigenhändig geschriebenen Namenszüge von Mancher inzwischen zu höchster Stelle aufgerückten Persönlichkeiten hinweisen. Welche Freude war es jedes Mal, wenn eine solche Persönlichkeit wieder bei Hermännchen einkehrte, wenn beide dann in dem vergilbten Buch nachblätterten m den einst beschwingt niedergeschriebenen Bierspruch mit der in tanzenden Lettern getätigten Unterschrift wieder lasen. Dann waren sie, der Gast und Hermännchen, wieder jung, dann war es wieder Mai, und die Gläser klangen so hell aneinander wie ehedem.

Bei diesem ewig frohen Ton in August Albert Winklers Stuben blieb Hermännchen auch ewig jung und hatte immer Verständnis für fröhliche Scherze. Hatten wir einen Platz in dem meist dicht besetztem Lokal gefunden und fragten spöttisch: „Hermännchen, haben Sie Bier?", „so hören wir noch heute seine Antwort: „Fässerweis', meine Herren!"

Wenn sich dann die für jedes getrunkene Glas auf dem Bieruntersatz markierten Bleistiftstriche zu ansehnlichem Kranz gemehrt und die Polizeistunde anbrach, so lautete Hermännchens Mahnung: „Polizeistunde! Auch die Gäste machen sich strafbar! - Oder wünscht einer von den Herren noch etwas?!"

Wenn wir an Königsberg zurückdenken und uns an Abende bei Winkler in frohem Freundeskreis erinnern, dann gilt unser Gedenken auch dem tüchtigen, liebenswürdigen Oberkellner Hermännchen, der sich in rastlosem Fleiß ein Vermögen erarbeitet hatte und in Königsberg mehrere Häuser besaß. Seit dem Fall von Königsberg im April 1945 fehlt von ihm jede Spur, so muss leider angenommen werden, dass er in den damaligen Wirren umgekommen ist.

Dieses bedauert mit am meisten sein Chef August Albert Winkler, der kürzlich in Köln im Hause Händelstraße 37 wieder ein Lokal im hergebrachten Königsberger Stil eröffnet hat. Gestützt auf eine über 50-jährige Berufspraxis und große Auslandserfahrung, wird er am Rhein seinen Gästen das bieten, womit er sich in Königsberg und ganz Ostpreußen einen Ruf erworben hatte. Man bekommt dort täglich delikaten Rinderfleck, man trinkt dort wieder Tulas, Schneegestöber, richtigen Pillkaller, Nikolaschka, Silberstör, Elefanten-Doubi und selbstverständlich Bärenfang.

Die Winklerstuben werden den fünftausend Ostpreußen in Köln und auch den Rheinländern selbst eine Stätte zur Pflege froher Geselligkeit sein. Wilhelm Keller

 

 

Seite 8   Kultura in Gips

Königsberg. Zahlreiche Gipsdenkmäler Stalins stehen jetzt in den Straßen von Königsberg, berichtete ein soeben aus Nordostpreußen in Berlin eingetroffener Heimatvertriebener. An der Spitze des Landessowjets des Königsberger Gebietes, das bereits 1946 nicht den benachbarten Sowjetrepubliken Litauen oder Weißrußland, sondern als Exklave der RSFSR angeschlossen worden war, steht der General Gorbatow. Der Vorsitzende des Stadtsowjets Königsberg heißt Schtscherbakow. Ganz Nordostpreußen, in dem der Ausbau der militärischen Anlagen weiter fortgeschritten ist, wird durch einen streng bewachten Kontrollstreifen entlang der Demarkationslinie gegen den polnisch verwalteten Teil Ostpreußens abgeriegelt. In diesem Grenzstreifen sind Leuchtkugelwerfer aufgestellt; ständig patrouillieren schwer bewaffnete Streifen, die von ganzen Rudeln sibirischer Schäferhunde begleitet werden. Entsprechend der vorangetriebenen Militarisierung dieses Gebietes ist die landwirtschaftliche Nutzung erheblich gesunken

 

 

Seite 8   Louis Clappier: Festung Königsberg

Als der junge Offizier-Anwärter Louis Clappier, im bürgerlichen Beruf Journalist in Paris, wenige Stunden vor Beendigung des Feldzuges 1940 in Frankreich gar nicht weit von seiner südfranzösischen Heimat an der Loire in deutsche Gefangenschaft gefallen war, betrachtete er als einen besonders harten Schlag des Schicksals, dass er in das Lager Stablack geschickt wurde, ausgerechnet in diese östliche Wildnis zu diesen Preußen. Aber er kam in ein Land und zu Menschen, die, wie er bald mit wachsender Verwunderung wahrnahm, so ganz anders waren, als er sie sich vorgestellt hatte. Vor allem war er überrascht, gar nicht der hasserfüllten Feindschaft zu begegnen, die er nach empfangener Überlieferung erwartet hatte.

Da er in Paris Germanistik studiert hatte und einigermaßen deutsch sprechen konnte, wurde er nach einigen Monaten nach Königsberg geschickt, um bei den in den Schichau-Werken beschäftigten französischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern Dolmetscherdienste zu tun. Dadurch kam er in der Stadt herum und sah mehr von ihr und ihren Bewohnern, als es gemeinhin Gefangenen hinter Stacheldraht beschieden war. Als Journalist geschult, Augen und Ohren offen zu halten, vertiefte er sich in das Erlebnis Königsberg. Es erging ihm, wie wir es von je so oft an Menschen bemerkt haben, die mit Vorurteilen gewappnet aus dem Westen zu uns kamen. Er wurde mächtig angerührt von dem Wesen dieser preußischen Stadt, das sich ihm während seines vierjährigen Zwangsaufenthalts erschloss. Er fühlte ihren Puls, als sie noch inmitten des europäischen Kriegsgetümmels eine Oase des Friedens zu sein schien. Mit zwiespältigen Gefühlen spürte er das unaufhaltsame Näherkommen des Unheils, das über sie hereinbrechen sollte. Gewiss, jene, die da von Osten kamen, waren die Verbündeten seines Volks. Ihr Kommen bedeutete für ihn und seine Kameraden die Befreiung aus deutscher Gefangenschaft. Würde sie aber auch wirkliche Freiheit bedeuten. Und was würde aus diesem Königsberg werden, zu dem er eine Art seltsamer Verbundenheit empfand, als die Stadt ringsum eingeschlossen war? Er als Franzose hätte vielleicht Freude dabei empfinden können, den Untergang Preußens an der Stätte seiner Entstehung mitzuerleben. Er erlebte ihn anders. Ihm erschien der an Irrungen und Wirrungen so reiche Kampf und schließlich der Untergang dieser Stadt, in einer Sturzwelle widernatürlichen Hasses als Szenen in der großen Menschheitstragödie.

Mit seinen Kameraden - einigen tausend Franzosen - verließ er nach der Besetzung des Stadtteils Contienen durch die Russen das in den letzten Todeszuckungen kämpfende Königsberg. Noch weithin leuchtete ihnen auf dem Hungermarsch nach Gumbinnen der Brand, der die armseligen Ruinen der Stadt ausglühte. Damals fasste er den Vorsatz, wenn er je wieder nach Frankreich kommen sollte - es geschah erst nach langen und bangen Monaten - sein Königsberger Erlebnis in einem Buch zu schildern.

Die französische Ausgabe erschien unter dem Titel „Place-forte Koenigsberg" 1951 in Paris. Sie fand in der französischen Presse eine sehr gute Kritik. Das starke Publikumsinteresse, angeregt durch die ausführlichen Würdigungen in den Zeitungen, tat sich in dem raschen Verkauf der Auflage kund.

Fast auf den Tag sieben Jahre nach der Kapitulation ist nun auch die deutsche Ausgabe „Festung Königsberg" (Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln, 215 Seiten, in Leinenband 10,80 DM) erschienen. Clappier hat für die Darstellung die Form des Romans gewählt. Er stellt beispielhafte Einzelschicksale nebeneinander, lässt sie ihre Wege kreuzen, wie zufällig wie das blinde Schicksal oder höhere Fügung es will. Wie in einem Kaleidoskop wechseln die Farben und Figuren in dieser Tragödie, der es keineswegs an grotesken Zwischenspielen fehlt. Wer diese Wochen der Belagerung in Königsberg erlebt hat, fühlt sich beim Lesen dieses Buches zurückversetzt in jenes noch in der Rückerinnerung unwirklich erscheinende Leben, in dem die Menschen in der belagerten Stadt wie Kranke zwischen Furcht und Hoffnung wankend ihrem Tode entgegenfieberten. Wer das selbst nicht miterlebt hat, dem vermittelt dieses so wahrhaftig geschriebene Buch eine Ahnung von der großen Spannung, die damals die Menschen beherrschte. Martin Wegener

 

 

Seite 8   Landsleute, bitte herhören!

Zur Beschaffung der Königsberger Stadtfahne, die ihren Ehrenplatz vor dem Duisburger Rathaus erhalten soll, zeichneten folgende Landsleute:

Frau Frieda Schulz, geb. Brustat, 5,-- DM.

Georg Nitsch, 3,-- DM,

Stadtsekr. i. R. Anna Lange 3,-- DM.

Bibliotheks-Inspektorin Clara Wolter 5,-- DM.

Die Beträge werden zu gegebener Zeit von Duisburg aus angefordert. Insgesamt wurden nun gezeichnet: 73,-- DM. Die Fahne kostet 125,— DM. Wir bitten alle Landsleute, die sich daran beteiligen wollen, uns nur den Betrag anzugeben. Von unseren Königsberger Firmen zeichnete als erste die

Firma Brüder Plorin , Bonn, 23,-- DM.

Wer folgt nun dieser guten Tat?

 

Frau Amtmann Hansen teilt uns unter anderem über die Ostpreußen-Warte B mit, dass diese ihr immer ein Stück Heimat ins Haus bringt. Wir bitten daher alle Landsleute dafür zu sorgen, dass dieses Heimatblatt auch von allen gelesen wird. Unsere Ortsgruppenwerbeleiter werden stets bereit sein, die entsprechende Anzahl Bestellzettel auszugeben.

Bezüglich der Dienstbescheinigungen wird nochmals auf unseren Artikel in der April-Ausgabe hingewiesen. Wer die erforderlichen Angaben nicht macht, braucht nicht zu rechnen, schnellstens diese zu erhalten. Da in den meisten Fällen Rückfragen erforderlich sind, ist genügend Porto beizufügen. Wir erhalten nämlich von keiner Seite eine finanzielle Unterstützung und können nun bei der Vielzahl der Anträge nicht noch das viele Porto tragen.

Für die KWS.-Arbeitskameraden ist in allen Sachen zuständig: Anna Schiel für Angestellten-Angelegenheiten, (16) Wiesbaden, Emser-Straße 7;

Ernst Radenwald für Angelegenheiten der Lohnempfänger, (24b) Flensburg, Duburgerstraße 29.

 

Folgende Tote haben wir zu beklagen:

Am 26.12.1947 in Konstanz am Bodensee verstarb unser Arbeitskamerad Waldemar Stoffregen, Leiter des Leihamts und Tauschstelle Steindamm,

Stadtamtmann Aßmann, Aufseher des Alters- und Pflegeheims Acthun,

Buchhalter Hans Fahrenholtz (KWS),

Angestellte Minna Grinda, gestorben 1945 (Stiftung),

Groneberg und Ehefrau, gestorben 1945 (Stiftung),

Arno Köster,

Schlosser, Oskar Kiehn, gestorben 04.02.1947 (Gaswerk),

Schlosser Julius Kluge,

Prokurist Karl Lechleiter,

St.-O.-Insp. i. R. Richard Mazon,

Heizer Christoph Pohlmann, gestorben 16.11.1945 (Wohlf.-A.),

Straßenbahnführer Albert Pohlmann, gestorben 06.01.1946

 

Für die Berichterstattung danken wir folgenden Landsleuten:

Stadtamtmann i. R. Fritz Hoffmann,

Fritz Bajorat.

Marie-Luise Mallien

Frau Hildegard Jacobsen,

Frau Frieda Schulz,

Lehrer Friedrich Klaws,

Stadtamtmann i. R. Richard Wittig,

Witwe Margarete Hansen,

Verm.-Gehilfe Fritz Hinz!,

St.-Insp. Willy Pohlmann,

Witwe Hinz, (Pregelwiesen, Kl. Holländerei).

 

Folgende Anschriften liegen vor:

Frau Baurat Otto Basold (Annemarie),

Mag.-Assessor Horst Böttcher,

Stadtinsp. Franz Domnick,

Agestekkter Fritz David (Fuhrges.),

Arbeiter i. R. Gustav Flandrich,

Witwe Anna Fahrenholtz (KWS).

Angest. Grohnert (Feuerlöschpolizei Ost),

Sohn des Steuervollz.-Sekr. Emil Heßke,

Verw.-Lehrling Hans Jadatz,

Angest. Hildegard Mundzeck vereh. Jacobsen (Stiftung),

Angest. Anni Jastrimski, (Stiftung),

Lehrer Friedrich Klaws, (Scheffner-Schule),

Angest. Ursula Krause (Stiftung),

Witwe Frieda Kiehn (KWS)

Angestellte Herta Loewe (Stiftung),

Angest. Max Lockau, (WiA.),

Witwe Margarete Mazon,

Gertrud Morgenroth.

Angestellter Max Petrusch (WiA.),

Arbeiter Ernst Paschke (Fuhrges.),

Schlosser und Kranführer Ernst Pohlmann (Hafen),

Hans Paulat (KWS),

Frau Berta Salomon,

Dr. Helga Schmucker (Messamt),

Jugendleiterin Erna Wagenführ (Schulamt),

Verwalterin Frau Else Wilde,

Frau Gertrud Werner (Frau des St.-O.-B.-Insp.).

 

Wir suchen die Angehörigen des Schlossers Julius Kluge (Gasanstalt),

Hauptkassierer der Stadtsparkasse Walter Tobies (Sachsen?),

Landsmann Alexander (zuletzt 1946 Totengräber im Krankenhaus Barmherzigkeit),

Lehrer Walter Sand (letzte Wohnung: Ritterstraße 28, am 09.04.1945 Luftschutzraum Orselnstraße gewesen. Dienststelle Hanns-Schemm-Schule),

St.-O.-Insp. Walter Schimmelpfennig. Nach Mitteilung des Aufsehers des Alters- und Pflegeheims Acthun soll der Genannte verstorben sein. Wer kann dies bestätigen?

Frau Ella Lokau, Kranzer Allee 74d,

Kaufmann August Thulke, Gumbinnen, Goldaperstraße 44,

Mag.-Baurat Otto Baseld,

Angest. Heßke (WiA.),

Steuervollz.-Sekr. Emil Heßke und Ehefrau,

Meister der Feuerschutzpolizei Ost Klein,

Oberinspektor Moewe,

Arbeiter Ernst Packheiser (Gaswerk),

Verw.-Sekr. Oskar Salomon (Straßenb.-Amt),

Angest. Schäfer (WiA.),

Meister der Feuerlöschpolizei Ost Schink,

Witwe Ursel Krause, geb. Chmilewski (Ehefrau des Oberreg.-Rat), zuletzt Frankfurt/Oder. Fluchtweg: Berlin.

 

Dringend suchen wir ein Statut der Städt. Betriebskrankenkasse. – Wer hilft uns damit aus?

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -angestellten und – arbeiter: (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1

 

 

Seite 9   Sprache und Mundart des Preußenlandes

Die Tatsachen der preußischen Besiedlungsgeschichte spiegelten sich in allen Äußerungen des Volkstums wider und fanden ihren deutlichsten Niederschlag in den Sprach- und Mundartverhältnissen. Die Sprache des Ordens war entsprechend der Herkunft der meisten Ordensritter mitteldeutsch. Sie war ein Ostmitteldeutsch, das mit der in Schlesien und Obersachsen gebräuchlichen Urkundensprache jener Zeit eng verwandt war. Nach der mitteldeutschen Amtssprache der Landesherrschaft richteten sich auch die meisten Städte des Ordenslandes, das Urkundenbuch der Stadt Königsberg, deren Bevölkerung zweifellos überwiegend niederdeutsch war, enthält nicht ein einziges niederdeutsches Schriftstück! Nur die Küstenstädte Danzig und Elbing, die stark unter dem Einfluss Lübecks standen, bedienten sich des Niederdeutschen als Amtssprache. Im Verkehr mit dem Orden oder mit anderen hochdeutschen Empfängern wandte der Danziger Rat allerdings das Mitteldeutsche an. Unter dem Einfluss der Reformation setzte sich auch in Danzig bald das Hochdeutsche durch, und 1566 erlosch dort auch die niederdeutsche Gerichtssprache.

In der Umgangssprache aber hat sich das Niederdeutsche bis in die Gegenwart erhalten. Im größten Teil des Preußenlandes wurde niederdeutsche Mundart gesprochen, die man in der Wissenschaft als „niederpreußisch“ bezeichnet. Im Westen reicht ostpommersche Mundart in das Gebiet des Preußenlandes. Das Grenzlinienbündel verläuft von der Küste bei Leba in nordsüdlicher Richtung auf Bromberg zu. In die große niederdeutsche Mundartfläche war eine mitteldeutsche Insel eingebettet, in der man „hochpreußisch“ sprach. Diese Mundart lässt sich In zwei Untergruppen gliedern: das sog. „Breslausche" östlich der Passarge mit den Städten Heilsberg, Seeburg, Guttstadt und Wormditt, und das „Oberländische" westlich davon mit den Städten Mühlhausen, Pr. Holland, Liebstadt, Mohrungen, Liebemühl, Saalfeld, Osterode, Dt. Eylau, Rosenberg, Riesenburg, Freystadt, Stuhm, Christburg und Marienburg. Nach 1800 ist das Hochpreußische auch in eine Vorstadt des früher rein niederdeutschen Elbing eingedrungen. Die volksläufige Bezeichnung „Breslausch" für die Mundart des mittleren Ermlandes deutet auf schlesische Herkunft der Siedler. Der mundartliche Befund weist nach dem westlichen Rand des Schlesischen, mehr noch nach der Lausitz. Diese Mundart meinte man, wenn man scherzhaft von den „Hailsberger Kailche" sprach. Ein Scherzwort dort lautete: „Wann öch gesund sai, dann ass ich alle Tage zwälf von dei große Flutschkailche; wann öck aber krank sai, dann ass ich nur älwe, aber der älfte muss größer sain als de andre." Besonders auffällig waren dort die breiten Vokale, vor allem das breite ei: Taifel (= Teufel), Pauer (= Bauer), Faart (= Pferd). Bei der Lautverbindung nd trat nach u und a Gutturalisierung unter Beifügung des Gleitlautes i ein: Huingt (= Hund), Waingt (= Wand). An das Schlesische erinnert auch die Kürzung mancher langen Vokale z. B. gutt (= gut), kluck (= klug), grisse (= grüßen). Das Oberländische zeigt nicht sehr bedeutende Unterschiede gegenüber dem Breslauschen. Eine kleine oberdeutsche Mundartinsel hatte sich bis 1945 in den 13 Schwabendörfern bei Kulm und Kulmsee erhalten.

Auch das Niederpreußische, das „Platt", lässt sich in eine Anzahl von Untergruppen aufgliedern: das Samländische, das Natangische, die Mundart des Ostgebiets, das „Käslausche" um Mehlsack und Rößel, das „Kürzungsgebiet am Frischen Haff" um Braunsberg und Frauenburg sowie das Niederpreußische der Elbinger Höhe, der Frischen Nehrung und des Weichselgebiets. Als Beispiele für das Niederpreußisch, wie es etwa im Samland und in Natangen gesprochen wurde, mögen hier ein paar ostpreußische Sprichwörter stehen: „Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich." - „Dreeg Brotke kleckert nich." - „Ut em schorwge Farkel ward manchmal e däger Borg". - „Wenn eene Koh den Zoagel häwt, so häwe se em alle". - „Wenn de Stähner nuscht hefft, de Proahler hefft all lang nuscht." - „Kleenet Toppke rennt bol äwer". - Wenn utke, denn sattke." - „Em ohle Osse öß schwoa pleeje lehre".

Kennzeichnend, für die Mundart des Ostgebiets ist die stärkere Beimischung hochdeutscher Bestandteile und das auffallend scharfe Zungen-r. Das Kürzungsgebiet am Frischen Haff zeigt auffällige Vokalkürzungen, die aber nach der heutigen Auffassung der Mundartforschung von ähnlichen Erscheinungen in Nordwestdeutschland nicht herzuleiten sind, sondern sich unabhängig davon erst hier herausgebildet haben. Bei Braunsberg sagte man: „Eck goah ant Flitt on wasch mi de Fitt mit greene Sipp". Derselbe Satz würde im Natangischen lauten: „Eck goah ant Fleet on wasch mi de Feet mit greene Seep."

Viele Worte aus der Sprache der Altpreußen hatten sich in den Mundarten noch erhalten, z. B. Marjell (= Mädchen), Kaddick = Wacholder), Palwe (= dürres Grasland), Zarm oder Zerm (= Leichenschmaus) u. a. Auf die litauischen Einwanderer geht z. B. zurück: Margrietsch (== Trunk beim Abschluss eines Handels, übertragen: umsonst, als Draufgabe). Von den Masuren stammt z. B. Kosse (= Ziege), Schubrine (= Haarsträhne, Scheitel) und Dups (= Gesäß).

Was dem Fremden an den Bewohnern des Preußenlandes als breite Aussprache auffiel, ist sicher ein Erbteil des Altpreußischen, das von den deutschen Siedlern übernommen wurde. Auf sie geht auch die Vorliebe der Ost- und Westpreußen für Verkleinerungsformen zurück. Man sagt: dat Brotke, de Sonnke, dat Kornke, de leewe Gottke, ja sogar: duche! was-che? Tagchen!

Die Mundart befand sich im Preußenland in einem Zustand des Zurückweichens gegenüber dem Hochdeutschen und spielte nicht mehr eine solche Rolle wie in Nordwestdeutschland oder Süddeutschland. In den sozial gehobenen Schichten wurde sie überhaupt nicht mehr gesprochen. Lebendig aber war sie bis 1945 noch überall auf dem Lande. In Südostpreußen war an die Stelle des ausgestorbenen Masurisch ebenfalls das Hochdeutsche getreten, so dass hier eine Mundart völlig fehlte.

 

 

Seite 9   Berchtesgaden Auszeichnungen für heimatvertriebene Jugend

Das Deutsche Jugendwerk (GYAC) veranstaltet alle Jahre einen Hand- und Werkarbeitenwettbewerb. Für die Süd-Ost-Ecke der Bundesrepublik ist das „Haus der Jugend" Berchtesgaden beauftragt, den Wettbewerb durchzuführen. Auch in diesem Jahre haben viele Mitglieder der heimatvertriebenen Jugend mitgemacht. Bei der ersten Ausscheidung in Berchtesgaden konnten zwei Jugendliche der Gruppe der Ost- und Westpreußen erste Preise erringen und zwar in der Klasse „Modellieren" Ingrid Hepke für eine Gruppe „Löwin mit Jungen" und in der Gruppe „Lederarbeiten" Fritz Schwarz für einen Haferlschuh. Die preisgekrönten Arbeiten gingen dann nach München für den Wettbewerb für ganz Bayern. Hier errang Ingrid Hepke ebenfalls den ersten und Fritz Schwarz einen zweiten Preis. Die Endausscheidung für die ganze Bundesrepublik findet Anfang Mai in Stuttgart statt

 

 

Seite 9   Karte zur Volkskunde des Preußenlandes

Der „Volkskunde des Preußenlandes" ist das Heft 19 der Schriftenreihe des Göttinger Arbeitskreises gewidmet, das soeben im Holzner-Verlag Kitzingen-Main erschien. Der Verfasser, Dr. Erhard Riemann, früher Dozent für Volkskunde in Elbing, gibt auf 36 Seiten einen knappen, aber inhaltsreichen Abriss von der Bevölkerungs- und Siedlungsgeschichte, Mundarten, Volkslied, -erzählung und -glauben bis Volkstracht und -kunst. So ergibt sich ein von Zeichnungen verlebendigtes Bild der vielschichtigen und reichen Kultur des Preußenlandes, das ein bedeutendes Glied des deutschen und abendländischen Kulturraumes war. Die Schrift ist dem Andenken des hervorragenden kürzlich verstorbenen Kenners der preußischen Volkskunde, Prof. Walther Ziesemer, früher Königsberg, gewidmet. Nachstehend veröffentlichen wir mit freundlicher Erlaubnis des Holznerverlages den Abschnitt „Sprache und Mundart des Preußenlandes" aus der ausgezeichneten Schrift

 

 

Seite 9   Wi lere Plattdietsch II. Von Dr. Karl Bink

Oek gloov (oov = aub), dat nu ok (auch) Hochdietsche dat Plattdietsche lese könne. To (zu) de Weerd far (a = ü) „spräke" hevt (hat) Charlotte Ewald noach angegäve (äv = eh): brisele (leis rede), quassele (ss stömmhaft) - Onsönn rede, broasche (laut rede), kalbäkelitauisch spräke, unverständlich rede. Soamlandsch seggt (sagt) man woall (oa = oh) brösele. Ok „schuschele" (önt ins) Oar (Oa = oh) segge ward (a = i) noach angegäve. Dabi ös sch stömmhaft to spräke. Soamlandsch seggt man woall „schischele" (zischeln). Oaver (oav = ab) et helpt (p = f, e = i) ja alles nuscht (nichts). Wi motte (müssen) doach ons (o = u) dräver klar ware, wie dat Plattdietsche uttospräke ös, on wenn gliek (gleich) de Hochdietsche de Koapp (Kopf) dabi diese (brummen) sull (u = o). Also ömmer (ö = i) forsch ran an e Speck! Ditmoal (it = ies) koame bloß de Sölvstlaute (ö = e, v = b) ran.

Dat Utspräke (ut = aus)

Toeerscht (zuerst) mott (muss) nu angegäve +n, äv = eb) ware (werden), wie sök (sich) dat Plattdietsche bim (i = ei) Utspräke andersch (sch = s) anheert (ee = ö) wie dat Hochdietsche. Woa dat Hochdietsche een (ee = ei) langet t = s) a hevt (hat),steit (ei - eh) öm Plattdietsche meistens een oa. Dat ös een Laut, de öm Plattdietsche von dem gesproake ward, de wat done (tun) sull (u = o), oaver dat nich (+1) wöll :Oa! Besondersch fule (u = au) Lorbasse sägge denn: Oal Et (t = s) ös een Möddelding (ö = i, dd = tt) twösche (zwischen) o on a. De Laut kömmt (ö = o) ok öm Englische ver (e = o), so ön: call (rufen), fall (fallen, tall (hoch). Wi hebbe (haben) dit oa all (schon) gehatt (gehabt) ön: soamländisch, soamlandsch, oaver (aber) Noame, geesproake. Wi hebbe ok dit oa geschräve (+äv = ieb) ön: woa, Woard. Ditt (dies) oa ös oaver andersch to spräke. Hier ös dat o dat Wichtigste; dat a klingt bloß no (nach). Hier ös also oa een doabbelt (Doppel-) Laut. Dat a ver (e = o) enem (e = ei) r ös lang to spräke. Dat r ös dabi (i = ei) egentlich (e = ei) gar nicht (+ t) to here (e = ö). Dat ös so ön: far, ward. Ditt (dies) letzte Woard darv also nich (+ 1) wie hochdietschet (t = s) „ward' (wurde) klinge, sondersch meer (ee = eh) wie „waat". Röchtig (ö = i) to here ös oaver dat r ön: ware (werden); dat a ös da ok lang. Sonst ward et wie öm Hochdietsche gesproake. Dat r ös immer fast gar nich to here, wenn et am End (+e) von enem Woard oder ver (e = o) enem Mötlaut (ö = i) steit. So ös et ok ön: geleade (gelehrte), toeascht (zuerst), vea (vor), gaa (gar),äva (über), oava (aber) hia (hier). Dabi ös ok er am End als a geschräve.

Bi e ös sonst nuscht to segge (nichts zu sagen). Lang ös et, wenn ee möddel (mitten) öm Woard steit, oaver ok am End von een Sölv (Silbe): heet (heiß), hete (heißen).

Wenn e, i, o, u am End von enem Woard stoane (stehen), ward bi e on i een i, bi o on u een u nogeschloage (nachgeschlagen) …So mußt (müsste) man egentlich de (die, der), se (sie), wi (wir), wie (wie), dabi (dabei) als dei, sei, wii, wii, dabii, bäter (besser) noach möt enem klene f+n, e = ei) hochgesette i geschräve ware; „dei"' on „sei" dörve (ö = ü, v = f) oaver nich möt (ö = i) ei gesproake ware. Datsölvge (dasselbe) galt (ö =) far: to, so, nu. Se kunne (könnten) also wie: tou, sou, nuu geschräve ware, woabi u bloß koart (kurz) noklinge darv.

Dat lange i ward ömmer als ie geschräve, bloß nich am End von een Sölv (Silbe) wie ön „schrive" (schreiben). Man nennt solk (k = ch) een Sölv ok oape (offen).

Ons Platt hevt kein eu on ü; deshalb heet et je (ja): Preisse, Lied, fele (e = üh). Dat hochdietsche i ös öm Plattdietsche oft een koart ö: ön, möt, ös, bestömmt, ömmer, sök, twösche, röchtig, gövt. Dat ö steit ok far hochdietschet u: öm, ömständlich ,far o ön: wölle. Dat ward nu als bekannt angenoame (+n, oa = o). Alle plattdietsche Weerd hebbe far de hochdietsche Endung „en" ömmer bloß een e. Da ös een +n ön Klammere gesett. Dat geschitt (geschieht) nu ok nich meer. Dat ös alles, wat äver de plattdietsche Sölvstlaute (Selbstlaute, Vokal) to segge ös. Hffle wi, dat nu keiner de Vok-oale möt gerekerde (geräucherte) Oale (oa = a) verwechsele ward (wird).

 

 

 

Seite 10   Turnerfamilie Ost- und Westpreußen

Geburtstage im Mai:

01.05.1952  Kurt Semrau (TuF Danzig), 20a Neustadt 9 über Bad Münder (Deister).

01.05.1952 Richard Neuman (Bartenstein/Allenstein), 21a Rinteln, Klosterstraße 35.

03.05.1952 Friedel Straube-Zimmeck (Sensburg), 20a Bad Münder (Deister), Süntelstraße 9.

03.05.1952 Johannes Hippler (KMTV/Ponarth), 21a Herford, Leopoldstraße 8.

04.05.1952 Robert Sander (TuF/Tgm. Danzig) 15a Rudolstadt-Cumbach, Städt. Altersheim.

04.05.1952 Johanna Wöhlert-Krebs (Marienburg), 20a Uelzen (Bez. Hann.), Lüneburger Straße 63. 05.05.1952 Theo Wallerand (TuF Danzig), 22a Wuppertal-Elberfeld, Mozartstraße 64 II.

06.05.1952 Charlotte Neumann - Schmidt (KMTV Gumb.), 3b Ahrenshagen über Damgarten/Stralsund.

06.05.1952 Fritz Reichardt (KMTV/KTB), 22a Rheydt, Wilhelm-Strauß-Straße 35.

07.05.1952 Vally Möller-Lowien (KTC), 22a Essen-Stadtwald, Waldblick 13.

08.05.1952 Charlotte Loth-Schimmelpfeng (wahrsch. Schimmelpfennig) (KTC) 24b Itzehoe, Brückenstraße 18.

09.05.1952 Walter Fromm (TuF Danzig), 10b Döbeln, Karl-Marx-Platz 17 I.

12.05.1952 Dorothea Einbrodt-Dalchow (KMTV), 16 Herbornseelbach (Dillkr.), Dorfstraße.

12.05.1952 Anna Passarge (KTC/Rößel/Rastb./Lyck), 22c Troisdorf, Kölner Straße 19 II.

13.05.1952 Karl Tomscheit (KTC), 24b Flensburg-Engelsby, Kauslunder Straße 76.

13.05.1952 Thea Pietsch-Hannmann (Tgm. Danzig), 13a Schweinfurt, Mainberger Straße 8.

13.05.1952 Frida Prohl-Amort (Neufahrw.), 24a Schwarzenbek, Erfstraße 10 II.

14.05.1952 Robert Meding (Marienburg), 24a Lübeck-Travemünde, Kaiserallee 39.

14.05.1952 Fritz Schulz (KMTV), 1 Bln.-Schöneberg, Feurigstraße 68 I.

14.05.1952 Heinz Richter (Zoppot), 24b Flensburg, Terassenstraße 15 II.

14.05.1952 Erna Werner-Jester (KTC), 20a, Celle, Nordtmeyerstraße 19.

15.05.1952 Richard Schirrmann (TVKbgL.), 16 Grävenwiesbach (Hessen), Kreis Usingen.

16.05.1952 Gertrud Kaiser-Traeder (Zoppot), 24b Rendsburg, Alte Kieler Landstraße 86.

18.05.1952 Eva Scholz-Voland (KMTV), 1 Berlin-Hohenneuendorf, Leninstraße 54.

19.05.1952 Ursula Hauth (KTC), 21a Bielefeld, Hauptstr. 162a.

19.05.1952 Paul Waaga (Zoppot), 20a Celle, Fuhrberger Straße 125.

19.05.1952 Richard Wiechert (KMTV), 13a Neukirchen 89 über Sulzbach/Rosenberg.

19.05.1952 Christian Franke (Marienburg), 24a Wedel (Holstein), Rudolf-Breitscheid-Straße 9a.

20.05.1952 Wolfgang Beyer (VfK Kbg.), 20a Lüneburg, Spangenbergstraße 52.

20.05.1952 Helmut Feyerabend (Wehlau), 24b Sehestedt über Rendsburg.

20.05.1952 Horst Struwe (KMTV), 24b Wrohm bei Heide Holstein).

20.05.1952 Agathe Sülzner-Schöngarth (FrTV Danzig), 24b Hohn IV, Kreis Rendsburg.

21.05.1952 Karl Schüleit (KMTV/TILSIT), 24b Kiel-Wellingstedt, Wehdenweg 101.

21.05.1952 Robert Stoll (KMTV), 20b Wolfenbüttel, Ringstraße 49

22.05.1952 Erich Hübsch (KMTV), 14a, Göppingen, Grabenstraße 11.

22.05.1952 Lothar Winter (KMTV), 17b Freiburg (Breisgau), St. Georg, Hartkirchweg 55.

22.05.1952 Dr. Kurt Knewitz (KMTV), 24a Buchholz, Kreis Harburg-Land, Kreiskrankenhaus.

23.05.1952 Kurt Barutta (KMTV), 20a Hannover, Lärchenstraße 12.

23.05.1952 Arthur Callwitz (Tgm. Danzig), 20a Deckbergen 48 über Rinteln.

24.05.1952 Alexandra Maertens (Zoppot), 24b Kiel, Eckernförder Allee 30 III.

24.05.1952 Frau Gertrud Ortmann (TC Danzig), 13a Nürnberg 34, Simonstraße 18.

26.05.1952 Fritz Schacknies (Gumbinnen), 23 Bremen-Vegesack, Gartenstraße 24.

27.05.1952 Paul Gehrmann (Lyck), 23 Oldenburg-Kreyenbrück, Block 10, II.

28.05.1952 Siegfried Perrey (KMTV Insterburg), 24b Flensburg-Mürwik, Landessportschule.

30.05.1952 Rosemarie Choitz-Lengwenat (KTC), 20a, Hildesheim, v. Voigts-Rhetz-Straße 26.

30.05.1952 Gertrud Amort (Zoppot) 22a Remscheid, Brüderstraße 60.

30.05.1952 Ernst Schulz (KMTV), 23 Hahn (Oldbg.), Krankenanstalt, Station 2.

30.05.1952 Gerhard Kirschke (Neufw.), 22c Wesseling (Bez. Köln), Flach-Fengler-Straße 130.

31.05.1952 Elsa Rompf (Elbing) 24b Itzehoe, Kirchenstraße 5.

Allen Maigeborenen, ganz besonders zu den Jubiläumsgeburtstagen von

Tsch. Alexandra Maertens (25),

Ursula Hauth (30),

Thea Pietsch (40) und

Tbr. Karl Tomscheit (75 Jahre)

Namens der Turnerfamilie beste Wünsche für die Zukunft und ein kräftiges Gut Heil!

 

Tbr. Heimut Braedel (als Musikwart des KMTV vielen bekannt), geb. 23.01.1907, ist aus Kriegsgefangenschaft noch nicht heimgekehrt. Im Interesse der Versorgung seiner Angehörigen werden Daten über sein Studium, sein Examen und seine Anstellung und Dienstbezeichnung dringend benötigt. Wer irgendwelche Angaben machen kann, schreibe bitte umgehend an Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb.), Bloherfelder Straße 20.

 

 

Seite 10   Kameraden, meldet Euch!

Kameraden der 11. Inf.-Div.! Verbunden mit dem Rgt.-Treffen des G. R. 2 findet am 10./11. Mai 1952 in Herford eine Wiedersehensfeier aller ehemaligen Div.-Angehörigen statt. Sonnabend: Begrüßung, Ansprachen, Eintopfessen, Kameradschaftsabend, Militärkonzert. Sonntag: Kirchgang und Einzeltagungen der Rgter u. Abtlgn. Sofortige Anmeldung mit Angabe ob Hotel, Privatquartier oder Massenquartier an Franz Meise, Herford, Schubertstr. 5. Näheres durch Einweiser am 10.05. 1952 ab 14 Uhr im Hauptbahnhof Herford, Wartesaal 2. Klasse.

 

61. Inf.-Division. Am Sonntag, dem 25. Mai, findet ab 13 Uhr ein Tagestreffen für die ehem. Angehörigen des Div.-Stabes und der Versorgungstruppen der 61. Inf.-Div. auf der Burg in Altena i. W. statt (Sonntagsrückfahrkarte - Marschverpflegung) - Eintopfessen nach Wunsch für DM 1,20. Teilnehmer aus weiterer Umgebung können im Haus zur Lenne, Bachstraße für DM 4,-- vom 24./25.05.1952 übernachten. Zusagen müssen sieben Tage zuvor erfolgen an: Generalleutnant a. D. Krappe, 21b Dickenhagen, Post Mühlenrahmede über Altena (Westfalen)

 

Kameradschaft des ehem. Inf.-Regts. 2, Ortsgruppe Hamburg

Ortsgruppe Hamburg nimmt noch Meldungen entgegen für die Omnibusfahrt nach Herford zum Regts.-Treffen am 10. und 11. Mai, Fahrpreis 16,-- DM. Abfahrt vom Bahnhof Harburg am 10.05. um 11 Uhr. Teilnehmer für das Treffen der 11. Inf.-Div. können sich der Fahrt gleichfalls anschließen. Meldungen mit Übersendung des Fahrpreises nimmt Kam. W. Bannuscher,  Hamburg-Harburg, Hoppenstr. 57, entgegen

 

 

Seite 10  Treuburg

In früheren Jahren sah unser Dörfchen doch so schön aus und was macht es heute für einen traurigen Eindruck", heißt es in einem Brief aus Treuburg. Die Ostpreußin lebt mit ihren alten und kränklichen Eltern im früheren Diensthaus des Gutes. Überall macht sich der Verfall bemerkbar, die noch stehenden Ställe und Häuser werden nicht repariert, viele Häuser sind bereits abgerissen worden. Sogar die Zäune, die seit langem fehlen, hat man noch immer nicht ersetzt.

 

 

Seite 10   Suchanzeigen

Gesucht wird Frau Gertrud Daklenburg, geb. Grigoleit aus Kbg.Pr., Sackheimer Rechte Str. 34 III, geb. Juni 1898. Der Gatte heißt Paul Daklenburg, ihr Sohn Egon Daklenburg; war 1945 noch Schüler des Münchenhofgymnasiums. Daklenburgs sind im Januar 1945 mit einem Dampfer aus dem belagerten Kbg. geflüchtet, seitdem keine Nachr. Um Ausk. bittet Frau Grete Meyer, Bln.-Schmargendorf, Augusta-Viktoria-Straße 65 ptr., fr. Kbg./Pr., Steinmetzstr. 24.

 

Wo befindet sich die LandesVers.-Anstalt Ostpreußen?, die Firma Gebr. Siebert oder deren Geschäftsleitung, fr. Kbg., Kaiser-Wilhelm-Platz? - Die Stadtsparkasse Königsbg./Pr., Filiale Stadthaus und Königstor? - Wer weiß etwas über den Verbleib meiner alten Tante Berta Peters, wohnh. gewesen Kreuzburg/Ostpr., Thalstraße 39, geb. 25.09.1867? und der Schw. Elisabeth u. Gertrud Korth (Gertrud war zuletzt im Polizeipräsidium angestellt), wohnh. Köntgsberg/Pr., Am Stadtgarten 49? Nachr. erb. Hedwig Liebert 13b Pflegeheim Abtsee bei Laufen, fr. Kbg./Pr., Fritzenerweg 15.

 

Schneidermstr. Oskar Schwatlo (ca. 54 Jahre alt) mit Ehefrau Erna geb. Radowski und den Kindern Jutta u. Ute. Sie wohnten in Kbg. Pr. zuletzt in der Rippenstr. Nr.? Dort wurden sie total ausgebombt und wahrscheinlich nach Heilsberg evakuiert. Zuletzt soll die Familie in Thorn gewohnt haben. Nachr. erbittet Alfred Muhs. p. Adr. Robert Klein, Berlin.-Charlottenburg, Kantstraße 110, vorn, 4 Tr.

 

Wer kann Auskunft geben über das Geschick meines Mannes, des Strommeisters Bruno Rehfeldt, geb. 02.01.1885 in Pillau, zul. wohnh. Neukuhren/Samland. Strommeisterei. Nachr. erb. an Frau Elisabeth Rehfeldt. Wietze, Kr. Celle, Hauptstraße 45e.

 

Gesucht werden Unterarzt der Luftwaffe Wolf gang Waterstraat, geb. 28.01.1917 u. Oberfähnrich Dieter Waterstraat, geb. 20.01.1923, Königsberg/Pr., Herderstraße 1, von, E. R. Pelissier Frankfurt/Main, Mechthildstr. 17.

 

Wer kann Auskunft geben über Lehrer Apel aus Kbg.-Ponarth od. dessen Angehörige? Nachr. erb. Frau Block , Celle/Hann., Kirchstraße 51.

 

Achtung! Wer war mit dem Fahnenjunker-Uffz. Wilh. Kühne, geb. 01.07.1902, in Sebaldsbrück, zul. wohnhaft Osnabrück, Hansastr. 7, vorher Neuenkirchen, Kr. Melle, im Febr. 1945 in Danzig zusammen? Nachr. erb. das Amtsgericht Osnabrück zum Aktenzeichen 8 II 21/52.

 

 

Otto Bluhm, geb. 25.07.1886, Landwirt, Gumbinnen, Goldaperstr. 73. Zuletzt gesehen am 2. Febr. 1945 im Flüchtlingstreck kurz vor Pr.Eylau. Durch russ. Fliegerbeschuss wurde der Treck gesprengt. Von diesem Augenblick an fehlt von dem Gesuchten jede Spur. Nachr. über das Geschick des Vermissten erbeten bei Erstattung der Unkosten an Hans Bluhm, 14b Weingarten/Wttbg., Karlstraße 17.

 

Achtung! Gumbinnen! Wer kann Auskunft erteilen über die Kreis-und Stadtsparkasse, Volksbank u. Bank der Ostpr. Landschaft Gumbinnen? Nachr. erb. bei Erstatt. der Portounkost. an Hans Bluhm, 14b Weingarten/Wttbg., Karlstraße 17.

 

Gesucht wird Frau Hildegard Seeck geb. Huck mit ihren beiden Kindern, wohnhaft bis 1945 in Königsberg/Pr., Woermannstraße. Ihr Mann ist im Sept. 1944 im Westen gefallen. Nachr. erb. Josef Werner, Karlsruhe i. B., Badische Neueste Nachrichten, Lammstraße 1b - 5.

 

Wer kann Auskunft geben über den Verbleib meines Ehemannes Gendarmeriemeister Franz Pompetzki, geb. 25.05.1906 aus Lubowitz, Kr. Zichenau. Letzte Nachr. Gotenhafen-Adlerhorst-Lager der Ordnungspol.-Komp. Dietz. Nachricht erb. Frau Maria Pompetzki, 20 Drohe, Kreis Uelzen.

 

Gefr. Alfred Radzuweit, geb. 26.11.1908, letzte Wohn. Hindenburg bei Labiau (Feldpost-Nr. 00151 A), war Januar 1945 b. Insterburg eingesetzt. Letzte Nachr. vom 05.01.1945.

Obgefr. Gerhard Radzuweit, geb. 31.01.1919, letzt. Wohnort Labiau/Ostpr., Fritz-Tschierse-Straße 30, war im Februar 1945 bei der Verteidigung Königsbergs eingesetzt (5. Panzerdivis., 4. Komp.). Soll in russ. Gefang. gekom. sein, Letzte Nachr. aus Kbg. v. 25.03.1945

Soldat Erich Radzuweit, geb. 27.06.1911, letzte Wohn. Labiau (Ostpr.), ist Januar 1943 bei Stalingrad als vermisst gemeldet. Wer kann einen Anhalt über den Verbleib oder eine Auskunft über den nachherigen Aufenthalt geben? Ist jemand mit ihnen zusammen gewesen. Nachr. über die drei vermissten Söhne erb. die Mutter, Frau Auguste Radzuweit, jetzt Bienrode 76 über Braunschweig.

 

Wer kann Auskunft geben über Lotte Rohde, geb. am 09.10.1926 in Gr.-Pentlack, Kr. Gerdauen/Ostpr. und ihre Schwester Christel Rohde geb. 13.10.1929 in Gr.-Pentlack Kr. Gerdauen. Beide befinden sich z. Zt. in russischer Gefangenschaft in Karaganda 8, Kasachstan, Nischnaja 30 UdSSR. Welcher Heimkehrer kennt dieses Lager und hat die Mädchen dort gesehen? Außerdem wird gesucht Rudolf Rohde, geb. 31.08.1920 in Königsberg Pr. vermisst als Soldat bei der Feldp.. Nr. L 61 355. Am 23.10.1944 bei Ebenrode, vermutlich in russ. Gefangenschaft gekommen. Nachr. erb. der Vater Rudolf Rohde, 24 Drochtersen über Stade.

 

Wo befinden sich die Kameraden des ehem. 1. (Pr.) Gren.-Regt. 1 Königsbg./Pr. Hauptmann Friebe, Hauptmann Hoepke, Obfw. Jonischkeit, Feldw. Walter Kinder, Uffz. Augustat, Uffz. Haneberg? Nachr. erb. Theo Baehr, 20b Wenden, Kreis Braunschweig.

 

Lothar Baumann, geb. 08.09.1908, Bankbeamter aus Königsb., seit 1943 in Russland vermisst, wird gesucht oder Nachr. erbeten an seinen Pfleger Dr. W. Karge, 13b Landshut, Jägerstraße 484 b.

 

Heimkehrer der Feldp.-Nr. 14288! Wer kann Auskunft geben über meinen Sohn Willy Wegner, geb. 03.09.1925 in Maulen bei Königsberg (Pr.). Letzte Nachr. Januar 1945 v. großen Weichselbogen, Ort unbek. Nachr. erb. Ernst Wegner, Reinstorf über Wittingen, Krs. Uelzen (Hann.).

 

Wer kann Nachr. geben über den Verbleib m. Sohnes Fritz Radtke, geb. 06.09.1926 in Gudnick, Krs. Rastenburg. Er war zuletzt unter Feldp.-Nr. 14644 in Russland. Letzte Nachr. vom 09.01.1945 nach einer Verwundung bei Heiligenbeil. Heimkehrer werden um Nachr. gebeten von Frau Charl. Radtke, Lüder über Wittingen (Ersfeldhof).

 

Gesucht wird Willi Anton, letzter Wohnort Tannenwalde-Königsbg., Ritterstraße. Früher bei der Firma Ohlinger-Rosenau/Königsberg beschäftigt, später in der OT, Einsatz im Osten (Hochbautrupp 703). Seine Frau soll in den Kreis Soltau eingewiesen worden sein. Wer kann Auskunft geben? Nachr erb. Hermann Hochfeld, 20a Warzen 7 über Alfeld (Leine).

 

Gesucht wird Frau Gertrud Will geb. Cablau, aus Heilsberg, Ostpr., Heimstättenweg 46, von Hildegard Schmidt, fr. Kbg./Pr.. Schrötterstraße 8, jetzt 21 Soest/Westf., Conradstraße 57.

 

Theodor Grunau, Drogerie-Bes., Königsberg, Tragheimer Kirchenstraße, Witwer, ca. 70 Jahre, Priv. Wohn. Butterberg. Jan. 1945 mit seiner Nichte Frau Erika Kecht geflüchtet. Wer weiß, wo er jetzt lebt? Nachr. erb. Fr. P. Hartmann, Buchsachverständige, Helferin im Steuersachen, Kbg./Pr., vorder Roßgarten 57, jetzt St. Andreasberg (Harz), Brauhausstraße 317 b. Reichert.

 

Wer kennt Frl. Agnes Hermann, Klavierlehrerin und Kirchensängerin, ca. 82 Jahre alt, aus Königsb.Pr., Rippenstraße ?. Herrn Erich Lubitz, Buchhändler, Inh. v. Bons Leihbücherei, Kbg./Pr., Münzstr. 19, dort ausgebombt, dann .Wagnerstraße neu eröffnet, Februar 1888 geboren. Er wurde Jan. 1945 zum Volkssturm eingezogen, hatte zwei Söhne, der ältere ist gefallen. Wer weiß Näheres über ihn und seine Frau Charlotte geb. Schulz? Sattlermeister Hugo Fleckenstein, ca. 1878 geb., Königsberg, Neuer Graben ausgebombt, zog dann nach Charlottenburg in sein Sommerhaus mit seiner Frau. Wer gibt Nachr.? Frl. P. Hartmann, St. Andreasberg (Harz), Brauhausstraße 317 bei Reichert.

 

Gesucht werden: Frau Carla Gerwatowski, Kbg. Pr., Rosenkranz-Allee, zul. Bolkenhain/Schlesien, Frau Martha Rothgänger, Königsb. (Pr.), Mischener Weg 35, tät. Postamt 16, u. Frl. Hanna von der Ley, Kbg./Pr., Hindenburgstr. 27, Dentistin, von Frau Ella Luther, (20b) Holzminden, Sollingstraße 118.

 

Ich suche meine Mutter Margarete Neumann, geb. 19.05.1889, Kbg., meine Schwester Frau Frida Amsel, geb. 03.11.1923, in Kbg., mit Kindern Irmtraut und Klaus-Jürgen, u. meine Schwester Frau Gertrud Jakobeit, geb. 28.05.1919 mit Söhnen Klaus und Georg. Alle Gesuchten befanden sich In Königsberg Pr., Blücherstraße 17. Seit dem 25?.03.1945 kam keine Nachricht mehr. Ausk. Erb. an Ernst Neumann, (Hb) Holzgünz 14 über Memmingen.

 

Allensteiner! Wer kann Auskunft geben über den Verbleib oder Tod des Justizoberwachtmeisters Viktor Anhut. geb. am 29.10.1890, wohnh. Allenstein, Sandgasse 1a, tätig am Oberlandesgericht Kbg. , 1945 wurde er in Metgethen von seiner Frau getrennt. Seitdem fehlt jede Spur. Ang. erb. an das Amtsgericht Osnabrück, zum Akt.Zeichen 8 II, 46/52.

 

 

Seite 10   Suchdienst der Heimatortskartei für Ostpreußen

Wenn Ihnen über den Verbleib der Gesuchten etwas bekannt ist, geben Sie, bitte, direkt Nachricht an die Heimatortskartei für Ostpreußen - (24b) Neumünster, Postfach 178. - Es werden gesucht:

191 Abbau-Bergau, Kr. Samland, Barkowskl, Rosemarie, geb. 25.12. 190, Schüler, ges. von Barkowski, W. 

192. Abbau-Bergau, Kr. Samland, Zimmer, Anna, geb. Keller, geb. 22.10.1896, ges. von Zimmer, Friedrich;

193. Absintkeim, Kreis Samland, Gerke, Anna, geb. Wohlgetan, geb. 20.05.1908, ges. von Seeger, Bertha.

194. Absintkeim, Kreis Samland, Baltruschat, Anna, geb. Brenke, geb. 19.07.1864, ges. von Hasenbein, Ruth.

195. Absintkeim, Kreis Samland, Baltruschat, Gustav, geb. 12.04.1864, ges. von Hasenbein, Ruth.

196. Absintkeim, Kreis Samland, Bechler, Amalie, geb. Bogdan, geb. 25.12.1869, ges. von Bechler, Otto.

197. Absintkeim, Kreis Samland, Bechler, Elise, geb. 02.03.1905, ges. von Bechler, Otto.

198. Absintkeim, Kreis Samland, Bloschies, Auguste, geb. Richter, geb. 14.09. 76, ges. v. Rischkowski, Erna.

199. Absintkeim, Kreis Samland, Frass, Emil, geb. 04.06.1885, ges. von Flus, A?mine.

200. Absintkeim, Kreis Samland, Krebs, Lina, geb. Baltruschat, geb. 22.05.1900, ges. von Hasenbein, Ruth.

201. Absintkeim, Kreis Samland, Kunkel, Anna, geb. Kanditt, geb. 03.03.1892, ges. von Olnhoff, Gertrud,

202. Absintkeim, Kreis Samland, Paulikat, Wilhelmine, geb. Maiat, geb. 23.08.1877, ges. v. Fröhlich, Lisbeth,

203. Ackerau, Kreis Samland, Holland, Elfriede, geb. 10.03.1924, ges. von Seils, Ella.

204. Adamsheide, Kreis Samland, Jarr, Erna, geb. 06.04.1922, ges. von Pätzel, Charlotte.

205. Albehnen, Kreis Samland, Wien, Ernst, geb. 11.11.1891, ges. von Wien, Paul.

206. Albertshof, Kreis Samland, Riemer, Wilh., geb. 23.01.1886, Landw.-Verw., ges. v. Riemer, Katharina.

207. Alexwangen, Kreis Samland, Sahm, Fritz, geb. 24.03.1898, Arb., ges. von Thalau, Otto.

208. Altenberg, Kreis Samland, Diekert, Berta, geb. Lange, geb. 12.04.1880, ges. von Dickert, Paul.

209. Altenberg, Kreis Samland, Konradt, Anna, geb. 21.07.1923, ges. von Konradt, Auguste.

210. Altenberg, Kreis Samland, Tiedemann, Margarete, geb. 14.09.1910, ges. von Dickert, Paul.

211. Altenberg, Kreis Samland, Weiher, Max, geb. 28.01.1879, Landw., ges. von Weiher, Hildegard.

212. Amalienhof, Kreis Samland, Spie, August, geb. 19.09.1881, Landw., ges. von Spie, Wilhelm.

213. Ankrehnen, Kreis Samland, Hoffmann, Heinz, geb. 24.12.1932, ges. von Hoffmann, Helene.

214. Ankrehnen, Kreis Samland, Scheller, Anna, geb. Nehlfeldt, geb. 10.04.1902, ges. von Manneck, Johanne.

215. Anschendorf, Kr. Samland, Rogall, Hildegard, geb. 04.12.19 31, ges. von Rogall, Hermann.

216. Anschendorf, Kreis Samland, Graumann, Kurt, geb. 14.03.1930, ges. von Graumann, Maria.

217. Arnau, Kreis Samland, Woop, Max, geb. 15.01.1909, ges. von Woop, Johanna.

218. Bardau, Kreis Samland, Suhr, Gertrud, geb. Thiele, geb. ??, ges. von Suhr, Irmgard.

219. Battau-Gut, Kreis Samland, Gromball, Franz, geb. 18.01.1875, ges. von Gromball, Hermann.

220. Battau, Kreis Samland, Lange, Rudolf, geb. 13.02.1898, Landw., ges. von Lange, Erich.

Kehler, Gustav, geb. 15. 2. 78, Bäcker, ges. von Kehler, Herbert.

221. Bärwalde, Kreis Samland, Abend, Wilhelm, geb. 09.06.1888, ges. von Abend, Elsa.

222. Bärwalde, Kreis Samland, Growitz, Gustav, geb. 05.01.1893, ges. von Growitz, Frieda.

223. Bärwalde, Kreis Samland, Jaschkowski, Marie, geb. Packhäuser, geb. 20.02.1905, ges. v. Packhäuser, G.

224. Bärwalde, Kreis Samland,

225. Bärwalde, Kreis Samland, Legten, Auguste, geb. Schmitke. geb. 05.10.1880, ges. von Gross, Robert.

226. Bärwalde, Kreis Samland, Neumann, Anna-Marie, geb. Meek, geb. 21.11.1884, ges. v. Prozesky, E.

227. Bärwalde, Kreis Samland, Neumann, Franz, geb. 08.03.1883, Schlosser, ges. von Prozesky, Elfriede.

228. Bärwalde, Kreis Samland, Oltersdorf, Fritz, geb. 16.12.1903, Briefträger, ges. von Oltersdorf, Franz.

229. Bärwalde, Kreis Samland, Porsch, Paul, geb. 26.06.1885, Bankangest., ges. von Porsch, Martha.

230. Bärwalde, Kreis Samland, Walenda, Erna, geb. Padtheiser, geb. 09.03.1909, ges. v. Jeschkowski, Maria.

231. Insterburg, Adomeit, Johann, geb. 18.05.1868, Maurerpolier, ges. v. Altrock, Maria.

232. Insterburg, Aschmann, Hermann, geb. 05.04.1880, Rentner, ges. v. Schempenneck. Paul.

233. Insterburg, Bartel, Margarete, geb. Mengel, geb. 29.08.1901, Kontoristin, ges. von Mengel, Ulrike.

234. Insterburg, Bartoleit, Eduard, geb. 01.04.1889, Gutsverw., ges. v. Bartoleit, Berta.

235. Insterburg, Bode, Helene, geb. 21.03.1890, ges. von Kurmies, Franz.

236. Insterburg, Bartschat, Fritz, geb. 12.01.1899, Fleischer, ges. von Barschat, Manfred.

237. Insterburg, Borchert, Berta, geb. Karminski, geb. ?, Kranzb., ges. v. Borchert, Aug.

238. Insterburg, Born, Amalie, geb. 30.09.1878, ges. von Born, Maria.

239. Insterburg, Braun, Ida, geb. 26.10.1870, ges. von Warssas, Ida.

240. Insterburg, Broscheit, Liselotte, geb. 02.08.1927, Klndergärtn., ges. v. Broscheit, Willy.

 

 

Seite 11   Familienanzeigen

Mein geliebter Mann, unser Vater, Großvater, Bruder und Schwager General der Infanterie z. D.

Alfred von Larisch, ist heute früh in seinem 96. Lebensjahr sanft entschlafen. in tiefer Trauer Elisabeth von Larisch geb. von Sperber. Karl von Larisch. Asta von Larisch. Nikolaus von Larisch. Marie Ursula von Larisch. Margarete von Larisch geb. von Rosenstiel und zwei Enkel. Larischhofen bei Szillen (Ostpr.) jetzt Obernkirchen, Stift, den 20. März 1952

 

Unerwartet entriss uns der Tod am 17. April 1952 unser liebes Mitglied Ingenieur Gerhard Franz Weiß. Als warmherziger und unermüdlicher Förderer begleitete er den Studentenkreis, von dessen Bestehen an. In tiefer Verbundenheit mit seiner ostpreußischen Heimat widmete er noch in seinen letzten Wochen sein reges Schaffen und reiches Wissen dem Aufbau des Altherrenkreises. Er wird uns unvergessen bleiben. Altherren- und Studentenkreis „Ordensland" Dr. Martin Kaleschke. Robert Gers. München, im April 1952

 

Ihre am 15. Februar 1952 vollzogene Vermählung zeigen an, Paul Maeckelburg, Rechtsanwalt und Notar, Ruth Maeckelburg geb.Trostmann. Trittau, Bez. Hamburg

 

Am 31. März 1952 entschlief sanft meine liebe Frau, unsere gute Mutter und Großmutter

Berta Starfinger geb. Werner, im Alter von 79 Jahren. Dr. Starfinger, Arzt zugleich im Namen der Kinder und Großkinder. Halle (Saale), 31. Senffstraße 22a. Die Beerdigung fand am Donnerstag, den 3. April, 13.30 Uhr, auf dem Kröllwitzer Friedhof statt.

 

Nach Gottes unerforschlichem Ratschluss entschlief am 23. Februar 1952 fern von der so sehr geliebten Heimat, nach glücklich überstandener Operation, im 58. Lebensjahr, mein lieber, treusorgender Mann und guter Kamerad in Freud und Leid, unser lieber Vater, Zimmerpolier

Carl Preuß, Königsberg-Rothenstein, Spechtweg 105. In tiefer Trauer, Emma Preuß als Gattin. Herbert und Ursula als Kinder sowie alle Angehörigen. Jetzt Augsburg, Moltke-Allee 28 d

 

Am 17. April 1952 starb unerwartet Im Alter von 37 Jahren mein lieber Mann, unser guter Vater u. Onkel, Herr Gehrard Franz Weiß, Ingenieur. In tiefer Trauer, Hedwig Weiß geb. Festag verw. Heske. Elisabeth Heske. Hildegard Heske. Unterpfaffenhofen bei München, am Tag der Beerdigung dem 21. April 1952

 

 

Seite 11   Suchanzeigen

Stalingradkämpfer! Gesucht wird Obgefr. Albert Wittke, geb. 11.04.1910 in Altendorf, Krs. Gerdauen (Ostpr.). Vermisst seit 17.12.1942, Feldp.-Nr. 06705 B. Nachr. erb. Frau Gertrud Wittke geb. Plieske, früh. Lablack, Kr. Gerdauen, jetzt Fümmelse, Hauptstraße 9, üb. Wolfenbüttel.

 

Gesucht werden: Obgefr. Kurt Plieske, geb. 10.07.1923, in Altendf., Krs. Gerdauen, 2. Ge. Flk.-Ers- u. Ausb.-Batl. (mot. 700) Hall in Tirol, Lager Eichel. Letzte Nachr. vom 15.01.1945. Gefr. Erich Plieske, geb. 21.07.1909 in Altendorf, Krs. Gerdauen, Feldp.-Nr. 24744, zuletzt gekämpft in Angerburg. Letzte Nachricht vom 08.01.1945. Obgefr. Willi Klink, geb. 13.07.1924 in Modgarben, Krs. Rastenburg. Gefr. Heinz Gössel, geb. 07.11.1924, in Burkhardswalde, Feldp.-Nr. 01288, zul. gekämpft im Mittelabschnitt Raum Orscha, verm. seit 02.07.1944. Nachr. erb. an Herbert Plieske, Fümmelse, Hauptstraße 9, über Wolfenbüttel.

 

Rakowski, Franz, geb. 10.05.1872, und Rakowski, Ottilie, geb. 20.06.1880, Königsberg, Yorkstr. 63, sind in Kbg. geblieben. Seitdem keine Nachricht. Wer kann über d. Verbleib meiner Eltern Auskunft geben? Nachricht erb. an Alfred Rakowski, Biedenkopf/Lahn, Stadtgasse 9.

 

Gesucht werden: Frau Ellen Sander, geb. Sander, Königsbg., Tragh. Pulverstraße, zuletzt wohnhaft in Tilsit. - Margarete Baltrus, Bankangestellte in Königsberg, Walsche Gasse, Ecke Steindamm. - Kaufmann Hans Wundram und Ehefrau Meta, Königsberg, Unterhaberberg 3. - Familie Kanzig, Königsberg, Augusta-Viktoria-Str. 9, von Marianne Groß, 16 Frankfurt a. Main, Kirchhainerstraße 9 (früher Kbg., Tragh. Pulverstraße 46).

 

Königsberger! Wer weiß etwas über das Schicksal von Eisenbahninspektor i. R. Rudolph Linck und seiner Ehefrau Henriette Linck, Yorkstraße 48? Letzte Nachr. vom März 1945. Für jede Nachricht ist dankbar Dr. Kurt Linck, Essen, Im stillen Winkel 22.

 

Königsberger! Wer kann mir etwas über meine Eltern Ernst Bosch, Bauschlosser am Heereszeugamt, geb. 24.07.1890 zu Kbg. und Berta Bosch geb. Steffen, geb. 16.05.1895, berichten? 1947 wurden sie noch in Königsberg, Mühlhauserstr. 51, getroffen. Nachr. erb. Hildegard Engel, geb. Bosch, Pfarrweisach üb. Ebern, Ufr.

 

Ernst Roesnick, geb. 07.10.1897 in Kbg., letzte Wohnung Königsberg-Kummerau, Schneewittchenweg, war im Preßwerk Metgethen tätig. Seit der Gefangennahme im April fehlt jede Spur. Wer weiß etwas über den Verbleib meines Mannes? Ferner suche ich meinen Sohn Hans Kirscht geb. 10.08.1916 in Hamburg, verheiratet. Letzte Wohnung Metgethen b. Kbg. Als Soldat gefangen genommen und hielt sich als solcher bis 1947 in Ponarth auf. Nachricht erbittet Frau Erna Roesnick, Leipzig - Burghausen, Miltitzerstr. 6 pat., b. Schirhold.

 

Wer kann Auskunft erteilen über Dr. Willi Klett, geb. 12.02.1900, aus Metgethen, Herrn.-Göring-Platz 5. Er soll am 16.10.1945 im Gef.-Lager Tapiau verstorben sein; Nähere Nachrichten erbittet Schwester Ilse Meyer, Bremen, St. Jürgenstr., Chirurg. Klinik.

 

Achtung! Scharfenwiese und Kobeln! Wer kennt die Kinder Dieter Küch, geb. am 23.09.1942, in Königsberg und Helmut Küch, sowie die Mutter Meta Küch aus Scharfenwiese? Ungefähr im August 1944 sind dieselben von Scharfenwiese mit einer Tante von Frau Küch, der Mann war Prediger, nach Kobeln, Post Kiwitten, Kreis Heilsberg zu Wagner I evakuiert worden und haben sich dort bis November 1944 aufgehalten. Wer weiß etwas von den vorgenannten Personen und kann über ihren Verbleib Auskunft geben. Sachdienliche Angaben erbittet das Amtsgericht Osnabrück zum Aktenzeichen 8 II 222/50.

 

 

Seite 12   Das Kirchspiel Thierenberg. Hier stand eine der ältesten Kirchen des Samlandes

Foto: Inneres der Kirche von Thierenberg – Blick auf Altar und Kanzel

Ein wenig bekanntes Kleinod ostpreußischer Landschaft war das im Mittelpunkt des westlichen Samlandes gelegene Kirchspiel Thierenberg, eine Hauptstation an der wirtschaftlich wichtigen Fischhausener Kreisbahn die das Samlandinnere zwischen Marienhof und Fischhausen verkehrstechnisch aufschloss mit ihren „berühmten" Stationen Kotzlauken, Arissau und Gaffken. Über diesen viel bespöttelten und doch so notwendigen „Schniefke", wissen die Samländer manche ergötzliche Geschichte und humorvolle Begebenheit zu erzählen.

Die Chaussee erster Ordnung Königsberg - Drugehnen - Kumehnen - Godnicken - Fischhausen gehörte dem Kirchspiel von den Dörfern Cojehnen bis Norgau. Von Cojehnen führte eine andere Chaussee nordwärts durch Thierenberg, Kirschappen und Weydehnen nach St. Lorenz und den Samlandbädern Rauschen, Georgenswalde, Warnicken, Gr.- und Kl.-Kuhren mit dem bekannten Wachbudenberg und dem Leuchtturm von Brüsterort.

Seit der Besitznahme des Samlandes durch den deutschen Ritterorden, abgeschlossen 1260, umfasste die Kirchengemeinde sieben adlige Güter und sieben Dörfer mit freien Bauern nach kölmischem Recht. Sie hatte 1944 mit etwa fünfhundert Familien eine Seelenzahl von 2600 Einwohnern. 1911 war durch die von der ostpreußischen Landgesellschaft durchgeführte Besiedlung des großen Gutes Schloss Thierenberg dort mit einem Restgut und zahlreichen ländlichen Siedlerstellen ein offenes neues Dorf in Form der Streusiedlung entstanden. Den geschlossenen Kern des alten Dorfes hatten nur Kirche, Schule, Pfarrhaus, Gasthaus, Pot und das Geschäftshaus des Raiffeisenvereins inne. Unter den zugezogenen Siedlern befanden sich Russlanddeutsche, Schwaben, Ziegelstreicher aus Lippe-Detmold und Schweizer Staatsangehörige. Zu diesem neuen Element in der Bevölkerungsschichtung des Kirchspiels trat 1931 bei der Aufteilung des Gutes Kl.-Norgau neben elf einheimischen Familien weitere elf Familien bäuerlicher Herkunft aus dem rheinisch-wetfälischen Industriegebiet.

Dank eines verständnisvollen Entgegenkommens der eingesessenen Bauern unter maßgebender Mitwirkung des samländischen Bauernvaters Landwirt Johannes Medler-Norgau hatten sich alle Siedler bald und gut als belebendes Element im Kirchspiel eingebürgert. Sie stellten 1944 u. a. den Amtsvorsteher, Bürgermeister und Standesbeamten.

Die Neubauern bildeten ein wertvolles Bindeglied zwischen den einheimischen Besitzern und der sich frei und selbständig fühlenden bodenständigen Landarbeiterschaft.

Das hügelige Gelände von Thierenberg um das liebliche Mühlenfließ und eine weite, klare Aussicht von dem nach Norgau führenden Landwege auf den etwa 8 Kilometer entfernten samländischen Höhenzug mit den Galtgarben und seinem Bismarckturm waren kennzeichnende Besonderheiten. Den Zentralpunkt bildete die auf einer sandigen Anhöhe vom deutschen Ritterorden in den Jahren 1270 bis 1350 errichtete wuchtige Ordenskirche mit ihrem starken Turm, langem Satteldach und den für die Ordensbauweise charakteristischen aufstrebenden Pfeilern. Von dort erscholl weithin das melodische Geläut der alten unter Denkmalsschutz stehenden fünfundzwanzig Zentner schweren Bronzeglocke „Margarethe" und der nach dem ersten Weltkrieg durch die Gemeindeglieder wieder beschafften, 1928 geweihten neuen Glocke, die 1940 wieder abgegeben werden musste. Um das Gotteshaus herum, das sich in seiner strengen Sachlichkeit und soliden Bauart formschön in die herbe Landschaft einordnete, lag der Kirchhof. Die Thierenberger Kirche stammt mit den Kirchen von Juditten und Quednau aus derselben Bauperiode und teilt mit ihnen den Ruhm, zu den ältesten Ordensbauten des Samlandes zu gehören.

Der Kirchenkreis Fischhausen zählte außerdem folgende Gemeinden: Wargen mit der Tochtergemeinde Tannenwalde, Kumehnen, Pobethen, St. Lorenz mit den Tochtergemeinden Rauschen und Neukuhren, Heiligenkreuz mit Gr.-Kuhren, Germau mit Palmnicken-Kraxtepellen, drei Gemeinden in der Stadt Pillau, die Stadtgemeinde Fischhausen mit Tenkitten - Lochstädt - Neuhäuser, und Medenau mit Zimmerbude und Gr.-Heydekrug, den Fischerdörfern am Frischen Haff.

Der letzte vom König von Preußen in seiner Eigenschaft als summus episcopus der evangelischen Kirche der altpreußischen Union ernannte lutherische Superintendent Georg Künstler - Fischhausen hat nach seiner Zuruhesetzung im Jahre 1934 während des zweiten Weltkrieges als achtzigjähriger die Pfarrstelle Germau verwaltet und steht noch heute hochbetagt und selten rüstig in Dietz/Lahn in kirchlicher Arbeit. Sein Nachfolger Superintendent Paul Ankermann kam mit dem während des Krieges ebenfalls im Samland tätigen Pfarrern Konsistorialrat Sulimma - Medenau, Lic. Leege - Cranz, Dompfarrer Dr. Quittschau - Königsberg und Sallopiata - Metgethen auf der torpedierten „Steuben" im eisigen Wellengrab der Ostsee ums Leben. Ihnen folgte 1950 nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft der Germauer Pfarrer Joachim Lange. Der Pfarrer vom Palmnicken, Johannes Jänicke, ist heute in Halle als Probst, der Pfarrer von Pobethen, Paul Ebert, als Superintendent in Pasewalk/Pommern tätig. Diese beiden waren nach 1945 in vorbildlicher Pflichterfüllung bei ihren heimatlichen Gemeinden verblieben, hatten auf teilweise weiten Wanderungen unter Einsatz ihres Lebens das gesamte westliche Samland seelsorgerisch betreut und waren 1947 ausgewiesen worden. Die Pfarrer Henkys - Heiligenkreutz, Knoblauch - Kumehnen, Schmidt - Wargen, Sperling - Zimmerbude, Dr. Gerhard Friedrich - Gr.-Heydekrug, Becker - Tenkitten, Matz - Rauschen Payk - St. Lorenz und Walsdorff - Pillau sind heute in verschiedenen Gemeinden innerhalb der DEK in der Bundesrepublik tätig.

Ein riesiger Findling in Besitz des Bauern und Kirchenältesten Ernst Godau- Cojehnen war dazu bestimmt, den Grabstein am Eingang der Gruft Hindenburgs im Ehrenmal von Tannenbereg zu bilden.

Es ist für die ruhige Entwicklung und den engen Zusammenhalt aller Glieder des Kirchspiels Thierenbergs nicht ohne Einfluss gewesen, dass es dort fast nur Pfarrer mit langjähriger Tätigkeit gegeben hat. Seit Einführung der Reformation im Jahre 1525 auf Veranlassung des letzten deutschen Hochmeisters Herzog Albrecht von Brandenburg durch den Bischof des Samlandes Georg Polentz hat die Gemeinde nur 22 Pfarrer gehabt, von denen einige eine ehrenvolle Berufung nach Königsberger Gemeinden erreichten. Ein Patriarch unter ihnen war Pfarrer Rudolf Strauß, geboren in Elbing, der bis 1927 38 Jahre hindurch als gewissenhafter Seelsorger und stets hilfsbereiter Mensch in Segen gewirkt hat. Anlässlich seines 80. Geburtstages ernannte die Gemeindevertretung von Thierenberg Pfarrer Strauß zu ihrem Ehrenbürger. Einen bemerkenswerten Höhepunkt im Leben der Kirchengemeinden bildete die Neuweihe der Kirche am 16. Juni 1936. In seltener Einmütigkeit und planvoller Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen gelang es dem Gemeindekirchenrat, dem Innern dieses Gotteshauses durch die leuchtenden heimatlichen Samlandfarben rot-weiß-grün einen frohen und festlichen Ausdruck zu verleihen, der lutherischer Glaubenshaltung und bodenständiger bäuerlicher Lebensbejahung entsprach.

Durch die ostpreußische Dorfkirchentagung in Thierenberq im Jahre 1930 war die Gemeinde weithin bekannt geworden. 1931 wurde Pfarrer Paluk, der letzte Thierenberger Pfarrer im Nebenamt zum Siedlungspfarrer der Kirchenprovinz Ostpreußen berufen, und in seiner Thierenberger Gemeindearbeit durch zwölf Vikare unterstützt. 1934 übernahm Pfarrer Paluk außerdem den Vorsitz im Ostpreußischen und Deutschen Dorfkirchenverband. Pfarrer Paluk wurde dann 1939 zur Wehrmacht einberufen und 1944 schwer wehrdienstbeschädigt entlassen. Die beiden letzten Gottesdienste am 14. und 21. Januar 1945 hielt trotz Krankheitsbehinderung Pfarrer Paluk ab.

Am 29. Januar 1945 erging der Räumungsbefehl an die Einwohner des Kirchspiels. Am 1. Februar wurde Thierenberg von den angreifenden Russen erobert und am 6. Februar nach harten Kämpfen um die schwer beschädigte Kirche von den Deutschen zurückgewonnen. Am 14. April 1945 fiel das Kirchspiel völlig in russische Hände. Sämtliche Pfarrgebäude wurden ein Raub der Flammen und die meisten Gehöfte der Ortschaft völlig zerstört. 1946 wurde die Kirche von zurückgebliebenen Gemeindegliedern als teilweise verfallen und im Innen gänzlich ausgeraubt und unbrauchbar gemeldet.

Entgegen dem ergangenen Räumungsbefehl war über ein Drittel der Bevölkerung, vor allen Bauern und Landarbeiter, in der Heimat verblieben. Diese hatten zahlreichen Verhaftungen, mancherlei Bedrängnis und bitteren Hunger zu durchstehen. Der Tod hatte unter ihnen eine große Ernte gehalten. Die überlebenden wurden dann ohne jede Habe 1947 ausgewiesen. Heute sind die Thierenberger über ganz Deutschland verstreut, viele von ihnen aber haben auch eine neue Heimat im Ausland gefunden. Sie stehen miteinander in festem Zusammenhang und regen Gedankenaustausch, den der letzte Thierenberger Pfarrer Richard Paluk, jetzt in Hamburg, eifrig pflegt. Auch bei den Thierenbergern und Samländem wird das Bild der Heimat im Herzen bewahrt bleiben und sie werden ihr angestammtes Erbe als Geist und Art niemals verleugnen.

 

 

Seite 12   Morgen am Löwentin. Von Horst Gerhard Dreher

Wie zärtlich schmeichelt die Welle

Um meinen nackten Fuß,

Wie winkt mir die Morgenhelle

Ihren rosigen Gruß!

 

Von Purpurwellen herunter

steigt froh der junge Tag

Und schafft ein liebliches Wunder

Rings in dem Uferschlag.

 

Es springen aus Rosenfeuer

Fische zum Sonnenlicht.

Aus stäubendem Tropfenschleier

Silbernes Leuchten bricht.

 

Liebkosend schmiegt sich die Welle

Glücklich zum Ufersaum –

Wandelt auf sandiger Schwelle

Sich in schneeigen Schaum.

 

Über die Wasser vielselig

Spür ich die Freude fliehn.

Es trinken die Augen fröhlich

Morgen am Löwentin!

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